Einführung in die Kulturwissenschaft
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- Hilke Junge
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1 Timm Beichelt Einführung in die Kulturwissenschaft Vorlesung, Wintersemester 2011/12 Sitzung 4: Was ist Kulturwissenschaft?
2 Veranstaltungsplan Einführungssitzung Symbol und symbolische Formen (Ernst Cassirer) Was ist Wissenschaft: das Prinzip der problemorientierten Wissensvermehrung Sinnhorizonte und soziale Wirklichkeit(en) (Alfred Schütz) Was ist Kultur: Struktur vs. Substanz vs. Interpretation Was ist Kulturwissenschaft: Standbeine, Standpunkte, Standorte Die anthropologischen Prämissen sozialen Handelns: homo oeconomicus, homo socialis, homo culturalis Grundpositionen I: (neo)strukturalistische Kulturtheorien Grundpositionen II: interpretative Kulturtheorien 4.1. Kultur als Bedeutungsgewebe (Clifford Geertz) Politische Kultur als Aggregat von Werten und Einstellungen (Gabriel Almond / Sidney Verba) Kulturwissenschaft als Sozialwissenschaft + Kulturgeschichte Kulturwissenschaft als Linguistik + Literaturwissenschaft Übung II: Anwendungsbeispiele Übung I: Anwendungsbeispiele Kulturwissenschaft als Beruf?
3 Heutige Vorlesung I. Rückblick: Ausgangspunkte für den kulturwissenschaftlichen Ansatz II. Kulturwissenschaftliche Schulen III. Standorte der kulturwissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland
4 Rückblick Hansen Kultur als Nutzbarmachung der Natur Kultur als Lebensart Hochkultur Kultur als gesellschaftliches Gefüge Busche Kultur, die man betreibt: vervollkommnende Pflege der individuellen Naturanlagen Kultur, die man hat: gepflegter Zustand oder hoher Grad erworbener Vervollkommnung Kultur, die man schaffen, fördern und als (nationalen) Besitz verehren kann: die höhere Welt der Werte und Werke in Kunst, Philosophie und Wissenschaft Kultur, in der man lebt: der charakteristische Traditionszusammenhang von Institutionen, Lebens- und Geistesformen, durch den sich Völker und Epochen voneinander unterscheiden
5 Rückblick 3) Hochkultur und Kulturbetrieb 4) Gesellschaftlich-kulturelle Gefüge Herkömmliche Disziplinen und Fragestellungen Krisensymptome Neue, kulturwissenschaftlich relevante, Denkschulen
6 Fazit 1 Vielfalt als gemeinsamer Nenner? Kultur und Kulturwissenschaft als Reaktion bzw. Gegenbewegung Krisensymptome von unterschiedlicher Qualität: - Krise(n) wissenschaftlicher Disziplinen - Krise der gemeinsamen Erfahrungsräume - Krise des Status von Wissenschaft für Gesellschaft Vielfalt der Krisen Vielfalt als dezidiertes wissenschaftspolitisches Gegenprogramm: - Forderung nach Interdisziplinarität - Förderung von Fächerneugründungen
7 Fazit 2 Bedeutung für Struktur der Kulturwissenschaft (und damit Ihres Studiums sowie dieser Vorlesung) Unmöglichkeit der inneren Kohärenz kritischer Charakter der Kulturwissenschaft im Hinblick auf eine Vielfalt hergebrachter Wissensbestände Bewertung von Hergebrachtem und Neuem fällt je nach Teildisziplin unterschiedlich aus
8 Fazit 3 im Paradigma des Kritischen Rationalismus 1. Neubewertung des Beobachterstatus: zunehmend kritische Bewertung des vermeintlich unabhängigen und objektiven Wissenschaftlers 2. Betrachtungsgegenstand ( Variable ) Kultur: bestimmte Methoden des methodischen Rationalismus sind bei kulturnahen Gegenständen defizitär; führen zu blinden Flecken Erneut: Hinwendung zu Kultur als Reaktion auf wissenschaftsinhärente Defizite Kulturwissenschaft zwischen vorparadigmatischer und revolutionärer Phase
9 Heutige Vorlesung I. Rückblick: Ausgangspunkte für den kulturwissenschaftlichen Ansatz II. Kulturwissenschaftliche Schulen III. Standorte der kulturwissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland
10 Überblicksliteratur Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar, 2000: Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek: rororo Bromley, Roger / Göttlich, Udo / Winter, Carsten (Hrsg.): Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg: zu Klampen Daniel, Ute, 2001: Kompendium Kulturgeschichte: Theorien, Praxis, Schlüsselwörter. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Hansen, Klaus P., 1995: Kultur und Kulturwissenschaft. Tübingen/Basel: Francke. Jung, Thomas, 1999: Geschichte der modernen Kulturtheorie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Kittsteiner, Dieter (Hrsg.), 2004: Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten. München: Fink. Reckwitz, Andreas, 2006: Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrück.
11 Rückblick 3) Hochkultur und Kulturbetrieb 4) Gesellschaftlich-kulturelle Gefüge Herkömmliche Disziplinen und Fragestellungen Krisensymptome Neue, kulturwissenschaftlich relevante, Denkschulen
12 Rückblick 3) Hochkultur und Kulturbetrieb Kultur als Teilsphäre innerhalb der Kultur, in der man lebt, und zwar oberhalb des bloß Zivilisatorischen, Politischen, Wirtschaftlichen und Technischen ( höhere Welt der Werte und Werke ) - Cultural Studies : Subkulturen als wiss. Herausforderung - Linguistic Turn / Strukturalismus / Neo- Strukturalismus: Hinwendung zu Text und Textur; Machtaspekte von Diskursen
13 Rückblick 4) gesellschaftlich-kulturelle Gefüge A culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e., historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, and on the other as conditioning of further action (Kroeber/Kluckhohn 1967 (1952): 357) - Annales, Sozial- und Kulturgeschichte: Überwindung des Historismus und Kontextualisierung von Herrschaftsgeschichte - Postcolonial Studies : Kritik der westlichen Beobachterperspektive
14 Rückblick 4) gesellschaftlich-kulturelle Gefüge A culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e., historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, and on the other as conditioning of further action (Kroeber/Kluckhohn 1967 (1952): 357) Diskutieren Sie die Definition!! Fünf Minuten
15 Kroeber/Kluckhohn A culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e., historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, and on the other as conditioning of further action
16 Cultural Studies Center for Contemporary Cultural Studies, Universität Birmingham (1964) Erste Protagonisten: Raymond Williams, Richard Hoggart ( The Uses of Literacy ), Edward Thompson, Stuart Hall Aufwertung der popular culture ; traditionskritische Revision des kulturellen Kanons; Kultur als Alltagspraxis Wichtige Begriffe/Konzepte, die in der Ausdifferenzierung der Cultural Studies (nun auch USA) entwickelt wurden: Kontextualisierung Othering Mapping Minority discourse Bromley, Roger / Göttlich, Udo / Winter, Carsten (Hrsg.), 1999: Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg: zu Klampen. Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar, 2000: Orientierung Kulturwissenschaften: Was sie kann, was sie will. Reinbeck: Rowohlt, S
17 Linguistic Turn Rorty, Richard, 1967: The Linguistic Turn. Essays in Philosophical Method Erkenntnistheoretische Ausgangsposition: Erkenntnis muss immer der Logik der Sprache folgen; die sprachliche Struktur bildet daher zugleich Voraussetzung und Grenze des Erkennbaren. Beispiel Stuhl : a) Traditionelle Position: Real existierender Stuhl, der mit dem menschlichen Konzept Stuhl korrespondiert, dem das sprachliche Konstrukt Stuhl zugeordnet ist b) Gegenposition (Ferdinand de Saussure): ein Konzept kann nicht existieren, ohne gleichzeitig benannt zu werden. Definitionen von Konzepten sind daher an Differenzen zwischen Wörtern gebunden (und nicht an eine Verbindung Realität- Konzept-Wort). Daher: Alles von Menschen als Realität Angesehenes besteht aus einer Konvention namens Sprache. Diese ist wiederum zu differenzieren: Parole: beobachtbare Oberfläche der Sprachausübung Langue: zugrundeliegende Tiefenstruktur des sprachlichen Differenzsystems (die die Sprecher in die Lage versetzen, in geregelter Weise Laut- und Wortkombinationen hervorzubringen Folge: der Status von Sprache wechselt vom Medium zum Diskurs, der a) bestimmten Regeln gehorcht und b) den Möglichkeitsraum von Aussagen konstituiert ( Strukturalismus)
18 Strukturalismus Beginn: methodologisches Unterfangen, um die strukturalistische Revolution der Linguistik für die Sozialwissenschaften nutzbar zu machen Phoneme (elementare Laute einer Sprache) bilden eine sprachliche Struktur = ein System von Kombinationen elementarer Unterscheidungsmerkmale Transfer: soziale Einheiten bilden soziale Strukturen = bestimmte Kombinationen von Unterscheidungen sind für die Bildung sozialer Institutionen plausibler als andere klassische bzw. archaische Institutionen in diesem Sinne: Wahl des Wohnsitzes, Erbschaftsregelungen, Verwandtschaftssystem, Gestaltung des Inzestverbots Boudon, Raymond / Bourricaud, Francois, 1992: Soziologische Stichworte. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S
19 Neo-Strukturalismus Sammelbezeichnung für verschiedene Ansätze, die einzelne Elemente des traditionellen Strukturalismus zurückweisen oder weiterentwickeln Zurückweisung insbesondere der strukturalen Prinzipien von Claude Lévi-Strauss hinsichtlich universaler kultureller Muster und Mythen Wichtige Vertreter: Jacques Derrida und Dekonstruktion : die Thematisierung bestimmter Gegenstände grenzt zugleich andere aus. Daher ist eine Analyse derjenigen Faktoren geboten, die Thematisierungen erst ermöglichen Jacques Lacan: Konstituierung des Unbewussten wie eine Sprache Michel Foucault ( Archäologie des Wissens ): Wissensordnungen, die Ausdrucksformen für Autoren erst verfügbar machen; Denken und Wahrnehmen sind von Diskursordnungen geprägt Vielfalt von Ansätzen; hier nur selektiv dargestellt
20 Annales 1929, Gründung der Zeitschrift Annales d'histoire économique et sociale u.a. Marc Bloch, Lucien Febvre histoire totale = Geschichte von Zivilisationen unter Einschluss nicht-politischer Aspekte; Strukturen des geistigen und kulturellen Lebens; Abwendung von Ereignisgeschichte. Wichtige Begriffe: Einfluss der Umwelt und longue durée; Fernand Braudel: Das Mittelmeer Hinwendung zu Mentalitätsgeschichte(n) Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar, 2000: Orientierung Kulturwissenschaften: Was sie kann, was sie will. Reinbeck: Rowohlt, S
21 Post-Kolonialismus Realweltliche Dimension: kritische Auseinandersetzung mit Praktiken und (realweltlichen) Folgen der Kolonialzeit und des Imperialismus These: Dominanz der Kolonialmacht zerstört Kultur des kolonisierten Raumes Methodische Dimension: Rückwirkende Anwendung der kritischen Auseinandersetzung auf den Beobachterblick Edward Said: Orientalism (1979) Weiterführung zu Kritik am Eurozentrismus und critical whiteness Fokus auf koloniale Kontexte: Unterdrückung, Widerstand, Geschlecht, Migration
22 Überblicksliteratur Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar, 2000: Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek: rororo Bromley, Roger / Göttlich, Udo / Winter, Carsten (Hrsg.): Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg: zu Klampen Daniel, Ute, 2001: Kompendium Kulturgeschichte: Theorien, Praxis, Schlüsselwörter. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Hansen, Klaus P., 1995: Kultur und Kulturwissenschaft. Tübingen/Basel: Francke. Jung, Thomas, 1999: Geschichte der modernen Kulturtheorie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Kittsteiner, Dieter (Hrsg.), 2004: Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten. München: Fink. Reckwitz, Andreas, 2006: Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrück.
23 Fragen?
24 Heutige Vorlesung I. Rückblick: Ausgangspunkte für den kulturwissenschaftlichen Ansatz II. Kulturwissenschaftliche Schulen III. Standorte der kulturwissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland
25 Berlin: Humboldt- Universität a) Ausbildungsprofil zwischen Theorie und Praxis b) Wissenschaftliches Profil - Zahl der Professuren: 10 - Profil: Institut hervorgegangen aus Kulturwissenschaftlichem Seminar sowie Seminar für Ästhetik - Wichtige Publikation: Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar, 2000: Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek: rororo
26 Universität Bremen a) Ausbildungsprofil zwischen Theorie und Praxis b) Wissenschaftliches Profil - Zahl der Professuren: 6 - Profil: bik (bremer institut für kulturforschung) und IMKI (Institut für Medien, Kommunikation und Information)
27 Universität Hildesheim a) Ausbildungsprofil zwischen Theorie und Praxis Studiengang: Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis b) Wissenschaftliches Profil - Sechs beteiligte Institute: Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft Institut für Kulturpolitik Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft Institut für Medien und Theater Institut für Musik und Musikwissenschaft Institut für Philosophie
28 Universität Passau a) Ausbildungsprofil zwischen Theorie und Praxis Studiengang: Kulturwissenschaft/ International Cultural and Business Studies Studiengang: Historische Kulturwissenschaften b) Wissenschaftliches Profil - Beteiligte Fakultäten: Philosophische Fakultät, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät - Forschung: Forschungsstelle Grundlagen Kulturwissenschaft, Institut für interkulturelle Kommunikation - Publikation: Klaus P. Hansen (1995): Kultur und Kulturwissenschaft. Tübingen/ Basel: Franke.
29 Europa-Universität Viadrina a) Ausbildungsprofil zwischen Theorie und Praxis Studiengänge: BA Kulturwissenschaft, vier MA-Programme b) Wissenschaftliches Profil - Beteiligte Fakultäten: Kulturwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Juristische Fakultät - Zahl der Professuren: 27 (Kulturwissenschaftliche Fakultät) - Publikation: Kittsteiner, Heinz Dieter (Hg.) (2004): Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten. München: Wilhelm Fink Verlag.
30 Fragen?
31 Veranstaltungsplan Einführungssitzung Symbol und symbolische Formen (Ernst Cassirer) Was ist Wissenschaft: das Prinzip der problemorientierten Wissensvermehrung Sinnhorizonte und soziale Wirklichkeit(en) (Alfred Schütz) Was ist Kultur: Struktur vs. Substanz vs. Interpretation Was ist Kulturwissenschaft: Standbeine, Standpunkte, Standorte Die anthropologischen Prämissen sozialen Handelns: homo oeconomicus, homo socialis, homo culturalis Grundpositionen I: (neo)strukturalistische Kulturtheorien Grundpositionen II: interpretative Kulturtheorien 4.1. Kultur als Bedeutungsgewebe (Clifford Geertz) Politische Kultur als Aggregat von Werten und Einstellungen (Gabriel Almond / Sidney Verba) Kulturwissenschaft als Sozialwissenschaft + Kulturgeschichte Kulturwissenschaft als Linguistik + Literaturwissenschaft Übung II: Anwendungsbeispiele Übung I: Anwendungsbeispiele Kulturwissenschaft als Beruf?
32 bis nächste Woche!!
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