Djerbahood: Street-Art in Tunesien

Transkript

1 Djerbahood: Street-Art in Tunesien Unerbittlich brennt die Sonne herab auf das kleine Dorf Erriadh. Es ist Mittagszeit und nur selten zeigt sich ein Bewohner in den aufgeheizten Gassen. Sie bleiben lieber daheim, in ihren aus kühlem Stein gemauerten Häusern. Und lassen sich von den vorbeigehenden Besuchern nicht stören, die immer wieder fasziniert vor den Gebäuden stehenbleiben und Fotos knipsen. Djerbahood ist eine Art Freilichtmuseum. Denn Erriadh ist nicht nur das älteste Dorf der tunesischen Touristeninsel Djerba, sondern hat mit dem Projekt Djerbahood vor fast zwei Jahren auch eine Art Graffiti-Freilichtmuseum geschaffen. Zahlreiche Street-Art-Künstler aus aller Welt haben sich mit ihren Werken an den Mauerwerken der kleinen Gässchen und Plätze verewigt. Dabei darf jeder Künstler seine Steinmauer oder Häuserwand nach eigenen Vorstellungen gestalten, offizielle Vorgaben gibt es nicht. Offizielle Vorgaben gibt es nicht. Die Farben und Motive sollten lediglich in das Gesamtbild des Dorfes passen, erklärt Zied Lasram. Der tunesische Künstler

2 führt gerne Besucher durch die verwinkelten Gassen von Djerbahood und erzählt etwas über die Straßenkunst. Sein eigenes, in Erdtönen gehaltenes Bild zeigt zwei bekannte Zeichentrickfiguren. Eine von ihnen bedrängt und beschimpft eine Frau. Damit will ich auf Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen, sagt Lasram. So wie er haben sich auch andere Künstler der Rolle der Frau in der Gesellschaft gewidmet. In einer Straße ist beispielsweise eine verschleierte Frau mit einer Eisenmaske vor dem Gesicht großflächig an die Wand gemalt. An anderer Stelle zeigen mehrere Zeichnungen nacheinander, wie sich eine Frau unter einem traditionellen Gewand verhüllt. Revolution als Thema. Natürlich spielt auch der politische Umbruch Tunesiens auf vielen Bildern eine Rolle. Etwa in Form des auf eine Häuserkuppel gemalten, alles umgreifenden Riesentintenfisches. Oder einer vor der Revolution flüchtende Kolonie Kaninchen.

3 Die Idee hinter alldem stammt aus Paris, von dem tunesischen Galeristen Mehdi Ben Cheikh. Er lud vor zwei Jahren rund 250 Künstler aus aller Welt ein, an dem Projekt Djerbahood teilzunehmen und Erriadh in ein buntes Dorf zu verwandeln. Um einen, wie er sagt, politischen Dialog mit einer jungen Demokratie zu suchen. Denn anders als bei vielen Graffiti- Bildern, die man hierzulande von S-Bahnhöfen oder Fassaden kennt, sollen die bunten Bilder in Djerbahood kritisieren, thematisieren oder polarisieren. Auch ein deutscher Künstler ist hier verewigt Dabei spiele es eine geringere Rolle, ob sie mit Hilfe von Spraydose, Pinsel oder anderem Werkzeug entstanden seien. So hat zum Beispiel der deutsche Graffitisprayer Dome eine komplette Mauerwand mit einem schwarz-weiß Gemälde verziert. Das Bild zeigt einen liegenden, zerbrochenen Arm, aus dessen Hand ein Apfel rollt. Daneben ist die abstrakte Figur eines musizierenden Wesens mit Tiermaske eingefangen. Das Werk thematisiere Adam und Eva, die Verführung und auch gleichermaßen Judentum, Christentum und Islam, erklärt der Künstler.

4 Mehr Tourismus für das Hinterland. Djerbahood fördert aber nicht nur die Kunst- und Kulturszene des Landes und macht sie international bekannt. Auch das Hinterland von Djerba soll davon profitieren und Urlaubern sowie jungen Leuten schmackhaft gemacht werden. Denn auch wenn Erriadh nicht mit Strand und Meer aufwarten kann, besitzt das Dorf doch einige noch unbekannte kleine Boutiquehotels, etwa das Dar Dhiafa. Betreten die Gäste den Innenhof des von dicken Mauern umgebenen kleinen Hotels, scheint die Zeit stillzustehen. Ruhig und abgeschieden abseits von Massentourismus und großen Hotelbunkern punktet die Unterkunft mit nur zehn Zimmern, zwei kleinen Pools und einigen liebevoll gestalteten, schattigen Plätzen zum Entspannen. Verlassen die Gäste ihre Unterkunft wieder und bahnen sich einen Weg durch die verzweigten Gassen von Djerbahood, schaut ihnen nur wenige Straßenecken weiter ein großer, an die Mauer gemalter Katzenkopf hinterher.

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