bayerische Amazonas Die Donau von Ulm bis Passau

Transkript

1 Der bayerische Amazonas Die Donau von Ulm bis Passau Ein Film von Hannes Meier Beitrag: Volker Eklkofer & Simon Demmelhuber Inhalt Die Donau ist der z w e i t l ä n g s t e Fluss Europas und der längste Bayerns. Zwischen Ulm und Passau hat sie abwechslungsreiche Landschaften und einzigartige Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschaffen. Sie ist Trinkwasser- und Energiespender, Freizeitparadies für Ausflügler, Angler, Wanderer, Radfahrer und Wassersportler. Als europäische Wasserstraße verbindet die Donau Bayern mit dem Schwarzen Meer. Ab Kelheim ist der bayerische Amazonas schiffbar - noch weitgehend ohne Staustufen und Flusskorrekturen. Zwischen Straubing und Vilshofen, einem 73 Kilometer langen, naturbelassenen Teilstück der Donau, gibt es jedoch bei Niedrigwasser Probleme. Um den geplanten Ausbau wird heftig diskutiert. Was die Schifffahrt als sanierungsbedürftigen Flaschenhals im europäischen Wasserstraßennetz betrachtet, ist für Naturschützer ein Landschaftsjuwel, das nicht angetastet werden darf. Am Beispiel der Debatte um den Donauausbau zeigt die Sendung exemplarisch das Spannungsfeld zwischen volkswirtschaftlichen Interessen und Naturschutz. Fakten Die bayerische Donau Die Donau, nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas, fließt von West nach Ost. Die genaue Länge war lange umstritten. Aus diesem Grund liegt der Flusskilometer Null nicht am Ursprung, sondern am Ende der Mündung ins Schwarze Meer. Hintergrund ist eine Gelehrten- Kontroverse um den Anfang der Donau. Man war sich lange Zeit nicht einig, ob der Fluss nun an der Breg im Hochschwarzwald, am Zusammenfluss von Brigach und Breg bei Donaueschingen oder im Donaueschinger Schlossgarten beginnt. Seit 1981 gilt die Quelle im Schlosspark der Fürsten zu Fürstenberg als wahre Quelle der Donau. Die Donau ist demnach Kilometer lang, davon sind 577,2 Kilometer deutsch. Im Einzugsgebiet der Donau leben 200 Millionen Menschen. Heute durchfließt die Donau zehn Staaten, oft ist sie Grenze. Entlang der Donau finden wir faszinierende Naturparadiese, Schifffahrtsstraßen, große Häfen und triste Industrieregionen. Bayerischer Rundfunk 1

2 Nachdem sie sich als kleiner Fluss durch Baden- Württemberg geschlängelt hat, erreicht die Donau Bayern. Die bayerische Donau beginnt bei Ulm und endet in Passau, wo sich die bayerischösterreichische Donau anschließt. Im Freistaat nennt man die Donau scherzhaft auch Weißwurstäquator, hinter dem Preußen beginnt. Ab Ulm führt die Donau ausreichend Wasser und ist für kleinere Schiffe befahrbar. Hier versuchte Albrecht Ludwig Berblinger, das tapfere Schneiderlein, im Jahre 1811 zu fliegen und landete im Wasser. Von hier aus fuhren die Ulmer Schachteln, Frachtschiffe mit niedrigem Tiefgang, bis Ende der 1890er Jahre regelmäßig bis nach Wien. Ab Ulm folgen Wehre und Staustufen einander in kurzen Abständen, als wollten die Bayern der Donau beweisen, dass nun ihr Arbeitsleben zu beginnen habe. Jetzt muss sie Kernkraftwerke kühlen, Industrieabwässer schlucken, Schiffe tragen und Schleusen dulden. Es ist sicher nicht allzu überspitzt zu behaupten, ab Ulm ist die Donau den Bedürfnissen der Energiewirtschaft, ab Kelheim zudem der Schifffahrt angepasst worden (Maier. Dieter. Die Donau Natur, Kultur, Land und Leute. Eggolsheim: Nebel Verlag, 2005, S. 42). In Neuburg an der Donau residierte der kunstsinnige und prachtliebende Ottheinrich von der Pfalz. Der 1559 verstorbene Enkel des Landshuter Hochzeitspaares war der erste Herrscher der neugeschaffenen Jungen Pfalz. In Ingolstadt wurde 1516 das bayerische Reinheitsgebot erlassen. Schließlich erreicht die Donau Kloster Weltenburg, das die 1050 gegründete älteste Klosterbrauerei der Welt, einen Biergarten und zahlreiche K u n s t s c h ä t z e, darunter Werke der Asam-Brüder beherbergt. Bei Weltenburg befindet sich der Donaudurchbruch, eine schmale Enge, die das Wasser durch das Jura-Gesteinsmassiv gefressen hat. In drei engen Kurven schlängelt sich der Fluss zwischen 100 Meter hoch ragenden Felsen hindurch. Mehr als eine halbe Million Menschen besuchen Jahr für Jahr den Donaudurchbruch. Dann weitet sich das Tal, über dem bei Kelheim die von König Ludwig I. erbaute Befreiungshalle thront. Hier beginnt der eigentliche Schiffsverkehr auf der Donau. Die Donau fließt durch Regensburg, Straubing, Deggendorf und Vilshofen. Mehrere Kloster- und Wallfahrtskirchen wie Oberaltaich und Niederaltaich oder Mariä Himmelfahrt in Sossau befinden sich entlang des Flusses. Schließlich erreicht die Donau Passau, wo sie vom Inn verstärkt wird, und weiter in Richtung Österreich, Slowakei und Ungarn fließt. Zwischen Passau und dem oberösterreichischen Aschach erstrecken sich 40 Kilometer weit die Donauleiten, eines der artenreichsten Täler Deutschlands. Hier finden wir Pflanzen und Tiere, die sonst nur in den Alpen oder im Mittelmeerraum vorkommen. Die bayerischen Donauhäfen In Bayern ist die Donau bereits ein bedeutender Transportweg, die Donauhäfen Reg e n s b u r g, Straubing, Deggendorf und Passau sind wichtige Warenumschlagplätze. Sie entlasten den Straßenverkehr von und nach Südosteuropa. Die Häfen wollen für Bahn, Schiff und LKW gleichermaßen attraktiv sein und bieten ein Branchenmix aus Transport, Logistik, Dienstleistung und Produktion an. Bayerischer Rundfunk 2

3 Allein in Regensburg, dem größten Donauhafen zwischen Kelheim und dem Schwarzen Meer, wurden 2011 beachtliche 7,5 Millionen Tonnen umgeschlagen das entspricht der Menge von über LKW-Ladungen. Regensburg ist führend im Schiffsgüterverkehr. Auf der Donau werden u. a. Fahrzeuge von BMW, Mercedes und Renault transportiert. Im Hinblick auf die wachsende Zahl von Autofabriken in den EU-Beitrittsländern wird dem Autotransport eine große Zukunft prophezeit. Die Donau gilt erst zu Prozent ausgelastet. Der Streit um den Donau-Ausbau Zwischen Straubing und Vilshofen gibt es ein ca. 70 Kilometer langes Stück der Donau, das schwer schiffbar ist. Bis dorthin ist der Fluss für die Kapitäne der Lastkähne berechenbar, er ist breit und tief genug. Hinter Straubing beginnt bei Niedrigwasser die Ungewissheit. Manchmal dauert es Wochen, bis die Pegel hoch genug stehen, um mit voller Beladung den Weg fortzusetzen. Da das Wasser an mehr als 200 Tagen im Jahr zu niedrig ist, soll die Donau nach den Vorstellungen der bayerischen Staatsregierung und der Güterverkehrslobby ausgebaut werden. Ausbaupläne gab es schon seit Jahrzehnten, doch erst als 1992 der Rhein-Main-Donau-Kanal eröffnet wurde und der Güterverkehr von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer in greifbare Nähe rückte, gingen die Planer erneut ans Werk. Drei Ausbau-Varianten wurden geprüft: Variante A sah vor, dem Fluss durch Sohlebefestigung und Buhnen, die vom Ufer aus in den Fluss reichen, an mindestens 180 Tagen eine Fahrtiefe von über 2,50 Metern zu geben. Buhnen lenken das Wasser in die Strommitte und vertiefen die Fahrrinne. Diese Variante wurde als sanfter Ausbau - von den Naturschutzverbänden unterstützt. Variante C/C 2,80 sah eine Staustufe und einen 2,3 Kilometer langen Schleusenkanal an der Mühlhamer Schleife vor. Damit sollte eine durchgängige Abladetiefe von 2,50 Metern an durchschnittlich 290 Tagen erreicht werden. Variante D 2 ging von drei Staustufen und einer ganzjährigen Befahrbarkeit aus. Die Varianten C und D wurden von Umweltschützern strikt abgelehnt. Sie setzten sich vehement für den Erhalt des noch naturnahen Flussabschnitts ein. Er sei, so betonten sie, eines der wertvollsten Rückzugsgebiete in Mitteleuropa für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Dieser bayerische Amazonas werde durch Wehr- und Schleusenanlagen weitgehend vernichtet. Auftrag- und Hauptgeldgeber beim Donauausbau ist der Bund, nicht der Freistaat Bayern, der nur zu einem Drittel an den Kosten beteiligt wird. Im Jahre 2002 stimmte der Bundestag mit der damaligen rot-grünen Mehrheit für die Variante A. Die bayerische Staatsregierung akzeptierte diesen Beschluss nicht und setzte durch, dass im Planungsverfahren auch Staustufen-Varianten geprüft wurden. Am 9. März 2006 veröffentlichte die Regierung von Niederbayern das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens. Variante C hatte sich durchgesetzt. Der Bund Naturschutz in Bayern sprach umgehend von einer Verbeugung vor der Staustufenlobby. Dann ging der Streit weiter, beide Seiten versuchten ihre Position bestmöglich in der Öffentlichkeit darzustellen. Nach wie vor wird um den Ausbau heftig gerungen. Noch bis 2012 läuft eine EU-Studie, die die Belange des Umwelt-/Naturschutzes und des Frachtverkehrs berücksichtigen und eine Empfehlung abgeben soll. Der Bund Naturschutz, der entlang der Donau eine Reihe von Grundstücken aufgekauft hat, hat bereits damit gedroht, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof zu klagen. Bayerischer Rundfunk 3

4 Didaktische Hinweise Die Sendung kann im GSE und Erdkundeunterricht ab der 5. Jahrgangsstufe eingesetzt werden. Lehrplanbezüge Bayern Hauptschule GSE 7. Jahrgangsstufe Deutschland im Überblick. Die Schüler sollen neben der naturräumlichen Gliederung (Tiefland, Mittelgebirge, Hochgebirge) auch größere Flüsse und wichtige Städte kennen lernen. Realschule Erdkunde 5. Jahrgangsstufe 5.4 Orientierung in Deutschland und in Bayern. Die Schüler lernen Großlandschaften, große Flüsse und einige Mittelgebirge kennen. 6. Jahrgangsstufe 6.7 Verkehr in Europa Gymnasium Erdkunde In der 5. Jahrgangsstufe wird das Gewässernetz Deutschlands behandelt. Ausdrücklich verlangt der Lehrplan die Erarbeitung von Flusslandschaften: Erosion, Transport und Ablagerung; Nutzung durch den Menschen; Hochwassergefahr. Anregungen Es bietet sich an, die Sendung arbeitsteilig von den Schülerinnen und Schülern auswerten zu lassen. Dabei können mehrere Beobachtungsgruppen gebildet werden unter folgenden Aspekten: Topographisch: der Flusslauf von Ulm bis Weltenburg, die Weltenburger Enge, die Donau bis Straubing, die Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Thematisch: der Fluss als Ökosystem - die Eingriffe des Menschen in den Flusslauf die Donau als Verkehrsachse Streit um den Donauausbau. Zwei Arbeitsgruppen könnten die Argumente der Gegner und Befürworter des Donau-Ausbaus zwischen Straubing und Vilshofen zusammentragen und versuchen, sie gegeneinander abzuwägen. Diskutiert werden kann auch das Statement der Regierung von Niederbayern: Der Donau-Ausbau steht im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Notwendigkeit und ökologischer Belastbarkeit. Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen die Donau als Verkehrsachse Mitteleuropas kennen lernen; erfahren, dass seit Jahren ein Streit zwischen den Befürwortern und Gegnern des Donau-Ausbaus zwischen Straubing und Vilshofen schwelt; die Problematik des Donau-Ausbaus einschätzen; Einblick erhalten in das Spannungsfeld zwischen volkswirtschaftlichen Interessen und Naturschutz. Bayerischer Rundfunk 4

5 Literatur- und Internettipps Maier. Dieter. Die Donau Natur, Kultur, Land und Leute. Eggolsheim: Nebel Verlag, Links Planet-Wissen-Informationen zur Donau BR-online-Informationen zur Donau Informationen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zum Donauausbau Bayerischer Rundfunk 5