Info-Dienst Theologische Erwachsenenbildung

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Transkript:

Heft 1/2015 - Nr. 67 1. REPORT Info-Dienst Theologische Erwachsenenbildung NR. 70-24. JAHRGANG - HEFT 1/2016 - ISSN 0948 1990 KATHOLISCHE ERWACHSE NENBILDUNG DEUTSCHLA ND BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT E.V. Inhaltsverzeichnis Schwerpunkte: Seite 4: Wanderausstellung Dialogtüren 1 REPORT Christoph Gahlau: Studientag zur Enzyklika Laudato Si` im Erzbistum Bamberg Seite 2 Evelyn Ivanova-Reuter: Dialogtüren Wanderausstellung Seite 4 Svenja Riedmiller: Bibelerzählen. Ein attraktives Handwerk Seite 7 Stephan Mokry: 25 Jahre Kath. EB in Sachsen-Anhalt Seite 11 Christian Kainzbauer-Wütig: Ausbildung zur Wallfahrtsführer Seite 13 Hans Otto Seitschek: Bildung und Flüchtlinge Seite 15 Frank Buskotte: Glaube im Gespräch Mehr Wissen über... Seite 18 Seite 13: Ausbildung zum Wallfahrtsführer Alexandra Jürgens-Schaefer: Prävention von sexualisierter Gewalt als Thema der Katholischen Erwachsenenbildung Seite 21 Angelika Tuschhoff: Kurzberichte von Fortbildungen Seite 25 2 PLENUM Eckhard Türk: Christliche Spiritualität. Ein Tagungsbericht Seite 27 3 LESEZEICHEN Peter L. Berger: Altäre der Moderne. Religion in pluralistischen Gesellschaften. Rezension von Eckhard Türk Seite 33 4 MATERIALKISTE Seite 15: Bildung und Flüchtlinge Beate Eichinger: Arbeitshilfen z. Vermittlung von Laudato si Seite 35 5 JOURNAL Für Sie gelesen und beobachtet: Zeitschriftenauswahl Seite 36 6 RUNDSCHAU News & Views, Fortbildung, Termine, Ankündigungen Seite 42 Impressum Seite 43

Christoph Gahlau: Studientag zur Enzyklika Laudato Si` im Erzbistum Bamberg Enzyklika Laudato si` geht jeden Christen an Kaum eine Enzyklika hat so viel positive Resonanz gefunden, wie "Laudato si` von Papst Franziskus. An einem Studientag der KEB Katholische Erwachsenenbildung im Erzbistum Bamberg am 31. Januar 2016 haben sich rund 60 Personen mit unterschiedlichen Referenten aus den Bereichen Theologie, Politik und Umweltverband den Themen der Enzyklika genähert und in Workshops erarbeitet, wie sie in die Arbeit mit den Gemeinden und Einrichtungen, in Betrieben und Verbänden eingebracht werden können. Die Botschaft, die der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel aus der Enzyklika Laudato si` von Papst Franziskus herausliest, ist deutlich: Wir brauchen eine andere Weltwirtschaft. Dies sei notwendig, damit auch noch die künftigen Generationen in Frieden in Europa leben könnten. Der Ausstieg vom Atomstrom und der Abschied vom Öl ist nach Göppels Auffassung ohne Alternative. Inzwischen sei es möglich, erneuerbare Energien zum gleichen Preis wie Atomstrom herzustellen. Er stelle inzwischen auch international einen Stimmungswandel fest, sagte Göppel. Der saudische Ölminister Ali Al-Naimi habe auf einer Konferenz angekündigt, dass Saudi-Arabien zum Weltmarktführer für Sonnen- und Windenergie werden wolle. Dass dies vom saudischen Ölminister komme, sei mehr als beachtlich, meinte der CSU-Politiker. Vorbilder gesucht Eine große Einmütigkeit herrschte bei den Teilnehmern der Workshops des Studientags darüber, dass bei jedem Menschen persönlich eine Änderung des Lebensstils notwendig sei. Es wurde auch die Frage gestellt, ob die Politiker die Fähigkeit und den Willen hätten, etwas zu verändern? An die Schlüsselfiguren in Kirche und Gesellschaft wurde die Forderung herangetragen, sie müssten bei einem nachhaltigen Lebensstil Vorbild sein. Auch konkrete Vorschläge über den Studientag hinaus wurden eingebracht. So sei beispielsweise ein hauptamtlicher Umweltmanager für das Bistum gewünscht, der die Gemeinden vor Ort in Umweltfragen beraten könne. Seite 2

Begeisterung beim Bund Naturschutz Geradezu enthusiastisch referierte Steffen Jodl, Geschäftsführer des Bund Naturschutz in Würzburg, über Laudato si`. Das ist ja der Wahnsinn. Ich bin begeistert von den Inhalten. Selten habe er so klare und unverblümte Aussagen zu diesem Thema von so einer hochrangigen Persönlichkeit gehört. Jodl ergänzte Veiths Ausführungen zu sauberem Trinkwasser. Danach seien 630 Millionen Menschen weltweit ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Klimawandel wird nach Einschätzung von Jodl das Problem der Wasserversorgung noch einmal verschärfen. Das in Paris beschlossene Klimaziel von einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad stellte Jodl in Frage. Bereits jetzt seien Treibhausgase freigesetzt, die zu einer Erwärmung von 1,4 Grad führen. Er rechne daher bis zum Jahr 2100 mit einer Erwärmung von bis zu 4,5 Grad. Der Unterschied zwischen einer Eiszeit und Warmzeit sei fünf Grad. Wir setzen also auf die Warmzeit noch eine weitere Warmzeit drauf und produzieren eine Super-Warmzeit, warnte Jodl. Im Unterschied zu vielen vorherigen Enzykliken der Päpste sei der Text gut lesbar. Es würden zudem viele Bischofskonferenzen zitiert. Damit wolle Franziskus die Kompetenz und Wertschätzung der globalen Kirche deutlich machen, stellte Dr. Werner Veith vom Lehrstuhl für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München fest. Bereits seit Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gibt es nach Veiths Auffassung eine globale ökologisch-soziale Krise. Aus seiner Erfahrung als Dozent an der Universität könne er berichten, dass das Thema Umwelt bis zu Laudato si` kaum interessiert habe. Auf die Frage, ob Laudato si` eine Umwelt- oder Sozialenzyklika sei, antwortete Veith: Beides. Franziskus führe in Laudato si` einige Themen in großer Klarheit aus, so beispielsweise das Klima ein Gut für alle Menschen sei und alle Menschen ein Recht auf sauberes Trinkwasser hätten. Dem Papst gehe es um eine ganzheitliche Ökologie. Die Umwelt ist nicht ein Gegenüber des Menschen, sondern der Mensch als einen Teil der Umwelt. Jeder Mensch dürfe sich als Mitarbeiter Gottes berufen fühlen. Der Papst habe immer wieder die Lebensverhältnisse der heutigen und der zukünftigen Menschen im Blick. Er sei dabei geprägt von seinem Leben in Argentinien. Wie leben Menschen in 100 Jahren? Wir können uns das wohl nicht ansatzweise vorstellen, referierte Veith. Und doch habe der Mensch von heute eine Verantwortung für seine Kinder und Enkel. Das wolle Franziskus mit dieser Enzyklika deutlich machen. Immer wieder fordere er zum Dialog, dass wir miteinander sprechen, sagte Veith. Es gehe um eine Bewegung im Kopf. Die Kernbotschaft von Laudato si` ist: Ich muss meinen Lebensstil ändern. Josef Göppel, CSU- Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Ansbach. Er ist beim Klima- und Umweltschutz Vordenker seiner Partei Christoph Gahlau Fotos: Christoph Gahlau Heinrichsblatt/Christoph Gahlau Seite 3

Evelyn Ivanova-Reuter: Dialogtüren Eine interreligiöse Wanderausstellung Die Dialogtüren sind ein Angebot von OCCURSO Institut für interreligiöse und interkulturelle Begegnung. Es handelt sich dabei um eine Wanderausstellung, die aus der Ausstellung übertreten geboten zeitgenössische Kunst im interreligiösen Dialog anlässlich des 2. Ökumenischen Kirchentages 2010 in München entstand und seit dem in über 60 Orten ausgestellt wurde. Die Ausstellung zeigt in fünf Türen Grundthemen des Dialogs der Religionen, die mit verschiedenen Meinungen und vielfältigen Beispielen veranschaulicht werden. Auf diese Weise werden den Betrachtern anhand vieler konkreter Beispiele gelungenen Dialogs und Erfahrungen aus der Praxis unterschiedlichste Zugänge zum Thema eröffnet und gezeigt, wie Dialog beginnen kann und interreligiöse Lernprozesse ermöglicht werden. Verschiedene Positionen im und zum interreligiösen Dialog präsentiert die erste Tür. Dazu gehören offizielle Aussagen von Institutionen, wie Nostra Aetate, sowie Meinungen von Prominenten und anderen Privatpersonen. Am Beispiel der Moscheebaukampagne in der Schweiz werden positive und negative Äußerungen greifbar. Die Tür Lebenswege thematisiert rituelle und religiöse Begleitung von Übergängen von Lebensabschnitten, wie Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit, Krankheit, Alter und Tod. Die Beispiele sind nicht nur aus den religiösen Traditionen sondern auch interreligiöse Ansätze gewählt, wie etwa eine christlich-muslimische Hochzeit oder ein buddhistischer Krankenhausseelsorger in einem multireligiösen Team. Die dritte Tür zeigt am Beispiel Gebet verschiedene Grundformen der menschlich-religiösen Kommunikation, wie Bitte, Dank, Lobpreis, Stille und Kontemplation, die menschliche Grundbedürfnisse ausdrücken. Besondere Beachtung wird den Formen der Meditation und Kontemplation sowie der Liturgie geschenkt. Interreligiöse Aspekte des Gebets werden anhand der Geschichte der Gebetskette und interreligiöser Gebetsformen vertieft. Die Dialogtür Lernen bietet historische Beispiele als Anknüpfungspunkte, um aus dem interreligiösen Dialog zu lernen, wie den Dialog Franz von Assisis mit dem Sultan oder das 1893 in Chicago tagende Weltparlament der Religionen. Daneben werden jedoch auch Einsichten der Wahrnehmungspsychologie geboten, dass (interreligiöses) Lernen auch eine Frage der Perspektive ist. Aber auch konkrete Beispiele aus der Ge- Seite 4

genwart, die mit Fotos und persönlichen Statements veranschaulicht werden, veranschaulichen das Dialoggeschehen und zeigen die starke Abhängigkeit des positiven Lernerfolgs im Dialog von Anknüpfungspunkten. Anhand der Darstellung der Prozesse interreligiösen Lernens können die Beispiele auch auf der Metaebene reflektiert und als Lernimpuls erkannt werden. Hoffnung als Thema der fünften Dialogtür behandelt persönliche Visionen und Möglichkeiten der Dialoggestaltung. Diese werden mit konkreten Dialoginitiativen veranschaulicht, wie Frauen im Dialog oder das Kunstprojekt West-Eastern Divan-Orchestra. Dazu gehört auch die Sommerakademie von OCCURSO, die professionellen und ehrenamtlichen Multiplikatoren im Dialog die Möglichkeit bietet, sich als Dialogbegleiter ausbilden zu lassen. Der Kurs steht in der Ausstellung exemplarisch für inzwischen einige Möglichkeiten, sich für das Thema interreligiöser Dialog weiterzubilden. Foto: Orinta Z. Rötting Die Ausstellung wird demnächst um eine weitere Tür zum Thema Freiheit und eine Kindertür erweitert. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Hörsäule, die dazu einlädt, anhand von Audiomaterial die dargebotenen Themen vermittels Liedern, Interviews, Gebete der Religionen o- der Zitaten aus historischen Ansprachen zu vertiefen. Ein Lesepult zeigt die Positionen der Kunstausstellung Übertreten geboten und lädt ein, eigene Hoffnungsvisionen oder Erfahrungen im Dialog der Religionen niederzuschreiben. Die Ausstellung kann von Vereinen, Firmen, öffentlichen Einrichtungen oder auch Gemeinden bei OCCURSO gegen eine Schutzgebühr von 100,- entliehen und muss am letzten Ausstellungsort mit einem Kleintrans- Seite 5

porter abgeholt werden. Trotz geringem Aufwand können Interessenten so ihre Mitmenschen, die die Ausstellung absichtlich oder zufällig in einer Bank beim Warten auf den nächsten freien Schalter besuchen, zum Nachdenken und Wahrnehmen der Thematik anregen. Außer der Nutzung als Ausstellung, die im Alleingang erkundet werden kann, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sie auch in pädagogische Einheiten einzubetten. Exemplarisch hat OCCURSO einige Einheiten für verschiedene Bereiche entwickelt, die auf www.occurso.de eingesehen und runtergeladen werden können. Für Schulklassen der 8.-10. und 9./10. Klasse stehen etwa die Einheiten Dialoghelden. Visionäre einer besseren Welt oder Aufstehen aufeinander zugehen zur Verfügung, die auch für die Arbeit mit Firmlingen oder jungen Erwachsenen geeignet sind. Auch für Arbeit mit Erwachsenen gibt es ausgearbeitetes Material, wobei etwa das Beispiel Moscheegemeinde: Ein gemeinsames Wort auf einen speziellen religiösen Einsatzort hinweist. Eine Erweiterung des pädagogischen Materials durch eigene Ideen ist erwünscht und kann über OCCURSO auch anderen Nutzern zu Verfügung gestellt werden. Evelyn Ivanova-Reuter (OCCURSO Vorstand und Öffentlichkeitsarbeit) : Svenja Seite 6

Svenja Riedmiller Bibelerzählen. Ein attraktives Handwerk, das erlernt werden kann Grundidee Jesus selbst war ein großer Erzähler. Mit seinen Gleichnissen öffnete er alltägliche Erfahrungen für Gottes Reich und praktizierte so eine menschenfreundliche Theologie. Heute gilt Bibelerzählen als attraktive Form der Verkündigung, weil es soziale Milieus und Altersgrenzen überwinden kann. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren/innen sind durch Geschichten erreichbar. Dass Bibelerzählen mithilfe professioneller Hand- und Mundwerksregeln erlernbar ist, zeigt eine zertifizierte Ausbildung, die 2014 erstmalig auf dem Freisinger Domberg durchgeführt wurde. Ausbildung Bibelerzähler/in Konzipiert ist diese Ausbildung, die zuvor bereits mehrfach im evangelischen Michaliskloster in Hildesheim durchgeführt worden war, für Menschen, die beruflich mit der Bibel arbeiten und alternative Verkündigungsformen suchen, die ehrenamtlich tätig sind und biblische Inhalte stärker in ihre Institution (Kindergarten, Schule, Gemeinde, Seniorenheim, Krankenhaus ) einbringen wollen oder die privat erzählen, um ihren Glauben weiterzugeben. Vermittelt wird, wie von emotionalen Erfahrungen erzählt werden kann und mit Worten innere Bilder erzeugt werden können, wie Zuhörende zur Identifikation eingeladen werden, wie eine leichte Sprache eingesetzt und ein Storyboard skizziert wird. Thematisiert wird auch, welche Erkenntnisse die Neurobiologie zum Erzählen hat. Bei der Vermittlung der Inhalte haben sich neben kurzen Impulsreferaten abwechslungsreiche und sorgfältig ausgewertete Praxisübungen bewährt. Besonders durch die Qualität der individuellen Rückmeldungen zeichnet sich das Referententeam aus. Während Pastor Dirk Schliephake ganz Ohr ist für den Aufbau und die Feinheiten der Erzählungen, nimmt die Schauspielerin und Regisseurin Maria von Bismarck die gesamte Darstellung in den Blick. Diese rückmeldeintensive Form des Arbeitens erfordert eine geringe Kursstärke, was Herausforderungen an das Finanzierungsmodell stellt. So war es ein Glück, dass sich nach dem ersten erfolgreichen Durchgang unser diözesaner Fachbereich Kinderpastoral als Kooperationspartner zur Verfügung gestellt hat. Zudem wurden Fördergelder von der KEB München-Freising für innovative Projekte bewilligt. Seite 7

Da das Ausprobieren eigener Erzählungen und das Hören von Erzählungen der Mitteilnehmenden wesentlich sind, sind drei regionale Kleingruppen-Treffen in die Ausbildung integriert. Diese finden in Eigenregie zwischen den beiden dreitägigen Ausbildungsblöcken statt. Meine Erfahrungen als Teilnehmerin und Organisatorin Da ich den ersten Ausbildungsgang hier vor Ort selbst absolviert habe, mag ich ein wenig aus der Teilnehmer/innen-Perspektive erzählen. Faszinierend war, in welche Tiefen die persönliche Auseinandersetzung mit dem Bibeltext geführt hat. Als Erzählerin möchte ich Erfahrungen weitergeben, die Menschen gemacht haben. Ich kann aber nur von Erfahrungen erzählen, von denen ich in meiner Lebensrealität zumindest eine vage Ahnung habe. Wenn es dann darum geht, Gotteserfahrungen in Worte zu kleiden, dann wird es existenziell und sehr spannend. Welche Erfahrung könnte Kain zu dem Schluss kommen lassen, Gott habe ihm ein schützendes Zeichen gegeben? Was denkt, fühlt, tut, sagt Jakob frühmorgens, nachdem er von der Himmelsleiter geträumt hat? Genau solche Überlegungen ebnen den Weg, die Zuhörenden nah dran an die Glaubenserfahrungen früherer Generationen zu führen. Für dieses Nah- Dran-Kommen ist wichtig, dass beim Erzählen einer Bibelgeschichte deren Verankerung in biblischer Zeit und im zugehörigen Kulturkreis sehr anschaulich wird. Schilderungen von Personen, von deren Kleidung und Tätigkeiten, von Landschaften und Mahlzeiten sind quasi unerlässlich. Kritisch hinterfragt werden muss und wurde auch, wieviel Fantasie beim Füllen biblischer Leerstellen erlaubt sei und ob die Gefahr, etwas Falsches zu erzählen, nicht zu hoch sei. Genau darin besteht ein wesentliches Lernziel: Den erzählerischen Freiraum so ausloten zu können, dass die eigenen Ausschmückungen nie gegen die Intention der biblischen Erzählung gehen. Als erfreuliche Nebenwirkung dieser Ausbildung wurde seitens der Teilnehmenden beide Male das Zusammenkommen und -arbeiten unterschiedlicher Ziel- und Berufsgruppen hervorgehoben. Es fand sowohl ein Austausch zwischen Klerikern und Laien, zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie zwischen Theologen/innen und Nicht-Theologen/innen statt. Immer wieder ergänzten sich die unterschiedlichen Perspektiven und manchmal entstand durch Reibung angenehme Wärme. Ja, wir haben miteinander gelacht, geweint, nachgedacht und geschwiegen. In meiner Rolle als Organisatorin mag ich auf eine Hürde hinweisen, die für mich so nicht vorhersehbar war und im Vorfeld bei der Bewerbung einer solchen Veranstaltung zur Stolperfalle werden kann. Auf das Stichwort Bibelerzählen reagierten vor allem Priester und andere Hauptamtliche mit Das mache ich doch sowieso schon auch ohne Ausbildung! Allerdings meinen sie dann das Nacherzählen biblischer Geschichten so, wie sie in der Bibel stehen. Die hier gelehrte Methode Seite 8

des Bibelerzählens geht allerdings weit über reines Nacherzählen hinaus. Sie will die Erfahrungsschätze heben, die hinter den biblischen Texten stehen und darin verpackt sind. Das erfordert sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Text und wichtiger noch: eine reflektierte Verbindung zur eigenen Erfahrungswelt. Bibelerzählnacht Den feierlichen Höhepunkt der oben beschriebenen Ausbildung bildete eine Bibelerzählnacht. Das öffentliche Erzählen ist eine Voraussetzung für den Zertifikatserwerb. Auch wenn dieser offizielle Rahmen den Teilnehmenden etwas Stress und Herzklopfen bereitete, dominierte eine Stimmung gespannter Vorfreude. Eine Besonderheit hier in Freising war bisher, dass die Erzählnacht in den Adventsmarkt, der ein buntes Publikum anzuziehen pflegte, integriert war. Schwierig war allerdings, einen sakralen Raum zu finden, der für die Besucher/innen zentral gelegen und gleichzeitig vom Lärm des Markttreibens genug abgeschottet war. Geprägt ist das Format Bibelerzählnacht grundsätzlich durch das andere Erleben des Kirchenraumes. An mehreren Orten im Raum wird gleichzeitig erzählt, was den Charakter eines Lehrhauses erzeugt. Wenn die Innenakustik paralleles Erzählen erlaubt, ist eine lebendige Atmosphäre zu erwarten, die allerdings auch Irritationen auslösen wird. Denn Kirchgänger/innen kennen ihre Kirche als Ort, an dem entweder alle denselben Text sprechen oder nur eine einzige Person redet. Ein Stimmengewirr wirkt zunächst befremdlich. Irritiert zeigten sich auch Gäste, die der Kirche eher distanziert gegenüberstehen, über die spontane Einladung zur Bibelerzählnacht. Folgende Äußerungen zeugen von vorhandenen Unsicherheiten und Hemmungen, die wir häufig jedoch mit weiteren Informationen ausräumen konnten: Ich kenne die Bibel aber nicht gut!, Müssen wir wirklich nichts tun?, Muss ich denn etwas beachten, wenn ich in die Kirche hinein gehe, Darf ich auch zuhören, obwohl ich keine Kirchensteuer bezahle?. Zum Ablauf der Veranstaltung sei noch gesagt, dass ein Erzähldurchgang ungefähr fünfzehn Minuten dauert. Danach besteht während einer musikalisch untermalten Pause die Möglichkeit, den Raum zu verlassen o- der es sich für die nächste Geschichte bequem zu machen. Während im Jahr 2014 ca. 350 Gäste zu Besuch waren, zählten wir 2015 bereits 600 Gäste - verteilt auf den ganzen Abend (zwischen 19.00 und 22.00 Uhr). Von Kleinkindern bis Senioren/innen waren alle Generationen unter den Zuhörenden vertreten. Wenn sonntags so in der Kirche erzählt würde, dann kämen wir häufiger! Dieses Kompliment bekamen wir oft und gerne zu hören. Seite 9

Bibelerzählen und dann? Theologisieren! So lautete das Zusatzmodul, das wir 2015 erstmals in die Ausbildung eingefügt hatten. Am Ausgangspunkt steht die Frage, wie sinnvoll an das Erzählen einer biblischen Geschichte angeknüpft werden kann. Die Erzählenden, allen voran Lehrer/innen und Gottesdienstleiter/innen, müssen nun der Versuchung widerstehen, die Erzählung im Nachhinein erklären oder einen Kerngedanken herausarbeiten zu wollen. Analytisches Abfragen des Erzählten führt hier in die Enge. Anders verhält es sich mit dem behutsamen Nachfragen bezüglich des Erlebten mit dem Ziel, die Vielfalt der Verständnisse aufzudecken und gelten zu lassen. Schließlich haben alle Zuhörenden eigene Bilder gesehen und eigene Anknüpfungspunkte entdeckt. Die Methode des Theologisierens kennt geeignete Impulse, um zu Versprachlichung und Austausch innerer Vorstellungen und Fragen anzuregen. Als gute Idee hat sich herausgestellt, zwischen liturgischen und unterrichtlichen Erzählumgebungen zu differenzieren. Hierfür wurde Pastor Schliephake, Experte für liturgische Erzählorte, von Elisabeth E. Schwarz, Expertin für pädagogische Erzählsituationen, unterstützt. Hierzu zwei O-Töne von Teilnehmenden: Erzählen und Theologisieren sind wichtige Methoden, welche die Freude an der Beschäftigung mit der Bibel fördern., Es ist sinnvoll, nicht immer auf ein festgelegtes Ziel hinzusteuern, sondern mal offen zu reagieren auf das, was aus der Gruppe kommt.. Meine Lieblings-Erkenntnis: Beiden Institutionen, Kirche wie Schule, täte mehr aktive Teilnahme und mehr aktives Denken gut! Sowohl im Gottesdienst als auch im Schulunterricht ist es für die jeweilige Leitung möglich, beides zu fördern! Es braucht dafür allerdings Mut zu mehr Offenheit und - wie so oft - Übung. Wie gut, dass unsere Teilnehmenden reichlich Mut und Übelust mitgebracht hatten. Ideen für 2017: Im kommenden Jahr werden wir den ökumenischen Charakter der Bibelerzählnacht noch stärker hervorgeheben: Die Bibel will unters Volk gebracht werden. Sie will nicht herumliegen und einstauben, sondern geöffnet, erzählt und gelebt werden. Auch in 2017 wird es ein ergänzendes Modul geben: Bibelerzählen und dann? Bewährte Methoden zum Vertiefen. Die Reflexion des vorigen Ergänzungsmoduls hat ergeben, dass das Theologisieren zwar eine sinnvolle Anschluss-Methode, aber nicht die einzige ist. Ebenso empfehlenswert sind Rituale und kreativ-gestalterische Methoden, um eine Erzählung angemessen, adressaten- und situationsgerecht zu vertiefen. Seite 10

Aktueller Hinweis für 2016: Für die Ausbildung, die Anfang April 2016 startet, gibt es übrigens noch freie Restplätze. Wer sich von der Erzähllust gepackt fühlt, kann sich bis zum 1.4.2016 anmelden, per Mail an info@bildungszentrum-freising.de oder online unter www.bildungszentrum-freising.de. Svenja Riedmiller Referentin für theologische Erwachsenenbildung Stiftung Bildungszentrum Kardinal-Döpfner-Haus, Freising ***** Ganzheitlich beziehungsorientiert prozessbezogen nachhaltig: 25 Jahre Katholische Erwachsenenbildung in Sachsen-Anhalt Ein Veranstaltungsbericht von Stephan Mokry Sie ist ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte: die KEB Sachsen-Anhalt. Am 18. September 1990 wurde sie als eingetragener Verein als erster seiner Art nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland begründet mitten in der Diaspora. Und obwohl Sachsen-Anhalt das Bundesland mit der geringsten konfessionellen Bindung ist (knapp 20% Christen, davon 4% Katholiken), hat sich die KEB als katholisch-kirchlicher Träger von Erwachsenenbildung ein allseits respektiertes Standing verschafft. Neben dem Kerngeschäft von rund 1000 klassischen Bildungsveranstaltungen, die zu rund einem Drittel die theologische Bildung abdecken, tragen gerade die gesellschaftspolitischen Projekte mit zur Anerkennung bei. Sie widmen sich einer wertschätzenden Willkommenskultur gegenüber Fremden und anderen Religionen, Formen demokratischer Partizipation, der Entwicklung einer positiven Schulkultur, ökologischer Bildung oder dem Reformationsgedenken. Dabei erweist sich die KEB stets am Puls der Zeit, wie auch das jüngste Unterfangen zeigt: Kurse zur Stärkung Ehrenamtlicher in der Flüchtlingsseelsorge. Bei einem Festakt im Magdeburger Roncalli-Haus wurde zum 25. Jahrestag am 18. September 2015 gefeiert. Bischof Dr. Gerhard Feige, Kultus- Seite 11

minister Stephan Dorgerloh und die KEB-Bundesvorsitzende Elisabeth Vanderheiden würdigten vor rund 130 anwesenden Gästen aus Politik, Kultur und Gesellschaft die KEB Sachsen-Anhalt aus ihrem jeweiligen Blickwinkel als unverzichtbaren Bestandteil der Bildungslandschaft und Diskussionskultur Ostdeutschlands. Zuvor hatte der Geschäftsführer der KEB Sachsen-Anhalt, Ludger Nagel, das breit aufgestellte Angebot vorgestellt und unterstrichen, dass es weiterhin darum gehe, so erfolgreich wie bisher auf dem Hintergrund der christlichen Werte mit den Menschen vor Ort an deren Haltungen und Einstellungen zu arbeiten. Dabei agiere die KEB als Transmissionsriemen des Christlichen in die Gesellschaft hinein, so Nagel, und helfe den Menschen, sich durch Bildung zu entfalten und respektvoll miteinander umzugehen. Diese Ziele umzusetzen, dafür engagieren sich Vorstand wie Mitarbeitende. Der Verein Katholische Erwachsenenbildung in Sachsen-Anhalt e.v. unter dem Vorsitz des Landtagsabgeordneten Matthias Graner (SPD) hat 17 institutionelle und ca. 50 persönliche Mitglieder. In der Geschäftsstelle in Magdeburg und in diversen Projekten arbeiten zwölf hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit mit. Durch ihre Veranstaltungen erreicht die KEB jährlich etwa 10.000 Teilnahmefälle in rund 8.000 Unterrichtsstunden in Sachsen-Anhalt. Mehr Informationen unter www.keb-sachsen-anhalt.de Dr. Stephan Mokry Am 18. September 2015 hat die KEB in Anwesenheit von Bischof Dr. Gerhard Feige, von Kultusminister Stephan Dorgerloh sowie der Bundesvorsitzenden der KEB Deutschland, Elisabeth Vanderheiden, den 25. Jahrestag ihres Bestehens gefeiert. Über 130 Gäste haben der KEB Glückwünsche überbracht Seite 12

Christian Kainzbauer-Wütig Ausbildung zur Wallfahrtsführerin/zum Wallfahrtsführer im Erzbistum Bamberg Pilgern und Wallfahren gehören zu den ältesten Gebetstraditionen des Christentums und stoßen in der heutigen Zeit auch bei eher kirchenfernen Menschen auf großes Interesse. Laufen, Abstand vom Alltag, Durchschnaufen in der Natur, Gebet, Besinnung, Gemeinschaft all dies sind wesentliche Bestandteile. Und dazu muss man nicht zu weltbekannten Orten wie Santiago de Compostela ziehen. Auch das Erzbistum Bamberg durchzieht ein großes Netz von alten und neuen Pilgerwegen. Neben den Basiliken und deutschlandweit bekannten Gnadenorten in Vierzehnheiligen, Gößweinstein und Marienweiher hat das Erzbistum Bamberg auch viele kleinere und größere Wallfahrtsorte, die jährlich Tausende von Menschen anziehen. Besonders die Tradition von Pfarrwallfahrten ist in fast jedem Dekanat des Erzbistums noch lebendig. Doch wie wird eine Wallfahrt eine gute Wallfahrt? Und welche Kenntnisse braucht es dazu? Zur Klärung dieser Fragen hat das Diözesan- Erwachsenenbildungswerk im Erzbistum Bamberg im Frühjahr 2015 eine Ausbildung zum/zur Wallfahrts- und Pilgerführer/in gestartet, die auf so große Nachfrage stieß, dass sie bereits zweimal wiederholt wurde. Daher soll das Konzept an dieser Stelle kurz vorgestellt werden: Ziele der Ausbildung sind, dass die Teilnehmenden am Ende - das Netz an Pilgerwegen und Wallfahrtsstätten im Erzbistum Bamberg kennen, - wichtige inhaltliche und organisatorische Voraussetzungen kennen, um ein- und mehrtägige Pilgertouren und Wallfahrten vorzubereiten und durchzuführen sowie - spirituelle Impulse und Gebetsstationen zeitgemäß und zielgruppenspezifisch gestalten und durchführen können. Neben theoretischen Impulsen steht vor allem das Praxislernen im Vordergrund. Daher besteht die Ausbildung aus zwei Teilen: In einem ersten Teil, der 1,5 Tage dauert, tauschen die Teilnehmenden ihr Vorwissen aus und erhalten zusätzlich Impulse. Inhalte dieses Teils sind: - Kurze Geschichte des Pilgerns und Wallfahrens, - meine Wallfahrtserfahrung Vernissage der eigenen Ideen und Methoden, Seite 13

- Wallfahrtsstätten im Erzbistum Bamberg/in Franken, - Spiritualität des Pilgerns, - zeitgemäßes Gestalten von Wallfahrten, - worauf bei Wallfahrten zu achten ist - rechtliche Rahmenbedingungen. ReferentInnen sind Verantwortliche für die Pilger- und Wallfahrtsseelsorge, des Pilgerbüros sowie der regionalen Polizeidienststelle für die rechtlichen Rahmenbedingungen. Am Ende des ersten Teils erhalten die Teilnehmenden die Hausaufgabe, jeweils zu zweit oder zu dritt eine Wallfahrtsstation vorzubereiten. Der zweite Teil besteht dann aus einer kurzen Wallfahrt zu einer der Wallfahrtsstätten im Erzbistum Bamberg (max. 2 ½ Stunden), bei der die Teilnehmenden sowohl die Stationen durchführen als auch die Absicherung gemäß des im ersten Teil Besprochenen verantworten. Nach einer HL. Messe als Abschluss der Wallfahrt werden am Nachmittag des 2. Teils die einzelnen Stationen mit den Ausbildungsleitern ausführlich besprochen und ausgewertet. Am Ende des Seminars erhalten alle Teilnehmenden ein Zertifikat Ausgebildete/r Wallfahrtsführer/in im Erzbistum Bamberg und eine Materialsammlung auf DVD. Weitere Informationen zur Ausbildung auf der Homepage der KEB Katholische Erwachsenenbildung im Erzbistum Bamberg e.v., www.keberzbistum-bamberg.de/projekte oder unter 0951-502 - 2310 / erwachsenenbildung@erzbistum-bamberg.de. Christian Kainzbauer-Wütig Seite 14

Hans Otto Seitschek Bildung und Flüchtlinge Das Engagement der Erzdiözese München und Freising im Bereich Flüchtlingsbildung. Ein Tagungsbericht Nach wie vor ist das Thema Vertreibung Flucht Asyl in Gesellschaft, Politik und Kirche ein besonders brisantes. Die Erzdiözese München und Freising hat 2015 mit 5 Millionen Euro einen Sonderfonds aufgelegt, der auch die Projektförderung aus dem Bereich Bildung und Flüchtlinge umfasste. In diesem wurden im vergangenen Jahr 79 Projekte unterstützt, die auf diözesanweit geltenden Förderrichtlinien basierten und die den vier Feldern Grundqualifizierung der Flüchtlinge, Qualifikation der Ehrenamtlichen, Allgemeine Bildungsarbeit und Unterstützung der Teilnahme von Flüchtlingsfamilien an EKP (Eltern-Kind-Programm)- Maßnahmen zuzuordnen waren. Ein Großteil der Projekte war an den Katholischen Bildungswerken angesiedelt. Um mit einigen der bisherigen und auch neuen Kooperationspartnern die aktuelle Förderpraxis zu evaluieren sowie neue Perspektiven im komplexen Feld Bildung und Flüchtlinge zu entwickeln, fand am 14.12.2015 im Erzbischöflichen Ordinariat München (EOM) ein Fachtag statt. Dabei standen die Themen Inhalte, Kooperationen, Strukturen sowie Finanzierung im Mittelpunkt. Schwerpunkt war die Fragestellung, welchen spezifischen Beitrag die katholische Erwachsenenbildung in diesem Bereich leisten soll. Für den Vorstand der KEB München und Freising begrüßte stellvertretend Geschäftsführer Clemens Knoll die etwa 50 Anwesenden und dankte den Bildungsträgern für deren großes Engagement in der Bildungsarbeit für Flüchtlinge und in der Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vor Ort. Frau Dr. Anneliese Mayer, Hauptabteilungsleiterin außerschulische Bildung im EOM, hob in ihrem Grußwort das große Engagement in der Erzdiözese für den Bereich Bildung und Flüchtlinge hervor. Sie habe bei einer Tagung in Brüssel die Projektvielfalt der Flüchtlingsförderung in der Erzdiözese München und Freising vorgestellt und konnte dabei feststellen, dass sich in vielen anderen Diözesen in Deutschland und anderen Ländern die Flüchtlingsförderung erst in der Anfangsphase befinde. Ein wichtiger Aspekt in der Flüchtlingsarbeit sei die Vernetzung verschiedener Akteure wie der Bildungswerke, dem Kardinal-Döpfner-Haus in Freising, dem Diözesanrat sowie der Hochschule für Philosophie SJ, die sich insbesondere im Themenbereich interkulturelle Bildung engagiert. Jeder dieser Player müsse im neuen Arbeitsfeld erst seinen spezifischen Platz finden. Seite 15

Martin Schopp, Leiter der Abteilung Diakonische Aufgaben im EOM, hielt ein Impulsreferat zum Thema Überblick über den Gesamtrahmen des Engagements der Erzdiözese im Bereich Flüchtlinge und Asyl. Darin erinnerte an den Beschluss des Sonderfonds für Flüchtlinge im Dezember 2014 und stellte die einzelnen Förderbereiche vor. Auch 2016 ziehe sich die Erzdiözese nicht aus diesem Bereich zurück. So werden im ehemaligen Kloster Beuerberg in den nächsten Jahren nach erfolgtem Umbau die Malteser Werke, die Leitung übernehmen. Beschlossen sei auch ein Zentrum für Flucht und Asyl in der Münchener Tengstraße, das noch konzeptioniert werden müsse. In der Diskussion wurde angeregt, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bereichs Bildung und Flüchtlinge adäquat finanziell unterstützt werden soll. Im zweiten Impulsreferat Vernetzung in der Flüchtlingsarbeit. Welche Erfahrungen gibt es mit den Koordinatorenstellen? forderte die stellvertretende Geschäftsführerin der Caritas München Stadt/Land, Gabriele Stark-Angermeier, dass die Bildungsarbeit, das Ehrenamt sowie die Caritas-Sozialdienste Hand in Hand arbeiten müssten. Dazu bedürfe es der Kooperationsstellen für Asylhelferkreise von denen auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer profitieren würden. Ziel sei dabei insbesondere, die Kompetenzen der Flüchtlinge zu erkennen und zu stärken sowie Gemeinschaft zu erzeugen. Ferner sollen die Koordinatorinnen und Koordinatoren die Kommunikation nach innen und außen (Landkreis, Kommune) stärken. Besonders gefragt seien nach wie vor Maßnahmen der Mediation und Supervision Ehrenamtlicher. In einem Wandelplenum und einer abschließenden offenen Diskussion wurden drei der geförderten Hauptbildungsbereiche und das Thema Integration betrachtet. Bereich 1: Grundqualifizierung von Flüchtlingen: Wichtige Aspekte sind die Begleitung der Flüchtlinge bei der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche, eine Aufgabe die vor allem die Kolping-Bildungsagentur wahrnimmt, sowie die Schulung von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Auch hier seien begleitende und unterstützende Bildungsangebote sehr erwünscht. Es wurde ferner gefordert, ein politisches Signal zu setzen, um die Eingliederung von Flüchtlingen verbessern zu können. Der Bayerische Flüchtlingsrat wäre hier eine gute Adresse, um dieser Forderung Gehör zu verschaffen. Schließlich wurde auf ein bereits laufendes Projekt der Hochschule für Philosophie SJ hingewiesen: Eine Art Fernuni für Fluchtwillige, die die Möglichkeit erhalten sollen, über Internet in den Ursprungsländern Onlineschulungen durchzuführen. Bereich 2: Qualifizierung und Begleitung von Ehrenamtlichen: Hier wurde vor allem die Organisationsentwicklung für Asylhelferkreise als wichtiges Förderfeld genannt. Diese sollen langfristig etabliert und kontinuierlich unterstützt werden. Ebenso wichtig sei die Stärkung der interkulturellen Kommunikation. Im Fokus stehe dabei, psychische Traumatisie- Seite 16

rungen zu erkennen, die eigenen Grenzen zu wahrzunehmen und auch selbst Grenzen zu setzen. Sehr erwünscht sei die weitere Unterstützung von Sprachkursen, bis hin zur Vollfinanzierung. Bereich 3: Allgemeine Bildungsarbeit: In diesem Bereich wurde eine Stärkung der Theoriebildung, gerade vor dem Hintergrund des eigenen Bildungsbegriffs, gefordert. Auch die Pädagogik der interkulturellen Kommunikation soll weiter theoretisch unterfüttert werden. Bildung soll als Auseinandersetzung mit der Welt erkannt werden. Weiterhin gehe es darum, das gemeinsam Menschliche in der Bildungsarbeit zu finden, wobei der Bezug zur Praxis nie verloren gehen dürfe. Auch die Identitätsfindung und -stärkung sei wichtig. Es gehe sehr stark darum, was jeder Einzelne mitbringe und wie man es in die gemeinsame Arbeit einbringen könne. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Aufklärungsarbeit, um Fluchtursachen zu erkennen, zu analysieren und letztendlich zu lindern. Der katholischen Erwachsenenbildung komme hier eine Gesamtverantwortung zu, um die Herausforderungen zu meistern, die der große Zuzug von Flüchtlingen verursacht. Ferner wurden mehr dezentrale Veranstaltungen gefordert, die über Ortsgruppen und Pfarreien organisiert werden könnten. Schließlich wurde die Bedeutung von Kooperationsveranstaltungen und -projekten betont, z. B. die Asylotheken, die Stadt- und Gemeindebibliotheken besonders für Flüchtlinge öffnen und erschließen. Es sollen Einstiegsangebote entwickelt werden und mit dem klassischen Bildungsangebot verknüpft werden. Bereich 4: Integration als langfristige gesellschaftliche Aufgabe: Der aktive Einbezug der Asylhelferkreise in die laufende Bildungsarbeit und eine gute Kooperation sei sehr wichtig. Dabei spiele der Dialog, auch über Alltagsprobleme, eine wichtige Rolle. Als weitere Anregung wurde genannt, die VHS-Integrationskurse neu zu überdenken und neu auf aktuelle Bedürfnisse zuzuschneiden. Es gehe ferner darum, auch in den BAMF-Integrationskursen kirchliche Themen und Ansprüche deutlich zu machen. Ein guter Kooperationspartner in der Flüchtlingsbildungsarbeit sei die Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel am See. Wichtige Bildungsziele in der Flüchtlingsarbeit seien nach wie vor Integration, besser Inklusion, und Partizipation. Eine wesentliche Aufgabe sei es, den eigenen Platz im Zusammenspiel der unterschiedlichen Player in der Flüchtlingsarbeit zu finden und zu behaupten. Dabei sei es wichtig, auch die Wirtschaft als Kooperationspartner in der Flüchtlingsbildungsarbeit zu gewinnen. Konkret wird am 22. April 2016 in St. Bonifaz in München ein weiterer Fachtag veranstaltet werden, der interkulturelle Denkanstöße geben Seite 17

soll. Die Veranstaltung findet als Kooperationsprojekt der KEB Deutschland, der KEB München und Freising sowie des Brucker-Forums statt. Dr. Hans Otto Seitschek Frank Buskotte: Glaube im Gespräch Mehr Wissen über..... Was Leiter und Teilnehmende eines gemeindlichen Theologie- Kurses bewegt Teilnehmende: Moritz Hertle, 54 Jahre, Vertreter, Frau evangelischer Christ, 4 Kinder Kommunionhelfer und Lektor, Pfarrgemeinderat und Renovierungsausschuss Elisabeth Mönter, 72 Jahre, Rentnerin / vormals Krankenschwester verheiratet, 2 Kinder, kfd-vorstandsmitglied, Frauen-Messdienerkreis Fragen im Interview: Moritz Hertle Dr. Frank Buskotte Katholische Erwachsenenbildung Osnabrück Große Rosenstr. 18 -- 49074 Osnabrück Telefon: 0541 35868-73 -- Telefax: 0541 35868-76 E-Mail: buskotte@keb-os.de Internet: www.keb-os.de und www.facebook.com/keb.osnabrueck Wenn Sie an die Zeit vor dem Kurs denken: Warum und wozu hatten Sie sich für den Kurs angemeldet? Hertle: Ich wollte mehr über das Thema Glauben wissen und habe mir erhofft, meinen Zugang zum Glauben zu erweitern. Elisabeth Mönter Ich wollte mich intensiver mit den vorgestellten Themen Historischer Jesus, Ökumene, 2. Vatikanisches Konzil, Zukunft der Kirche beschäftigen. Vorgestellt von Referenten, die sich mit den Themen eingehend befasst haben und gemeinschaftlich in Gesprächen, die mir neu Perspektiven aufzeigen. Mönter: Es ist mir wichtig, mich im Glauben zu entwickeln. Entscheidend waren für mich auch die Referenten, die ich von vorherigen Kursen kannte. Seite 18

Mit wem haben Sie vorher, während oder nachher über den Kurs gesprochen? Gab es da bemerkenswerte Reaktionen anderer, die vielleicht nicht teilgenommen hatten? Hertle: Intensiv ausgetauscht habe ich mit meiner Frau, den Kursteilnehmern und einem Sohn, der die Existenz von Jesus in Frage stellt. Auch habe ich im Bibelkreis etwas davon einfließen lassen. Es gab Reaktionen von Kursteilnehmern und mir hinsichtlich der Vorbereitung der Referenten, der Einbeziehung der Teilnehmer und das Eingehen auf die angekündigten Themen. Teilweise saß der Referent geraume Zeit an der Seite und die Medien einschließlich Leinwand bildeten den Mittelpunkt, anstatt dass der Referent zusammen mit den Teilnehmern das gemeinschaftliche Zentrum bildet mit Gott in unserer Mitte. Mönter: Ich habe mit einigen Freunden und Bekannten gesprochen. Sie waren sehr am Kurs interessiert, doch die Termine waren für sie ungünstig. Nun ist der Kurs vorbei. Welche Fragen oder Erkenntnisse sind Ihnen besonders wichtig? Was hat Sie vielleicht (unerwartet) lange beschäftigt? Hertle: Besonders der erste Vortrag zum Historischen Jesus hat mich sehr angesprochen, ja begeistert. Gut verständlich, auf hohem Niveau, alle einbeziehend, wurde Jesus und die politisch-soziale Situation zur damaligen Zeit zum Leben erweckt. Ich hatte den Drang, meine neuen Erkenntnisse an meine Frau und Familie weiterzugeben und habe mir darauf auch zwei vorgeschlagene Bücher besorgt. Meine persönlichen Einsichten u.a.: 1. Jesus war in vielen überlieferten Handlungen schroff, unberechenbar, unbequem eigentlich gegenüber allen, angefangen bei seiner eigenen Familie, dem Staat, der jüdischen Kirche und hat zu Lebzeiten alle gegen sich aufgebracht. Erst durch die Kirche und dem menschlichen Wunsch nach einem Idealbild wurde Jesus in der zweitausendjährigen Geschichte weichgespült. 2. Die von Jesus auserwählten Jünger waren Donnersöhne, also Typen mit Ecken und Kanten und keine Weicheier. 3. Frage: Falls Jesus heute auf die Welt gekommen wäre, würde ich ihm folgen? Nein 4. Kritische Auseinandersetzung mit der Bibel im wohlwollenden Sinne 5. Das Reich Gottes beginnt für Jesus nicht erst im Himmel sondern schon hier und im Jetzt. Die Qualität des Vortragens zur Ökumene und der erste Teil zum 2. Vatikanischen Konzils hat mir nicht gefallen. Seite 19

Erst die im zweiten Teil durch unsern Pastoralassistenten gelegte Grundlagen durch Vorstellung der Inhalte zum 2. Vatikanischen Konzil, die Bearbeitung von Texten und die Diskussion darüber haben das Thema dann für mich verständlich und wertvoll gemacht. Nun zum letzten Thema Was passiert, wenn unsere Kirche über den Jordan geht. Ich wußte zwar, dass Moses selbst den Jordan nicht überquert und somit das gelobte Land nie betreten hat, aber das die 5. Bücher Mose auch am Jordan und nicht mit dem Einzug nach Kanaan enden, war auch für mich neu. Auch das Markus-Evangelium 16,1-9 endet abrupt in der ursprünglichen Form mit dem Tod Jesu. (Es endet mit der Aussage eines Mannes, dass Jesus auferstanden ist und ihr ihn in Galiläa sehen werdet). Für mich tat sich da als Erkenntnis eine gewisse Parallele zwischen altem und neuen Testament auf: Auch hier im Evangelium ein abruptes Ende nach dem Tod Jesu wie bei Mose kurz vor dem erhofften Übergang zur Auferstehung bzw. bei Mose ins gelobte Land. Im Anschluß an dem letzten Kurs haben wir gemeinsam zu Abend gegessen, dabei angeregt diskutiert und einen schönen Abend verbracht. - Ein krönender Abschluß Mönter: In Zukunft möchte ich an Bibelgesprächen teilnehmen, um einiges, was mich bewegt, noch zu vertiefen, z.b. das Thema Ostern. Es ist alles noch so lebendig, da wir im Oktober das Heilige Land besucht haben. Wenn in Ihrem Ort ein weiterer Kurs angeboten werden sollte, woran wären Sie vor allem interessiert hinsichtlich der Inhalte und hinsichtlich der Form bzw. der Rahmenbedingungen? Hertle: Also, als erstes kann ich sagen, dass ich mich über eine Fortsetzung der Reihe Glaube im Gespräch sehr freuen würde. Schön wäre es, wenn die Themenwünsche der Umfrage berücksichtigt werden. Die Fragestellung Was bedeutet das Leben Jesu für mich persönlich wäre ein Thema für mich. Außerdem würde mich mehr Wissen über das Judentum und den Islam und die sich daraus ergebenen Unterschiede zum Christentum interessieren. Wichtig für zukünftige Kurse halte ich es, dass sich der Referent zu Beginn vorstellt und das die Vorstellungen der Teilnehmer zum jeweiligen Thema erfragt werden. Dadurch wäre ein besseres aufeinander Eingehen möglich. Als gemeinschaftsfördernd hab ich die Samstagveranstaltungen erlebt, bei denen durch das gemeinsame Mittagessen und die länger zusammen verbrachte Zeit eine stärkere Vertrautheit entstehen konnte. Mönter: Ich möchte noch mehr über den Islam erfahren. Seite 20

Alexandra Jürgens-Schaefer Prävention von sexualisierter Gewalt als Thema der Katholischen Erwachsenenbildung Ein Praxisbericht aus der Diözese Hildesheim Vor über fünf Jahren, im Januar 2010, informierte der damalige Rektor des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, ehemali ge Schüler der Einrichtung in einem Brief über mögliche Missbrauchsfälle in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Mertes entschuldigt sich dafür, dass Lehrer des Kollegiums weggeschaut hätten. Im Zuge dieser Offenlegung wurden zahlreiche weitere Missbrauchsfälle auch in anderen kirchlichen Einrichtungen und Diözesen bekannt, auch das Bistum Hildesheim war betroffen. In der Folge verschärften die deutschen Bischöfe ihre "Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch". Als Konsequenz wurde im Bistum Hildesheim die Fachstelle Prävention von sexuellem Missbrauch und zur Stärkung des Kindes- und Jugendwohles im Bistum Hildesheim eingerichtet und Jutta Menkhaus-Vollmer zur Präventionsbeauftragten von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim ernannt. Von ihr wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt, das nach der Präventionsordnung des Bistums Hildesheim für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen im Bistum Hildesheim verpflichtend ist. Gemeinsam sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche Einhalt gebieten das wollen Alexandra Jürgens- Schaefer von der KEB, Pater Klaus Mertes SJ, die Präventionsbeauftragte Jutta Menkkaus- Vollmer und Propst Martin Tenge (v.l.n.r.). pkh Mit der inhaltlich-organisatorischen Umsetzung des Fortbildungskonzepts für hauptamtliche Mitarbeiter/innen wurde die Katholische Erwachsenenbildung beauftragt. Verantwortlich hier ist Alexandra Jürgens-Schaefer, Diplom Pädagogin, KEB Hannover. Das Projekt startete im Jahr 2013. Inzwischen sind über 40 Maßnahmen mit 600 Teilnehmenden im gesamten Bistum durchgeführt worden. In diesen Fortbildungen beschäftigen sich die Teilnehmenden intensiv mit einem angemessenen Umgang von Nähe und Distanz in der Arbeit mit Minderjährigen. Durch eine bewusst gelebte Kultur der Achtsamkeit werden Kinder und Jugendliche gestärkt, sich gegen sexualisierte Gewalt zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus werden umfangreiche Informationen zum Thema "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche" vermittelt, die zur Handlungssicherheit beitragen. Es werden Handlungsempfehlungen und Verfahrenswege aufgezeigt, um bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt angemessen zu reagieren. Dabei kommen folgende Inhalte zum Tragen: Grundlegende Informationen zu Kindeswohlgefährdungen und zu sexualisierter Gewalt Vermittlung von verbindlichen Verhaltensregeln, insbesondere zu einem adäquaten Verhältnis von Nähe und Distanz Seite 21

Entwicklung und Stärkung einer inneren Haltung zu einem respektvollen und wertschätzenden Umgang mit Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen Erkennen von Hinweisen auf Kindeswohlgefährdungen und speziell auf sexualisierte Gewalt Stärkung der eigenen Handlungskompetenz beim Umgang mit entsprechenden Hinweisen Täterstrategien Psychodynamiken der Opfer (Betroffenen) Dynamiken in Institutionen sowie in begünstigenden institutionellen Strukturen Straftatbestände und weitere einschlägige rechtliche Bestimmungen Eigene emotionale und soziale Kompetenz Konstruktive Kommunikations- und Konfliktfähigkeit Fachlich adäquater Umgang mit Nähe und Distanz Das Format dieses Fortbildungsangebots umfasst 12 Zeitstunden (16 Ustd). Es wird in Form einer zweitägigen Tagesveranstaltung durchgeführt und richtet sich an hauptamtliche Mitarbeitende im kirchlichen Dienst. Bereits vor der Zusammenarbeit mit der Fachstelle Prävention bestand seitens der Katholischen Erwachsenenbildung von Alexandra Jürgens- Schaefer der Kontakt zu Pater Klaus Mertes und die Überlegung zu einem Vortrag bzw. zu einer Lesung über seine Erfahrungen zum (innerkirchlichen) Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Durch die Kooperation mit der Fachstelle wurde dieses Projekt zu einer gemeinsamen Fachtagung von KEB und der Fachstelle Prävention zum Thema Prävention von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche weiterentwickelt. Am 15. Juni 2015 hielt Pater Klaus Mertes im Tagungshaus St. Clemens einen Vortrag zum Thema Aufklärung, Gerechtigkeit und Prävention die drei Aspekte der Aufarbeitung von Missbrauch in kirchlichen Institutionen. Gelegenheit zum Nachsinnen und zum regen informellen Austausch fanden die Teilnehmenden bei einem kirchenmusikalischen Intermezzo in der anliegenden Basilika St. Clemens und einem Mittagsimbiss. Der inhaltliche Austausch setzte sich danach in mehreren Workshops mit weiteren Fachreferent/innen fort. Mit der Frage z.b. welche Rollenbilder die Ausübung von Gewalt befördern, welche ihr entgegenwirken, beschäftigte sich der Workshop Frauen- und Männerbilder eine uner- Seite 22

hörte Macht von Prof. Dr. Hildegund Keul, Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz und Dr. Andreas Ruffing, Leiter der kirchlichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den Deutschen Diözesen e.v.. In seinem Workshop Umgang mit Tätern in der Kirche Keine effektive Prävention ohne Täterarbeit arbeitete Dr. Bernd Deininger, Psychosomatiker und Psychoanalytiker aus Nürnberg an mehreren Fallbeispielen heraus, wie potentielle Täter erkannt werden können. In dem Workshop Prävention als pastoraler Kulturwechsel gab Dr. Andreas Zimmer, Dipl. Theologe, Dipl. Pädagoge und Leiter Abteilung Beratung und Prävention im Bistum Trier, theologische Impulse für eine neue Kultur des achtsamen Miteinanders, die als Ziel der Prävention in Rahmenordnung der Bischofskonferenz angegeben ist. Dass die Gestaltung von Nähe und Distanz in asymmetrischen Beziehungen einer besonderen Verantwortung unterliegt und einer besonderen Reflexion bedarf, betonte Pater Klaus Mertes als Kollegsdirektor in seinem Workshop Nähe und Distanz in asymmetrischen Beziehungen Perspektiven für Schule und Seelsorge. In dem Workshop Professionalität in pastoraler und sozialer Arbeit als Schutzfaktor gegen sexuelle Gewalt lenkte Prof. Wazlawik, Institut für Erziehungswissenschaften an der Westfälische Wilhelms Universität Münster, bei der Frage der Prävention in Institutionen den Blick auf die individuelle Professionalisierung. Dass entscheidend für Prävention und Schutz die tatsächlich gelebte Praxis in pädagogischen und pastoralen Kontexten ist, machte Jun. Prof. Dr. Martin Wazlawik, in seinem abschließenden Vortrag Institutionelle Schutzkonzepte als gelebte pädagogische und pastorale Praxis - Anmerkungen zur Entwicklung von institutionellen Schutzkonzepten deutlich. Die Fachtagung fand in den regionalen und überregionalen Medien eine sehr große Resonanz. Diese Veranstaltung war eine der ersten, so ein Teilnehmer, in der nicht nur eine Zwischenbilanz der bisherigen Präventionsarbeit gezogen wurde, es wurden vielmehr auch Perspektiven für den weiteren Umgang mit der Thematik sexualisierte Gewalt in Institutionen aufgezeigt. Einen Eindruck in die Atmosphäre der Tagung gibt Pressemitteilung von Marie Kleine, der Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Region Hannover: In Hannover haben sich heute rund 90 Wissenschaftler, kirchliche Mitarbeiter und Interessierte aus ganz Deutschland getroffen, um sich über das Thema Prävention von sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche auszutauschen. Zu der Tagung hatten die Fachstelle Prävention von sexuellem Missbrauch und zur Stärkung des Kindes- und Jugendwohles des Bistums Hildesheim und die Katholischen Erwachsenenbildung in der Diözese Hildesheim e. V. (KEB) eingeladen. Als Referent war unter anderem Pater Klaus Mertes SJ gekommen, der 2010 Fälle von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt an kirchlichen Einrichtungen aufdeckte Seite 23

und damit auch im Bistum Hildesheim eine Aufklärungs und Aufarbeitungswelle auslöste. Er warnte davor, dass die Kirche als Institution nach einer intensiven Phase der Auseinandersetzung mit dem Thema wieder träge werden könnte. Die Systematik, mit der sich Täter Strukturen mit dem Ziel des Missbrauchs aufbauen, darf nicht unterschätzt werden. Sprechen wir von einem Täter, sprechen wir von hundert Betroffenen, sagte Pater Mertes. Wir müssen als Kirche Betroffenen zuhören und glauben, denn alles andere schützt den Täter. Dabei sei es wichtig, dass die Kirche kein Gerichtssaal sei, in dem das Prinzip gelte: Im Zweifel für den Angeklagten. Vor Gericht scheitern Opfer sexuellen Missbrauchs oft wegen der Unschuldsvermutung, sagte Pater Mertes. Wir als Kirche müssen eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen, in der betroffene Jugendliche und Kinder, aber auch unsere Mitarbeiter sich äußern können. Denn nichts schützt so sehr vor sexuellem Missbrauch wie die Fähigkeit, darüber sprechen zu können. So wisse er von Situationen, in denen sich Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen konnten, indem sie die Täter direkt darauf ansprachen. Prävention beginnt immer wieder bei Null, denn jedes Jahr kommen neue Kinder, Eltern und Mitarbeiter zur Kirche und ihren Schulen und Einrichtungen, ermahnte er. Wir sind eine lernende Institution, sagte Propst Martin Tenge als Hausherr zur Begrüßung der Tagungsteilnehmer. In aller Demut kann ich sagen, dass wir bezüglich der Prävention noch nicht am Ziel sind, und ich weiß auch nicht, ob man überhaupt ans Ziel kommen kann. Er sehe als Kleriker aber im Bistum Hildesheim Fortschritte in dem Bereich. Vor fünf Jahren, als die Fälle von sexuellem Missbrauch an Schutzbefohlenen durch Priester und kirchliche Mitarbeiter auch hier bekannt wurden, ging es immer um konkrete Täter und konkrete Opfer. Jetzt aber versuchen wir, die Haltung, die Mentalität und die tiefer liegenden Strukturen unserer Kirche zu ändern auch wenn das manchmal unangenehm ist. Seiner Meinung nach müsse der generelle Umgang mit Kindern und Jugendlichen immer wertschätzend sein, egal in welcher Situation. Seit dem Bekanntwerden von Fällen sexuellen Missbrauchs und sexueller Gewalt an Schutzbefohlenen durch Priester und kirchliche Mitarbeiter deutschlandweit bemüht sich das Bistum Hildesheim um Prävention und Aufklärung. Unter anderem wurde die Fachstelle Prävention von sexuellem Missbrauch und zur Stärkung des Kindes- und Jugendwohles gegründet. In einem aufwendigen Programm sollen bald alle ehrenamtlich- und hauptamtlichen Mitarbeiter der Kirche zum Thema Prävention von sexualisierter Gewalt im gesamten Bistum komplett geschult worden sein. Unsere Mitarbeiter müssen in sich in klaren Strukturen bewegen, in denen sie handeln können, sagte die Präventionsbeauftragte des Bistums Hildesheim, Jutta Menkhaus-Vollmer. Sie müssen eine innere Haltung entwickeln, damit die Kirche ein sicher Ort für Kinder und Jugendliche wird. In Deutschland werden im Schnitt 1.000 Kinder am Tag sexuell missbraucht. Jedes fünfte Mädchen und jeder 12. Junge sind im Laufe ihres Lebens betroffen. Ex- Seite 24

pertenschätzungen zufolge geschehen fast annähernd neunzig Prozent dieser Fälle von sexualisierter Grenzverletzung, sexualisierter Gewalt und Übergriffen im häuslichen Umfeld. Nur ein Bruchteil davon passiert außerhalb der Familie und Bekanntschaft zum Beispiel in Institutionen wie Vereinen, der Kirche oder Schulen. Die inhaltlich und organisatorische Zusammenarbeit mit der Fachstelle Prävention ist ein Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen einer Fachstelle und der Katholischen Erwachsenenbildung, sowohl inhaltlich u. a. im Rahmen einer zentralen Fachtagung- als auch organisatorisch -in der Durchführung regionaler und zentraler Präventionsfortbildungen. Diese positiven Synergieerfahrungen sind sicher auch auf andere Kooperationsbereiche übertragbar. Eindrücke und Materialen von der Fachtagung und zum Thema finden sich unter: http://www.keb-net.de/fachtagungpraevention/ und www.prävention-bistum-hildesheim.de zum download. Alexandra Jürgens-Schaefer Dipl. Pädagogin, Trainerin für Gruppendynamik u. Organisationsdynamik (DGGO), Kath. Erwachsenenbildung Hannover, Pädagogische Leiterin, Leiterin der Geschäftsstelle Angelika Tuschhoff Kurzberichte von Fortbildungen und Tagungen im 2. Halbjahr 2015 Fortbildung für Honorarkräfte im Fachbereich Nähen Nähkurse sind in den Einrichtungen der Familienbildung ein beliebtes Angebot und die Do-it-yourself-Bewegung der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass die Nachfrage weiter gestiegen ist. familienbildung deutschland hat am 24.09.2015 Referentinnen, die Nähkurse in Einrichtungen der Familienbildung leiten, zu einem Fortbildungstag nach Osnabrück eingeladen. Martina Tchorz von der Schule für Modemacher in Münster stellte Verarbeitungstipps für die neuen Stoffe wie Neopren, Softshell oder Cellulosefasern vor. Sie demonstrierte den Einsatz von neuen Klebematerialien wie Vliesofix und zeigte auf, wie schon kleine Schnittveränderungen eine große Wirkung haben. Seite 25

Der Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen aus anderen Familienbildungseinrichtungen war eine Bereicherung, ebenso der fachliche Austausch und die zahlreichen Anregungen für die Kursarbeit. Tipps und Tricks für das Schreiben von Projektanträgen In einem Workshop am Donnerstag, 30.09.2015 im Maxhaus in Düsseldorf setzten sich Hauptamtliche aus Familienbildungseinrichtungen mit Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einwerbung von Projektmitteln auseinander. Unter der Leitung von Daniel Pichert, Coach und Berater aus Berlin, analysierten die Teilnehmenden Förderbedingungen und Projektausschreibungen, um die Logik der Geldgeber bei der Bewilligung von Fördermitteln zu verstehen. An Beispielen aus der Familienbildung gab Daniel Pichert eine ganze Reihe von Anregungen, um Projekte überzeugend darzustellen, Chancen zu maximieren und Fehler bei der Beantragung zu vermeiden. Meine spirituelle Identität neu entdecken und vertiefen... war der Wunsch eines Teilnehmers, dem er während des dreitägigen Seminars für Leitungskräfte aus Einrichtungen der Familienbildung intensiv nachgehen wollte. Im vertrauten Kreis von Kolleginnen und Kollegen beschäftigten sich vom 05.- 07.Oktober 2015 erstmalig 13 Leitungen aus Einrichtungen der Familienbildung mit ihren spirituellen Kraftquellen. Mit fachlicher Unterstützung und Begleitung durch Pater Helmut Schlegel, OFM und Regina Uhrig, Supervisorin und Coach diskutierten und erforschten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Einzel- und Kleingruppenarbeit ihre spirituellen Quellen in Alltag und Beruf. Die Auseinandersetzung mit biblischen Texten und Biografien berühmter Persönlichkeiten bereiteten den stufenweisen Zugang zu neuen Kraftorten. Durch Zeiten der Stille und des räumlichen Rückzugs erlebten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, was oder wer sie im Leben trägt und an welchen Lebensknotenpunkten Beistand notwendig wird. Die Frage, was die Einzelnen in der Leitung einer katholischen Einrichtung hält und unterstützt war, ein zentrales Element der Tage. Auch durch die wachsende persönliche Verbundenheit wurde es möglich, intensive spirituelle Erfahrungen zu erleben und neue Kraft für die herausfordernde Leitungsfunktion zu sammeln. Dieses neu gedachte und mutmachende BAG- Seminar fand seinen spirituellen Abschluss in dem gemeinsam vorbereiteten und gefeierten Gottesdienst im Exerzitienhaus der Franziskaner in Hofheim. Seite 26

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM Eckhard Türk: Zwischen Multioptionalität, panenergetischem Monismus, Esoterik und Lifestyle-Avantgarde christliche Spiritualität Ein Tagungsbericht Die Einladung zur Tagung Sehnsucht - Der Anfang von Allem. Herausforderung christlicher Spiritualität angesichts des Marktes religiöser Möglichkeiten im Tagungszentrum Stuttgart-Hohenheim ziert auf der Titelseite ein Wasserglas. Eine Anspielung? Auf das Wasser? Genauer gesagt auf ein Vatikandokument: Jesus Christus, der Spender lebendigen Wassers. Noch genauer gesagt, eine Anspielung auf die samaritische Frau, die zum Jakobsbrunnen kommt, um Wasser zu schöpfen (vgl. Joh 4). Das Glas ist vieldeutig und deutet es an: Es geht eigentlich um das Gefäß, das dieses Wasser aufnimmt. Es geht um Spiritualität bei diesem Nachtrag der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum von Papst Benedikt XVI. ausgerufenen Jahr des Glaubens (11. Oktober 2012 bis 24. November 2013). Auf Initiative der Hauptabteilung Glaubensfragen und Ökumene und des Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten Frederic-J. Kaminski, in Zusammenarbeit mit wichtigen Kräften der Diözese wie der Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft, zu der die Erwachsenenbildung gehört, sowie der Akademie der Diözese wurde diese Tagung konzipiert und vorbereitet. In der Kooperation dieser Professionen allein liegt schon der besondere Reiz dieser Tagung. Über einhundert Teilnehmende, vor allem auch MitarbeiterInnen aus pastoralen Praxisfeldern, verdeutlichen die Aktualität und Brisanz der Tagungsthematik. Domkapitular Dr. Detlef Stäps, der Leiter der Hauptabteilung Glaubensfragen und Ökumene, verweist in seiner Einführung darauf, dass vielen zeitgenössischen spirituellen Suchbewegungen ein esoterischer Zug eigen sei: Hier wird die Logik des Konsums und Kommerzes auf das Ideelle und Spirituelle übertragen, es wird an die Verfügbarkeit des Ideellen und Religiösen geglaubt. Das religiöse Sehnen gehört zum Menschen, aber wenn es als Sehnsucht ausgenutzt wird, dann ist die Grenzlinie zu spirituellem Missbrauch und psychischer Ausbeute überschritten. Vor allem auch an der Attraktivität und Faszination dieser spirituellen Angebote zeigt sich eine Entfremdung vieler Menschen von traditionellem Glauben und Kirche. Kirchliche Dogmen werden häufig nur noch als eine Sprachregelung empfunden, die eigentlich unter einer wortreichen Sprachlosigkeit krankt. Für viele Menschen ist die Unterscheidung der Geister zwischen spiritueller Machbarkeitsideologie und der geschenkten Liebe Gottes kaum noch präsent oder sie können damit wenig anfangen. Einer solchen Entfremdung bei gleichzeitiger religiöser Sehn- Seite 27

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM sucht ist weder mit einer Belehrung aus der Tradition noch mit einem Autoritätsargument zu begegnen. Wie sieht aber angesichts dieser Ausgangslage die christliche Positionierung aus, auf einem Markt, der zwischen Magie und Methoden der Selbstoptimierung oszilliert? Marktüberblick postsäkularer Religiosität Die Tagung ist dreigeteilt, obwohl sich diese Teile auch mischen. Die Wahrnehmung des Marktes der spirituellen Möglichkeiten, eine christliche Positionierung zu den Angeboten dieses Marktes und die Herausforderung, wie aus der Begegnung Neues entstehen kann, bilden den Rahmen. Schon am Anfang stehen große Begriffe im Raum: Sehnsucht, Religion, Spiritualität, New Age, Esoterik, Tradition, Dogma, Gott, Glaube, Kirche, Macht, Geld und ihre Klärung wird aus dem Auditorium angemahnt. Eine Klärung ist aber schwer und sehr komplex und möglicherweise auf einer solchen Tagung gar nicht zu leisten. Und so beginnen die einzelnen Referentinnen und Referenten ohne Begriffsklärung aus der Sicht ihres Fachgebietes und sind auch keineswegs verwundert, dass ihre Beiträge eher unvermittelt aufeinander folgen und sich teils nicht ohne weiteres ins Tagungsschema einfügen. Der Einstieg versucht einen Marktüberblick über religiöse Möglichkeiten, Entwicklungen, Veränderungen und Potentiale. Dies ist eine eher religionssoziologische und religionswissenschaftliche Perspektive. Sie wird vertreten durch Christel Gärtner, Professorin aus Münster, mit einem Vortrag zum Thema Religiöse Sinnstiftung jenseits kirchlicher dogmatischer Vorgaben und dem Referat von Dr. Reinhard Hempelmann, dem Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin: Er skizziert die Suche nach dem universalen Spirit damit sind spirituelle Ansätze und Suchbewegungen außerhalb der institutionalisierten christlichen Gemeinschaften unter besonderer Berücksichtigung der Esoterik gemeint. Beide machen deutlich, dass die Säkularisierungsthese in ihrer klassischen Form durch die tatsächliche Entwicklung in den religiös-weltanschaulichen Landschaften obsolet geworden ist. Gärtner unterstreicht eine Entwicklung der religiösen Sinnstiftung und der Sinnfrage in modernisierten, säkularisierten Gesellschaften, die sie als eine Entwicklung vom Gottvertrauen zum Selbstvertrauen charakterisiert. Die Individualisierung bringt einen ambivalenten Zwang zur Autonomie mit sich. Ambivalent ist eine solche Autonomie allein dadurch, dass sie einerseits eine große Chance der Multioptionalität auf ein selbstbestimmtes Leben mit sich bringt und andererseits durch den Verlust von evidenten Weltbildern und ethischen Orientierungen ein hohes Maß an Selbstverantwortung mit gesellschaftlichen Beurteilungsmaßstäben einfordert. Hempelmann zeigt in seinen Annäherungen anschließend, wie in dieser weltanschaulich offenen und ambivalenten Situation die Esoterik durch kompositorische und eklektisch vagabundierende Religionsformen die Seite 28

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM Sehnsucht nach einer erlebbaren Transzendenz bedient. Der synkretistische Spiritualitätstyp der Esoterik profitiert vom antiinstitutionellen Affekt vieler Menschen: ein Phänomen nicht nur außerhalb der Kirchen! Ein solcher esoterischer Konsum- und Erlebnisvollzug ist im Wesentlichen in einem esoterischen Wirklichkeitsverständnis begründet. Die Spiritualität der Esoterik stellt letztendlich einen panenergetischen Monismus dar, der die gesamte Wirklichkeit als unterschiedliche Manifestationen einer unpersonalen Geistenergie begreift. Als spiritueller Leitsatz gilt hier: Vertraue dem Kosmos, der kosmischen Energie, deren Teil du bist. Hempelmann sieht in der Esoterik nicht nur eine berechtigte Suchbewegung gegen die negativen Auswüchse einer instrumentellen Vernunft, sondern auch eine totalitäre Anschauung, die durch ihren Anspruch, ein umfassendes Urwissen über Gott, die Welt und den Menschen zu bieten, vor allem auch des Widerspruchs durch auskunftsfähige Christen bedarf. Kriteriologie zur Beurteilung spiritueller Angebote Der zweite Teil der Tagung versucht, Kriterien zur Beurteilung von Spiritualität zu benennen. Dies ist ein Versuch zur Unterscheidung der Geister, im Hinblick auf die Suche nach einer spirituellen oder fundamentaltheologischen Kriteriologie. Ist der spirituelle Boom mehr als nur eine vorübergehende Mode? Ist Spiritualität eine Frage der Lifestyle- Avantgarde? Geht das und wie geht das, Spiritualität beurteilen? Der Ordinariatsrat für Kultur, Kirche und Wissenschaft in den Bistümern Limburg und Mainz, Dr. Gotthard Fuchs, sucht nach Kriterien in der eigenen, katholischen Spiritualitätsgeschichte. Sein Vortrag: Neue Ansätze christlicher Spiritualität. Zur Unterscheidung der Geister. Phänomene Profile Probleme sieht eine wirkliche alte Neuheit in der katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962 1965) gegeben. Mit Johannes XXIII. wird der Maßstab aller Spiritualität im Evangelium gefunden: Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert, nein, wir sind es, die gerade anfangen, es besser zu verstehen. Das Konzil in der verschärften Moderne hat wieder zu verstehen gelernt, dass Gott, der mit den Menschen redet, keine rein innerkirchliche Angelegenheit mehr bleiben kann. Darin liegt der Maßstab jeder Spiritualität. Die Einladung zur Gemeinschaft mit Gott in seinem menschgewordenen Wort stärkt die Würde eigener Zustimmung. Seine zugesagte Nähe gibt frei. Darin wird weder ein Dualismus noch ein Monismus, schon gar kein Herrschaftsverhältnis begründet. Autonomie und Heteronomie des Menschen werden nicht gegeneinander ausgespielt. Eine Spiritualität, die das eigene Seelenheil suchte und die Welt und den Menschen zum Teufel gehen ließe, entspräche nicht dem Evangelium. Die Welt und der Mensch stehen in einem responsorischen Verhältnis zu Gott, und die Unterscheidung der Geister besteht eben darin, nichts in der Welt mit Seite 29

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM Gott zu verwechseln. Das ist auch die Trennlinie zwischen Gott und Götze, zwischen Spiritualität und Pseudospiritualität. Das heißt, es ist unter den gegenwärtigen Marktbedingungen nicht nur mit der Spiritualität im Singular zu rechnen. Folgerichtig ist das Thema von Roman Siebenrock, seit 2006 Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck: Spiritualitäten. Eine fundamentaltheologische Kriteriologie. Siebenrock vertritt einen äußerst weiten Spiritualitätsbegriff. Spiritualität ist für ihn eine vorrationale Entscheidung, sein Leben zu leben. Ein Leben, das als menschliches sich in unterschiedlichen Stufen und Formen der Sozialität vorfindet, entwirft und handelt. In den Dimensionen von Du Ich Wir Mitwelt Natur findet Sinnsuche statt. Alle diese Dimensionen sind aber der Kontingenz unterworfen, also zufällig und vergänglich. Eine solche Kontingenz erzeugt Angst. So ist Spiritualität letztlich als eine Reaktion auf diese existentielle Angst zu begreifen. Die Frage der Kriteriologie, die sich hier stellt, lautet: Welcher Typus von Spiritualität verdient es, dass der Mensch sein Leben damit deutet und orientiert? Spiritualitäten können kosmotheistisch sein: Der Mensch ist eins mit allem. Sie können aber auch das Personwerden im Angerufensein durch den Anderen, etwa das Gewissen oder die Opfer der Geschichte, betonen. Und schließlich gibt es auch eine Dynamik des Geistes in Form einer Selbsttranszendenz zu den Grenzen des Sinns. Daraus lässt sich nach Siebenrock folgende kleine Kriteriologie aus christlicher Tradition ableiten; jedes Angebot von Spiritualität muss sich als kritikfähig erweisen: Der spirituelle Meister, der nicht zwischen sich und Gott unterscheiden kann, verkennt seine Meisterschaft. Wirkliche Spiritualität kennt keine Angst vor der eigenen Spiritualität, aber auch nicht vor dem Loslassen der eigenen Spiritualität. Glücksversprechen gelten nicht nur für Eingeweihte, sondern für alle. Glück kann nicht exklusiv sein. Wahre Spiritualität beendet das Spiel der Rivalitäten. Keiner weiß, wie es ausgeht. Wahre Spiritualität entmächtigt die Apokalyptik als ein Wissen darum, wo es mit der Welt und dem Menschen hinführt, und sie entmächtigt auch die totale Bindung an den spirituellen Meister. Spirituelle Pilotprojekte Die Fragestellung, wie die gegenwärtige Spiritualität eine wiederentdeckte Möglichkeit der Selbstvergewisserung und Weltverortung werden kann, wird teils durch Workshops und teils durch Vorträge aus einer pastoraltheologischen Sicht fortgeführt und komplettiert. Dr. Michael Schüßler, designierter Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie an der Universität Tübingen, legt den Schwerpunkt seiner praktisch-theologischen Beobachtungen auf die Differenzen der Spiritualität. Der von ihm gezeigte Cartoon Vatican II opened up the Church and people got out soll deutlich machen, dass gerade das Verlassen der Kirche nicht zu völliger Säkularität führt, sondern diese neuen For- Seite 30

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM men von Spiritualität säkular, individualisiert und post-säkular durch die jeweils eigene Biographie eines Menschen hindurch zu jeweils individuellen Collagen aus religiöser Sehnsucht führen. Eine solche Sicht will zur Neuentdeckung der Spiritualität außerhalb der Kirchenmauern ermutigen. Für Schüßler folgt daraus eine Freigabe der kirchlichen Sozialformen: Die Grenzen der Kirche sind nicht die Grenzen des Reiches Gottes. Daraus folgt, dass das Evangelium sich nicht an bestimmte Formen der Spiritualität bindet. Und so ist dann aber auch eine kirchliche Selbstökonomisierung, ein Ringen um Marktanteile und eine Siegerspiritualität, die als oberstes Kriterium den spirituellen Erfolg als Durchsetzung auf dem Markt der spirituellen Angebote anstrebt, ein absolutes no-go. Eine Spiritualität, die die Unverfügbarkeit Gottes aus dem Blick verliert, verliert auch Gott. Schüßler favorisiert in seiner praktischen Theologie den spirituellen Kontrollverlust und eine Wertschätzung der verflüssigten Außengrenze der Kirche. Als konstruktive Konkretion führt Schüßler die Feier der Lebenswende für Jugendliche ohne Kirchenzugehörigkeit im Erfurter Dom an. Wenn die These, dass Transzendenz an jeder Ecke lauert, stimmt, dann sieht er keinen Grund, sich nicht auch auf Menschen einzulassen, die ansonsten die Jugendweihe oder keinerlei Sinndeutung in Anspruch genommen hätten. Eine solche verflüssigte Kirchenberührung zeigt sich für ihn auch bei Paaren, die zwar einen Kirchenraum nutzen wollen, aber kein Sakrament wünschen. Hier wird der christliche Glaube in eine Begegnung mit Menschen gestellt, deren Kontrolle und Ausgang er nicht mehr in der Hand hat. Wie eine solche Öffnung der Kommerzialisierung der Spiritualität und einer Funktionalisierung Gottes auf Marktzwecke hin wehren könnte, bleibt eine offene Frage bei seinen Ausführungen. Die Tagung stellt auch in Workshops und im Abendprogramm weitere Beispiele, Pilotprojekte, kulturelle Spuren in Film, Literatur und dem Ernährungsbereich vor, in denen die Herausforderung solcher spirituel len Infragestellungen und Differenzen aufgenommen und ab- und aufgearbeitet wird. Beispielweise reflektiert Reinhard Hempelmann im Workshop Freie Spiritualitäten Patchwork-Spiritualitäten die kirchliche Haltung zu solchen multireligiösen Identitäten und zu vagabundierender Religiosität. Was macht ihre Faszination aus, und sollte sich die Kirche eher dialogisch-offen oder warnend-abwehrend dazu positionieren? Er plädiert für eine kritisch begleitende und vom Zentrum des Glaubens an den dreieinen Gott her profilierte Haltung. Damit ist kein Nein zu einem persönlichen religiösen Weg und einem individuellen Religionsvollzug gesagt [ ] Es gehört jedoch zu den Grundlagen christlichen Glaubens, dass der Mensch sich Sinn und Ziel des Lebens nicht selber schaffen kann. Wenn es um die Erfahrung der göttlichen Gnade geht, ist er Empfangender. Seite 31

Heft 1/2016 - Nr. 77 2. PLENUM In einem weiteren Workshop stellt Dr. Karl-Heinz Steinmetz, Theologe und Privatdozent an der Universität Wien, ein Projekt der Erzdiözese Wien vor: xp-erience. XP steht für die Christusinitialen und soll an das englische Wort experience erinnern. Das Pilotprojekt holte sich Hilfe für diese Form der Pastoral in einem kirchenfernen, eher spirituellesoterischen Feld bei der Sinus-Studie der einzelnen Marktmilieus. Das fünfköpfige xp-erience-team wählte sich das Milieu der ExperimentalistInnen aus. Dieses ist besonders esoterikinteressiert, individuell ausgerichtet und gilt als neue Boheme oder Lifestyle-Avantgarde, der es um ungehinderte Spiritualität in einem Leben voller Widersprüche geht. Im Projekt ging es darum, die Lebenserfahrung der Teilnehmenden als geistliche Suchbewegung zu interpretieren und ihre Versuche der Selbsttranszendenz, ohne zu vereinnahmen, in einen christlichen oder religiösen Rahmen einzubetten. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Veranstaltungs- und Erlebnisformate ausprobiert: z. B. eine Nachtveranstaltung auf einem Berg, ein existentieller Dialog mit großen Gestalten christlicher Mystik und Versuche der ungegenständlichen Kontemplation aus verschiedenen religiösen Traditionen. Resümee dieses Projektes: Es hat sich gezeigt, dass sich auch kirchenferne Menschen etwas von der spirituellen Tradition der Kirche, vor allem der Mystik erwarten, wenn diese in einer milieuspezifischen Sprache und Ästhetik präsentiert wird. Nachdem das diözesane Fortsetzungsprojekt an Personal- und Sachressourcen gescheitert ist, wird es in anderer Form ehrenamtlich und unter Begleitung der Wiener Dominikaner unter dem Namen Schola Cordis weitergeführt. Am Ende der Tagung, besonders in der abschließenden Podiumsdiskussion mit Domkapitular Karrer, Ordinariatsrat Dr. Drumm, Prof. Siebenrock, Dr. Schüssler und Ordinariatsrat Dr. Fuchs bleibt bei diesem Projekt, wie bei allen anderen Beiträgen, die eine Frage offen: Ist die jeweilige Ansprache einer solchen Sehnsucht, die der Anfang von allem sein soll, tatsächlich ein Ziel und eine Antwort? Führen diese Bemühungen zu einer Spiritualität, die lebendiges Wasser bereithält, das in dem, der davon trinkt, zum Brunnen des ewigen Lebens entspringt (vgl. Joh 4,14)? Dr. Eckhard Türk Seite 32

Heft 1/2016 - Nr. 70 3. LESEZEICHEN Peter L. Berger: Altäre der Moderne. Religion in pluralistischen Gesellschaften Rezension von Eckhard Türk PETER L. BERGER: Altäre der Moderne. Religion in pluralistischen Gesellschaften, Frank-furt/New York 2015. Im Jahr 2015 erschien die deutsche Übersetzung von The Many Altars of Modernity: Toward a Paradigm for Religion in a Pluralist Age des renommierten österreichischen, in den USA lehrenden, Religionssoziologen Peter L. Berger im Campus-Verlag. Peter L. Berger ist vor allem dadurch be-kannt geworden, dass er die, auch von ihm in der Religionssoziologie vertretene Säkularisierungsthese die Moderne führt notwendigerweise zu einem Niedergang der Religion widerrief und gegen Ende der 1990er Jahre in eine De-Säkularisierungsthese umwandelte. Zu diesem Schritt sah sich Berger durch die weltweiten religiösen Entwicklungen genötigt. Europa ist hier zwar weitgehend von diesem neureligiösen Boom ausgenommen, aber weltweit blühen die religiösen und weltanschaulichen Angebote, so dass die empirischen Daten der Säkularisationsthese widersprachen. Die Altäre der Moderne ist nun eine konzentrierte Zusammenfassung, aber auch Modifizierung dieser jahrzehntelangen Forschungsarbeit Bergers. Er beansprucht nichts Geringeres, als einen Beitrag zu liefern, um die unendlich faszinierende Wirklichkeit der religiösen Landschaft zu begreifen und ein neues Paradigma von Moderne und Religion zu bieten. Bergers neues Paradigma proklamiert eine multiple Modernität, deren innerster Kern eine zweifache Art des Pluralismus darstellt. So führt Modernisierung nicht zwangsläufig zum Rückgang der Religionen, sondern zur Pluralisierung von Weltsichten und Wertsystemen. Dennoch ist die Säkularisierungsthese nicht einfach überholt. Richtig ist vielmehr die Einsicht, dass ein einflussreicher säkularer Diskurs dem religiösen Diskurs an die Seite getreten ist. Daher ist es erforderlich, zwischen einem innerreligiösen Pluralismus und dem Pluralismus von religiösen und säkularen Diskursen zu unterscheiden. Verschiedene Religionen und Weltanschauungen koexistieren neben religiösen und säkularen Diskursen. Berger beschreibt diesen Pluralismus nach dem Modell der multiplen Realitäten und der relevanten Strukturen. Damit der Pluralismus seine volle Dynamik entfalten kann, muss es zu einer andauernden Konversation kommen, nicht unbedingt unter Gleichen, aber über eine längere Zeitspanne hinweg und zu einem breiten Themenspektrum. Anthropologen haben dafür zwei hilfreiche Termini: Kommensalität und Konnubium - miteinander essen und einander heiraten. Anders ausgedrückt, wir beziehen uns auf Tischgespräche und Bettgeflüster. (S. 16) Seite 33

Heft 1/2016 - Nr. 70 3. LESEZEICHEN Letztlich geht es also um ein friedvolles Zusammenleben, das von gegenseitiger Interaktion gekennzeichnet ist. Wer mit anderen spricht, wird beeinflusst und beeinflusst andere. Berger spricht hier von kognitiver Kontamination. (S. 16) Ihm steht eine durch ständigen Austausch geprägte pluralistische Gesellschaft vor Augen, welche ein Nebeneinander von säkularen und religiösen Diskursen nicht nur duldet, sondern für selbstverständlich erklärt. Er verkennt dabei allerdings, dass Religionen und Weltanschauungen, selbst säkulare, auf dem Gebiet der Gewissheit und Wahrheit agieren und reagieren und diese nicht gegen eine pluralen Beliebigkeit austauschen können. In Bergers Vorstellungen sind die verschiedenen doktrinellen und rituellen Inhalte geschichtlich und kulturell bedingt und können deshalb nicht den Anspruch auf Wahrheit gegeneinander geltend machen. Keine Anschauung hat deshalb das Recht, die eigene Erfahrungs- und Ausdrucksweise dieser Erfahrung für schlechthin wahr zu halten und die der anderen für falsch. Doch dieses religionssoziologische Pluralismusmodell wird um einen teuren Preis erkauft. Es fordert unmissverständlich die Relativierung jeglichen Wahrheits- und Gewissheitsanspruchs. Dabei wird keine Religion und Weltanschauung, die sich einigermaßen ernst nimmt, mitmachen. Berger, obwohl er sich als unheilbar lutherisch bezeichnet, betrachtet die Religionen und Weltanschauungen also nicht aus der eigenen Glaubensperspektive, sondern von einem scheinbar über den Religionen stehenden Standpunkt. Das macht ihn für den interreligiösen Dialog denkbar ungeeignet. In ihm geht es ja gerade um die Begegnung verschiedener religiöser Identitäten. An den Altären der Moderne wird deutlich, und darin liegt der lesenswerte Wert dieses Buches, zur Befriedung der multiplen Modernität in ihrer religiös-weltanschaulichen Pluralität ist gerade die kognitive Kontamination das zentrale Herzstück. Das muss aber mehr bedeuten, als dass man miteinander redet oder sich untereinander heiratet. Wie in jeder guten Partnerschaft, muss die jeweilige Wahrheit in Liebe in die andere Wahrheit übersetzt und miteinander gedolmetscht werden. Ein solches Übersetzungsverhältnis ist notwendigerweise nicht einseitig, sondern beruht auf Gegenseitigkeit. Ein solches religionstheologisches Paradigma wäre wirklich neu. Dr. Eckhard Türk Seite 34

Heft 1/2016 - Nr. 70 4. MATERIALKISTE Beate Eichinger: Materialien zur Vermittlung und Umsetzung von Laudato si Die Arbeitshilfen sollen Sie ermutigen, die Dialog- und Bildungsinhalte der Enzyklika aufzugreifen und in Ihren Gremien, Ihren Bildungsveranstaltungen, in Aktionsgruppen oder in Gottesdiensten zum Thema zu machen. 1. Misereor https://www.misereor.de/mitmachen/gemeinden-undgruppen/umweltenzyklika/ Hier finden sich zum download: Ppt zu Ausgangspunkten und Inhalten von LS Bausteine zur Enzyklika (98 Seiten) mit Einführung zu den einzelnen Bausteinen Internationale Botschaften der Kirchen und Religionen zum Klimawandel mit Blick auf den Klimagipfel COP21 in Paris Impulse für Gruppen zu LS Unterrichtsbausteine zu LS Gottesdienstbausteine zu LS Weiterführendes Material zu LS 2. Erzdiözese München-Freising https://www.erzbistum-muenchen.de/page004046.aspx Laudato si' - Vorschläge und Hilfen für Bildungsarbeit und Pastoral Sie finden neben Tipps zur inhaltlichen und organisatorischen Veranstaltungsplanung auch ausgearbeitete Musterveranstaltungen zur Enzyklika mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und für unterschiedliche Zielgruppen. Laudato Si - Grundbaustein (PPTX) Musterevaluationsbogen (DOC) Gebet für unsere Erde (PDF) Gebet mit der Schöpfung (PDF) Laudato Si' Arbeitshilfe ebmuc (PDF) Zitate aus der Umweltenzyklika (PDF) KEB im Bistum Regensburg Beate Eichinger, Spindlhofstr. 23, 93128 Regenstauf, Telefon 09402 / 947711 beichinger.keb@bistum-regensburg.de Seite 35

Heft 1/2016 - Nr. 70 5. JOURNAL Für Sie gelesen und beobachtet: Zeitschriftenauswahl Viele regelmäßig erscheinende Fachzeitschriften sind zwar nicht unmittelbar auf die (theologische) Erwachsenenbildung ausgerichtet, enthalten jedoch oft Themen, die für die Praxis der theologischen Erwachsenenbildung relevant und nützlich sind. Eine große Zahl dieser Zeitschriften haben wir für Sie unter dieser Perspektive gelesen; wir möchten Ihnen im Folgenden eine Auswahl von Beiträgen aus diesen Zeitschriften vorstellen. Bei Interesse für bestimmte Themen und Hefte ist es Ihnen sehr wahrscheinlich möglich, die betreffende Zeitschrift im Pfarramt oder in einer anderen kirchlichen Arbeitsstelle Ihrer Region auszuleihen. 1. Stimmen der Zeit Heft 11/2015 Norbert Arntz: Vom Konstantinischen Pakt zum Katakombenpakt, S723-735 Heft 12/2015 Barbara Zehnpfennig: Sehnsucht nach dem Absoluten. Hitlers Erlösungsdenken in Mein Kampf, S. 823-831 Eggert Blum: Die Heidegger-Debatte nach den Schwarzen Heften Heft 01/2016 Bernward Schmidt: Reformation, Revolution, Freiheit. Zu einem missing link in der Reformationsdeutung, S.3-14 Heft 02/2016 Kein relevanter Beitrag 2. Internationale Katholische Zeitschrift (Communio) Heft 5/2015 Thema: «Armut» Erik Peterson: Der Reiche und der Arme Gerhard Ludwig Müller: Soteriologie und Ethik. Armut als Herausforderung für die Kirche Ingeborg Gabriel: Die Enzyklika «Laudato Si». Ein Meilenstein in der lehramtlichen Sozialverkündigung Heft 1/2016 Thema: «Wie im Himmel so auf Erden (Vaterunser II)» Michel Cagin: Jacques Maritain und das Zweite Vatikanische Konzil Thomas Meckel: Mitis iudex et iustus iudex? Papst Franziskus reformiert das Eheprozessrecht Seite 36