Posttraumatische Belastungsstörung: Hinweise für die Begleitung
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- Hartmut Richter
- vor 5 Jahren
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Transkript
1 Posttraumatische Belastungsstörung: Hinweise für die Begleitung Tagung des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg: Sprachlos? Nicht mit uns! Katharina Schleifer, Psychologin (M.Sc.), Systemische Therapeutin
2 Vorkenntnisse Erfahrungen Erwartungen Welche Frage habe ich heute dabei? Was wünsche ich mir, dass hier beantwortet wird, damit ich am Ende der AG sagen kann, dass der Workshop erfolgreich für mich war?
3 Geplanter Ablauf für heute: 1.Erkennen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)/ Traumafolgestörung Traumatische Ereignisse Traumafolgestörungen Symptome einer PTBS 2.Begleitung von Betroffenen Was ist ganz allgemein hilfreich? Stabilisierung Do`s and Don`t 3.Umgang mit spezifischen Symptomen Flashback und Dissoziation Gereiztheit/ Aggression Schlafprobleme Konzentrationsprobleme Abgleich mit Ihrer Fragestellung. Passung vorhanden?
4 1.Erkennen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) TRAUMA nach DSM 5 Konfrontation mit Ereignis, das folgende Kriterien erfüllt: A1 + A2 + Tatsächlicher/ drohender Tod Ernsthafte Verletzung Gefahr der körperlichen Unversehrtheit, sexuelle Gewalt Direktes persönliches Erleben Zeugenschaft Erfahren (Familienmitglied/nahestehende Personen) Wiederholte oder sehr extreme Konfrontation mit aversiven Details des traumatischen Ereignisses
5 Potentiell traumatische Ereignisse Man- made Traumata Akzidentelle Traumata Typ I Kurzdauernd Vergewaltigung Gewalttätiger Angriff Naturkatastrophen Unfälle Typ II Längerdauernd/ Wiederholt Kriegserlebnisse Kampfhandlungen Inhaftierung Folter Erdbeben
6 PTBS entwickelt sich bei Einem vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten Gefühle von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe Führt zu einer dauerhaften Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis. Wichtig: Nicht jedes potentiell traumatisierendes Ereignis führt zu einer Traumafolgestörung
7 "Traumafolgestörung" PTBS Depression Angststörungen Dissoziative Störungen Somatoforme Störungen Substanzmissbrauch (Sucht) Zwangsstörungen Persönlichkeitsstörungen Besonderheit: Geflüchtete Menschen drücken ihr psychisches Befinden oft auf körperlicher Ebene aus.
8 Symptome einer PTBS (nach DSM V) Wiedererleben des traumatischen Ereignisses "Flashbacks"- plötzliches, lebhaftes Erinnern mit Bildern, Geräuschen, sinnlich Wiederkehrende, sich aufdrängende belastende Erinnerungen Albträume Intensive körperliche Reaktionen bei Konfrontation mit Hinweisreizen Vermeidung von Reizen, die an das Trauma erinnern "nicht daran denken wollen, Gespräche vermeiden Orte, Personen oder Aktivitäten vermeiden Negative Veränderung im Bereich der Kognitionen und Gefühle Amnesie für Teile des Erlebten verzerrte Wahrnehmung bzgl. der Ursache des Erlebten Andauernder negativer emotionaler Zustand (Angst, Schrecken, Wut, Schuld, Scham) Interessenverlust Gefühle der Losgelöstheit und Entfremdung von anderen Erhöhtes Erregungsniveau Gereiztheit, Wutausbrüche Selbstzerstörerisches Verhalten erhöhte Schreckreaktion Konzentrationsstörungen Schlafstörungen
9 2. Begleitung von Betroffenen Was begünstigt das Überwinden der Traumafolgestörungen? Allgemein stützend und stabilisierend: Anerkennung des erlittenen Leides (auch durch BAMF, Verwaltungsgericht) Sichere Zukunftsperspektive (Informationen zum Verfahren) Erwerbstätigkeit/ Arbeitserlaubnis (Tagesstruktur, finanzielle Selbständigkeit, identitätsstiftend) Deutsche Sprachkenntnisse Soziales Netzwerk und Aktivitäten Passende Wohnverhältnisse
10 Stabilisierung Psychoedukation (Informationen zu Traumafolgestörung und Behandlungsmöglichkeiten) Alltagsstruktur Normalität wiederfinden Techniken zur Stressregulation/ Beruhigungstechniken Atemübungen Entspannungsphasen Bewegung/Sport Religiöse Elemente, z.b. Koransuren hören Tee, Wärmflasche Was würde Ihr Vater/ Mutter/ Freund Ihnen empfehlen? Distanzierung Selbstwert/ Selbstwirksamkeit erhöhen
11 Stabilisierung Ressourcen stärken Zugang zu den Ressourcen die in der Heimat präsenter waren Welche Stärken wurden auf der Flucht gebraucht und eingesetzt? Was tut mir gut? Was kann ich mir selber jeden Tag Gutes tun? positives Netzwerk am Laufen halten Evtl. Ressourcenkarten erstellen Schaffen von möglichst umfassender äußerer Sicherheit Kontinuität bei Bezugspersonen und in deren Verhalten Erklären Sie. Gefühl von Kontrolle wiederherstellen Wahlmöglichkeiten geben Erklärungen geben Autonomie stärken Besonderheit bei geflüchteten Menschen: Versuchen, an den positiven Erfahrungen in der Heimat anzuknüpfen, Interesse dafür lässt oft Positives aufleben
12 Do s Wenn der Betroffene von sich aus von leidvollen Erfahrungen spricht diese sensibel begleiten und Leid anerkennen Evtl. Ablenkung schaffen eigene Grenzen beachten! gegebenenfalls weiterführende Unterstützungsangebote/ Therapie anbieten Beobachtete Symptome ansprechen im Einzelgespräch, nicht zwischen Tür und Angel ohne vorherige Ankündigung (Gesprächsankündigung macht Angst!) ich habe beobachtet, dass,verhalten ohne Wertung beschreiben Erklärung des Betroffenen würdigen
13 Do s Bei Schilderung von typischen Symptomen Möglichen Zusammenhang mit belastenden Erlebnissen im Heimatland oder auf der Flucht ansprechen Anlaufstellen zur Behandlung nennen, gegebenenfalls bei Kontaktaufnahme unterstützen Gemeinsam Lösungsmöglichkeiten im Alltag erarbeiten Reflektion der eigenen Haltung Überengagement versus Rückzug
14 Don t Nicht versuchen, Trauma aktiv zu erfragen Erzählen des Traumas oft sehr belastend erzeugt Handlungsdruck beim Zuhörer/ Hoffnung auf Unterstützung beim Traumatisierten Risiko der sekundären Traumatisierung
15 3. Umgang mit spezifischen Symptomen Flashback und Dissoziation Flashback und Dissoziation erkennen: Kein Blickkontakt herstellbar, reagiert nicht/unangemessen auf Ansprache Unsinniges /völlig unangemessenes Verhalten Motorische Unruhe Sicherheit vermitteln Betroffenen laut mit Namen ansprechen Zusprechen: Sie sind in Sicherheit, Alles ist in Ordnung Groundingübung : Füße auf dem Boden spüren, bewusst Atmen, Körpergrenzen spüren auf die Gegenwart fokussieren: Wo sind Sie?, Ort/ Datum benennen lassen, Wie alt sind Sie? Musterunterbrechung: Aufstehen, Wasser trinken,... Sinnesqualitäten einbeziehen: Was können Sie sehen? 5 konkrete Dinge benennen lassen, Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster sehen? Was hören Sie? Igelball
16 Flashback und Dissoziation Je nach Ausprägung spezifische Maßnahmen erforderlich: Unterstützung holen Notarzt, Polizei Nach dem Zwischenfall Mit Betroffenem klären, was hilft Notfallmedikation, Notarzt Berührung? Satz? Symbol? Trigger wenn möglich vermeiden Reize, die Flashbacks/ Angst, Panik, Verzweiflung auslösen häufig: Knallen (Silvester!), Wasser (traumatische Überfahrt),Uniformen (Polizei), spezifische Gerüche
17 Gereiztheit/Aggression Mögliche weitere Ursachen: Überforderung in der Schule (Analphabetismus, fehlende Beschulung im Herkunftsland) Sprachliche/kulturelle Missverständnisse Flashbacks Klare Grenzen setzen Eskalation durch Gegenaggression/ Machtkampf vermeiden, stattdessen Rückzug und Beruhigung ermöglichen Nachbesprechen: Erklären warum Nachbesprechung erfolgt: Versuch zu verstehen für beide Seiten, um besseren Weg zu finden Nachfragen, wie sich die Situation für den Betroffenen darstellte Mögliche Missverständnisse aufklären (Verständnis für Kultur des geflüchteten Menschen aufbauen und eigene Kultur erklären) Strategien erarbeiten Regelmäßige Möglichkeiten zur Bewegung Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen
18 Schlafprobleme Psychiatrische Medikation kann sinnvoll sein Psychoedukation zur Schlafhygiene: Regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus (kein Schlaf tagsüber!) Keine anregenden Getränke ab dem späten Nachmittag (Beispiele geben!) Abstand zwischen sportlicher Betätigung und Zubettgehen Kein vorhersehbarer Stress (TV, Telefonate) in den Stunden vorm Zubettgehen Wohltuende Rituale vor dem Schlafengehen Im Bett nichts anderes tun als schlafen Auf jeden Fall Belastung anerkennen und Lösungsansätze des Klienten würdigen
19 Konzentrationsprobleme ich vergesse so vieles häufig wegen Tendenz zur Dissoziation Sich selber spüren: Igelball, Gummiband am Handgelenk, Schlüssel, Stein kurze Aktivierungsübung (Strecken, Gähnen, PMR Kurzform) Stichwort/Signal zum Zurückholen zu vereinbaren Entlastung Struktur/ Plan/ Erinnerungshilfen Arbeitsumgebung optimieren Arbeitspensum /Druck reduzieren regelmäßige Pausen / Ausgleich
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