Die Bedeutsamkeit der Eltern-Kind-Bindung und deren Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern
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- Sylvia Heintze
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Treffpunkt Familie Potenziale und Herausforderungen der familienorientierten Suchtprävention Fachtagung des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien Die Bedeutsamkeit der Eltern-Kind-Bindung und deren Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern Mag. Barbara Supper Universität Wien Institut für Angewandte Psychologie: Gesundheit, Entwicklung, Förderung
2 John Bowlby Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet (John Bowlby). englischer Psychiater & Psychoanalytiker
3 Zauber der Bindung Wie kann ich mein Kind beschützen? Was möchte mein Kind, welche Bedürfnisse hat es und wie kann ich darauf eingehen? Eltern wollen ihr Kind liebkosen, beschützen, für ihr Kind da sein,
4 Angeborene Neigung zur Bindung Bindungsverhalten des Kindes (weinen, schreien, ) Fürsorge- und Pflegeverhalten der Bezugsperson (beruhigen, liebkosen, ) Nähe herstellen Schutz und Sicherheit erlangen Grundbedürfnisse (z.b. Nahrungsaufnahme) erfüllen Sicherung des Überlebens des Kindes
5 Entstehen aufgrund der natürlichen Kompetenz ZWINGEND optimale Bindungsbeziehungen? Fürsorgesystem Auch wenn Eltern ihre Kinder meist abgöttisch lieben, können sie diese natürliche Kompetenz NICHT immer optimal den Entwicklungsbedürfnissen entsprechend, umsetzen. Bindungssystem Bindungssystem des Kindes ist umweltstabil. D.h. dass sich das Kind an eine jede Person bindet, auch an eine Rabenmutter.
6 Welche Faktoren beeinflussen die Ausbildung einer Bindungsbeziehung? Strukturelle Bedingungen Systemischer Kontext Interaktionserfahrungen unterschiedliche Bindungsqualitäten
7 Feinfühligkeit Ainsworth (2003) definiert Feinfühligkeit durch vier Merkmale Die Bezugsperson muss das Kind aufmerksam im Blick haben und darf keine zu hohe Wahrnehmungsschwelle haben muss die Äußerungen des Säuglings richtig interpretieren prompt und angemessen darauf reagieren.
8 Förderung der Bindungsbeziehung in der alltäglichen Interaktion Sprachliche Interaktion sprechen über Gefühle, Befindlichkeiten und Handlungen des Kindes synchrone Interaktion in den Handlungen, wie auch in der Sprache Missverständnisse und Fehlinterpretationen sind vollkommen normal, müssen erkannt und korrigiert werden Blickkontakt und Mimik Bindungsperson kann darüber Gefühle und Stimmungen des Säuglings wahrnehmen Säugling kann darüber emotionale Botschaften ablesen Körperkontakt feinfühliges Erkennen und Reagieren auf die Körperreaktionen des Säuglings
9 Unterschiedliche Bindungsqualitäten Mary D. Salter Ainsworth amerikanische Entwicklungspsychologin Vertreterin der Bindungstheorie
10 unsicher sicher Unterschiedliche Bindungsqualitäten Fremde-Situations-Test Fremde Umgebung Trennungs- und Wiedervereinigungssituationen als Gradmesser der Bindungsqualität BINDUNGSQUALITÄTEN B sicher A unsicher-vermeidend C unsicher-ambivalent D desorganisiert Organisierte Bindungsqualitäten Normale Entwicklungsvarianten Entwicklungsrisiko, beginnende Psychopathologie
11 Sichere Bindung Unterstütze meine Exploration Sicherer Hafen Ich versichere mich während meiner Erkundung bei dir ab! Wenn notwendig finde ich bei dir Trost und Schutz
12 Sichere Bindung offener Austausch über Gefühle kompromissbereit bei Konflikten beziehungsbezogen und autonom selbstverantwortlich bei Belastung: dazu gehört, andere aktiv um Hilfe zu bitten
13 Unsicher-vermeidende Bindung Ich brauche dich bei meiner Erkundung nicht. Sicherer Hafen Zögerlich suche ich Kontakt zu dir. Ich verhalte mich cool, obwohl es mir schlecht geht! Wende mich ab.
14 Unsicher-vermeidende Bindung kein Austausch über (negative) Gefühle Anpassung an äußere Erwartungen emotionale (Pseudo-) Unabhängigkeit selbstbezogener Umgang bei Belastungen
15 Unsicher-ambivalente Bindung Unterstütze meine Exploration, ABER lass mich in Ruhe. Sicherer Hafen Ich kann nicht explorieren, da ich kein Vertrauen habe. Ich brauche dich, lasse mich aber nicht beruhigen.
16 Unsicher-ambivalente Bindung übersteigerter Gefühlsausdruck wenig kompromissbereit emotionale Abhängigkeit wenig selbst-verantwortlich bei Belastungen
17 Unsicher-desorganisierte Bindung Ich weiß nicht was ich tun soll. Sicherer Hafen Ich habe Angst und das verstört mich. Ich bin chaotisch. Obwohl ich dringend Schutz brauche, kann ich bei dir nicht auftanken.
18 Unsicher-desorganisierte Bindung fehlende (Anpassungs-) Strategien Zusammenbruch kindlicher Bewältigungsstrategien bizarr anmutendes Verhalten gegenüber der Bindungsperson
19 Bindungsstörungen Abzugrenzen von den bisher beschriebenen Bindungsverhaltensweisen Weisen kaum mehr Ähnlichkeiten zu der Bindungssicherheit und den bisher beschriebenen Bindungsunsicherheiten auf GRUNDLEGEND FÜR ALLE BINDUNGSSTÖRUNGEN Bedürfnisse nach Nähe und Schutz, in Situationen in denen das Kind ängstlich war, wurden in einem extremen Ausmaß NICHT adäquat, unzureichend oder widersprüchlich beantwortet.
20 Bindungsstörungen In den diagnostischen Manualen (ICD-10, DSM-IV) Reaktive Bindungsstörung Bindungsbereitschaft ist gegenüber Erwachsenen gehemmt. Kinder reagieren mit Ambivalenz und Furchtsamkeit in unterschiedlichen sozialen Situationen. Bindungsstörung mit Enthemmung Kinder zeigen eine enthemmte, distanzlose Kontaktfreudigkeit gegenüber verschiedenen Bezugspersonen.
21 Bindungsstörungen keine Anzeichen von Bindungsverhalten Kein Zeigen von Bindungsverhalten gegenüber der Bindungsperson, auch in Gefahr oder bei Aktivierung von Angst kein Trennungsprotest extreme Vermeidung von Beziehung Extremvariante der unsicher-vermeidenden Bindung, jedoch haben Kinder mit dieser Störung nie eine Bindung auch keine unsichere aufgebaut.
22 Bindungsstörungen undifferenziertes, enthemmtes Bindungsverhalten Pseudo-Bindung an jede verfügbare Person Suche nach Nähe in Gefahr und bei Angst Zuwendung an jede beliebige Person OHNE Unterschiede Bindungsperson beliebig austauschbar keine echte spezifische Bindungsperson keine sichere emotionale Basis
23 Bindungsstörungen übersteigertes Bindungsverhalten Exzessives Klammern Nur in absoluter Nähe sind die Kinder beruhigt Kaum Trennung möglich Kleine Trennungen führen zur Übererregung Auch in höherem Alter (Kindergarten, Schule)
24 Bindungsstörungen gehemmtes Bindungsverhalten Kein Widerstand oder Protest bei Trennungen Ohne Protest kommen diese Kinder allen Wünschen der Bindungsperson nach Übermäßige Anpassung Eingeschränkter emotionaler Austausch mit Bezugsperson Gefühle werden nur in Abwesenheit der Bezugsperson frei und offen gezeigt
25 Bindungsstörungen aggressives Bindungsverhalten Alle Bindungsbeziehungen werden durch körperliche und/oder nonverbale Aggression gestaltet Nur durch Aggressionen kann der Wunsch nach Nähe geäußert werden Familienklima ist durch aggressives Verhalten gekennzeichnet
26 Bindungsstörungen Bindungsverhalten mit Rollenumkehrung Kind ist gegenüber der Bezugsperson überfürsorglich und übernimmt für sie die Verantwortung Permanente Nähe des Kindes, um die Bezugsperson zu kontrollieren Kaum eigene Erkundung Oft entstanden durch reale Angst vor Verlust der Bezugsperson (z.b. durch Suizidgefahr, Scheidung, o.ä.)
27 Bindungsstörungen Bindungsstörung mit Suchtverhalten Frühe Erfahrungen des Verlusts bzw. unfeinfühliges Verhalten, dass Stress erzeugt, kann zu suchtartigem Verhalten und Störungen führen. Alle Bedürfnisse des Kindes werden beispielsweise mit Nahrungsangeboten beantwortet. Kleinkinder entwickeln rasch eine Ess-Sucht, die sich im Laufe der Entwicklung auf andere Objekte und Substanzen ausdehnen kann.
28 Bindung Feinfühligkeit Bindungsdiagnostik Im Säuglings- und Kleinkindalter BEOBACHTUNGSMETHODEN Spiel- und Wickelsituationen Alltagssituationen Feinfühligkeitsskala (Ainsworth, 1977, 2003) Emotional Availability (Biringen, 2005) CARE Index (Crittenden, 2005) Fremde-Situations-Test (Ainsworth, 1977) Attachment Q-Sort (Waters & Deane, 1985)
29 Bindungsdiagnostik Im Vorschulalter BEOBACHTUNGSMETHODEN Adaptationen des Fremde-Situations-Test (Cassidy & Marvin, 1992; Marvin, 2001; Crittenden, 1994; Main & Cassidy, 1988) Attachment Q-Sort (Waters & Deane, 1985) PROJEKTIVE VERFAHREN Geschichtenergänzungsverfahren (GEV-B, Gloger-Tippelt & König, 2002, 2006)
30 Bindungsdiagnostik Im (Grund)Schulalter PROJEKTIVE VERFAHREN Trennungsbilder (Separation Anxiety Test: Hansburg, 1972, 1980) INTERVIEW-VERFAHREN Bindungs-Interview für die späte Kindheit (BISK: Scheurer-Englisch, 2003)
31 Bindungsdiagnostik Im Jugend- und Erwachsenenalter PROJEKTIVE VERFAHREN Adult Attachment Projective (AAP: George & West, 2004) INTERVIEW-VERFAHREN Adult Attachment Interview (AAI: George, Kaplan & Main, 1984)
32 Auswirkung auf andere Entwicklungsbereiche SICHERE BINDUNG Kognitive Entwicklung Ausdauer Lern- und Merkfähigkeit Sprachentwicklung Schutzfaktor!! Entwicklungsvorteil Bla,bla, bla xyz Soziale Kompetenz Einfühlsamer Prosozialer in Konflikten Weniger aggressiv
33 Auswirkung auf andere Entwicklungsbereiche SICHERE BINDUNG Schutzfaktor!! Entwicklungsvorteil Persönlichkeitsentwicklung Selbstbild: hohes Selbstwertgefühl Selbstregulationsfähigkeit (Steuerung von Gefühlen und Impulsen) Selbstmotivierung Anstrengungsbereitschaft Langfristig: höhere Zufriedenheit in weiteren sozialen Beziehungen (Freundschaft, Partnerschaft)
34 Handlungsempfehlungen, um sichere Bindungsbeziehungen herzustellen Haben Sie Spaß und Freude an und mit Ihrem Kind! Lassen Sie sich, wann immer möglich, mit voller Aufmerksamkeit auf Ihr Kind und seine Erlebniswelt ein! Versuchen Sie, die Äußerungen des Babys richtig zu deuten! Reagieren Sie passend auf die kindlichen Bedürfnisäußerungen! Reagieren Sie möglichst sofort auf die Bedürfnisse Ihres Kindes! Achten Sie auf Ihre eigenen Gedanken und Gefühle! Ihr Kind ist von Geburt an ein kompetenter Interaktionspartner. Nehmen Sie ihn auch als diesen an! Haben Sie Vertrauen auf Ihre eigenen intuitiven Fähigkeiten!
35 Handlungsempfehlungen, um sichere Bindungsbeziehungen herzustellen Für die ersten Wochen und Monate Sprechen Sie laut über Gefühle! Sie können Ihr Kind NICHT mit zuviel Liebe verwöhnen! Haben Sie von Anfang an viel Körperkontakt! Lassen Sie Ihr Kind im ersten Lebensjahr NICHT alleine! Wenn das Kind langsam selbstständiger wird Unterstützen Sie die Bestrebungen nach Selbstständigkeit! Führen Sie Ihr Kind langsam an seine zu entdeckende Umwelt heran!
36 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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