Laufen und Reisen. LC Bayern 08631/ Erwin Fladerer.

Transkript

1 LC Bayern 08631/ Erwin Fladerer Laufen und Reisen Es ist unser Sport Es ist Weltmeisterschaft Es ist in unserem Land. Wer da nicht dabei war ist selber schuld. Im Fernsehen gab es viele Stunden Liveübetragungen. Wir waren live dabei - in Berlin 2009 Berlin, im August 2009 Wer live dabei ist, erlebt auch mehr. Vom Sport, von Menschen, von der Stadt. Wir kommen in Berlin an und wohnen nicht das erste Mal im Motel an der Avus. Hoppla, es ist doch kein legendäres Oldtimerrennen auf Berlin`s bekanntester Automobilpiste angesagt. Und dennoch vermittelt das Motel einen Hauch von früherer Rennatmosphäre. Mit zahlreichen Plakaten, Trophäen und den fast schon verrotteten Tribünen, wenn wir aus dem Fenster schauen. Berliner Bären Auf geht`s in die Stadt, in die Hauptstadt, in die WM-Stadt. Rosi und ich haben als Verkehrsmittel das Fahrrad gewählt. Es sollte sich lohnen. Nach zehnmal Berlin Marathon gibt es für mich diesmal mit der Leichtathletik-WM ein anderes Ziel. Doch die erste Besichtigung führt wie immer zum Kurfürstendamm und zum Brandenburger Tor. Dort ist am Pariser Platz ein zweites Stadion für die WM-Tage entstanden. Und noch immer ist es als ehemaliger "Berlin-West-Marathonläufer" ein eigenartiges Gefühl, durch das Brandenburger Tor hindurch zu gehen, ja sogar mit dem Rad hindurch fahren zu können. Das war mal ganz anders, abschreckend die Teilung an jener Stelle, als wir noch auf der grünen Wiese vor dem Reichstag am Marathonstart standen, mit dem Rücken zum Osten und ausschließlich durch Westberlin liefen. Mag man über die Wiedervereinigung denken wie man will -vor Augen die kreuze der getöteten Flüchtlinge- hier tut sie gut. Auch wenn sie viel zu viel gekostet hat und noch immer kostet, das ahnsehnliche Berlin wächst mehr und mehr auch in den Ostteil der Stadt hinein. Vornehm unter den Linden, auch links und rechts davon die toprenovierten Gebäude. Das Kulturstadion hat Programm, ist frequentiert. Mehr Besucher haben nur noch daneben die internationalen Fressbuden. Erwin und Rosi mit dem Fahrrad in Berlin

2 Der nächste Tag gehört schon ganz den Athleten und dem Besuch im Stadion. Und wer kennt es nicht das Olympiastadion von 1936, als der Amerikaner Jesse Owens für Sportgeschichte sorgte. Heute stehen noch immer die alten massiven Mauern, sonst auf den neuen Stand gebracht mit der blauen Laufbahn, die optisch einfach ein Hingucker ist. Schloss Charlottenburg Maria Elisabeth Lüders Haus Wir halten schon ein wenig den Atem an, als wir in die Weite der Arena schauen, ganz anders aus gestattet mit dem wettkampfmäßigen Outfit als bei einem banalen Fußballspiel. Die Könige der Athleten messen sich im Zehnkampf, leider spielen die Deutschen zunächst gar keine Rolle. Die Mittagspause nutzen wir, um mit dem Fahrrad nicht weit hinüber zum Schloss Charlottenburg zu fahren. Im riesigen Park finden wir schnelle eine Bank und machen Brotzeit... und auch ein kleines Nickerchen. Zu Fuß wäre der große Park nur etwas für eine Laufeinheit, mit dem Radl geht`s im weitläufigen Grün mit einem großen See schneller voran, um dann über Land an der Spree entlang wieder zur Abendvorstellung der Zehnkämpfer zu kommen. Ein Deutscher arbeitet sich nach vorn. Brandenburger Tor Ariane Friedrich ein wenig größer als Rosi

3 Interessiert verfolgen wir natürlich die 5000 Meter Vorläufe und manch feierliche Siegerehrung, die uns besonders beim Weltmeistertitel im Diskus der Männer mit der deutschen Nationalhymne berührt. Ariane Friedrich spannt uns beim Hochsprung auf die Folter - die geile Göre aus Berlin und wir sind dann mit Bronze zufrieden. Um Uhr fällt der Startschuss zum 200 Meter Finale. Usain Bolt läuft wieder einmal allen davon, das Stadion ist fast voll und mitgerissen vom neuerlichen Weltrekord des Jamaikaners. 19,19 Sekunden stehen auf der Anzeigentafel, während der Applaus vor lauter Staunen nicht nachlässt und Usain mit dem Maskottchen Berlino posiert. Ja, wir sind Zeugen eines Weltrekordes durch einen Athleten, der hier 2009 Geschichte schrieb. "Ich bin ein Bolt" ließ es Berlino allen Zuschauern wissen. Und Usain sagt es laut: "ich bin ein Berlino"! Eine Steigerung ist kaum mehr möglich, doch das Finale der Zehnkämpfer ist mit dem 1500 Meter Lauf immer ein "Finale furioso". Die Zehnkämpfer verdienen Bewunderung und der Deutsche wird zum Schluss sogar noch Sechster. Das ganze Abenteuer des Tages verdient noch mindestens ein Bier an der Hoteltheke. Ich bin ein Berlino Ich bin ein Bolt Am nächsten Morgen ist Gehen angesagt. 50 Kilometer haben sich die Herren vorgenommen. Mal schaun, ich sehe sie erstmals live. Die komische Bewegung ist schnell, im Viererschnitt zu schnell für mich als Läufer. Sie haben meinen Respekt. Gehen, nein Bummeln ist angesagt für die Väter mit ihren Kids. Shop rein und Kaufhaus raus, das muß natürlich auch sein. Für Josef muß es der Flohmarkt in Schöneberg sein. Heute ist der komplette Osten dran - oder was wir davon überhaupt sehen wollen. Wir radeln nur ein kleines Stück weiter zum Berliner Dom, bewundern die große Kuppel und das fast wohnliche Ambiente von Innen und steigen natürlich hinauf, um das Ganze und Berlin überhaupt von oben zu sehen. Herausgeputzt ist das Nikolaiviertel, Lokalitäten laden ein als wir vorbeifahren. Das neue Berlin bröckelt langsam ab, als wir in Friedrichshain angekommen sind. Im maroden Osten wechseln sich unansehnliche Hinterhöfe, Dreck und Brachland ab. Harmlose Irre und verrückte Junkies begegnen uns. Nur der neue Ostbahnhof und die O 2 World vermitteln, dass sich auch hier bald mehr tut. Wir interessieren uns für das längste Stück noch erhaltene Berliner Mauer. Die East Side Gallery ist Original und Kunstwerk zugleich. Ständig versuchen Künstler ein Stück Mauer auf ihre Art zu erklären. Der Stadtteil Prenzlauer Berg vermittelt da schon einen anderen Eindruck. Die Gastronomie hat hier Einzug gehalten, erst recht als wir Richtung Hackescher Markt kommen und am Alexanderplatz in die großen Einkaufspassagen schauen - Westen pur. Heute heißt das Berlin-Mitte. Über den Kudamm suchen wir den Savignyplatz, eine gute Adresse für`s Abendessen. Geher auf der Strecke unter den Linden Kunstwerk Mauer: Die East Side Gallery Der Mauer auf der (Straßen) Spur

4 Bald hätten wir das Laufen vergessen. Heute vor dem Marathon der Männer und vor dem Frühstück drehen Rosi und ich eine Runde, haben aber noch keine rechte Peilung. Obwohl der Grunewald direkt vor uns liegt, weist im Straßen-und Autobahngewirr rund um das Motel an der Avus noch kein Wegweiser dorthin. Also erst einmal in die Richtung. Wir finden den Halensee, der eine Umrundung in einer halben Stunde zulässt. Am Frühstückstisch planen wir grob den Tag. Auf`s Radl geschwungen sind wir rechtzeitig am Potsdamer Platz. Kilometer 1, 10einhalb und Halbmarathon auf dem Vierrundenkurs des Marathonlaufes. Zuerst aber lädt der schöne Tag noch ein, die Architekur des Potsdamer Platzes zu bewundern. Vieles dreht sich in diesen Tagen auch um den Sport. Ausstellungen, Fotos, Mitmachbewerbe und sportliche Demonstraionen zum Staunen. Wir staunen auch, als wir die vielen Helfer, die Organisation und den Aufwand für ein paar Hand voll Marathonis hautnah mitbekommen. Drei, vier, fünf Hubschrauber kreisen schon über uns und bald sind sie da: Schwarze und noch schwärzere Läufer, dazwischen Asiaten und wenige weiße Gesichter. Wo ist der kommende Weltmeister unter ihnen? Die Deutschen haben sogar Schuhe mit schwarz-rot-goldenen Sohlen, sollten aber dennoch bis auf Andre Pollmächer keine Chance haben vorne zu landen. Wir wechseln den Schauplatz. Wieder lohnt sich das Fahrrad, um schneller zu einem anderen Standort zu gelangen. Viele Straßen sind für den Verkehr gesperrt. Freie Fahrt für Radler! Ziel des Marathonlaufes, wie könnte es besser sein, ist am Brandenburger Tor. Einen Kilometer davor postieren wir uns zum Finale. Nach einer 2:06er Siegerzeit des Kenianers steht uns der Tag noch bevor. Sportliche Hürden und Info am Potsdamer Platz Schwarz-rot-goldene Sohlen Marathonpulk der Männer Berliner Dom Wir verfolgen den Championsrun, der auf einer Marathonrunde von etwa Läufern wie du und ich gelaufen wird. Peter ist leider nicht dabei, gerade aber erspähen wir noch Alfred und Fredl, zwei Postler aus München. Die Kids haben ein Athletenhotel ausgemacht und warten gespannt und fast stundenlang, um die Stars zu sehen. jede Menge Autogramme zeigen sie uns am Abend voller Stolz. Es sind Erlebnisse, die sie nie vergessen werden. Das Abendessen führt uns im breiten Angebot in ein argentinisches Steakhaus.

5 Sabrina Mockenhaupt war unsere beste Marathonläuferin Noch einmal ein Marathontag, noch einmal ein Stadiontag, noch einmal ein Sonnentag. Wir starten unsere tägliche Fahrt mit dem Fahrrad über die verkehrsfreie sechsspurige Straße des 17.Juni. Es macht Spaß, Fotos gehen sogar vom Fahrrad aus. Wir radeln noch einmal hinein in die Mitte zum Kulturstadion, parken am Hotel Adlon. Den schönen Platz am Gendarmenmarkt vergessen wir ebenso nicht wie einen Abstecher zum Checkpoint Charlie, dem ehemaligen Grenzübergang Die Frauen werden heute am noch wärmeren Sonntag den Marathon laufen. Vier Deutsche sind am Start. Mit der kurzfristigen Absage der deutschen Sieganwärterin Mikitenko müsse wir leider kleinere Ansprüche in Kauf nehmen und hoffen auf "Mocki", unseren sympathischen deutschen Lauffloh. Wir postieren uns bei Kilometer 5 im Regierungsviertel, das wir uns in seiner ganzen Größe mit den neuen Palästen und der belassenen Weitläufigkeit im Zentrum und an der Spree gelegen angeschaut haben. Direkt hinter uns liegt die Wiese am Reichstag, die mich wieder an meinen ersten Berlin Marathon 1985 erinnert. Peter war damals auch dabei, mit dem ich über die Zeiten und den Ausgang des Rennens fachsimple. Ein Kameramann entdeckt uns und filmt einige Minuten für das internationale Bild, während ich im LC Bayern Trikot die Berliner Zeitung lese. Die Aufnahme könnte tatsächlich gerade in den "Beautybildern" weltweit kommen, verrät mir der Kameramann. Doch die Zeit ist knapp und die Marathonläuferinnen stehen kurz vor dem Start am nahegelegenenen Brandenburger Tor und schmeissen uns aus dem Bild. Das Rennen ist im Gange. Mocki beginnt verhalten, holt in der zweiten Runde auf. Am Ende sagt sie es sei ihr langsamster (2:30:07) aber auch ihr schönster Marathon gewesen. Unsere Zurufe haben gewirkt. Die Siegessäule am Großen Stern Der Reichstag und die grüne Wiese davor Marathon der Frauen bei Km 5

6 Bundeskanzleramt Lisa und Tobias Konzerthaus und Franz.Dom Vor dem Olympiastadion Noch einmal fahren wir mitten durch das Regierungsviertel in Richtung Hotel. Fertigmachen zum Showdown im Stadion. Der Abschlusstag bringt nur Entscheidungen, die durch die vielen Siegerehrungen eigentlich nicht mehr so spannend sind. Unsere 12 Plätze nehmen wir diesmal im Block 40.1 fast in direkter Linie zum Zieleinlauf ein. Mit dabei ist heute unser Berliner Vereinsmitglied Michael Rustler mit Frau und Kind. Unsere größeren Kids (Sophie, Lisa und Tobi) sind schon wieder erfolgreich unterwegs auf Autogrammjagd. Robert saß gestern mit Meter Sieger Keninisa Bekele auf der Hotelbank und holt sich dort das Autogramm des äthiopischen Weltmeisters. An diesem Abend wurde er sogar Doppelweltmeister, gewannn vor unseren Augen auch die 5000 Meter, ein sympathisch guter Bursche. Die Zeit im Stadion verging viel zu schnell. Ein bischen Wehmut kam auf, denn die WM-Tage sind bald zu Ende. Ob im Fernsehen oder live in Berlin - es war eine tolle WM in einer tollen Stadt. See you 2011 in Daegu? Die nächste WM in Südkorea ist ein bischen weiter weg als Berlin.