4. Von der Idee zum fertigen Song

Transkript

1 Ableton Live Profi Guide 4. Von der Idee zum fertigen Song Wer kennt das nicht? Man wird mitten in der Nacht wach und hat eine Idee für den neuesten Hit. Jetzt bloß nicht wieder einschlafen, sondern schnell den plötzlichen Einfall umsetzen, da sonst am Morgen alles vergessen ist. Also ab an den Rechner, Ableton Live anschmeißen und den nächtlichen kreativen Erguss festhalten. Wie du mit Audio- und MIDI-Clips schnell und effektiv einen Song erstellst, erfährst du in diesem Kapitel. 4.1 Audio-Clips Audio-Clips sind ein wichtiger Bestandteil von Ableton Live. Es kann sich bei ihnen um kurze Loops, ganze Songs oder einzelne Drumhits handeln. In anderen Sequenzerprogrammen wird häufig von Regions gesprochen. Es ist möglich, Audio-Clips sowohl in der Session- wie auch in der Arrangement-Ansicht zu bearbeiten und miteinander zu verknüpfen bzw. zu arrangieren. Innerhalb des Clips können viele verschiedene non-destruktive Funktionen angewendet werden. Durch einen Doppelklick auf den entsprechenden Audio-Clip werden alle Parameter in der Clip-Ansicht eingeblendet. Ein Audio- / Midi-Clip Wichtige Parameter in der Clip-Ansicht Timing-Veränderung und Quantisierung (Warping) Automationen mittels Envelopes Launch- und Trigger-Einstellungen Transposition Digitaler Gain Loop-Auswahl Shuffle Arbeiten mit Audio-Clips Audio-Clips sind kleine Bausteine, mit denen der Kreativling nach Lust und Laune jonglieren kann. Das Rhythmusfundament kann also durch einen ausgiebigen Samplepool schnell umgesetzt werden. Meist müssen Loops aus 40

2 4. Von der Idee zum fertigen Song Sample Libraries aber noch der Idee angepasst werden. Außerdem wäre das Kopieren von Loops doch langweilig, oder? Das Arbeiten mit Audio-Loops in Ableton Live funktioniert dank der besonderen Oberfläche sehr intuitiv und läuft leicht von der Hand. Hier bieten sich dem User viele kreative Möglichkeiten, Loops anzupassen, zu schneiden oder gänzlich zu verfälschen. Jede Funktion kann sowohl technisch wie auch stilistisch genutzt werden. Schnelles Korrigieren und Neuarrangieren von Samples kann beispielsweise durch Schneiden der Loops und anschließendes Konsolidieren in der Arrangement-Ansicht erreicht werden. Arrangiere in der Arrangement-Ansicht deinen Loop neu. Konsolidiere das neu arrangierte Material (Rechtsklick > Konsolidieren). Gehe mit der Maus auf den neuen Audio-Clip, halte die linke Taste gedrückt und betätige die TAB-Taste, um in die Session-Ansicht zu wechseln. Lege dann den neuen Loop in einen Slot. Du kannst Audio-Material auch mit einer externen Audio-Edit-Software, wie beispielsweise Wavelab oder Peak, editieren. Stelle dafür in deinen Voreinstellungen unter File/Folder den Pfad zu der Startdatei deiner Edit-Software ein. Dort öffnet sich dann das Sample des gewählten Clips, wenn du auf Edit im Clip-Rahmen klickst Warpen und Tempoanpassung Das Warpen ist eine der speziellsten und elementarsten Funktionen in Live, um Audio-Material zu bearbeiten. Durch Elastic Audio besteht die Möglichkeit, Samples einem Tempo und einem bestimmten Groove anzupassen, ohne dass die Tonalität des Samples transponiert. So ist es möglich, eine betrunkene Jazzkapelle geradezubiegen oder einem straighten Technoact einen James- Brown-Groove zu verpassen. Auch etwas krumme Schlagzeugaufnahmen können nachträglich quantisiert werden. Funktionsweise des Warpings Warping beruht auf der Granular-Synthese. Ein Audio-Signal wird in viele kleine Scheiben zerhackt, die sogenannten Grains. Wird nun das Signal 41

3 Ableton Live Profi Guide verlängert oder gestaucht, werden die Grains verdoppelt oder halbiert. Bei kleinen Tempoveränderungen ist dies kaum hörbar (1 10 bpm). Bei erheblichen Veränderungen werden allerdings deutliche Fragmente durch sich wiederholende oder fehlende Grains hörbar. Aber genau diese Sounds machen sich viele Künstler der elektronischen Musikgenres als Stilmittel zunutze. So entstehen durch Warpen schnell sogenannte Glitch-Sounds. Bei klassischen Musikinstrumenten und einem konventionellen Sounddesign sollte allerdings so wenig wie möglich gewarpt werden, da sich das Ganze natürlich schnell auf die Klangqualität des Ausgangsmaterials auswirkt. Hier ein simpler Versuch, um die Grains deutlich hörbar zu machen: Lade einen Audio-Loop aus deinem Samplepool in einem Audio-Track. Aktiviere Warp im Clip-Rahmen. Starte den Audio-Clip und verändere nun das globale Tempo immer weiter nach unten. Du wirst nun bei Veränderungen ab 10 bpm deutlich die sich wiederholenden Grains hören. Erhöhe nun das Songtempo deutlich, und du wirst merken, dass Teile gänzlich fehlen. Die Tonalität bleibt aber gleich! Auf der CD findest du du ein Video-Tutorial zum Thema Warping. Audio auf MIDI-Spur slicen Um Samples noch mehr Flexibilität zu verleihen oder in ein spielbares Instrument zu wandeln, nutze die Funktion Auf neue MIDI-Spur slicen. So wird ein MIDI-Clip in einer neuen MIDI-Spur gelegt. In dieser ist jeder einzelne Slice chromatisch angeordnet. Live erzeugt ein Drum-Rack mit jeweils einer Kette pro Slice. Jede Kette wird durch eine MIDI-Note im Clip angetriggert. Die Slices werden jeweils in einen Simpler Device pro Kette aufgeteilt. Natürlich kann auch jeder Slice mittels Keyboard oder Drumpad gespielt werden, indem die MIDI-Spur auf Input oder Record Ready gestellt wird. Im Slice-Menü findest du verschiedene Voreinstellungen, die du wählen kannst. 42

4 4. Von der Idee zum fertigen Song Definiere zuerst die zu erstellenden Slices durch Warp-Marker. Sinnvoll ist es, darauf zu achten, dass die Warp-Marker auf musikalischen Zählzeiten liegen. Warp-Marker Durch Rechtsklick auf den Audio-Clip kannst du Auf neue MIDI-Spur slicen auswählen, worauf sich ein Dialogfeld öffnet. Slice-Menü Klicke im Dialogfeld auf Wähle einen Slice pro Warp-Marker und bestätige mit OK. Es wird nun für jeden Warp-Marker ein Slice erstellt, dem wiederum chromatisch jeweils eine MIDI-Note im Drum-Rack zugewiesen wird. Slices Die Slices können jetzt im Pianoroll des MIDI-Clips neu arrangiert werden. 43

5 Ableton Live Profi Guide Neu arrangierte Slices Eine weitere Slice-Variation ist das Slicen nach Transienten. Live erstellt bei jedem errechneten Transienten einen Slice, der bis zum nächsten Transienten andauert. Wähle hierzu Wähle einen Slice pro Transient aus. Du kannst auch selbst Transient-Marker setzen. Außerdem können ganze sowie 1 /2-, 1 /4-, 1 /8-, 1 /16- und 1 /32-Takte gesliced werden. Mit Slicen ist es also beispielsweise möglich, aus einem Drumloop einen einzigen Sound herauszuschneiden und diesen dann flexibel neu zu ordnen. Durch das automatische Ablegen der Slices im Simpler und das Aufsplitten in Geräteketten kann jeder einzelne Slice im Live-Mixer gepegelt werden. Ein Universum an Spaß bringt dann das Einsetzen von Effekten in jede Kette. Live hat hier direkt einige Effekt-Presets für das Slicen mit an Bord. Wie du mit Ketten und Effekten arbeiten kannst, liest du in Kapitel 5. Die Slice-Presets Integriert Ein blankes Preset ohne weitere Effekte. Es wird lediglich ein Drum-Rack mit jeweils einem Simpler pro Slice erstellt. Makro-Mapping Attack: globale Attack-Einstellungen für alle Simpler in den Ketten. Decay: globale Decay-Einstellungen für alle Simpler in den Ketten. Sustain: globale Sustain-Einstellungen für alle Simpler in den Ketten. Release: globale Release-Einstellungen für alle Simpler in den Ketten. Start Offset: Die Startpunkte der Slices werden im Simpler verschoben. Loop Compress: Die Endpunkte der Slices werden im Simpler verschoben. Loop Length: Nach dem ersten Durchlauf des Slices bestimmt die Loop Length, welcher Teil des Slices wiederholt wird, bevor der nächste angetriggert wird. 44

6 4. Von der Idee zum fertigen Song X-Fade/Snap: Erstellt einen Crossfade in dem geloopten Bereich und deaktiviert gleichzeitig den Snap-Modus. Snap lässt nur Loops an den Nulldurchgängen zu, um Knackser zu vermeiden. Durch diesen Parameter können die Loops nicht stufenlos moduliert werden. Built in-o-vel Auch hier sind keine zusätzlichen Effekte integriert. Allerdings können im Pianoroll Velocity-Werte für die einzelnen Slices definiert werden. Makroparameter gleichen dem Integriert-Preset. Chord & Stutter Durch dieses Preset lassen sich die Slices gegeneinander verstimmen. Makros auf Arpeggiator; Note Length und Chord, die in der Kette vor dem Simpler platziert sind, regeln einen Stottereffekt und ermöglichen das tonale Verändern der Slices. Ein zusätzlicher Pitch-Makro ist direkt auf der Simpler Transponse gemappt. Hinter dem Simpler sitzt noch Dynamic Tube, dessen Funktion auf den Grid-Makro gelegt ist. Über diesen Parameter bekommt das Silce mehr Biss. Peach Fuzz Dieses Preset macht die Slices dreckig! Durch Saturator und Kompressor bekommen sie ordentlich Schmutz, der kaum zu überhören ist. Die Makros Peach Fuzz und Fuzz Exteior regeln die Stärke der Sättigung im Saturator. Mix Ratio bringt die durch den Saturator entstehenden Sounds nach vorn bzw. mischt diese in den Hintergrund. Spray Washer regelt die Filterfrequenz und die Resonanz innerhalb des Simplers. Delay Amount und Feedback bestimmen das Delay-Verhältnis und die Feedback-Länge im Filter Delay, während Delay Amount gleichzeitig die Frequenz des Notch-Filters im Filter Delay bestimmt. Tune Knob transponiert die Slices innerhalb des Simplers. Slicer Dicer Hierbei handelt es sich um ein Preset, dessen Effektkette für Bleep- und Glitch- Modulation sorgt. Rate bestimmt die Geschwindigkeit der rhythmischen Muster, die der Arpeggiator erzeugt. Pitch Divisions legt die Stufen der Transponierung fest, während Octave Range die maximale Transponierung der Stufen definiert. Gate Length stellt die Länge der angetriggerten Noten ein. Redux, der durch den Bit-Distortion-Makro gesteuert wird, verringert die Bitrate des Ausgangssignals. Sweep Delay regelt einen Filter im Filter Delay und bestimmt gleichzeitig die Delay-Zeit. HU-Gate definiert den Threshold im Gate, der dann die Slices stottern lässt. Der Slice Pitcher transponiert die Slices innerhalb des 45

7 Ableton Live Profi Guide Simplers. Durch dieses Preset lassen sich die Slices vollkommen verfälschen, sodass teilweise ganz neue harmonische Strukturen entstehen Arbeiten mit REX-Files Der REX-Modus unterscheidet sich von den anderen Warp-Modi in mehrfacher Hinsicht. Am auffälligsten ist, dass er nicht im Sample-Rähmchen der Clip- Ansicht ausgewählt werden kann, sondern beim Laden einer Datei im REX-Format automatisch aktiviert wird. REX-Dateien sind durch das Programm ReCycle von Propellerhead bekannt. Sie enthalten Tempo- und Timing-Informationen und synchronisieren sich zum Tempo deines Sets genau wie alle anderen Audio-Dateien. REX-Files lassen sich auch wie normale Audio-Dateien durch das Slicen in ein spielbares Instrument umwandeln oder neu arrangieren. 4.2 MIDI-Clips Die zweite Variante von Clips und ebenso wichtige Bausteine auf dem Weg zum fertigen Track sind die MIDI-Clips. Der Unterschied zu Audio-Clips liegt im Wesentlichen nur darin, dass hier kein Audio-Material bearbeitet wird, sondern MIDI-Daten. Innerhalb eines Pianorolls können MIDI-Noten Timeline-gebunden programmiert werden, um einen internen oder einen externen Klangerzeuger anzusteuern. Klangerzeuger können VSTi-Instrumente, Ableton-Instrumente oder ein Hardware-Instrument sein. Durch einen Doppelklick auf einen MIDI-Clip wird die Clip-Ansicht eingeblendet. Die globale Tempoeinstellung synct MIDI- und Audio-Clips immer zueinander vorausgesetzt, die Audio-Clip-Quantisierung ist metrumgenau. Das MIDI-Clip-Rähmchen 46

8 4. Von der Idee zum fertigen Song Wichtige Parameter in der MIDI-Clip-Ansicht Automation mittels Envelopes Launch- und Trigger-Einstellungen Bank-Change-Befehle Velocity-Werte für jede Note Loop-Auswahl Shuffle MIDI-Clips erstellen MIDI-Clips können erzeugt werden durch: Doppelklicken in einem leeren Slot eines MIDI-Tracks; Aufnehmen von MIDI-Noten; Auswählen eines Zeitbereichs in einer Arrangement-MIDI-Spur und den Befehl MIDI-Clip erzeugen (Rechtsklick auf gewählten Zeitbereich); Auswahl eines leeren Slots in einem MIDI-Track in der Session-Ansicht und den Befehl MIDI-Clip erzeugen (Rechtsklick auf ausgewählten Slot). Der MIDI-Editor Die Clip-Ansicht öffnet sich durch Doppelklicken auf einen MIDI-Clip. Der Editor ist aufgeteilt in einen Noten-Editor (Pianoroll) oben und den Velocity- Editor unten. Es stehen zwei Werkzeuge zum Einzeichnen der Noten und zum Einstellen der Velocity-Werte zur Verfügung. Du kannst das Werkzeug mit Strg + B (PC) oder Apfel + B (Mac) wechseln. Mit dem Stift (Einzeichnen-Werkzeug) kannst du durch Klicken in der Pianoroll Noten einzeichnen oder löschen, mit dem Pfeil-Werkzeug verschieben oder verlängern. Velocity-Werte kannst du mit dem Einzeichnen-Werkzeug zeichnen oder mit dem Pfeil-Werkzeug einzeln anheben und absenken. MIDI-Clip-Ansicht 47

9 Ableton Live Profi Guide Befehl Windows Mac Werkzeug wechseln Strg + B Apfel + B MIDI-Clip erzeugen Strg + Shift + M Apfel + Shift + M Quantisieren Strg + U Apfel + U Kopieren von Noten Strg und ziehen Alt und ziehen Velocity ändern Alt und ziehen Apfel und ziehen Anzeige folgt Songposition Clip-Region mit Start-Marker bewegen Strg + F Shift + Pfeiltasten (links/rechts) Apfel + F Shift + Pfeiltasten (links/rechts) Raster feiner machen Strg + 1 Apfel + 1 Raster weiter machen Strg + 2 Apfel + 2 Raster dritteln Strg + 3 Apfel + 3 Einrasten am Raster Strg + 4 Apfel + 4 Fixiertes/Zoomadaptives Raster Einrasten beim Ziehen umgehen Strg + 5 Apfel + 5 Alt Apfel Auf der CD findest du ein Tutorial zum Thema MIDI-Quantisieren mit dem Groove Pool. Dies ist eine sehr interessante und nützliche Funktion, die es seit Version 8 gibt. 48

10 4. Von der Idee zum fertigen Song Quantisieren Werden MIDI-Noten direkt im MIDI-Editor programmiert, sind sie aufgrund der Rasterung im Pianoroll theoretisch perfekt. Werden sie allerdings durch ein Keyboard, die Tastatur oder ein Drumpad aufgenommen, kann es passieren, dass sie nicht ganz auf den Zählzeiten sitzen. Damit nicht jede einzelne Note manuell an die richtige Stelle gerückt werden muss, gibt es die Quantisieren- Funktion. Dieser Befehl rückt Fehler gerade. Markiere alle Noten, die quantisiert werden sollen. Durch Rechtsklick auf eine markierte Note kannst du den Befehl Quantize Settings aufrufen, worauf sich eine Dialogbox öffnet. Quantize Settings In der Dialogbox kannst du ein Raster für die Quantisierung auswählen und entscheiden, ob der Beginn oder das Ende (oder beide) der selektierten Noten quantisiert werden soll. Das Quantisieren der Notenenden wird die Noten so dehnen, dass sie an der nächsten Unterteilung des gewählten Rasters enden. Du kannst Noten ohne das typische maschinell-perfekte Feeling quantisieren, indem du mit dem Amount- Parameter nur einen wählbaren Prozentsatz auf die theoretisch perfekte Position definierst. Du hast auch die Möglichkeit, direkt beim Aufnehmen von MIDI-Noten diese zu quantisieren. Wähle hierzu im Kontextmenü unter Bearbeiten > Während der Aufnahme quantisieren das gewünschte Quantisierungsraster aus. Bist du nach der Aufnahme mit der Quantisierung unzufrieden, kannst du diese per Undo aufheben. Die Aufnahme bleibt hierbei unangetastet. 49