nebenbei vielleicht noch etwas über die weiblichen Sichtweisen mitzubekommen, was sollte daran falsch sein? Da hatte Gonzo durchaus Defizite und war
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- Marta Böhmer
- vor 6 Jahren
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2 nebenbei vielleicht noch etwas über die weiblichen Sichtweisen mitzubekommen, was sollte daran falsch sein? Da hatte Gonzo durchaus Defizite und war sich dessen auch bewusst. Irgendwie war er an einer entscheidenden Stelle seines Lebens falsch abgebogen und hatte nicht mehr die Kurve gekriegt, was sein Verhältnis zu Frauen anging. Dabei hätte er schon gewollt, aber es hatte sich nicht ergeben. Das heißt, es hatte sich nicht mehr ergeben. Denn da war ja diese Geschichte mit Elke gewesen, damals als er sechzehn war und noch bei seinen Eltern in Lübeck wohnte. Er war gerade in die Oberstufe gekommen. Elke war ein gutes Jahr älter und offenbar schon erfahrener in Sachen Sex. Sie waren am Wochenende zum Timmendorfer Strand gefahren und er hatte die Beule in seiner Hose gespürt, als Elke ihn wild küsste. Elke war Gonzos Erregung
3 natürlich nicht verborgen geblieben. Sie hatte ihm in den Schritt gegriffen. Daraufhin hatte sich etwas bewegt und es war feucht geworden. Elke hatte gelacht. Er war verschämt davongeschlichen, damals. Seitdem war er allein geblieben. Von sich aus hatte er sich keinem Mädchen mehr genähert. Das war kein bewusster Entschluss gewesen. Es passierte einfach so und änderte sich auch nicht mehr, nachdem Gonzo seine Banklehre abgebrochen hatte, um direkt nach der Wende einen Job als Theker auf Hiddensee anzunehmen. Hier hatte er seine Ruhe. Und niemand außer Elke, so hoffte er, kannte diese Geschichte. Die Leserunde jedenfalls tat ihm gut. Heute sollte schon die fünfte Sitzung seit dem Auftakt im April sein. Alle vierzehn Tage kam die Runde in der Bücherei zusammen. Oh, wie war er Klara dankbar für ihre tolle Idee.
4 Denn bei den Sitzungen traf er auch Greta, die er zwar aus dem Fischimbiss und gelegentlichen Besuchen im Godewind kannte, mit der er sich aber noch nie länger unterhalten hatte. Hier im kleinen Kreis der Leserunde hatte er überrascht entdeckt, dass sie einige Gemeinsamkeiten verbanden, und aus seiner anfänglichen Sympathie hatte sich allmählich echte Zuneigung entwickelt. Und so freundlich wie sich Greta ihm gegenüber verhielt, schien sie ihn auch nicht gerade unsympathisch zu finden. Dass Greta Kersten verheiratet war, störte Gonzo nicht. Das ganze Dorf tratschte darüber, dass es um Gretas Ehe nicht gut bestellt war. Und Gonzo wollte Greta ja nicht gleich heiraten. Aber ein gemeinsamer Kaffee, nicht unbedingt im Godewind, wäre schon mal ein Anfang. Vielleicht würde er sie in vierzehn Tagen beim nächsten Treffen darauf ansprechen.
5 Heute konnte er das nicht tun, denn Greta hatte beim letzten Termin angekündigt, sie wolle nach Berlin, ihren Bruder besuchen, den sie lange nicht mehr gesehen hatte. Die anderen in der Runde hatten daraufhin geflachst, Greta müsse die ohne sie diskutierten Kapitel später eben nacharbeiten. Gonzo hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Runde heute ebenfalls zu schwänzen, doch dann hatte er belustigt festgestellt, dass er das Gespräch mit den anderen mochte. Er hatte gemerkt, wie spannend es war, andere Meinungen und Standpunkte kennenzulernen und mehr von seinen Gesprächspartnern zu erfahren als den neusten Inselklatsch. Und er hatte das Gefühl, ernst genommen zu werden, so wie er war. Gonzo freute sich auf den Nachmittag.
6 Auch Klara freute sich. Ihre erste Leserunde war bislang ein voller Erfolg. Sie hatte zwar ursprünglich daran gedacht, Klassiker der Literatur zu lesen, beim ersten Treffen aber schnell festgestellt, dass die Interessenlage der Teilnehmer anders aussah. Also stellte sie ihre eigene Idee hintan. Dabei hatte sie erst vor Kurzem mit großem Vergnügen Der Spieler von Fjodor Dostojewski gelesen, eine teilweise grotesk komische Geschichte um eine Gruppe von Menschen, die, weil sie kurz vor dem finanziellen Ruin steht, im fiktiven Kurort Roulettenburg auf den erlösenden Geldsegen einer Erbschaft wartet. Besonders die Präzision in der wortreichen
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