Lesen lustvoller leben, Teil 2. Maurizio Canetta (RSI), Peter Jankovsky (NZZ) Zu Gast in der Biblioteca popolare di Ascona

Größe: px

Ab Seite anzeigen:

Download "Lesen lustvoller leben, Teil 2. Maurizio Canetta (RSI), Peter Jankovsky (NZZ) Zu Gast in der Biblioteca popolare di Ascona"

Frauke Becke
vor 5 Jahren
Abrufe

1 Lesen lustvoller leben, Teil 2 Maurizio Canetta (RSI), Peter Jankovsky (NZZ) Zu Gast in der Biblioteca popolare di Ascona

2 Warum konsumieren wir Literatur? Warum konsumieren wir Literatur? Um den grauen Alltag zu vergessen? Um des Vergnügens willen, an spannenden fremden Schicksalen teilzuhaben? Oder um uns selber durch Lektüre zu einem bunteren Leben zu inspirieren? Diesen Fragen gehen zwei Literaturbegeisterte am Dienstag, 28. April, um 18 Uhr in Asconas Leihbibliothek (Biblioteca popolareascona, Piazza G. Motta37) nach. Maurizio Canetta, Direktor des Radios und Fernsehens der italienischen Schweiz, sowie der Philosoph und NZZ-Korrespondent Peter Jankovsky tragen ihre Gedanken vor und diskutieren mit dem Publikum darüber. Canettaund Jankovsky diskutieren unter anderem über eine ihnen wohlbekannte Haltung: über journalistische Neugier und den Drang, die Wahrheit zu ergründen. Darum geht es auch im neusten Buch des Schweizer Krimi-Autors Martin Suter, der sich mit Montecristo in die nicht immer lichte Welt der Finanzen begibt. Hinter allem Thrillsteht die grundsätzliche Frage, warum die Menschen ihr Leben immer wieder auf Illusionen aufbauen.

3 Im Verlauf der Diskussion werden weitere internationale und heimische Literaturgrössen erwähnt. Canettasieht den Amerikaner John Fante im Roman Warte bis zum Frühling, Bandini und den Bündner Arno Camenischin Hinter dem Bahnhof ein Gemälde von Landschaften und Familiengeschichten zeichnen, die räumlich weit auseinanderliegen, sich ansonsten aber unglaublich gleichen. Canettageht auf Fang im grossen Lebensteich, um mit der Beute ein offenes Puzzle des Daseins zu kreieren. Dank der Lektüre des Wahltessiners Max Frisch kann man sich dazu anregen lassen,besser versteckten Wahrheiten nachzuspüren und die eigene Identität (wieder) zu entdecken. Dazu gehören auch die Vieldeutigkeit und der Zweifel sowie das von Oscar Wilde beobachtete Phänomen, dass sich der Betrachter in einem Kunstwerk oder Roman spiegelt. Auch wird auf Gustave Flaubert hingewiesen, der aufzeigt, wie gefährlich Literatur sein kann, wenn wir sie hemmungslos in der eigenen Lebensführung umsetzen wollen. Der positive Sinn der Literatur kann aber sein, allem im Leben eine erträgliche Gestalt zu geben (Bernhard Schlink) sowie Trost und geistigen Schutz zu gewähren (Siegfried Lenz). Gute belletristische Bücher sind Spiegel des Lebens gerade auch unseres eigenen. Mittels der Erfahrung von Fremden zeigen sie uns alte und neue, schöne und hässliche Möglichkeiten der Existenz auf, die uns allen gemeinsam sind. Literatur soll den Anreiz bieten, das Leben in vollen, aber doch bedachten Zügen auszuprobieren. Lesen heisst: lustvoller leben.

4 John Fante (*1909 Boulder, Colorado; 1983 Los Angeles) Roman «Warte bis zum Frühling, Bandini» (1938) «Warte bis zum Frühling war eine Eiterbeule, die ich mit Schreiben aufschneiden musste.»

5 Arno Camenisch (*1978 Danis-Tavanasa, Graubünden) Roman «Hinter dem Bahnhof» (2010) Das Ungeschriebene soll gleich wichtig wie das Geschriebene sein.

6 Warum lesen wir? Auf Worte und Wortbilder reagieren: spontane Assoziationen Das eigene Ich reagiert: elektrisierendes Gefühl Lesen verleiht Schwung

Max Frisch Alfred Andersch (*1911 in Zürich, 1991 ebenda) (* 1914 München, 1980 Berzona, Tessin) Frisch (z.b. Roman «Stiller», 1954): «Ich will nicht mein Leben erzählen, sondern Erfahrungen mitteilen.

7 Max Frisch Alfred Andersch (*1911 in Zürich, 1991 ebenda) (* 1914 München, 1980 Berzona, Tessin) Frisch (z.b. Roman «Stiller», 1954): «Ich will nicht mein Leben erzählen, sondern Erfahrungen mitteilen.» Andersch(Roman «Die Rote», 1960): «Wenn die Literatur irgendeinen Sinn hat, dann den, wirklich zu sein.»

8 Bernhard Schlink (*1944 in Großdornberg bei Bielefeld) (z.b. Roman «Der Vorleser», 1995) «Literatur kann selbst dem Traurigen, Schlimmen, Schmerzlichen Gestalt geben, so dass man dem begegnen und es erträglicher machen kann.»

9 Siegfried Lenz (*1926 Ostpreußen; 2014 Hamburg) (z.b. Roman «Deutschstunde», 1968) «Literatur bietet den Menschen Trost und auch Schutz, was problematische Situationen oder gar Traumata anbelangt.»

10 Andersch «Literatur widerspiegelt das Leben die Möglichkeiten des Lebens, die Möglichkeiten, das Leben neu zu entwerfen.»

11 Milan Kundera (*1929 Brünn, lebt seit 1975 in Frankreich) (z.b. Roman Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, 1984) Literatur widerspiegelt das Leben dieses ist immer mehrdeutig, es gibt keine Lebenswahrheit, sondern nur einzelne Wahrheiten.

12 Frisch Frage nach der eigenen Identität: Wer bin ich wirklich? Gesunder Zweifel

13 Gustave Flaubert (*1821 in Rouen, 8. Mai 1880 Canteleu, Normandie) Roman «Madame Bovary» (1856) in Büchern: ideale Liebe in der Wirklichkeit gesucht, aber nicht gefunden Geschichte des Scheiterns

14 Hermann Hesse (*1877 Calw, 1962 Montagnola) Roman «Steppenwolf» (1927) Das leidende Alter Ego des Schriftstellers Die Suche nach sich selbst

15 Wie lesen? Das Buch als Lebenswerkzeug

16 Lesen und lustvoller leben auf die Beine!

Ähnliche Dokumente

Peter Stamms "Agnes". Zwischen Realität und Fiktion

Peter Stamms Agnes. Zwischen Realität und Fiktion Germanistik Cathrin Clemens Peter Stamms "Agnes". Zwischen Realität und Fiktion Essay Inhaltsverzeichnis 1. Die Macht der geschriebenen Worte S.3 2. Von der Besonderheit des Erzählens S.4 3. Im virtuellen