Neue Handstück-Mikroluftbläser für den Einsatz in der minimalinvasiven Therapie

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1 Die INNOVATIONEN Neue Handstück-Mikroluftbläser für den Einsatz in der minimalinvasiven Therapie Robert Kalla, Dr. med. dent. Viktoria Kalla, Dr. med. dent. Zahnärztliche Privatpraxis/EiD (Excellence in Dentistry), privates Forschungsinstitut Margarethenstrasse 59, CH-4053 Basel Medizinischer Fortschritt ist eng mit der Weiterentwicklung von Methoden, Materialien und Geräten verknüpft. Die Sektion Innovationen bietet Ihnen aktuelle Informationen über Neuerungen auf dem Gebiet der Zahnmedizin. Nicht immer werden sich die hier beschriebenen Produkte und Verfahren bereits langfristig bewährt haben. An dieser Stelle können auch Ideen oder Arbeitshypothesen formuliert werden. Die Sektion soll damit kreativen Autoren die Möglichkeit geben, sich der wissenschaftlichen Diskussion zu stellen. Die Redaktion Indizes Mikroluftbläser, minimalinvasive Therapie, Mikroskop, Microscope Assisted Dentistry (MAD) Die Mikroluftbläser MULTI-FINEair und INTRA- FINEair, welche die Autoren in Zusammenarbeit mit der Firma KaVo Dental entwickelt haben, werden als neue Instrumente für den Einsatz in der minimalinvasiven Therapie vorgestellt. Diese Mikroluftbläser ermöglichen die gezielte Applikation eines feinen, dosierbaren Luftstrahls an schwer zugänglichen Stellen. Zudem besteht bei diesen Instrumenten keine Gefahr der Kreuzkontamination mit Wasser. Es wird auf die Funktion und die Einsatzgebiete sowie Kontraindikationen eingegangen. Einleitung ZUSAMMENFASSUNG Die neuen Techniken der minimalinvasiven Präparation und Versorgung machen nicht nur neue Applikations- und Präparationsinstrumentarien erforderlich, sondern u. a. auch eine feinere Version unserer altbewährten Multifunktionsspritze, insbesondere was den Anteil des Luftbläsers angeht. Es nützt wenig, wenn wir mit Hilfe von sonoabrasiven Verfahren und Air-abrasive-Systemen Mikrokavitäten erzeugen können, solange diese nicht sauber trockenzulegen und anschließend zu füllen sind. Dasselbe gilt im Bereich der Endodontie für Isthmen und Aussackungen im komplexen Pulpenkanalsystem, die mittels Papierspitzen nicht oder nur mangelhaft getrocknet werden können. Aus diesem Grund wird in den USA seit den 90er Jahren ein Mikroluftbläseraufsatz für die konventionelle Multifunktionsspritze im Handel angeboten, und dieser hat sich seither für viele Indikationen und Techniken als essenziell etabliert. Während sich aber in den USA bei allen Herstellern von Behandlungseinheiten hauptsächlich ein einzelner Typ der Multifunktionsspritze (Stropko) durchsetzen konnte, auf den diese Mikrokanülen-Ansätze passen, haben europäische Dentalgeräte-Hersteller bis zu zwölf Modelle von Multifunktionsspritzen und häufig sogar zwei bis drei Varianten pro Behandlungseinheit im Programm. Ein einheitlicher Mikroluftbläseransatz für Multifunktionsspritzen konnte deshalb in Europa nicht realisiert werden, und das in den USA verbreitete Produkt lässt sich an die meisten europäischen Systeme nicht ankoppeln. Bislang mussten sich Zahnärzte in Europa mit individuellen Einzelanfertigungen behelfen, wenn sie die neuen Techniken anwenden wollten. Aus diesem Grund haben die Autoren zusammen mit der Firma KaVo Dental (Biberach) einen Mikroluftbläseransatz für Mikromotoren-/Intramatikkupplungen (INTRA-FINEair) und einen für Airrotor-/Multifunktionskupplungen (MULTI-FINEair) entwickelt, die auf alle gängigen Behandlungseinheitem passen (Abb. 1 bis 4). Der Einsatz dieser neuen Hilfsmittel sowie ihre Indikationen und Kontraindikationen sollen nachfolgend erläutert werden. Quintessenz 54, 6, (2003) 1

2 INNOVATIONEN Quintessenz Abb. 1 INTRA-FINEair und MULTI-FINEair an der Behandlungseinheit Abb. 2 INTRA-FINEair und MULTI-FINEair an der Behandlungseinheit (Detaildarstellung) Abb. 3 INTRA-FINEair auf Intramatikkupplung (Mikromotor) und MULTI-FINEair auf Multifunktionskupplung (Airrotor) Abb. 4 Individuell angefertigter Mikroluftbläseraufsatz auf Standard- Multifunktions spritze (Prototypstudie, Fa. KaVo) Funktion Der Mikroluftbläser für Mikromotoren (INTRA- FINEair) ist wie ein leichtes, ausbalanciertes Handstück gestaltet, und derjenige für die Multifunktionskupplung (MULTI-FINEair) entspricht in seiner Form einer leichten Version des SONICflex-Handstückes ( Airscaler ). Auf beide Mikroluftbläser werden über eine Steck-Schraub-Verbindung nach Luer feine, stumpfe Kanülen aufgesetzt (Abb. 5 und 6). Der Schraubteil der Verbindung soll verhindern, dass sich der Kanülenansatz aufgrund des entstehenden Drucks löst. Der Mikroluftbläser für Mikromotoren wird anstelle des Winkelstücks auf einen der Mikromotoren und derjenige für die Multifunktionskupplung statt der Turbine auf die Multifunktionskupplung aufgesteckt. Beide Mikroluftbläser lassen sich über das Fußpedal bedienen, was vor allem bei Arbeiten mit optischen Vergrößerungshilfen wie stärkeren Lupenbrillen, intraoralen Videokameras oder Mikroskopen eine blinde Handhabung erlaubt und vereinfacht. Beim INTRA-FINEair wird über den Chip-Blower praktisch derselbe Luftdruck wie mit einem Mikroluftbläseraufsatz auf einer Multifunktionsspritze (Testprototyp auf KaVo 6-Funktionsspritze) erzeugt. Durch Betätigung des Fußpedals lässt sich bei der Version für den Mikromotor ein um ca. 60 % reduzierter Druck auf Basis des Luftsprays erreichen. Bei der Version für die Multifunktionskupplung, dem MULTI-FINEair, kann der Luftdruck mittels Fußpedalregler über den ganzen zur Verfügung stehenden Bereich reguliert werden. Der Basis-Geräte-Fließdruck der Behandlungseinheit sollte auf 5 bar eingestellt werden. Somit werden ein Chip-Blower-Druck (mittels Chip-Blower-Funktionstaste am Fußpedal ausgelöst) von ca. 3,4 bis 3,6 bar und ein Luftspray-Druck (mittels Hauptpedal ausgelöst) von ca. 1,2 bar am Mikroluftbläser erreicht. Durch die Wahl der Aufsatzdüse kann nochmals eine Reduzierung bewirkt werden. Der Druck bei der Version für die Multifunktionskupplung ist mittels Fußpedal von 0,5 bis ca. 3,6 bar regulierbar. Der Luftstrom lässt sich wesentlich feiner dosieren, als dies bei der Multifunktionsspritze möglich ist. 2 Quintessenz 54, 6, (2003)

3 Quintessenz INNOVATIONEN Abb. 5 Diverse verwendbare Kanülenaufsätze (Fa. Ultradent Products, South Jordan, USA) Abb. 6 Mikroluftbläser mit Steck-Schraub-Kupplung nach Luer mit und ohne aufgesetzte Kanüle (Fa. Ultradent Products) Abb. 7 Größenverhältnisse Multifunktionsspritze zu Mikroluftbläser Abb. 8 Größenverhältnisse Multifunktionsspritzenaufsatz zu Mikrokanülen Generell wird der Wasser führende Teil der Kupplungen durch die Konstruktionsweise der beiden Mikroluftbläser blockiert und so ausgeschaltet. Eine Kreuzkontamination der Luft mit Wasser, wie dies bei einigen Modellen von Multifunktionsspritzen geschehen kann, ist damit ausgeschlossen. Beide Mikroluftbläserversionen sind sowohl im Autoklav bei 135 C als auch im Chemiklav sterilisierbar. Der Mikroluftbläser stellt keinen Ersatz der Multifunktionsspritze dar, sondern ist eine Ergänzung zu dieser. Einsatzgebiete Die Mikroluftbläser werden generell dort verwendet, wo der normale Multifunktionsspritzenansatz des Bläsers an der Behandlungseinheit zu groß ist (Abb. 7 und 8). Sie ermöglichen das Verblasen von Flüssigkeiten und die Trocknung in Gebieten, wo dies bisher nicht, lediglich mangelhaft oder nur mit unverhältnismäßigem Zeitaufwand möglich war. Durch diese Anwendung ergibt sich nicht nur ein Zeitgewinn, sondern auch die Qualität der entsprechenden Arbeit kann durch effiziente und adäquate Trocknung verbessert werden. Ein weiterer großer Vorzug der Mikroluftbläser ist der Umstand, dass ausschließlich trockene Luft zur Verfügung gestellt wird, da alle Verbindungen zu Wasser führenden Bestandteilen der Kupplungen von den Mikroluftbläsern vollständig blockiert werden. Eine versehentliche Kontamination der verwendeten Luft mit Wasser, wie dies leider bei einigen Modellen von Multifunktionsspritzen zuweilen vorkommt, ist somit ausgeschlossen. Dies stellt einen entscheidenden Vorteil bei allen adhäsiven Arbeitstechniken dar. Die Mikroluftbläser werden einerseits zur Trocknung feinster Strukturen zwecks Inspektion oder zur Trockenlegung vor der Füllungslegung verwendet. Einsatzgebiete sind hierbei u. a.: Fissuren vor Versiegelungen; Minikavitäten bei minimalinvasiven konservierenden Behandlungen; Quintessenz 54, 6, (2003) 3

4 INNOVATIONEN Quintessenz Tabelle 1 Mit den Mikroluftbläsern durchgeführte Arbeiten Anwendungsbereich Anzahl Fissurenversiegelungen/ erweiterte Fissurenversiegelungen 263 approximale Mikrofüllungen 82 adhäsive Befestigung von Stiften 163 adhäsive Befestigung bei Stiftstumpfaufbauten 72 nichtadhäsive Zementierung von Stiftkonstruktionen 53 endodontische Versorgungen o einkanalige Zähne und c-förmige Kanäle: Wurzelkanalbehandlungen in einer Sitzung 29 Pulpaexstirpationen 49 Einlagewechsel 54 Wurzelkanalfüllungen 44 o zweikanalige Zähne: Wurzelkanalbehandlungen in einer Sitzung 5 Pulpaexstirpationen 28 Einlagewechsel 22 Wurzelkanalfüllungen 17 o dreikanalige Zähne: Wurzelkanalbehandlungen in einer Sitzung 9 Pulpaexstirpationen 52 Einlagewechsel 33 Wurzelkanalfüllungen 41 o Zusatzkanäle an mehrwurzeligen Zähnen: Wurzelkanalbehandlungen in einer Sitzung 3 Pulpaexstirpationen 14 Einlagewechsel 26 Wurzelkanalfüllungen 12 o Revisionen von Kanälen: einkanalige Zähne 32 zweikanalige Zähne 28 dreikanalige Zähne 23 vierkanalige Zähne 39 fünfkanalige Zähne 11 sechskanalige Zähne 3 neunkanalige Zähne 1 c-förmige Kanäle 7 o durchgeführte Behandlungen an Kanälen insgesamt 562 chirurgische endodontisch-retrograde Versorgungen mit retrograder Füllung o Anzahl Eingriffe 31 davon 2. Zusatzkanal in 27 der gleichen Sitzung davon 3. Zusatzkanal in 3 der gleichen Sitzung davon 4. Zusatzkanal in 1 der gleichen Sitzung o versorgte Kanäle insgesamt 62 Darstellung feinster Strukturen im Pulpenkavum, die in feuchtem Zustand schlecht oder nicht sichtbar sind (feinste Isthmen und Eingänge zu Pulpenkanälen, akzessorische Kanalsysteme); Pulpenkavum, Isthmen und Pulpenkanäle vor Applikation der Wurzelkanalfüllung, wobei der apikale Anteil bei Bedarf nach vorsichtiger Vortrocknung mit einer eingepassten Papierspitze abgedichtet werden kann; Minifüllungen im chirurgischen Rahmen (retrograde Füllungen in der chirurgischen Endodontie und interdentale Läsionen bei chirurgischen Techniken, z. B. Versorgung externer Resorptionen unter Aufklappung); Gewindeanteile von Implantatkonstruktionen. Andererseits werden die Mikroluftbläser aber auch speziell zur Applikation, Verteilung und teilweisen Trocknung von Bestandteilen im Rahmen der adhäsiven Techniken bei speziellen Indikationen eingesetzt: Fissurenversiegelungen (z. B. mit Air-abrasive-System präparierte Ampullenfissuren); Tunnelierungspräparationen (Biegung der Mikrokanüle entsprechend der Kavitätenform); interdentale Kavitäten aus benachbarten Kavitäten und Lücken heraus oder distal am letzten Zahn der Zahnreihe (Biegung der Mikrokanüle entsprechend der Kavitätenlage, z. B. bei sonoabrasiven Präparationen mittels der Tunnelierungsansätze KaVo Nr. 53 und Nr. 54); adhäsive Zementierung von Wurzelstiften und Keramikaufbauten im Wurzelkanal: Verblasen des Dentinbondings und des Adhäsivs im präparierten Stiftkanal (eine mit Papierspitzen nicht adäquat durchführbare Arbeit). 4 Quintessenz 54, 6, (2003)

5 Quintessenz INNOVATIONEN Abb. 9 Mikroluftbläser im Einsatz: adhäsives Zementieren von Keramikinlays Abb. 10 Mikroluftbläser im Einsatz: individuell analog der SONICflex-Arbeitsspitze Angle Nr. 53 (Fa. KaVo) gebogene Mikro-Luftkanüle Endo-Eze Tip 22 ga (Fa. Ultradent Products) zur Trocknung der minimalinvasiven distalen Kavität an endständigem Zahn 47 Abb. 11 Mikroluftbläser im Einsatz: Trocknung Implantatgewindeteil Abb. 12 Mikroluftbläser im Einsatz: Trocknung des Pulpenkavums mit der Mikro-Luftkanüle Endo-Eze Tip 22 ga; Blockierung des Apex mittels Papierspitze Abb. 13 Mikroluftbläser im Einsatz: Trocknung eines feinen Kanals ohne Papierspitze Abb. 14 Multifunktionsspritze im Vergleich zum Zahn aus Abbildung 13 Abb. 15 Mikroluftbläser im Einsatz: Trocknung einer retrograden Kavität in der chirurgischen Endodontie Die Abbildungen 9 bis 15 zeigen Beispiele zum Einsatzspektrum der Mikroluftbläser. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Arbeiten, die im Laufe der Austestung und der Untersuchungen mit den Mikroluftbläsern durchgeführt wurden. Bei keinem dieser Eingriffe kam es infolge der Verwendung eines Mikroluftbläsers zu irgendwelchen Komplikationen. Auch konnten von uns in der Literatur keine Hinweise auf Zwischenfälle beim klinischen Einsatz von Mikroluftbläsern an Patienten gefunden werden. Die Anwendung des Mikroluftbläsers verkürzte hingegen bei korrektem Einsatz alle durchgeführten Behandlungen signifikant im Vergleich zu den konventionellen Therapiemethoden. Quintessenz 54, 6, (2003) 5

6 INNOVATIONEN Kontraindikationen Beim Umgang mit dem Mikroluftbläser müssen gewisse Punkte berücksichtigt werden, um ein reibungsloses Arbeiten zu ermöglichen. Insbesondere muss der Luftdruck der Behandlungseinheit auf korrekte Werte für den Einsatz des Mikroluftbläsers eingestellt sein. Relative oder absolute Kontraindikationen für den Einsatz von Mikroluftbläsern gelten in folgenden Fällen: Großflächige Bereiche können mit der herkömmlichen Multifunktionsspritze effizienter getrocknet werden. Mikroluftbläser eignen sich nur bedingt für die Trocknung von Pulpenkanalsystemen mit weit offenem apikalem Foramen, das nicht genügend mit einer Papierspitze abgedichtet werden kann (theoretische Möglichkeit eines Emphysems bei unsachgemäßer Handhabung). Die Kanülenspitze sollte nicht im Kanalsystem eingeklemmt werden, weil dadurch unter Umständen ein zu hoher Druck im Kanalsystem aufgebaut wird. Der Pulpenkanal könnte durch die Mikrokanüle abgedichtet werden, so dass das Entweichen der Trocknungsluft verhindert oder eingeschränkt wird. Ein behutsames Vorgehen ist auch bei der retrograden endodontischen Chirurgie angebracht (theoretische Möglichkeit eines Emphysems bei unsachgemäßer Handhabung). Mikroluftbläser sollten nicht in profus blutendem Gewebe benutzt werden (mögliche Gefahr des Einblasens von Luft in venöse Systeme). Auf eine Übertrocknung bei der Adhäsivtechnik muss wie beim Einsatz der herkömmlichen Multifunktionsspritze geachtet werden. Resümee Quintessenz Die neuen Mikroluftbläser INTRA-FINEair und MULTI- FINEair erlauben nun den Einsatz von Techniken, die bisher nur mit Systemen aus den USA oder individuellen Einzelanfertigungen auf bestehenden Multifunktionsspritzen möglich waren. Die Handstück-Mikroluftbläser passen auf alle gängigen Mikromotoren (INTRA-FINEair) bzw. Multifunktionskupplungen (MULTI-FINEair). Generell können die Mikroluftbläser überall dort verwendet werden, wo der normale Multifunktionsspritzenansatz des Bläsers an der Behandlungseinheit zu groß ist. Sie ermöglichen das Verblasen von Flüssigkeiten und die Trocknung in Gebieten, wo dies bislang nicht, lediglich mangelhaft oder nur mit unverhältnismäßig großem Zeitaufwand möglich war. Die Anwendung der Mikroluftbläser führt nicht nur zu einem Zeitgewinn, sondern auch zu einer Qualitätsverbesserung der entsprechenden Arbeit durch effiziente und adäquate Trocknung. Q 6 Quintessenz 54, 6, (2003)