RVK-Frühlingstagung 2017 Komplementär- versus Schulmedizin Dossier von Christian Semlitsch

Transkript

1 Haupterkrankungen in der Schweiz: Neurologische und psychische Erkrankungen (> 30% aller Erkrankungen) Stress-Related Diseases(nicht gleich Stressbedingt!) Schmerzen des Bewegungsapparates (12%) Herz-Kreislauf-Erkrankungen (13%) -> Todesursache Nr.1 mit 35% Krebs (16%) -> Todesursache Nr.2 mit rund 27% Atemwege (Asthma, Bronchitiden, Allergien und Spätfolgen von Rauchen und beruflichen Belastungen) Sinnesorgane (ca. 9%) Stoffwechsel (Adipositas 30% der Bevölkerung, 10% bei jährigen, Diabetes (2,5%) Allergien Infektionserkrankungen Nicht alle diese Krankheitsbilder können mit alternativen Heilmethoden oder komplementären (KAM) Ansätzen sinnvoll behandelt werden. In vielen Fällen wirken komplementärmedizinische Methoden erleichternd und können im Sinne des Klienten hinsichtlich einer höheren Lebensqualität sinnvoll begleitend eingesetzt werden. RVK Dossier Christian Semlitsch 1

2 Fallbeispiel 1 1. Patientin, 34 Jahre alt, Diagnose Tumor der Leber Patientin meldet sich in der Naturheilpraxis mit der Frage, ob vorbereitend oder begleitend zur Ihrer Erkrankung und einer bevorstehenden OP etwas aus naturheilkundlicher Sicht getan werden kann. Ansatz: Die Operation steht in rund 3 Monaten an. Der Tumor hat einen Leberlappen weitgehend befallen. Metastasen sind gem. schulmed. Untersuchungen (und Aussage der Patientin) keine vorhanden. Vorgehensweise: 1. Vorbereitende Begleitung mit chinesischen Kräutermischungen, die darauf abzielen, den Tumor in einer Kapsel aus Bindegewebe einzuschliessen. Die Zeitdauer von knapp 3 Monaten hat dafür gereicht. 2. Mentale Begleitung während dieser Zeit, d.h. Stressabbau, innere Vorbereitung. 3. Ernährungsumstellung auf kohlenhydrat-reduzierte Ernährung und Entspannungstechniken Die Patientin hat die OP gut überstanden. Der Tumor hat sich in einer Kapsel aus Gewebe befunden und konnte gut herausoperiert werden. Die Patientin ging mit deutlich mehr Zuversicht zur OP als sie zu Beginn der Behandlung hatte. Die Entspannungstechniken sowie die Kräutermedizin haben das ihre getan, die Patientin optimal auf die OP vorzubereiten. Stress ist in solchen Fällen kontraindiziert. RVK Dossier Christian Semlitsch 2

3 Fallbeispiel 2 2. Patientin, 39 Jahre mit chronischen, starken Schmerzen des unteren Rückens und ISG Patientin wurde vom Rheumatologen zur Begleitenden Behandlung überwiesen. Status: Entzündungen der Facettengelenke und im ISG mit Hauptlokalisation LWS/ISG. Medikamentöse Behandlung mit Schmerzmitteln und Entzündungshemmern liefert nur noch unzureichende Resultate. Patientin will wegen der Nebenwirkungen kein Cortison mehr nehmen. Ursache: Nicht bekannt. Vorgehensweise: 1. Akupunktur: Zu Beginn haben wir uns primär auf Akupunktur konzentriert und begleitend manuelle Therapie, Stärkung des Bewegungsapparates und spezifische Übungen eingebaut. Die Behandlung hat zu Beginne eine Erleichterung gebracht, war jedoch nicht dauerhaft und es kam insbesondere bei grösseren Behandlungsabständen (>3 Wochen) immer wieder zu Rückfällen und Schmerzausweitung. 2. Kräutermedizin: Ähnlich wie die schulmed. Schmerzmedikamente haben in diesem Fall die schmerzlindernden Kräuter keine deutliche Verringerung der Schmerzen bewirkt. Nach rund 6 Monaten "auf und ab" haben wir den Status nochmals neu aufgenommen und in diesem Fall die Ernährung mit einbezogen. Da weder schulmedizinische Vorgehensweise noch die bisherigen KAM-Ansätze etwas gebracht hatten, mussten wir nach anderen Vorgehensweisen suchen. Wir haben uns auf eine Ernährungsumstellung geeinigt (NB. Die Patientin war normalgewichtig!) d.h. die Patientin hat sich einverstanden erklärt, aktiv eine Kohlenhydrat-arme Diät zu halten - d.h. Verzicht auf alle Arten von Teigwaren wie Nudeln, Brote, Pizza und ähnliches, Zucker und zuckerhaltige Nahrungsmittel und gesüsste Getränke, kein Alkohol sowie eine vermehrte Zuführung von Gemüse, Eiweiss-haltigen Nahrungsmitteln, Trinken von Wasser oder ungesüssten Kräutertees. Da die Klientin sich strikte an die Anweisungen gehalten hatte war eine deutliche Verbesserung bereits innerhalb der ersten 6 Wochen zu erkennen. Die Patientin hat aus eigenem Antrieb die Diät unterbrochen und innert Tagen eine deutliche Verschlechterung verspürt und die Diät dann wieder aufgenommen. Ich habe die Patientin im Laufe von 2 Jahren mehrmals kurz gesehen und auf Rückfrage hat die Patientin erklärt, dass der Schmerz weitgehend verschwunden und nur noch unter starken körperlichen Belastungen kurzzeitig aufgetaucht ist. Sie ist seither praktisch beschwerdefrei. Es ist tatsächlich aus schulmedizinischen Studien bekannt, dass Kohlenhydrate sowohl entzündliche Prozesse auslösen, insbesondere aber am Laufen halten können. Das Problem in der Behandlung von entzündungsbedingten Schmerzen als auch mit durch Überlastung entstehenden Schmerzen durch Übergewicht ist, dass die wenigsten Patienten bereit sind, eine konsequente Umstellung ihrer Ernährung in Betracht zu ziehen und auch konsequent durchzuhalten. Dasselbe gilt für kräftigende Massnahmen und Übungen aus der Physiotherapie. RVK Dossier Christian Semlitsch 3

4 Fallbeispiel 3 3. Patient, 44 Jahre, Schmerzen in Wirbelsäule (Nacken und LWS/ISG), muskuläre Verspannungen, hoher Grad an Erschöpfung, Burnout & depressive Phasen Ausgangslage: Patient hat über viele Jahre in Position mit hoher Verantwortung gearbeitet, über Jahre viele Überstunden absolviert und steht unter permanentem Stress. Dann Burnout, 3 Monate arbeitsunfähig, depressive Episoden über rund 6 Monate, Schlafstörungen. Der Klient findet keine psychotherapeutische Unterstützung, da Wartelisten von rund 2 Jahren. Ursachen: Überarbeitung, private (Trennung -> Stress) und berufliche Probleme (Jobverlust -> Stress und Burnout), Fehlhaltung, Fehlernährung (kein Übergewicht), wenig Bewegung. Ansatz: Eine Komplexe Situation erfordert einen Ansatz, der mehrere Bereiche des Lebens abdeckt. 1. Stressreduktion: In der Zeit, in der keine aktive Arbeit vorliegt, verordnete "Spaziergänge" und Meditation/Entspannungstechniken/Awareness in der Natur. 2. Erarbeitung von beruflichen Optionen (i.s. von Coaching - was heute im neuen Berufsbild des Heilpraktikers integriert wurde). 3. Kräutermedizin: Aufbau der körperlichen Reserven plus Verbesserung des Schlafs. Anwendung mehreren Rezepturen. 4. Bewegung und körperliche Übungen. 5. Akupunktur und chinesische Massage/manuelle Therapie für akute Schmerzen des Bewegungsapparates 6. Erarbeitung langfristiger Ziele (Leben, Beziehung, Beruf) 7. Vermittlung von weiteren, stressreduzierenden Techniken, Erarbeiten eines gesunden "Selbstbildes". 8. Ernährungsumstellung Innert rund 5 Monaten seit Beginn der Begleitung/Behandlung weitgehende Normalisierung des psychischen Zustandes, deutliche Verbesserung des körperlichen Zustandes insbesondere durch regelmässiges, intensives Training (4-5 x pro Woche), alles ohne den Einsatz von Psychopharmaka. Längerfristige Begleitung für immer seltener auftauchende depressive Episoden. Nach rund 1 Jahr keine weitere Behandlung. Selten einzelne Termine wegen leichten Rückenschmerzen, die teilweise haltungsbedingt/arbeitsbedingt (viel sitzende Tätigkeit) auftreten. Der Patient war sehr motiviert, eine Normalisierung zu erreichen, wenngleich zu Beginn die Fortschritte kaum erkennbar waren. Insbesondere der mental-psychische Zustand war zu Beginn sehr labil. Es bestand jedoch keine Suizidalität. Mit der Verhaltensänderung in mehreren Bereichen hat sich der Normalisierungsprozess deutlich beschleunigt. Voraussetzungen zur Kostenübernahme: Therapeuten müssen in einer der Qualitätsstellen EMR, ASCA oder bei einigen Versicherungen direkt (EGK, VISANA) für die Methoden registriert sein, die sie abrechnen. Ausserdem sind jährliche Fortbildungskontrollen zu absolvieren. RVK Dossier Christian Semlitsch 4

5 Kostenvergleiche Aus den oben genannten Fallbeispielen kann ersehen werden, dass, je nach Patient und Beschwerdebild, die Art der Behandlung und Unterstützung sehr unterschiedlich sein kann. Einige Verbände haben versucht, die Kosten pro Stunde zu reglementieren, was allerdings aufgrund der Marktsituation sehr schwierig ist. Die Kosten pro Stunde für einfache Therapien wie Fussreflexzonen-Massage, klassische Massage, aber auch Alexander Methode etc. variieren stark, je nach Gebiet und Ausbildung des Therapeuten. Sie betragen pro Stunde oft zwischen 80.- bis Franken, komplexere Ausbildungen wie Homöopathie, TCM, Naturheilkunde, Osteopathie, Kunsttherapeutische Richtungen gehen in einfachen Fällen bis zu pro Stunde, in Ausnahmen auch höher. Hier ist auch die Gesamtqualifikation des Therapeuten mitentscheidend, ähnlich wie ein Chefarzt einen höheren Satz einfordern kann als ein "normaler" Arzt. Vergleichbarkeiten sind im Allgemeinen wirklich schwierig. Oft kann es Sinn machen, wenn eine Krankenversicherung nach einer gewissen Anzahl für einen Vertrauensarzt einen Bericht einholt, um weit verbreitete "Wohlfühl-Therapien" einzuschränken. Bei Vorhandensein von ärztlichen Überweisungen und bei komplexen Krankheitsbildern können die KAM Anwendungen für den Patienten einen erheblichen Zuwachs an Lebensqualität bedeuten, da Erleichterungen in vielfältiger Form durch Therapie, Zuwendung, Zeit und Methodenflexibilität erreicht werden können. RVK Dossier Christian Semlitsch 5