Zertifikate Eine Möglichkeit der Produktdifferenzierung (und Einstieg in ökologische Stromerzeugung)?

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1 Zertifikate Eine Möglichkeit der Produktdifferenzierung (und Einstieg in ökologische Stromerzeugung)? Energieversorgungsunternehmen müssen vor dem Hintergrund der Klimaveränderung ihren Teil zur umweltschonenden Energieversorgung beitragen (das zeigen verschiedene Umfragen: zwar kennen nur 8 % der Privatkunden den Strompreis, aber fast 90 % sehen eine Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Klimaveränderungen und noch 70 % finden die Förderung von regenerativen Energien für sehr wichtig). Der Einstieg in die ökologische Erzeugung ist für viele Unternehmen aufgrund ihres Gesamtbedarfes, ihrer Finanzkraft oder des Umfeldes nicht möglich. Die Beteiligung an kleineren Einzelprojekten (Windkraft, Wasserkraft, Solarenergie oder KWK- Anlagen) in der Kommune oder Region stellt sich häufig nicht oder kann das Bezugsportfolio nur in geringem Umfang ergänzen. Oft bleibt daher nur der Bezug von Ökostrom. Eine Anpassung des Bezuges ist aufgrund der mehrjährigen Beschaffung, von Rahmenverträgen etc. nur in begrenztem Umfang möglich. Sind Ökostrom-Zertifikate eine intelligente und preiswerte Alternative? Wie können Zertifikate genutzt werden und wie sorgen sie für umweltschonende Erzeugung? 1. Basis für Öko-Stromprodukte für Endkunden Heute gibt es mehrere Möglichkeiten Ökostrom zu vermarkten: - Eigenerzeugung vermarkten - Bezug von Öko-Strom vom Erzeugungsunternehmen(z. B. Wasserkraftwerk) - Bezug von Öko-Strom-Zertifikaten - Bezug von Öko-Strom einschl. Marketing von Spezialisten (z. B. Naturwatt) - Bau von Erzeugungsanlagen aus den Aufpreisen bei Öko-Produkten für Endkunden 2. Zertifikate Zertifikate (Herkunftsnachweis bzw. Garantiezertifikat) garantieren Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Sie sind keine Warenzeichen. Das Vorlegen eines Herkunftsnachweises/Garantiezertifikats ist für Stromproduzenten in den EU- Mitgliedsländern verpflichtend, wenn sie den Strom aus erneuerbaren Energiequellen generieren. Die EU verbindet mit dieser Regelung die folgenden Umweltziele: Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 1 von 7

2 Reduzierung von CO2 Emissionen, grenzüberschreitender Handel mit aus erneuerbarer Energiequellen produzierter Strom zwischen den 25 EU Mitgliedsländern. Damit ist die Möglichkeit geschaffen das Produkt aus erneuerbaren Energiequellen generierter Strom zu vermarkten. Zertifikate sind werden seit einigen Jahren auch grenzüberschreitend gehandelt, Die Zertifikate gibt es in verschiedenen (gleichwertigen) Formen. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur ein System beschrieben, aber zum Beispiel sog. GoO - Guarantee of Origin - stellen eine gute Alternative zu den unten beschriebenen RECS dar. 3. Das RECS-System: 3.1. Was sind RECS RECS Renewable Energy Certificate-System RECS ist eine Initiative von Energieversorgern, Netzbetreibern, Nichtregierungsorganisationen und anderen (nichtstaatlichen) Firmen. Ziel von RECS ist die europaweite Förderung von regenerativer Energie sowie die Bereitstellung einer Infrastruktur für den Handel mit Grünem Strom. (Bundesverband Verbraucherzentrale) Die Erzeuger von regenerativem Strom verkaufen den Strom und den ökologischen Mehrwert getrennt voneinander. Den Strom verkaufen sie zum Marktpreis und über das RECS erzielen sie die Erlöse für die ökologische Erzeugung. Für den RECS Käufer (Eigentümer) bedeutet das, dass er mit dem Erwerb des Zertifikates sicherstellt, dass eine entsprechende Menge Strom einer bestimmten Erzeugungsanlage auch (ökologisch) erzeugt wird. Den Mehrwert stellt er durch Vernichtung seiner RECS seinen Kunden zur Verfügung. D. h. er liefert seinen Kunden in der entsprechenden Menge Ökostrom. Das RECS-System stellt also grenzüberschreitend sicher, dass regenerative Stromerzeugung gefördert wird und erschließt damit den regenerativen Strommarkt in Europa für die Stadtwerke. Ein RECS-Zertifikat ist gleich einer MWh Stromerzeugung aus regenerativer Energie einer bestimmten Erzeugungsanlage. Die Preise für Zertifikate bilden sich am Markt (Handelsware) und liegen heute je nach (auf einmal beschaffter) Menge z. B. zwischen 0,4 1,0 /MWh. Das RECS stellt durch eindeutige Registrierung sicher, dass jede erzeugte Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 2 von 7

3 MWh nur einmal verkauft wird. Es registriert auch die Käufer und stellt sicher, dass die Verbraucher der Zertifikate (Anzeige der Vernichtung) ihren Kunden gegenüber den Strom auch nur einmal verkaufen können, da auch die Vernichtung registriert wird. Damit erwirbt der Endkundenbelieferer also Ökostrom, den er seinen Kunden liefern kann, unabhängig davon woher und welchen physikalischen Strom der Endkundenverteiler bezogen hat. Die Internetseiten des RECS findet man unter Wer verkauft RECS Teilnehmer an dem System sind zum Beispiel Energieversorger, Energiehändler oder Produzenten. Die Liste der Mitglieder ist unter einsehbar Welche Erfahrungen gibt es bisher in Deutschland? Der Erfahrungsbericht von RECS Deutschland e.v.: Erfahrungen in Deutschland In Deutschland hat der Abschluss der zweijährigen Testhandelsphase gezeigt, dass das RECS System Potentiale für regenerative Energien entwickeln kann. Es wurden verschiedene organisatorische und strukturelle Voraussetzungen geschaffen, die dem nationalen RECS System wichtige Impulse verliehen haben. Als Grundvoraussetzung für ein national funktionierendes RECS Systems war die Etablierung institutioneller Strukturen. An der Grundlagenarbeit waren mehrere Institutionen und Unternehmen beteiligt. Den sogenannten Issuing Body - die Institution, die für die Einhaltung der von RECS im System gesetzten Regeln sorgt - stellt das Öko-Institut e.v. in Zusammenarbeit mit der Energiestiftung Schleswig-Holstein. Verschiedene TÜVs (TÜV Nord Umweltschutz GmbH & Co. KG, TÜV Rheinland/Berlin/Brandenburg GmbH, TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH) sind als Produktion Registrars für die Überprüfung der Produktionsanlagen zuständig und agieren gleichzeitig als Auditing Bodies. Das Central Monitoring Office, zuständig für die Zertifikateverwaltung, wird seit Anfang 2003 von Gerling Cert Umweltgutachten geführt. Aus der Energiewirtschaft sind sowohl große als auch kleine und mittlere Energieversorger aktiv am RECS System beteiligt. (c) 2003 RECS Deutschland e.v. Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 3 von 7

4 4. Kundenbedürfnisse im Zusammenhang mit Ökostrom Eine stichprobenartige Befragung im Frühjahr 2007 von Stadtwerken gab folgendes Ergebnis: - Wunsch, neben den Privatkunden auch die Kundensegmente Gewerbe und Industrie zu erschließen - Bedarf der Stadtwerke an Ökostrom steigt, wenn der Preis sich EEX nähert - Als Preishöhe wird häufig EEX + 0,5 1,0 /MWh genannt (um größere Mengen von Ökostrom zu beschaffen) - Die Beschaffung von Mengen zwischen 30 und 100 GWh/a bzw. ein fest geordertes Jahreskontingent sollte zum Durchschnittspreis von verschiedenen Handelstagen (mehrere Lose werden beschafft) geordert werden können - Der Ökostrom würde genutzt werden - um damit Kunden zu beliefern, - zur offensiven Imagepflege (Stromkennzeichnung) und - als Verkaufsunterstützung (Produktdifferenzierung, Kundenbindung) - Bei der Art der Zertifizierung sind sich die Weiterverteiler nicht sicher, welche sie nutzen wollen (genannt wurden vor allem TÜV, Grüner Strom Label e. V. und Herkunftsnachweis, während das RECS-System offensichtlich noch nicht so bekannt ist). 5. Wie können Stadtwerke Zertifikate einsetzen? Stadtwerke können wie bisher ihren Stromeinkauf tätigen. Ob Vollbezug, strukturierter Bezug oder Kraftwerksscheibe, durch den Kauf von Zertifikaten wird der bezogene Strom in der Größenordnung des Kaufs von Zertifikaten in Strom aus erneuerbaren Energien (z. B. Wasserkraft) verwandelt. Es entstehen keine neuen, zusätzlichen Beschaffungsrisiken oder -aufwendungen. Allerdings sind Zertifikate auch eine Handelsware und damit ist der Preis volatil. Bezogen auf den Strompreis sind Preisänderungen bei den Zertifikaten allerdings minimal. Durch den Kauf von Zertifikaten fördert das Stadtwerk die Produktion von regenerativem Strom und erwirbt damit Ökostrom. Damit eröffnen sich für Weiterverteiler neue Perspektiven bei der Stromkennzeichnung und bei der Produktentwicklung (Ökostrom). Einige deutsche Stadtwerke gehen gerade dazu über nur noch Ökostrom z. B. für Privatkunden zu liefern (vgl. Ökostrom von SWT Stadtwerke Trier). Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 4 von 7

5 Zertifikate können in beliebiger Höhe gekauft werden. Verbunden mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit bieten einfache Aussagen Vorteile, wie zum Beispiel: 50 % unseres Stromes kommt aus Wasserkraft oder 100 % unseres Stromes für Privatkunden kommt aus Wasserkraft. Bei einem entsprechenden Ansatz (nur noch Ökostrom an Privatkunden liefern) sieht der zusätzliche Aufwand je nach Ökoabsatz wie folgt aus (Beispiel für 2007): Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 5 von 7

6 Die Bezugsbilanz für die Stromkennzeichnung verändert sich durch den oben dargestellten Kauf von RECS-Zertifikaten deutlich: Vorteile: a) Ökostromkunden bekommen 100 % Ökostrom oder alle Privatkunden bekommen Ökostrom (soweit die Anzahl der Zertifikate die Abnahme dieses Kundenkreises übersteigt) b) Stromkennzeichnung ändert sich deutlich und setzt sich von den Wettbewerbern ab. Selbstverständlich können auch Gewerbe- und Industriekunden-Mengen einbezogen werden. Gewerbe- und Industriekunden, die mit ihrem bezogenen Ökostrom werben, haben eine größere Bindung zu ihrem Stromlieferanten. Eine entsprechende Kampagne hat auch positiven Einfluss auf die Privatkunden und Meinungsbildner. Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 6 von 7

7 Fazit: Strom-Zertifikate sind gerade für Stadtwerke, die ihre Beschaffung (bzw. ihren Beschaffungsprozess) nicht ändern wollen oder können (langfristiger Bezug, gute Ergebnisse etc.) eine ideale und preiswerte Alternative zum direkten Bezug von Ökostrom. Die Risiken bei der Beschaffung sind gering und beherrschbar. Der Vorwurf des Etikettenschwindels kann sehr gut dadurch begegnet werden, das TÜV, Öko-Institut in Freiburg und andere seriöse Institutionen den Zertifikate-Handel unterstützen und aktiv in die Prozesse (Überprüfung von Anlagen, Prüfung der Garantien, Zertifizierung) involviert sind. EU-Recht (EU Richtlinie 2001/77/EU definiert u. a. Strom aus erneuerbaren Energiequellen) und nationales Recht (EnWG) flankieren das ganze. Der Einsatz auf der Kundenseite ist vielfältig: Marketing: Strommix-Verbesserung Imageaufbau Schneller Umbau zum umweltbewussten Unternehmen Vermeidung der Abwanderung von Ökostrombeziehern (und Kunden-Rückgewinnung) Strombezug: Zertifikate können Kohlekraftwerksscheiben reinigen Physikalische Strombeschaffung wird nicht beeinflusst Endkundenprodukte: Umfassendes preiswertes Öko-Produkt für Privatund Gewerbekunden möglich preiswerte Beschaffung von Strom für Öko-Kunden Kundenbindung (Ökostrom als Wettbewerbsvorteil) Der Einsatz für die Umwelt auch: Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (und damit) Verdrängung von grauem Strom Förderung des Zertifikatehandels Reinhold Wetjen Düsseldorf, im Juni 2007 Seite 7 von 7