Liebe Konfirmanden und Konfirmandinnen, liebe Gemeinde!
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- Nelly Kappel
- vor 6 Jahren
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1 Liebe Konfirmanden und Konfirmandinnen, liebe Gemeinde! Endlich ist es soweit: Ihr seid hier in der Kirche, um konfirmiert zu werden. Alle Vorbereitungen für diesen Tag sind jetzt zu Ende, heute geht es wirklich darum, eure Konfirmation zu feiern. Auch die Sache mit dem Konfirmandenunterricht ist nun vorbei. Geschafft ist das Auswendiglernen, vorbei sind auch die Konfirmandenfreizeit und der Konfi-Samstag mit selbstgekochtem Menü. Auch wenn die äußeren Dinge der Konfirmandenzeit künftig entfallen: Die Sache mit dem Glauben ist nicht zu Ende, sie geht weiter! Die Konfirmandenzeit ist eine Station auf dem lebenslangen Weg des Glaubens, der mit eurer Taufe anfing. Zunehmend wird es an euch selbst liegen, ob ihr euch auf das Geschenk des Glaubens in eurem Leben einlasst. Ich will es einmal ganz anders beschreiben: Die meisten von euch tragen bisher keine Brille. Diese Dinger sind ja auch nicht gerade praktisch. Man muss auf sie acht geben. Man muss sie sauber halten. Und auf der Nase ist es nicht wirklich ein angenehmes Gefühl. Der Vorteil liegt aber deutlich auf der Hand. Ich kann mit der Brille vieles erkennen, was ich ohne Brille nicht sehen würde. Ich kann mit Hilfe der Brille Dinge besser genießen, weil ich sie gut erkennen kann, z.b. einen schönen Film oder ein gutes Buch. Ich habe hier noch eine andere Brille mitgebracht. Was könnte denn das für eine Brille sein? Richtig, das ist eine 3D-Brille. Mit ihr lassen sich 3D-Filme ansehen; das räumliche Sehen wird dabei durch den Abstand der beiden Augen ermöglicht. Für einen 3D-Film müssen zwei Bilder mit zwei getrennten Kameras aufgenommen werden.
2 Ohne diese Brille sieht das Motiv sehr unscharf aus. Mit Brille entsteht dann aber ein räumlicher, eben dreidimensionaler Eindruck, 3D. In einem Buch oder auf einer normalen Leinwand gibt es nur zwei Dimensionen: oben und unten bzw. links und rechts. In 3D kommt die Dimension des Raumes hinzu. Das sieht dann so aus, als ob mir aus dem Raum etwas entgegenkommt. In einem Film spielt dann die Handlung nicht nur auf der Fläche der Leinwand, sondern auch im Raum zwischen Leinwand und Zuschauer. Warum ich das so ausführlich beschreibe? 3D ist eine zusätzliche (dritte) Dimension. Es bleibt nicht bei dem, was auf dem Papier gedruckt ist oder über die Leinwand läuft. Diese Technik ermöglicht es uns, die Wirklichkeit noch besser und detaillierter wahrzunehmen. Das Leben ist vielleicht nichts anderes als ein Bild oder ein Film: Es liegt vor uns, und wir leben es. Mit Begeisterung und Enttäuschungen, mit Freude und Traurigkeit. Wir tun das, was wir für richtig halten: in der Schule, später im Beruf. Wir gestalten unsere Freizeit, wir leben zusammen mit Freunden, Freundinnen und Familie. Das ist alles wichtig und gut. Und doch lässt sich dazu (wie im Film) noch eine weitere Dimension hinzufügen: ein 3D für das Leben. Ihr ahnt es längst: Es ist der Glaube. Der Glaube belässt das Leben nicht bei dem, was es sowieso schon ist. Der Glaube, das Vertrauen zu Gott, eröffnet eine zusätzliche Tiefe oder Höhe im Leben, eine zusätzliche Dimension. Diese zusätzliche Dimension bedeutet, dass wir etwas tun oder lassen im Vertrauen darauf, mit Gott verbunden zu sein. Dies ist die Dimension des Glaubens, Leben in 3D! Wir erleben unser Leben mit Dank und Freude vor Gott, aber auch mit Klage und Bitte zu Gott hin.
3 Wir tun etwas nicht allein für uns, sondern auch mit Blick auf andere: Der Nächste hat im christlichen Glauben einen hohen Stellenwert. Der Nächste oder die Nächste ist der Mensch, der uns nahe kommt, weil wir im Leben mit ihm oder ihr zu tun haben. Glauben bedeutet sehen in einem tieferen Sinn: sehen, dass unser Leben noch viel mehr Dimensionen hat, als wir auf den ersten Blick ahnen. Ich habe versucht, euch von dieser zusätzlichen Dimension im Leben zu erzählen. Und ich weiß, dass dieser Blick nicht leicht fällt. Glauben bedeutet, die innere Brille aufzusetzen, um zu sehen: Mein Leben ist mehr! Von dieser Hoffnung auf ein Mehr im Leben erzählen eure Konfirmationssprüche. Ihr habt sie selbst ausgesucht und zu ganz individuellen Kunstwerken verarbeitet. Sie erzählen von dem Vertrauen, dass Gott euch in eurem Leben begleitet. Euer Anteil, eure Aktivität besteht darin, diese Dimension des Lebens bewusst wahrzunehmen. Die Brille, die ihr hierfür braucht, heißt Glauben, Vertrauen. Diese Brille sitzt zwar nicht auf der Nase, aber sie ist eine sichtbare Brille: Christenmenschen sollen erkennbar sein durch die Art und Weise, wie sie leben. Nun gibt es auch die sprichwörtliche rosa Brille: alles durch eine rosa Brille sehen, alles schöner sehen, als es ist. Der christliche Glaube ist aber keine rosa Brille, in der dann das Leben nur noch in lieblichem Rosa erscheint. Denn es geht ja gerade darum, die Vielschichtigkeit des Lebens im Blick zu haben. Ebenso verhindert der christliche Glaube, dass wir alles nur schwarz sehen. Dies versteht sich von selbst. Hoffnung, Perspektiven zu haben, ist ein wichtiger Grundpfeiler unseres Glaubens.
4 Die Einladung zum Glauben hat Jesus den Menschen um sich herum nahegebracht. Diese Einladung, dieses Angebot gilt heute auch für euch. Mit der Konfirmation bestätigt ihr gleich, dass ihr diese Einladung annehmen wollt. Ich denke, Ihr habt verstanden, dass es eine zusätzliche Dimension in eurem Leben geben kann und geben soll. Ein Text aus dem Alten Testament, aus dem Buch der Sprüche, sieht es genau so. In Form einer Ermahnung beschreibt er genau die Grundhaltung, um die es im christlichen Glauben geht:» Im weisen Verhalten habe ich dich unterrichtet, auf richtige Wege habe ich dich geleitet.... wenn du läufst, wirst du nicht stolpern. Halte die Belehrung fest..., denn sie ist dein Leben.... Ja, der Weg der Gerechten strahlt wie die Morgensonne:... Der Weg der Ungerechten ist wie die Dunkelheit: [...] Verliere [meine Worte] nicht aus dem Blick, sondern behalte sie tief in deinem Herzen, denn sie bedeuten Leben für die, die sie finden... Mehr als alles andere hüte Herz und Verstand, denn von ihnen geht das Leben aus.«(spr 4, ) Das Ziel des Lebens ist das weise Verhalten. Weisheit hat hier weniger mit philosophischen Gedanken zu tun als mit der richtigen Einstellung zum Leben. Es gehört ein inneres Lernen dazu, durch das Leben zu gehen. Ein Lernen, für das es ausnahmsweise keine Zensuren gibt. Ziel ist es, auf dem Weg durch das Leben nicht zu stolpern. Ein Ziel, dem jeder und jede zustimmen kann, denn wer fällt schon gerne auf die Nase?
5 »Halte die Belehrung fest «, das klingt nach dem üblichen Lernen, wie ihr es in der Schule erlebt. Ich kann das für euch allerdings nicht einfacher denken: die Bibel hat eine Fülle von Gedanken, die sich auch im Laufe eines ganzen Lebens nie zu Ende erschließen. Deshalb: Halte daran fest! Bleib am Ball! Dann werden zwei alternative Wege beschrieben: der eine führt in die Dunkelheit, der andere ins Licht. Ja, es gibt die Gefahr, das Leben zu verpassen. Nicht im Sinne von Dingen, die ich im Leben nicht gemacht habe. Nein, auch durch Trägheit, durch eine zu kurze Sicht, die nicht in die Tiefe geht, können wir das Leben in seiner Fülle verpassen. Und schließlich: Verliere diese Worte nicht aus dem Blick! Das ist der wichtigste Wunsch, den ich für euch an diesem Tag habe: dass ihr die Chancen des Glaubens sorgsam verwahrt und ihr sie im Leben immer wieder hervorholt. Und ganz zum Schluss:»Mehr als alles andere hüte Herz und Verstand, denn von ihnen geht das Leben aus.«seid sorgsam, nicht nur mit dem, was ihr vom Glauben erfahren habt, sondern seid (auch) sorgsam mit euch selbst. Seid sorgsam mit den Kräften, die ihr habt, seid sorgsam mit eurem Leben. Ihr habt einen großen Pool an Möglichkeiten: Seid sorgsam, wenn ihr auswählt. Und: Vergesst dabei die Brille nicht! In all dem wünsche ich euch Gottes Segen. Er möge euch begleiten auf dem Weg durch ein Leben voller Möglichkeiten. Amen.
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