Beweislastumkehr in Ungleichbehandlungsfällen
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- Richard Gerhardt
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1 Beweislastumkehr in Ungleichbehandlungsfällen EU-Gleichstellungsrecht Seminar für Angehörige der Justiz ERA Mai 2012 Kevin Duffy Einleitung Inhalt Rechtsetzung im historischen Rückblick Test für die Umkehr der Beweislast unmittelbare Diskriminierung / mittelbare Diskriminierung Glaubhaftmachung von Diskriminierung - Einreden Verwendung von statistischen Daten Andere Mittel zur Feststellung von ungleichen nachteiligen Auswirkungen ( disparate impact ) Sachliche Rechtfertigung als Einrede gegen mittelbare Diskriminierung 1
2 Beweislast Artikel19 der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirk-lichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsund Beschäftigungsfragen (Neufassung) sieht vor: - Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem anderen Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Rechtsetzung im historischen Rückblick Konzept abgeleitet aus der Rechtsprechung des EuGH Gestützt auf den Grundsatz der Wirksamkeit Dies wird im Erwägungsgrund 30 der Richtlinie verdeutlicht Ausgehend von der praktischen Annahme, dass es dem Kläger oft nicht möglich ist, die tatsächlichen Kriterien der Entscheidungsfindung nachzuweisen. 2
3 Mitchell-Test Die erste Anforderung von Artikel 4 der Richtlinie besteht darin, dass der Kläger Tatsachen darlegen muss, die vermuten lassen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung bei ihm nicht angewandt wurde. Dies bedeutet, dass ein Kläger nach Abwägung der Wahrscheinlichkeit den primären Tatsachennachweis führen muss, auf den er sich stützt, um die Vermutung einer rechtswidrigen Diskriminierung vorzubringen. Erst wenn diese Primärtatsachen zur Zufriedenheit des Gerichts festgestellt sind und sie vom Gericht als hinreichend betrachtet werden, eine Diskriminierungsvermutung zu begründen, geht die Beweislast auf den Beklagten über, der nachweisen muss, dass es nicht zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kam. (Teresa Mitchell gg Southern Health Board [2001] ELR 201) Test zur Beweislastumkehr 1. Der Kläger muss die Primärtatsachen nachweisen, auf die er sich stützt. 2. Das Gericht muss die Tatsachen bewerten und zum Schluss kommen, dass sie von ausreichender Bedeutung sind, um eine Diskriminierungsvermutung zu begründen. 3. Wenn der Kläger die Punkte 1 und 2 erfüllt, so geht die Beweislast auf den Beklagten über. 4. Der Kläger ist bestrebt, Diskriminierung glaubhaft zu machen. Die Folgerung, es habe Diskriminierung stattgefunden, muss nicht der einzig mögliche oder der wahrscheinlichste Schluss sein. Es reicht aus, wenn die Folgerung im Bereich vernünftiger Schlüsse liegt 3
4 Barton-Leitlinien (Barton gegen Investic [2003] IRLR 332) (1) Gemäß Abschn. 63A des Gesetzes aus dem dem Jahr 1975 muss der Beschwerdeführer, der wegen Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts eine Klage anstrebt,nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten die Fakten nachweisen, die dem Gericht in Ermangelung einer angemessenen Erklärung den Schluss ermöglichen könnten dass der Arbeitgeber den Beschwerdeführer im Sinne von Teil II in rechtswidriger Weise diskriminiert hat oder dass diese Tatsachen im Sinne von Abschn. 41 oder 42 des SDA als gegenüber dem Beschwerdeführer diskriminierend zu behandeln sind. Diese werden im Folgenden solche Tatsachen genannt. (2) Wenn der Beschwerdeführer solche Tatsachen nicht nachweist, wird er scheitern. (3) Für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer solche Tatsachen nachgewiesen hat, ist zu berücksichtigen, das es ungewöhnlich ist, dass direkte Beweise für Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts gefunden werden. Wenige Arbeitgeber wären bereit, eine solche Diskriminierung zuzugeben, nicht einmal vor sich selbst. In manchen Fällen ist die Diskriminierung nicht beabsichtigt, sondern beruht lediglich auf der Annahme, dass er oder sie nicht reingepasst hätte (4) Für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer solche Tatsachen nachgewiesen hat, darf nicht vergessen werden, dass das Ergebnis in dieser Phase der vom Gericht vorgenommenen Analyse normalerweise davon abhängt, welche Schlüsse aus den vom Gericht festgestellten Tatsachen zulässig sind. (5) Man beachte hier die Verwendung des Wortes könnten. In dieser Phase muss sich das Gericht nicht endgültig festlegen, ob solche Fakten zum Schluss führen werden, das es zu rechtswidriger Diskriminierung gekommen ist. In dieser Phase prüft das Gericht die vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Primärtatsachen, um zu sehen, welche Schlüsse auf Sekundärtatsachen möglich sind. 6) In bestimmten Fällen können diese Schlüsse auch solche umfassen, die im Sinne von Abschnitt 74,2b des Sex Discrimination Act angesichts ausweichender oder unklarer Beantwortung eines Fragebogens oder von Fragen die unter Abschnitt 74,2 des SDA fallen, recht und billig erscheinen: siehe Hinks gg Riva Systems Ltd. (22. November 1996, November 1996, nicht angezeigt). Barton-Leitlinien Fortsetzung... (7) Desgleichen muss das Gericht entscheiden, ob Bestimmungen irgendeines einschlägigen Verhaltenskodices relevant sind und wenn dies bejaht wird, diese bei der Feststellung solcher Tatsachen im Sinne von Abschn. 56A, 10 des SDA berücksichtigen. Das bedeutet, dass auch Schlüsse aus der Nichteinhaltung eines Verhaltenskodices gezogen werden können. (8) Sobald der Beschwerdeführer den Tatsachennachweis geführt hat, aus dem der Schluss gezogen werden kann, dass der Arbeitgeber den Beschwerdeführer aufgrund des Geschlechts weniger günstig behandelt hat, geht die Beweislast auf den Beklagten über. (9) Dann muss der Beklagte beweisen, dass er diese Handlung nicht begangen hat oder dass es, je nach Sachlage, keinen Grund gibt, ihn so zu behandeln als habe er sie begangen. (10) Um dieser Beweispflicht nachzukommen, muss der Arbeitgeber unter Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nachweisen, dass die Ungleichbehandlung in keiner Weise aufgrund des Geschlechts erfolgte, denn jegliche Diskriminierung ist unvereinbar mit der Richtlinie über die Beweislast. (11) Dies macht es erforderlich, dass das Gericht nicht nur beurteilt, ob der Beklagte eine beweiskräftige Erklärung für die Tatsachen geliefert hat, aus denen schlussgefolgert wurde, sondern ob es angemessen ist, einer Beweispflicht über die Abwägung von Wahrscheinlichkeiten nachzukommen, derzufolge das Geschlecht keinen Grund für die zur Diskussion stehende Behandlung darstellte. 12) Da die für eine beweiskräftige Erklärung notwendigen Tatsachen normalerweise im Besitz des Beklagten sind, würde ein Gericht normalerweise triftige Beweismittel zur Entlastung erwarten. Insbesondere wird das Gericht eingehend prüfen wie erklärt wird, warum das Fragebogenverfahren und/oder der Verhaltenskodex nicht eingehalten wurden. 4
5 Unmittelbare Diskriminierung Die Diskriminierung ist unmittelbar, wenn die Ungleichbehandlung auf ein geschütztes Merkmal oder ein Kriterium gestützt ist, das untrennbar mit diesem Merkmal verbunden ist. (Schnorbus gegen Land Hessen) Für die Beurteilung der Frage, ob sich die Beweislast verschoben hat, prüft das Gericht, ob es stichhaltige Beweise dafür gibt, dass der Kläger anders behandelt wurde als eine Person, die das geschützte Merkmal nicht aufweist und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Grund für die Ungleichbehandlung dieses Merkmal ist. Hilfestellungen für den Rechtspraktiker Wer selten diskriminiert, gesteht dies ein, auch vor sich selbst. Oft wird davon ausgegangen, dass er oder sie nicht reinpasst. Das Ergebnis des Verfahrens hängt für gewöhnlich von den Schlüssen ab, die zulässigerweise aus den Primärtatsachen gezogen werden können. Eine ausweichende oder unklare Antwort auf einem Fragebogen kann berücksichtigt werden. Wenn Ungleichbehandlung sowie Merkmalsunterschiede vorliegen und der Arbeitgeber keine annehmbare Erklärung liefert, kann auf Diskriminierung geschlossen werden. 5
6 Einige Beispiele Ein weniger qualifizierter Mann wird einer qualifizierteren Frau vorgezogen. (Wallace gegen South Eastern Education and Library Board) Eine Frau wird entlassen und durch einen weniger qualifizierten Mann ersetzt. (Boyle gegen Ely Properties) Ungleichbehandlung aufgrund der Rasse, falsche Angabe von Entlassungsgründen. (Shaskova gegen Goode Concrete) Verrichten Männer und Frauen die gleiche Arbeit, werden aber ungleich bezahlt, so wird Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts vermutet. (Flynn Primark [1997] ELR 218) Eine Frau wird belästigt und es gibt Beweise dafür, dass der mutmaßliche Belästiger allgemein Frauen gegenüber negativ eingestellt ist. (Eine Arbeitnehmerin gegen ein Hotel) Glaubhaftmachung Unmittelbare Diskriminierung Der Beklagte muss beweisen, dass es zu keinerlei Diskriminierung gekommen ist. Prüfen Sie, ob der Beklagte den Beweis dafür erbringt, dass das geschützte Merkmal des Klägers keinen Einfluss auf die angefochtene Entscheidung hatte. Geht es um Stellenbesetzungen, prüfen Sie die Kriterien und das Auswahlverfahren war es transparent und frei von diskriminierenden Untertönen. 6
7 Mittelbare Diskriminierung Vorschriften, Kriterien oder Verfahren (PCP) wirken sich auf Personen eines bestimmten Geschlechts besonders nachteilig aus. Eine fast ausschließlich aus Personen eines bestimmten Geschlechts bestehende Gruppe wird schlechter bezahlt als eine vorwiegend aus Personen des anderen Geschlechts zusammengesetzte Gruppe. Mittelbare Diskriminierung kann sachlich gerechtfertigt sein. Verwendung von statistischen Daten Beweismittel zur Glaubhaftmachung von Diskriminierung und damit Umkehr der Beweislast Können in Fällen von angeblicher unmittelbarer Diskriminierung eingesetzt werden, finden gewöhnlich aber beim Nachweis mittelbarer Diskriminierung Verwendung. 7
8 Feststellung ungleicher Auswirkungen ( disparate impact ) mit Hilfe statistischer Daten 1. Ermitteln Sie alle Männer und Frauen, die ungeachtet der angefochtenen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren für den zur Diskussion stehenden Vorteil in Frage kämen, 2. Unterteilen Sie diese Population in diejenigen, die die Anforderung erfüllen und die, die sie nicht erfüllen können, 3. Stellen Sie die Zahl der Männer und die Zahl der Frauen im Pool insgesamt fest, 4. Drücken sie die Zahl der Männer im Pool, die die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren erfüllen, im Prozentverhältnis zur Gesamtzahl der Männer im Pool aus. Gehen Sie genauso vor in Bezug auf die Frauen im Pool, 5. Vergleichen Sie den Prozentanteil der Männer, die die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren erfüllen mit dem Prozentanteil von Frauen, für die dieses gilt und stellen Sie fest, ob der Vergleich offenbart, dass ein beträchtlich geringerer Anteil von Frauen als von Männern im Pool die Anforderung erfüllen kann. Beispiel Frauen Männer Geschlechterverhältnis W/M Begünstigt :2 Benachteiligt :1 Pool insgesamt :1 Benachteiligte in Prozent zum Pool Bevorteilt in Prozent zum Pool 57% 14% 4:1 43% 86% 1:2 8
9 Ermittlung des Pools Der ausgewählte Pool kann entscheidend sein, weil damit das Ergebnis bestimmt werden kann Der Pool muss eine Überprüfung speziell der Diskriminierung ermöglichen, die Gegenstand der Klage ist. Im Allgemeinen sollte der Pool alle Personen umfassen, die tatsächlich oder potenziell von den Vorschriften, Kriterien oder Verfahren betroffen sind. Andere Mittel der Feststellung ungleicher Auswirkungen (disparate impact) Gerichte haben keine Scheuklappen Die Gerichte können auf ihr eigenes Wissen und ihre Erfahrungen vertrauen. Manche Vorschriften, Kriterien und Verfahren sind offenkundig diskriminierend Man braucht keine Statistiken, um zu zeigen, dass eine Anforderung bezüglich der Körperkraft Frauen gegenüber Männern benachteiligt. 9
10 Sachliche Rechtfertigung diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich Prüfung Dient eine Vorschrift, ein Kriterium oder ein Verfahren einem rechtmäßigen Ziel eines Arbeitgebers Ist die Maßnahme angemessen Ist sie verhältnismäßig Ist die Maßnahme erforderlich Gibt es als Alternative weniger diskriminierende Möglichkeiten Bilka-Kaufhaus GmbH gegen Weber Von Hartz 10
11 Bestandteile des Tests Der Beklagte muss nachweisen: (1) dass es sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung gab; (2) die geschlechtsunabhängig waren; (3) einem tatsächlichen Bedarf im Unternehmen entsprachen; (4) für die Erreichung des angestrebten Ziels angemessen waren; (5) zu diesem Zweck erforderlich waren; (6) dass die Ungleichbehandlung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprach; (7) dass dieses während der gesamten Zeit der Ungleichbehandlung zutraf. Barton gegen Investec Henderson Crosthwaite Securities Ltd Anwendung des Tests Sachliche Rechtfertigung ist eine Einrede Die Beweispflicht für jedes Element der Einrede liegt beim Beklagten Sachliche Rechtfertigung kommt einer Ausnahmeregelung gleich Sie ist streng anzuwenden Lommers gegen Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visseri Verallgemeinerungen bezüglich der Wirkung einer Maßnahme können die Einrede der sachlichen Rechtfertigung nicht begründen. Rinner-Kuhn gegen FWW Spezial-Gebaudereinigung GmbH & Co. KG Sie muss sich auf die betroffene Beschäftigung beziehen. Sie darf sich nicht auf weit gefasste Grundsätze oder Gesetzesbestimmungen der Mitgliedstaaten beziehen. Adeneler and others gegen Ellinikos Organismos Galaktos (ELOG) 11
12 Schlussbemerkungen Offene Diskriminierung ist seltener geworden, aber es gibt sie immer noch. Die Umkehr der Beweislast ist eine mächtige Waffe im Kampf gegen Diskriminierung Angemessene Schlüsse zu ziehen ist besonders wichtig. Ziel ist es immer, dem Menschen zu seinem Recht zu verhelfen Die Umkehr der Beweislast soll Opfern von Diskriminierung helfen, Schadenersatz zu erlangen: sie sollte einem unschuldigen Arbeitgeber eine umfassende Verteidigung nicht erschweren. 12
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