Pilz-Raritäten im Nationalpark Hohe Tauern

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1 Pilz-Raritäten im Nationalpark Hohe Tauern Text und Fotos von Hans-Jürgen Schäfer, Folkersbeck 43, Essen Alter Lärchenstubben mit Lärchenschwamm Der österreichische Nationalpark Hohe Tauern stellt mit Teilen der Länder Salzburg, Kärnten und Tirol über eine Fläche von fast 1800 qkm den größten Nationalpark Europas dar. Der Park gliedert sich in eine Außenzone und eine Kernzone. Während die Außenzone Bereiche naturnaher Kulturzonen umfasst, erstreckt sich die Kernzone im wesentlichen auf streng geschützte Hochgebirgs- und Gletschergebiete. Ausgedehnte Waldbestände, extensiv bewirtschaftete Wiesen und Almen, verschiedene Vegetationsstufen sowie Klima- und Bodenfaktoren bieten ideale Lebensräume für eine artenreiche Pilzflora. Nachfolgend werden einige bemerkenswerte, leicht kenntliche Arten vorgestellt, die im Osttiroler Teil des Nationalgebietes angetroffen wurden und die in Deutschland ausnahmslos auf den Roten Listen zu finden sind. 1. Der Lärchenschwamm Laricifomes officinalis ist eine in Deutschland sehr seltene Pilzart, die im Verbreitungsatlas (Krieglsteiner, 1991) nur mit 2 MTB-Punkten vertreten ist. Sie erscheint ausschließlich in alten Lärchenbeständen an leben- Lärchenschwamm (RL1) Laricifomes officinalis (Vill.:Fr.) Kotl. & Pouz. kein Speisepilz

2 Erlen-Grübling Gyrodon lividus (Bulliard:Fr.) Karsten eßbar, aber zu schonen den oder bereits abgestorbenen Stämmen und ist in Deutschland somit auf das Vorkommen im Alpenraum beschränkt. Die Fruchtkörper können ein Alter von 50 und mehr Jahren erreichen. Nach Literaturangaben wurden in Amerika Exemplare von 65 cm Höhe mit bis zu 70 Röhrenschichten gefunden. Er galt als einer der ältesten Heilpilze und wurde schon bei den alten Griechen und Römern als Medizin gegen alle möglichen Krankheiten angewendet. Noch bis in unser Jahrhundert hinein diente der Verkauf des Apothekenschwamms armen Bergbewohnern als willkommene Einnahmequelle. Sein Hauptwirkstoff ist neben weiteren organischen Substanzen die stark abführend wirkende Agaricinsäure, heute allerdings durch moderne Arzneimittel ersetzt. Der Lärchenschwamm L. officinalis gilt in Deutschland als vom Aussterben bedroht. Gefährdungskriterien der Roten Liste: 0 = erloschen bzw. verschollen 1 = Vom Aussterben bedroht 2 = Stark gefährdet 3 = Gefährdet R = Latent gefährdet Glossar: clavatus = keulenförmig corium = lederig flavidus = gelblich imbricatus = dachziegelig lividus = bleifarbig officinalis = heilkräftig pratensis = auf Wiesen wachsend suaveolens = wohlriechend Der Tintling Extraheft (2/2000) Seite Erlen-Grübling Gyrodon lividus Im Nationalpark ist dieser bei uns seltene Röhrling in den bachbegleitenden Grauerlenbeständen der Tallagen anzutreffen. Er ähnelt von oben betrachtet dem Kahlen Krempling, von dem er sich auf der Hutunterseite allerdings unverkennbar durch die am Stiel herablaufenden Röhren unterscheidet. Sie sind jung zitronengelb, im Alter oliv und nehmen, wie auch das Fleisch, auf Druck eine blaue Färbung an. Der Erlengrübling ist ein Mykorrhizapilz, der an feuchten Standorten vom Flachland bis ins Gebirge vorkommt. Die Gattung Gyrodon besteht aus nur 1 Art und grenzt sich von den anderen Röhrlingen durch die vom Hutfleisch nur schwer ablösbare Röhrenschicht ab. Der Pilz ist zwar essbar, das Sammeln verbietet sich aber aufgrund seiner Seltenheit. Anm. red. Im Saarland erscheint die Art in den Schwarzerlenbeständen rekultivierter Kohlebergehalden. Sie ist aber auch dort als seltene und ungewöhnliche Besonderheit zu betrachten.

3 Wiesen-Ellerling, Orange-Ellerling (RL 3) Hygrocybe pratensis (Pers.: Fr.) Murill eßbar f Wohlriechender Korkstacheling (RL 2) Hydnellum suaveolens (Scopoli:Fr.) Karsten kein Speisepilz Der Tintling Extraheft (2/2000) Seite 12

4 3. Wiesen-Ellerling Hygrocybe pratensis Halbtrockenrasen, Gebirgswiesen und Almen sind der hauptsächliche Lebensraum dieser schönen Art, die durch Farbgebung und Form an einen Pfifferling erinnert. Der Hut ist jung konvex geformt, später abgeflacht, kreiselförmig, dickfleischig, gelblich bis dunkel orange. Die entfernt stehenden, dicklichen Lamellen laufen am Stiel herab und sind queraderig verbunden (Anastomosen). Dieses Merkmal und sein Standort charakterisieren diesen Pilz. Vergleichbare Schnecklingsarten sind dagenen in Wäldern beheimatet. Der Wiesen-Ellerling ist zwar ein guter Speisepilz, sollte aber geschont werden. 4. Wohlriechender Korkstacheling Hydnellum suaveolens Korkstachelinge sind bodenbewohnende Saprophyten mit korkartigem, gezontem Fruchtfleisch. Die Unterseite ist mit elastischen Stacheln besetzt. Die Gattung Hydnellum umfasst annähernd 20 Arten. Ihr weisses Sporenpulver unterscheidet sich von den in der Gattung Phellodon zusammengefassten Arten mit braunem Sporenpulver. H. suaveolens besitzt einen unregelmäßig-rundlichen Hut mit höckeriger Oberfläche, weisslich, ockerlich bis dunkelbraun. Die Art ist im Feld durch das blau gezonte Fleisch Wohlriechender Korkstacheling (Trama) und den ausgeprägten Anisgeruch leicht anzusprechen. Der Pilz ist in den Gebirgs-Nadel- und Mischwäldern der Hohen Tauern nicht selten anzutreffen, in Deutschland gelten nahezu alle Korkstachelinge als stark gefährdet. 5. Habichts-Stacheling Sarcodon imbricatus Er ist ein Mykorrhizapilz von Fichten und Kiefern und besitzt, wie die Korkstachelinge, ein stacheliges Hymenium, unterscheidet sich aber von diesen durch die fleischige Konsistenz und ungezontes Fruchtfleisch. Namengebend sind die sparrig abstehenden Hutschuppen, die an das f Habichts-Stacheling (RL 3) Sarcodon imbricatus (L.:Fr.) Karsten eßbar, aber zu schonen

5 Habichts-Stacheling (RL 3) Sarcodon imbricatus (L.:Fr.) Karsten Federkleid eines Habichts erinnern. Die Art tritt in den Gebirgsnadelwäldern der Alpenländer noch recht häufig auf, wird bei uns nach Norden hin jedoch immer seltener. Der Habichts-Stacheling hat in seiner Gattung einige Doppelgänger, die aber noch weitaus seltener anzutreffen sind. 6. Lederige Lorchel Helvella corium Bei oberflächlicher Betrachtung des nur wenige cm breiten, schüsselförmigen Fruchtkörpers denkt man zunächst an einen Becherling, insbesondere, wenn der Stiel nur sehr kurz ausgeprägt ist. Ansonsten besteht eine Verwechselungsmöglichkeit zu verschiedenen Langfüsslern, von denen sich die Art aber durch die innen und aussen schwarzen, im Randbereich kleiigen Fruchtkörper unterscheidet. Das Vorkommen von H. corium reicht im Nationalparkgebiet bis in die alpine Zone, sie ist immer zusammen mit Weidenarten zu finden. Die Art gilt in Mitteleuropa als selten, ist aber verbreitet in Nordeuropa bis Spitzbergen. In der Roten Liste ist sie als Rarität eingestuft. 7. Schweinsohr Gomphus clavatus Wegen seiner Gefährdung von der DGfM als Pilz des Jahres 1998 ausgewählt, ist diese Art ein naher Verwandter des Pfifferlings. Der Pilz bevorzugt kalkhaltige Fichtenwälder mit alten Baumbeständen im subalpinen Raum. G. clavatus erscheint meist büschelig verwachsen und stellenweise sehr gesellig. Auffällig sind die fleischigen, kreisel- bis keulenförmigen Fruchtkörper durch die violette bis fleischrötliche Färbung, besonders des Hymeniums. Im Alter blasst der gesamte Pilz ockerlich aus. Die Art ist in Deutschland stark gefährdet, weil ihre natürlichen Lebensräume - alte, unberührte Waldbestände - immer rarer werden. Lederige Lorchel, Arktische Lorchel (R) Helvella corium (Weberbauer) Masse kein Speisepilz 2 (2000) Seite 14

6 8. Gelber Spateling Spathularia flavida Die nur wenige cm grossen, eigenartig geformten Fruchtkörper dieses Schlauchpilzes sind leicht zu erkennen, aber auch leicht zu übersehen. Anzutreffen ist diese Art vor allem in Gebirgsnadelwäldern, wo sie die Nadelstreu gesellig und oft in Hexenringen besiedelt. Der fertile goldgelb bis orangefarbige Kopfteil des Fruchtkörpers ist flach zusammengedrückt. Der im oberen Teil vom Hut flach umschlossene Stiel hebt sich weißlich ab. In den Hohen Tauern ist diese zu den Schlauchpilzen gehörende schöne Art nicht selten anzutreffen. Viel seltener dagegen ist der Ledergelbe Spateling Spathularia neesii. Schweinsohr (RL 2) Gomphus clavatus (Fr.) Gray eßbar, aber zu schonen Gelber Spateling (RL 2) Spathularia flavida Pers.: Fr. kein Speisepilz Der Tintling Extraheft (2/2000) Seite 15