Einführung in die Religionswissenschaft
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- Werner Weiner
- vor 6 Jahren
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1 Einführung in die Religionswissenschaft Vorlesung Herbstsemester 2013 Ricarda Stegmann
2 1. Wiederholung Religionsphänomenologie 2. Religionwissenschaft als Kulturwissenschaft 2.1. Die Re-Historisierung der Religionswissenschaft in den 1970er Jahren 2.2. Der Einfluss der kulturwissenschaftlichen Wende 2.3. Diskursive Religionswissenschaft 2.4. Beispiel: Die Orientalismus-Debatte
3 1. Zusammenfassung Religionsphänomenologie essentialistische Religionsdefinition: 1. Religion als Ausdruck des Verhältnisses von Mensch und Gott, von Mensch und dem Heiligen, von Mensch und einer höheren Macht Postulate: 1. homo religiosus 2. vom historischen Kontext unabhängige Erfahrung Gottes/des Heiligen etc. Methode: ahistorischer Vergleich
4 Zu untersuchen: Phänomene, in denen sich die Konfrontation des Menschen mit Gott/ dem Heiligen etc. manifestiert: Gottesdienste, Feste Rituale Gebete Schriften etc. Verstehen der Phänomene und Vergleich funktioniert über (Nach-)erleben Vergleich und Einordnung der Phänomene führt zur Religionsdefinition
5 Zirkelschluss in der Argumentation: Religionsdefinition und homo religiosus legitimieren die Methode Methode soll Religionsdefinition bestätigen
6 Religionsforschung seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Schriftstücke sammeln, übersetzen, Edieren, Interpretationen anbieten Vergleich der Funde auf unterschiedlichen Kulturen nach bestimmten vorher festgelegten Kriterien Vergleichende Religions- Wissenschaft (Müller) Religionsgeschichte Religionsphänomenologie
7 2. Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft 2.1 Re-Historisierung der Religionswissenschaft seit den 1970er Jahren seit den 1970er Jahren: kulturwissenschaftlich orientierte Religionswissenschaft an geisteswissenschaftlichen Fakultäten Einfluss der Religionssoziologie und der Religionsethnologie Ablehnung der dekontextualisierenden Religionsphänomenologie Ablehnung des Vergleichs Anknüpfung an philologisch-historische Erforschung von (meist vergangenen) religiösen Traditionen und Konstellationen
8 2. Religion und Diskurs 2.1 Re-Historisierung der Religionswissenschaft seit den 1970er Jahren Gegenstand: religiöse Traditionen und Konstellationen A) in ihrer jeweiligen kulturellen Umgebung B) als Aushandlungsprodukte menschlicher Akteure Selbstverständnis: empirische Wissenschaft
9 2.2. Der Einfluss der kulturwissenschaftlichen Wende zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Wendung zur Sprache in der Linguistik und Philosophie (z.b. Ferdinand de Saussure/ Ludwig Wittgenstein/George Edward Moore)) Begriff des linguistic turn in den 1960er Jahren geprägt durch Gustav Bergmann; 1967 bekannt gemacht durch die gleichnamige Publikation von Richard Rorty 1960er Jahre: Erweiterung hin zum cultural turn: nicht mehr nur Sprache: soziale, kulturelle Praktiken, Verhaltensweisen
10 2.2. Der Einfluss der kulturwissenschaftlichen Wende Einfluss des Sozialkonstruktivismus (Berger/Luckmann) wie wird soziale Wirklichkeit konstruiert? Beschreibung von Institutionen, sozialem Handeln ( Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit ) Einfluss der französischen(diskurs-) kritiker (Bourdieu, Foucault, Derrida) Analyse und Infragestellung der Machtstrukturen Einfluss der cultural studies (Birmingham) Einbeziehung kultureller Randphänomene, Analyse der Partikularitäten kultureller Konstellationen, politisches Potential
11 Einfühung in die Religionswissenschaft Kurs 4: Religion und Diskurs breiterer Eingang in die Religionswissenschaft in den 1980ern und frühen 1990er Jahren Konstruktionscharakter Machtstrukturen Einbeziehung von Randphänomenen
12 Einfühung in die Religionswissenschaft Kurs 4: Religion und Diskurs Folgen: Erweiterung des Gegenstandsbereichs: 1. Einbezug europäischer Religionsgeschichte (bisher beschränkt auf Kirchengeschichte) 2. Einbezug gegenwärtiger religiöser Konstellationen (bisher beschränkt auf theologische Bewertungen von Sekten- und Jugendreligionen) Entstehen der Religionsästhetik!
13 Gott Das Heilige Transzendenz Wahrheit Empirische Forschung Muslime, Christen etc.
14 Introduction en science des religions, cours 3: Religion et discours Was ist der Kern der Bibel? War Mohammed ein von Allah gesandter Prophet? Wie ist die Bibel entstanden? Was machen die M.daraus? (Traditionen der Bibellektüre, Bedeutung im Alltag etc.) Welche historischen Informationen haben wir über Mohammed? Wie stellen sich Muslime Mohammed vor? Einfluss ökonomischer, politischer, soziokultureller u.a. Eigenschaften Was ist das jüdische Gebet? Wie verändern sich Praxis und Bedeutung des jüdischen Gebetes in spezifischen kulturellen Kontexten?
15 Heinrich von Stietencron, Der Begriff der Religion in der Religionswissenschaft: Man braucht nur die ganze Spannweite der Doktrinen innerhalb des Christentums vom Anfang bis heute zu bedenken. Ist z.b. das Christentum des Paulus und der Evangelisten in demjenigen der Fürstbischöfe des europäischen Barock noch wiederzuerkennen? Haben wir in den Lehren des Origenes, des Thomas, des Luther und Calvin, der Wiedertäufer und Adventisten, haben wir in der Mystik Eckarts und der Entmythologisierung Rudolf Bultmanns, oder haben wir in der mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Religiosität (...) und dem evangelischen Kirchentag von heute die gleiche Religion vor uns? Und wie steht es mit den Heiligenkulten und dem Marienkult haben sie mit dem Alten und Neuen Testament, so wie sie intendiert waren, noch irgend etwas zu tun? Man kann solche oder ähnliche Fragen stellen und kann sie wohl auch bejahen. Aber zugleich muss man sicherlich zugeben, dass sich bis auf den Namen Christi so gut wie alles - auch das Gottesverständnis selbst - geändert hat.
16 2.3. Diskursive Religionswissenschaft Diskursmodell anstelle von erkenntnistheoretischem Modell nicht mehr, WAS Religion ist, sondern WIE über Religion geredet wird, was als Religion bezeichnet wird, Aufdeckung der Bedingungen/Veränderungen Fokussierung der Machtstrukturen
17 2.4. Beispiel: Die Orientalismus-Debatte Diskurs nach Michel Foucault/Pierre Bourdieu: Diskurs: Netz aus historisch gewachsenen Begriffen und Argumentationsmustern, über die Realität gelegt; Netz = historisches und soziopolitisches Produkt, das gleichzeitig die soziale Umwelt konstituiert Diskurs: von Machtstrukturen durchzogener Raum. Nicht alle Teilnehmenden haben die gleiche Möglichkeit, an Debatten teilzunehmen, den Diskurs zu beeinflussen Orientalismus-Debatte 1978 von Edward Said mit seiner Publikation Orientalism angestoßen - Buch in über 36 Sprachen übersetzt
18 Introduction en science des religions, cours 4: Religion et discours Edward Said 1935 in Jerusalem in eine palästinensich-libanesische christliche Familie geboren Ausbildung zunächst in Ägypten, dann in den Vereinigten Staaten Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft Internationale Preise
19 Introduction en science des religions, cours 4: Religion et discours Edward Said These: Wissenschaftler postulieren seit Ende des 18. Jahrhunderts Wesensverschiedenheit zwischen Orient und Okzident Orient als rückständig, nicht entwicklungsfähig, despotisch anti-demokratisch beschrieben und dies im Islam begründet Ergebnisse wurden als Fakten angesehen
20 Introduction en science des religions, cours 4: Religion et discours Edward Said These: Reproduktion von Gedanken, die auch in Kunst, Literatur, Politik und gesamtgesellschaftlichen Debatten vertreten sind Unterscheidung Orient-Okzident (heute eher islamische Welt-Westen) = Konstruktion, beruht nicht auf Wesensverschiedenheit
21 machtpolitische Konsequenzen: Orientalismus hat Kolonialisierung legitimiert; Diskurs vom Araber/Muslim wurde zu seiner Unterdrückung genutzt Anwendung später auch auf andere Religionen wie Buddhismus, Hinduismus etc. (Richard King) Diskurs vom spirituellen Asiaten weniger negativ gefüllt, jedoch ähnliche machtpolitische Konsequenzen Virulenz dieser Theorien heute?
22 Zusammenfassung diskursive Religionswissenschaft: Wie sprechen wir über Religion und wie hat sich der Gebrauch des Begriffs gewandelt? Wie sprechen die untersuchten Akteure über Religion und welche Gründe können für Wandel in der Begriffsverwendung ausgemacht werden? Wie sprechen wir über Islam, Hinduismus, Buddhismus etc. welche Vorannahmen machen wir und woher kommen sie?
23 Zusammenfassung diskursive Religionswissenschaft: Wie sprechen die untersuchten Akteure über Islam, Hinduismus, Buddhismus etc. und wie wandelt sich ihr Verständnis im Laufe der Zeit? Welche Machtstrukturen und welche machtpolitischen Konsequenzen verbergen sich hinter unseren Beschreibungsmechanismen (realitätskonstituierende Komponente der Wissenschaft)
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