Traumasensibler Umgang mit älteren Migrantinnen und Migranten. Christiane Weiling
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- Carl Becker
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1 Traumasensibler Umgang mit älteren Migrantinnen und Migranten Christiane Weiling
2 Inhalte des Vortrags Begriffsklärung Trauma und mögliche Traumafolgen Warum brauchen wir überhaupt einen traumasensiblen Umgang mit älteren Menschen? Wie sieht ein traumasensibler Umgang praktisch aus? Traumasensibler Umgang besondere Anforderungen älterer Migrantinnen und Migranten 2
3 Begriffsklärung Trauma und mögliche Traumafolgen
4 Wann sprechen wir von Trauma? Ein Trauma ist das vitale Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt (Fischer/Riedesser 1998) In einer bedrohlichen Situation gibt es drei Möglichkeiten mit der Bedrohung umzugehen: Entweder gegen die Bedrohung Ankämpfen oder Fliehen (Fight or Flight) Kann keine dieser beiden Optionen erfolgen, kommt es zur Erstarrung (Freeze) 4
5 Wie viele Menschen sind betroffen? Weltweit gehen Forscher davon aus, dass ca. 75% der Weltbevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben eine plötzliche, lebensbedrohliche seelische Verletzung erleiden. ABER: Selbstverständlich brauchen nicht alle therapeutische oder ärztliche Hilfe zur Verarbeitung. Maria Zemp: 5
6 Verschiedene Ursachen von Trauma Man made disaster Physische, psychische, sexualisierte Gewalt Gewalt im sozialen Nahraum (häusliche Gewalt) Krieg, Folter Vertreibung, Flucht, erzwungene Migration Vernachlässigung Diskriminierung Emotionale Misshandlung Einbrüche, Mobbing mangelnden Ausdrucks- und Austauschmöglichkeiten (z.b. wegen fehlender Sprachkenntnisse)... Nicht von Menschen herbeigeführte Ursachen Katastrophen Unglücke Krankheit Altern Ängste vor Neuem/Unbekanntem Verlassenheit Verluste... 6
7 Traumatische Erfahrungen hinterlassen seelische Wunden Traumatisierende Erlebnisse können Spuren in der Psyche eines Menschen hinterlassen (psychisches Trauma = seelische Wunde). Dies geschieht unabhängig von den individuellen Fähigkeiten der Betroffenen, Krisensituationen zu meistern. Solche Spuren sind kein Zeichen von Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers und der Psyche auf eine zu-tiefst belastende Erfahrung. 7
8 Traumatische Erfahrungen und mögliche Folgen Hormonelle Störungen, Schwankungen aller Vitalzeichen Blutzuckerentgleisungen Ekzeme, Hautallergien Stuhl- und Harninkontinenz Tabletten-, Nikotin-, Alkoholmissbrauch Chronische Schmerzen Übelkeit Schlaflosigkeit Kopfschmerzen Atemstörungen Schlaganfall, Herzinfarkt Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Diagnose seit 1980 (ICD-10) 8
9 Warum brauchen wir überhaupt einen traumasensiblen Umgang mit älteren Menschen?
10 Warum ist traumasensibler Umgang so wichtig? Viele der heute alten Menschen erlebten in ihrer Vergangenheit belastende oder sogar traumatische (Gewalt-)Ereignisse, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Auch in der aktuellen Lebenssituation erleben viele von ihnen Gewalt, belastende Situationen oder traumatische Ereignisse. Gerade in der Alten- Behinderten- und Gesundheitspflege und -betreuung können durch als grenzüberschreitend empfundene Handlungen alte Traumata aktiviert werden und/oder neue entstehen. Widerständliche Verhaltensweisen, Aggressionen, Apathie u.v.a.m. sind häufig die Folge. Diese kosten Zeit und führen zu psychischen Belastungen bei den Betroffenen und den Pflegenden. 10
11 Besonderheiten im Alter Glücklicherweise sorgen bei den meisten Menschen die eigenen Selbstheilungskräfte dafür, dass die sogenannte akute Belastungsreaktion abklingt und die Betroffenen das Erlebte zurücklassen können, ohne dass es sie im weiteren Leben bedeutend beeinträchtigt. Die meisten Menschen entwickeln Bewältigungsstrategien oder verdrängen das Erlebte erfolgreich. Im Alter greifen entwickelte Strategien (wie z.b. Sport oder viel Arbeit) häufig aber nicht mehr. Dazu kommt, dass viele Menschen im Alter beginnen, über ihr Leben nachzudenken. Verdrängte Ereignisse können dadurch wieder hochkommen. 11
12 Traum-Aktivierungen im Alter Durch aktuelle Ohnmachtssituationen kann es zu Erinnerungen an die früher erlebten Traumata kommen. Hier spricht man von Trauma-Aktivierungen bzw. von Re- Traumatisierungen. Frühere traumatische Erlebnisse können allein durch das erneute Erleben von sich ohnmächtig fühlen aktiviert werden. Die alten Erinnerungen können aber auch durch Geräusche, Gerüche, Filme, Nachrichten etc. ausgelöst werden. Hier spricht man von Triggern. 12
13 Wie sieht ein traumasensibler Umgang praktisch aus?
14 Traumasensibel wie geht das? Traumasensibler Umgang bedeutet: Sicherheit im Innen und Außen schaffen Traumaktivierungen/Re-Traumatisierungen vermeiden bzw. darin begleiten können Kontrolle, Autonomie, Selbstfürsorge, Resilienz stärken/ermöglichen ressourcenstärkend arbeiten 14
15 Hilfreiche Unterstützung Sichere Orte im Äußeren und Im Inneren Kontrolle, Autonomie, Eigenmacht, Ressourcenstärkung Bestimmte Verhaltensweisen als Bewältigungsstrategien erkennen Bewältigungsstrategien erhalten / neue Bewältigungsstrategien finden bzw. entwickeln / Konsequenzen von Selbstschädigungen minimieren Erzählen können / Gruppenangebote Erzählen ist etwas Anderes als Konfrontation mit dem Trauma!! Stabilisierungstechniken Beratungs- und Psychotherapieangebote 15
16 Traumasensibel was braucht es? Traumasensibler Umgang... erfordert Wissen rund um das Thema Trauma, mögliche Ursachen und mögliche Folgen, um die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf spätere Lebensentscheidungen, die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und nicht zuletzt das aktuelle Erleben zu verstehen. erfordert ein Verständnis von individuellen, kollektiven, kulturellen und geschlechtsspezifischen Gewalt-Erlebnissen und deren Auswirkungen. 16
17 Traumasensibler Umgang besondere Anforderungen älterer Migrantinnen und Migranten
18 Trauma und ältere Migrantinnen und Migranten Das Bundesamt für Migration (Ältere Migrantinnen und Migranten Entwicklungen, Lebenslagen, Perspektiven. Berlin, 2012, S. 220) führt an, dass Migrantinnen und Migranten im Aufnahmeland häufig erhöhte Stressbelastungen [erfahren], weil ungewohnte klimatische und geographische Bedingungen sowie kulturelle und soziale Gepflogenheiten Anpassungsreaktionen erfordern. Zudem ist die Phase der Ankunft im Zielland für zugewanderte Personen mit einem Verlusterlebnis und einer hohen existenziellen Verunsicherung verbunden. Insbesondere zu Beginn ihrer Zuwanderung müssen Migranten erhebliche Adaptionsleistungen kognitiver und emotionaler Art erbringen. Sie unterliegen dem Akkulturationsdruck des fremden Kontextes und erleiden oft soziale Segregation und Abwertung. 18
19 Verschiedene Ursachen von Trauma Man made disaster Physische, psychische, sexualisierte Gewalt Gewalt im sozialen Nahraum (häusliche Gewalt) Krieg, Folter Vertreibung, Flucht, erzwungene Migration Vernachlässigung Diskriminierung Emotionale Misshandlung Einbrüche, Mobbing mangelnden Ausdrucks- und Austauschmöglichkeiten (z.b. wegen fehlender Sprachkenntnisse)... Nicht von Menschen herbeigeführte Ursachen Katastrophen Unglücke Krankheit Altern Ängste vor Neuem/Unbekanntem Verlassenheit Verluste... 19
20 Fragen im Alter: Neue Heimat oder doch Fremde Migranten stehen immer wieder vor der Frage, ob ihre Entscheidung zu migrieren richtig war und wo langfristig ihr Lebensmittelpunkt sein soll. Im mittleren und höheren Alter kann es daher verstärkt zu Bilanzierungskrisen kommen, in denen die mit der Migration verbundenen Erwartungen und Hoffnungen an der Realität des Erreichten gemessen werden. Bilanzierungskrisen können sich verstärkt in psychischen Störungen oder psychiatrischen Erkrankungen ausdrücken. Bundesamt für Migration: Ältere Migrantinnen und Migranten Entwicklungen, Lebenslagen, Perspektiven. Berlin, 2012, S
21 Gefahr der Isolation im Alter Im Alter kommen noch weitere Faktoren hinzu, die zusätzlich zu einer potenziellen Traumatisierung und den damit verbundenen Beschwerden führen können: Durch ungenügende Sprachkenntnisse und den daraus resultierenden Verständigungsproblemen kann es zu einer Isolation im Alter kommen. Gerade im Ruhestand wird den MigrantInnen die große Diskrepanz zwischen ihrer Lebensplanung und ihrer Lebenswirklichkeit bewusst. Feyza Palecek, Ältere Migrantinnen - Soziale Lage und Gesundheit, in: Migration & Gesundheit, Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.), 2009, S
22 Besondere Herausforderung: Demenz Gerade Migrantinnen und Migranten mit demenziellen Erkrankungen benötigen muttersprachliche Angebote. Außerdem sollten die Verantwortlichen Kenntnisse der kulturellen und historischen Hintergründe der Migrantinnen und Migranten haben. Die Gesundheitswissenschaftlerin Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin betont in diesem Zusammenhang: Bei demenziell Erkrankten mit Migrationshintergrund kommt es in einem relativ frühen Stadium zu einem Verlust der deutschen Sprache. Das stellt insbesondere für die Männer, die sich gut in die deutsche Gesellschaft integriert hatten, eine massive Belastung dar. Hier ist es wichtig, Unterstützung durch eine muttersprachliche Begleitung zu geben, um das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit zu mindern. 22
23 Anforderungen an Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten trauma- und kultursensible, muttersprachliche Angebote (Essen, Freizeit, soziales Miteinander, geschlechtsspezifische und ressourcenstärkende Angebote) trauma- und kultursensible, muttersprachliche Gesundheits-, Pflege- und Therapieangebote und konzepte Einbindung von Peer-Groups diskriminierungsfreie Gestaltung der Räumlichkeiten (innen und außen), die dem Sicherheits- und Kontrollbedürfnis der Migrant*innen Rechnung tragen (Gebetsräume, getrennte Räumlichkeiten für Männer und Frauen,...) Kenntnisse des Personals über die kulturellen und historischen Besonderheiten im Heimatland Kenntnisse des Personals über die Situation der Zugewanderten ab den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland... 23
24 Kontakt An St. Magdalenen Köln Tel: oder
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