Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 1

Transkript

1 Wie schülergerecht ist Objektorientierung wirklich? Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 1

2 Themenschwerpunkte Entwicklungspsychologie: Formen des Denkens Altersstufen Objektorientiertes vs. Prozedurales Paradigma Vorschlag für einen vierjährigen Informatikunterricht Ziele des Informatikunterrichts Wie schülergerecht ist das Konzept der Objektorientierung? Wahl einer geeigneten Sprachumgebung Wahl geeigneter Aufgabenstellungen Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 2

3 Entwicklungspsychologie Piaget: Objektpermanenz (acht bis zehn Monate) formales Denken (beginnt mit dem zehnten Lebensjahr) eigene Erfahrung: Fähigkeit zur Abstraktion sowie Fähigkeit zur Beschreibung von Abstraktionen auch bei Vierzehnjährigen oft noch nicht gegeben Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 3

4 Objektorientiertes vs. Prozedurales Paradigma (1) Was spricht für das objektorientierte Paradigma? neu Objekt-Nachricht -Konzept kommt dem natürlichen Denken sehr nahe zusätzliche Konzepte wie Vererbung und Polymorphismus Was spricht gegen das objektorientierte Paradigma? trendy der große, träge Elefant schülergerechte Sprache? ist nicht für alle Problembereiche geeignet Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 4

5 Objektorientiertes vs. Prozedurales Paradigma (2) Was spricht für das prozedurale Paradigma? enthält die klassischen Konzepte (Konstante, Variable, Algorithmus, Funktion etc.) kann durch geeignete Aufgabenwahl diese Konzepte jedes für sich dem Schüler näher bringen es gibt auch einfache Sprachumgebungen Was spricht gegen das prozedurale Paradigma? nicht mehr trendy muss ich es deshalb verachten? kann Konzepte wie Vererbung nicht demonstrieren prozedurales Denken erschwert den Umstieg auf OO Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 5

6 Vorschlag für den Bereich Programmierung und OO(1) Anforderung: mindestens vier Jahre Informatikunterricht zu je zwei Wochenstunden 1. Jahr (9. oder besser noch 10. Schulstufe) (sofern keine Informatik-Vorbildung aus den unteren Schulstufen mitgebracht wird) prozedurales Konzept anhand einer nicht überladenen Programmiersprache einführen Konstante, Variable, Algorithmus, Alternativen, Schleifen, Felder, Unterprogrammtechnik (saubere Schnittstellendefinition) Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 6

7 Vorschlag für den Bereich Programmierung und OO(2) 2. Jahr prozedurales Konzept vertiefen und erweitern Unterprogrammtechnik, Modularisierung, Information Hiding Records, persistente Datenhaltung Datenbankmodellierung Objekt, Objektklassen, Attribute, Beziehungen Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 7

8 Vorschlag für den Bereich Programmierung und OO(3) 3. Jahr und 4. Jahr Einstieg in die Objektorientierung über OOA/OOD Konzepterweiterungen: Methoden, Vererbung, Aggregation Analyse- und Entwurfsmethoden: - OOA/OOD nach Coad/Yourdon - Unified Method nach Booch/Rumbaugh - UML nach Booch/Rumbaugh/Jacobson OOP Einstieg in die OOP anhand einer für Schüler geeigneten Sprachumgebung Polymorphismus ( late binding, overriding) Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 8

9 Vorschlag für den Bereich Programmierung und OO(4) 4. Jahr um zu zeigen, dass es noch weitere Paradigmen gibt, z.b. im Zuge des Themenbereiches AI eine kleine Einführung in Prolog als Vertreter der deskriptiven Sprachen Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 9

10 Ziele des Informatikunterrichts (1) kein Ziel sollte es sein, den Schüler in einer bestimmten Programmiersprache auszubilden zukünftiges berufliches Betätigungsfeld kaum bekannt Sprachen und Konzepte passen sich mit der Zeit den sich laufend ändernden Anwendungsfeldern an Ziele sollten hingegen sein Fähigkeit des Abstrahierens und der Beschreibung von Vorgängen verbessern den Schülern grundlegende Konzepte der einzelnen Paradigmen etwas näher bringen Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 10

11 Ziele des Informatikunterrichts (2) Ziele sollten hingegen sein eventuell auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte hinweisen aufzeigen, dass nicht ein einziges Konzept das Allheilmittel für alle Informatikprobleme ist Schüler dafür sensibilisieren, dass man sich mit dem Inhalt seines Werkzeugkastens ein wenig vertraut machen sollte, um für die Lösung eines Problems auch das geeignete Werkzeug zu finden Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 11

12 Wie schülergerecht ist das Konzept der Objektorientierung? Mindmap1 zu OO Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 12

13 Wie schülergerecht ist das Konzept der OO? (2) Mindmap2 zu OO Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 13

14 Wie schülergerecht ist das Konzept der OO? (3) eigene Erfahrungen mit OOA/OOD nach Coad/Yourdon und OOP mit Java 12. Schulstufe, vier gute Informatikschüler (Kenntnisse in C und ER-Modellierung) keinerlei Probleme bereiteten Finden von Objekten und Klassen Bilden von Generalisationen Finden von Beziehungen Erstellen von Zustandsdiagrammen Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 14

15 Wie schülergerecht ist das Konzept der OO? (4) ein wenig Probleme bereiteten Bilden von Aggregationen Ermittlung der Methoden aus den Zustandsdiagrammen in Summe gesehen machte OOA/OOD den Schülern Spaß und gab viele Anlässe zu Diskussionen über Entwurfsentscheidungen (auch in Hinblick auf die spätere Implementierung) Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 15

16 Wie schülergerecht ist das Konzept der OO? (5) erste Einführung in Java, indem die Unterschiede zur C- Syntax in Hinblick auf prozedurale Anteile herausgearbeitet worden sind; danach Einführung in die objektorientierten Konzepte auftretende Schwierigkeiten waren unter anderem: Fehlen einfacher Ein-/Ausgaberoutinen Überblick über die Klassenvielfalt zu bekommen geschickte Auswahl der Aufgabenstellungen Muss ein Schüler tatsächlich alle Konzepte der OO kennen lernen? Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 16

17 Wahl einer geeigneten Sprachumgebung keine syntaktisch überladene Sprache zu lange Einarbeitungsphase zu lange Suche nach geeigneten Klassen eine rein objektorientierte Sprache keine hybriden Sprachen wie C++ JAVA: sehr viele Klassen; es gibt wenig gute Umgebungen Nachteiliges Ein-/Ausgabekonzept eigene Klasse schreiben Smalltalk: rein objektorientiert, aber teure Software sehr viele Klassen, aber gute Beschreibung Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 17

18 Wahl geeigneter Aufgabenstellungen Lehrer sind oft auf der Suche nach geeigneten kleinen (übersichtlichen) Aufgaben, die aber Ihrer Meinung nach alles was an OO gut und teuer ist herzeigen sollen (Vererbung, Mehrfachvererbung, overloading, overriding usw.). Leider führt das immer wieder zu an den Haaren herbeigezogenen Aufgabenstellungen, die in Richtung OO vergenotwurzelt werden. Ab und zu wäre eine prozedurale Lösung bei weitem eleganter und verständlicher. Man sollte also Aufgaben vermeiden, für welche der oo Ansatz gerade nicht der ideale Lösungsansatz ist. Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 18

19 Literatur [1] Oerter, Montada: Entwicklungspsychologie, 3. Auflage, BELTZ Psychologie Verlags Union, Weinheim 1995 [2] Broy M., Siedersleben J.: Objektorientierte Programmierung und Softwareentwicklung - Eine kritische Einschätzung, Spektrum 1/2002 [3] Böszörmenyi L.: Java für Anfänger?, LOGIN 1/2001 [4] Füller K.: Objektorientiertes Programmieren in der Schulpraxis, in Schwill (Hrsg.): Informatik und Schule. Fachspezifische und fachübergreifende didaktische Konzepte. 8. GI-Fachtagung Informatik und Schule, Potsdam Informatik aktuell, Springer, Berlin 1999 [5] Lewis J.: Myths about Object-Orientation and Its Pedagogy, in SIGCSE 3/2000 Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 19

20 OO ist sicher nicht das Allheilmittel der Informatik. Es wird kein Schüler in seinem späteren Beruf versagen, wenn er OO nicht kennen gelernt hat. Evelin Kofler SE aus Fachdidaktik / Dr. Hubwieser / SS 2002 Seite 20