Hauptpunkte: Fehlende Reisefähigkeit Abschiebungsanordnung bei bestehender Risikoschwangerschaft
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1 Gericht: VG Regensburg Aktenzeichen: Sachgebiets-Nr: 810 Rechtsquellen: 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Hauptpunkte: Fehlende Reisefähigkeit Abschiebungsanordnung bei bestehender Risikoschwangerschaft Leitsätze: Beschluss der 6. Kammer vom 4. Juni 2014
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3 Az. Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg In der Verwaltungsstreitsache 1. *****, geb. ***** *****, geb. *****.1991 zu 1 und 2 wohnhaft: ***** zu 1 und 2 bevollmächtigt: ***** *****, ***** - Antragsteller - gegen Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Rothenburger Str. 29, Zirndorf - Antragsgegnerin - beteiligt: Regierung von Niederbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, Landshut Abschiebung nach Ungarn (Dublin II) hier: Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO wegen erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 6. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fischer als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung folgenden am 4. Juni 2014 B e s c h l u s s : I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen Ziff. 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. La
4 - 2 - G r ü n d e : I. Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angeordnete Abschiebung nach Ungarn. Der am *****.1991 geborene Antragsteller zu 1) und seine am *****.1991 geborene Ehefrau, die Antragstellerin zu 2) sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten nach ihren eigenen Angaben am aus dem Kosovo über Serbien nach Ungarn, wo sie am von der Polizei verhaftet wurden. Nachdem sie ca. zwei Wochen in Ungarn in verschiedenen Asyleinrichtungen gelebt hatten, reisten die Antragsteller am über Österreich nach Deutschland ein. Am stellten sie Asylanträge. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt gaben die Antragsteller am an, dass sie am in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden seien. Sie wollten aber nach Deutschland. Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom ihre Zustimmung nach Art. 16 (1) c der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom (sogenannte Dublin II-Verordnung). Am teilten die Antragsteller dem Bundesamt durch Schreiben ihres Bevollmächtigten mit, dass die Antragstellerin zu 2) ein Kind erwarte und es sich um eine Risikoschwangerschaft handle. Der Antragsteller zu 1) leide an zudem einer komplizierten Augenkrankheit. Mit Bescheid vom lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller auf Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Ungarn aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gem. Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-Verordnung für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen.
5 - 3 - Gegen diesen Bescheid, der den Antragstellern am zugestellt wurde, haben diese am Klage erhoben und zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Die Antragsteller verweisen darauf, dass gemäß ärztlicher Bestätigung vom bei der Antragstellerin zu 2) eine Risikoschwangerschaft in der 25. Schwangerschaftswoche bestehe und aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands und dem drohenden Abortrisiko zu vermehrter Ruhe geraten werde. Die Antragstellerin zu 2) sei nicht reisefähig, so dass eine Überstellung nach Ungarn nicht stattfinden könne. Zudem sei die erforderliche medizinische Versorgung für die komplizierte Augenkrankheit des Antragstellers zu 1) in Ungarn nicht gewährleistet. Die Antragsgegnerin habe insoweit ihr Selbsteintrittsrecht ausüben müssen. Außerdem sei aufgrund der Verfristung offenkundig, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei und die Klage Erfolg haben werde. Die Antragsteller beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom anzuordnen und der Beklagten aufzugeben. Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Antrag abzulehnen. Sie trägt vor, dass die Antragstellerin zu 2), der mit Attest Reisefähigkeit nach der Entbindung attestiert werde, noch vor Ablauf der Überstellungsfrist wieder reisefähig sei. Die Überstellungsfrist sei derzeit nach Stellung des Eilantrages gehemmt und beginne erst nach einem negativen Eilbeschluss bzw. einem rechtskräftig ablehnenden Urteil neu zu laufen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Akten des Bundesamts sowie die gewechselten Schriftsätze in diesem sowie in dem unter dem Az. RN 6 K anhängigen Verfahren der Hauptsache Bezug genommen.
6 - 4 - II. Der Antrag nach 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des Bescheides des Bundesamts vom hat Erfolg. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Wochenfrist nach 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG eingehalten. Der Antrag ist begründet, da die vom Gericht im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller ausfällt. Das Gericht der Hauptsache kann gem. 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Abwägung des aus 75 AsylVfG folgenden öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes einerseits und dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs andererseits. Im Rahmen der Abwägung sind bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Ergibt diese Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Suspensivinteresse der Antragsteller in der Regel hinter das öffentliche Vollzugsinteresse zurück. Hat die Hauptsacheklage dagegen bei summarischer Prüfung Erfolg, besteht kein Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Ist der Ausgang des Hauptsachverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Abwägung der vorgenannten Interessen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei, wenn die Entscheidung wie hier im Eilverfahren ohne mündliche Verhandlung ergeht, der Zeitpunkt der Entscheidung ( 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AsylVfG). Vorliegend ist davon auszugehen, dass bei summarischer Prüfung jedenfalls im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt - die Hauptsacheklage Aussicht auf Erfolg hätte. Es liegen nämlich die Voraussetzungen von 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, der Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist, nicht vor. Nach 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ( 26 a AsylVfG), oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ( 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
7 - 5 - Zwar ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller mit ihrem Argument durchdringen können, das Übernahmeersuchen sei nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zu spät gestellt und Ungarn sei deshalb nicht zuständiger Staat i.s.d. Dublin II-Verordnung. Insoweit geht das Gericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Dreimonatsfrist in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung kein subjektives Recht eines Asylantragstellers begründet (vgl. hierzu zuletzt VGH Baden- Württemberg, U.v , A 11 S 1721/13 - juris). Auch geht das entscheidende Gericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Ungarn grundsätzlich keine systemischen Mängel vorliegen, welche die Bundesrepublik verpflichten würden, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben (VG Regensburg, B.v RN 6 S juris m.w.n.). Anders als bei einer Abschiebungsandrohung hat bei einer Abschiebungsanordnung nach 34 a AsylVfG das Bundesamt aber auch die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen (so zuletzt BayVGH, B.v CE juris). Hierzu gehört auch die Reisefähigkeit. Diese liegt aufgrund der bestehenden Schwangerschaft bei der Antragstellerin zu 2), die sich derzeit in der 30. Schwangerschaftswoche befindet, für mehrere Monate, nämlich voraussichtlich bis mindestens Mitte Oktober 2014 nicht vor. Das bedeutet, dass für einen nicht nur ganz kurzfristigen Zeitraum die Abschiebung der Antragstellerin zu 2) nicht durchgeführt werden kann. Dass eine Abschiebung der Antragstellerin zu 2) im Zeitraum von 6 Wochen vor der Entbindung bis 8 Wochen nach der Entbindung grundsätzlich unzulässig ist, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts bereits aus der gesetzgeberischen Wertung von 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz MuSchG, der für diesen Zeitraum ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverbot festsetzt und auf der allgemeinen Erkenntnis beruht, dass bei einer erheblichen physischen oder psychischen Belastung der Schwangeren in dieser Zeit Gefahren für Mutter und Kind drohen (so auch VG Oldenburg, B.v B 37/13 juris Rn. 10). Diese zeitliche Grenze kann auch für Abschiebungen herangezogen werden (ebenso Funke Kaiser, GK AufenthG, 60 a Rn. 146), da davon auszugehen ist, dass die physische und psychische Belastung im Falle einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung jedenfalls derjenigen einer Arbeit an einem Büroarbeitsplatz zumindest gleichkommt.
8 - 6 - Eine Abschiebung der Antragstellerin zu 2) ist aber auch vor dem genannten Zeitraum nicht zulässig. Zum einen gilt nach dem aktuellen Medical Manual for Aviation der International Air Transport Association (IATA) für Flugreisen Schwangerer, dass diese ab der 28. Schwangerschaftswoche, also in den letzten 12 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin von den Fluggesellschaften nur mit einem ärztlichen Attest befördert werden sollen (vgl. hierzu VG Oldenburg, a.a.o. Rn. 11). Zum anderen besteht nach der nachvollziehbaren ärztlichen Beurteilung der behandelnden Frauenärztin bei der Antragstellerin zu 2) eine Risikoschwangerschaft, da diese in der Vergangenheit bereits zwei Fehlgeburten erlitten hatte und sich laut vorgelegtem Attest in einem insgesamt schlechten Allgemeinzustand befindet. Demzufolge wäre eine Abschiebung frühestens Mitte Oktober 2014 möglich. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt auch kein Attest vor, das die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2) noch vor Ablauf der Überstellungsfrist bescheinigt. Ein Attest, das einen mehrere Monate in der Zukunft liegenden Zustand prognostiziert, wurde von der behandelnden Frauenärztin nicht abgegeben und wäre auch gar nicht möglich. Vielmehr ist die Frage der Reisefähigkeit nach dem Entbindungstermin neu zu prüfen. Fehlt die Reisefähigkeit damit für einen so langen Zeitraum, überwiegt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu treffenden Ermessensentscheidung des Gerichts das Suspensivinteresse der Antragstellerin zu 2) das öffentliche Vollzugsinteresse. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Entscheidung des Hauptsacheverfahrens voraussichtlich vor Oktober 2014 erfolgen wird. Auch was eine Abschiebung des Antragstellers zu 1) betrifft, führt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung im Hinblick auf den durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Grundsatz der Familieneinheit dazu, dass jedenfalls bis zur Entscheidung über die Hauptsache seine Abschiebung nicht zulässig ist. Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge aus 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden gem. 83 b AsylVfG nicht erhoben. Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( 80 AsylVfG). Dr. Fischer Richter am VG
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