Gemeindeabgaben. Dr. Manfred Mertel
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1 Gemeindeabgaben Dr. Manfred Mertel 2008 Burggasse 14/IV, A-9020 Klagenfurt, Tel.: , Fax: ,
2 Finanzverfassung Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Abgabenwesens ist auf Grund des Artikel 13 B-VG einem eigenen Verfassungsgesetz (Finanzverfassungsgesetz) vorbehalten. Das Finanzverfassungsgesetz regelt die Zuständigkeiten der Gebietskörperschaften die Beschaffung hoheitlicher Einnahmen die Finanzierung öffentlicher Aufgaben die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften MERKE Wesentliche Teile der Finanzverfassung sind in Form von einfachen Bundesgesetzen geregelt (Finanzausgleich).
3 Finanzverfassung 7 Abs 5 Gemeinden werden durch die Bundesgesetzgebung ermächtigt, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung (Gemeinderat) auszuschreiben. 8 Abs 5 Gemeinden werden durch die Landesgesetzgebung ermächtigt, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung (Gemeinderat) auszuschreiben. Die Landesgesetze müssen die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben und das zulässige Höchstausmaß bestimmen.
4 Finanzausgleichsgesetz 2008 (BGB I Nr 103/2007) 14 Abs 1 ausschließliche liche Landes-/Gemeindabgaben sind: Die Grundsteuer, Kommunalsteuer, Zweitwohnsitzabgabe, Feuerschutzsteuer, Fremdenverkehrsabgabe, Jagd- und Fischereiabgaben, Mautabgaben für die Benützung von Höhenstraßen, Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) ohne Zweckwidmung des Ertrages, Lustbarkeitsabgaben mit Zweckwidmung des Ertrages, Abgaben für das Halten von Tieren, Abgaben von freiwilligen Feilbietungen, Abgaben für den Gebrauch von öffentlichen Grund in den Gemeinden und des darüber befindlichen Luftraumes, Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen, Landes- und Gemeindeverwaltungsabgaben, Eingabengebühren an Behörden bei der Vergabe von Aufträgen, Abgaben für das Abstellen in Kurzparkzonen.
5 Finanzausgleichsgesetz 14 Abs 1 Der Bundesgesetzgeber bestimmt welche Abgaben ausschließliche Gemeindeabgaben sind. Sie fließen ausschließlich den Gemeinden zu. 15 Die Gemeinden werden ermächtigt Abgaben durch Beschluss des Gemeinderates auszuschreiben, wobei weitergehende Regelungen durch die Landesgesetzgebung zu beachten sind. Die Gemeinden haben demnach eine Zwischenschaltung des Landesgesetzgebers bei folgenden Abgaben zu beachten:
6 Finanzausgleichsgesetz 15 Abs 3 normiert, dass Vergnügungssteuern ohne Zweckwidmung des Ertrages Abgaben für das Halten von Hunden Abgaben von freiwilligen Feilbietungen Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und anlagen die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden Abgaben für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen Diese können durch Beschluss der Gemeindevertretung ohne Landesgesetz ausgeschrieben werden, ist jedoch ein solches vorhanden, sind die landesgesetzlichen Regelungen zu beachten.
7 Finanzausgleichsgesetz Die im Finanzausgleichsgesetz aufgezählten ausschließlichen Gemeindeabgaben, stehen ausschließlich den Gemeinden zu. Sie dürfen nicht mit dem Landesgesetzgeber geteilt werden. Verordnungsermächtigung Gemeinden sind somit auf Grund der Regelungen der Finanz- verfassung und des Finanzausgleichs ermächtigt im Rahmen von Verordnungen Gemeindeabgaben auszuschreiben. Die Abgabenausschreibung dient der Erschließung von Geldquellen für r die Gemeinden.
8 Abgabenbegriff Abgaben im Sinne der Finanzverfassung sind öffentliche Geldleistungen. Nach der Judikatur des VfGH sind daher unter öffentlichen Abgaben nur Geldleistungen zu verstehen, die der Bund, die Länder oder Gemeinden kraft öffentlichen Rechts (Gesetz, Verordnung) zur Deckung ihres Finanzbedarfes erheben. Die Art der Einnahmenverwendung ist gleichgültig. Das Finanzverfassungsgesetz enthält keine Vorschriften für welche Zwecke Abgaben eingehoben werden dürfen.
9 Geldleistungen als Abgaben Unter Abgaben sind nur Geldleistungen zu verstehen, während Sachleistungspflichten (z.b. Wehrpflicht) nicht zu den Abgaben zählen. Die Geldleistungen müssen an Gebietskörperschaften fließen. Sozialversicherungsbeiträge, Kammerumlagen, Kirchensteuer etc. sind daher keine Abgaben. Steuern = Abgaben mit rein fiskalischem Charakter Beiträge = Kostendeckung öffentlicher Einrichtungen Gebühren = spezielle Gegenleistung
10 Deckung des Finanzbedarfes Zweck der Abgabenerhebung ist die Beschaffung von Einnahmen. Der Abgabengesetzgeber kann mit einer Abgabe jedoch auch andere als nur fiskalische Zwecke verfolgen (z.b. Parkraumabgabe) dient nicht nur der Beschaffung von Einnahmen, sondern auch der Parkraumrationalisierung. Die Deckung des Finanzbedarfes ist vor allem bei den Gebühren anzunehmen. Die Abgrenzung des Begriffs der öffentlichen Abgaben von anderen Erscheinungsformen ergibt sich aus der Art der Einnahmenbeschaffung und nicht aus der Art der Einnahmenverwendung (Widmungsregelungen in einem Gesetz sind unbedenklich).
11 Abgabenhoheit / Ertragshoheit / Verwaltungshoheit Abgabenhoheit = Besteuerungshoheit, das ist die Zuständigkeit zur Schaffung von Abgabenrecht. Ertragshoheit = Berechtigung über den Ertrag von Abgaben im eigenen Haushalt zu verfügen. Verwaltungshoheit = Zuständigkeit zur Bemessung, Einhebung und zwangsweisen Einbringen von Abgaben.
12 Abgabenerfindungsrecht Der Bund ist auf Grund seiner Kompetenz-Kompetenz zuständig die Besteuerungsrechte zu verteilen (Bund kann neue Steuern erfinden). Er muss auch den Typ (ausschließliche oder geteilte Abgabe) festlegen. Die Länder haben ein Abgabenerfindungsrecht, dh. die Länder dürfen eine Abgabe einführen, die jedoch mit einer bestehenden Bundesabgabe nicht gleichartig sein darf. Das Abgabeerfindungsrecht der Länder L findet seine Grenze in der Gleichartigkeit bestehender Bundesabgaben. Den Gemeinden kommt ein Abgabenerfindungsrecht nicht zu; sie bedürfen einer Ermächtigung durch den Landes- oder Bundes- gesetzgeber.
13 Gesetzmäß äßigkeit Die Besteuerung (Artikel 18 B-VG) kann nur durch den Gesetzgeber angeordnet werden. Öffentliche Abgaben können nur auf Grund von Gesetzen oder durch Gemeindeverordnungen (auf Grund des freien Beschlussrechtes) erhoben werden. Der Sinn liegt im Bedürfnis nach Rechtsicherheit, nach Schutz vor willkürlicher Steuererhebung. Abgaben dürfen nur auf Grund einer gesetzlichen Grundlage erhoben werden (Eingriff in das Eigentum wird geschützt). Das Gesetzmäßigkeitsprinzip gilt auch für Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen.
14 Rechtssicherheit Der Abgabentatbestand muss ausreichend bestimmt sein. Behördliche Entscheidungen dürfen nicht ohne triftigen Grund geändert werden. Rechtssicherheit dient dem Vertrauensschutz, dem Grundsatz von Treu und Glauben. Rechtssicherheit bedeutet auch, dass steuerliche Folgen bereits abgeschlossener Sachverhalt nicht nachträglich verschlechtert werden dürfen. Der Gesetzgeber darf daher die Rechtslage nur für die Zukunft ungünstiger gestalten. Rechtssicherheit bedeutet auch Schutz des Vertrauens in die Rechtsbeständigkeit der Abgabenbehörden.
15 Treu und Glauben Treu und Glauben ist eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die jedoch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Jeder der am Rechtsleben teilnimmt, hat zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen. Gesetzmäßigkeit geht aber vor Treu und Glauben. Das Prinzip von Treu und Glauben ist von den Abgabenbehörden zu beachten (konkretes Verhältnis zwischen Abgabenschuldner und Behörde). Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert die Abgabenbehörde nicht von einer als unrichtig erkannten Rechtsauffassung oder Tatsachenwürdigung später abzugehen (auch zu Lasten des Steuerpflichtigen).
16 Rechtsschutz Die Einhaltung des objektiven Rechtes und der Schutz des subjektiven Rechts sind wesentliche Pfeiler des Rechtsstaates. Gleichheitssatz Die Besteuerung muss sachgerecht und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend verteilt sein. Der Gleichheitssatz bindet sowohl die Gesetzgebung als auch die Abgabenbehörde. Bescheide verletzen den Gleichheitssatz, wenn sie auf einem dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhen. Der Verordnungsgeber darf sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierungen nicht treffen. Der Gleichheitssatz verbietet Gleiches ungleich zu behandeln, d.h., sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierungen zu treffen.
17 Rückwirkungsverbot Ein Rückwirkungsverbot R gilt dann, wenn eine gesetzliche Ermächtigung dafür r fehlt. Verordnungen treten durch den Wegfall der gesetzlichen Grundlage (z.b. altes Finanzausgleichsgesetz) nicht außer Kraft, wenn sie in einer neuen gesetzlichen Grundlage ihre Deckung finden (z.b. neues es Finanzausgleichsgesetz). Erlässt der Gesetzgeber/Verordnungsgeber rückwirkend r Abgabenbefreiungstatbestände nde oder sonstige begünstigende Normen, sind solche Regelungen an Gleichheits- und Sachlichkeitsgebot zu messen (praktische Auswirkungen bei Grundsteuer, Kommunalsteuer, Zweitwohnsitzabgabe und Gebrauchsabgabe).
18 Eigentumsschutz Ein Eingriff in dieses Grundrecht bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Ein Eingriff nach der ständigen Rechtssprechung liegt dann vor, wenn ein Abgabenbescheid ohne Rechtsgrundlage ergangen ist oder wenn die Abgabenbehörde eine Rechtsvorschrift in denkunmöglicher Weise durch Bescheid angewendet hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist. i
19 Judikatur der Gerichtshöfe Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in Abgabensachen, erzeugen Recht nur für f r den Einzelfall. Die praktische Bedeutung dieser Entscheidungen liegt jedoch darin, dass die Gerichtshöfe künftig k gleichgelagerte Fälle F im Allgemeinen gleich entscheiden werden. Entscheidend ist, dass ein gleichgelagerter Sachverhalt vorliegt.
20 Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabensätze Bei der Anwendung des Abgabenrechtes gilt der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabensätze. Für r die Beurteilung der Frage, ob und in welcher Höhe H ein Abgabenanspruch entstanden ist, ist von jener Sach- und Rechtslage auszugehen, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegeben war. Der VfGH geht davon aus, dass bereits novellierte oder außer Kraft getretene Normen des Abgabenrechts mit einem auf die Vergangenheit bezogenen Anwendungsbereich weiter in Geltung stehen.
21 Wirtschaftliche Betrachtungsweise Für r die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist in wirtschaftlicher her Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die Zusage einer Subvention als Akt der Privatwirtschaftsverwal- tung hat mit dem Abgabenverfahren an sich nichts zu tun. Beim Gemeindeabgabenrecht ist auch das Beihilfenverbot zu beachten. Der Begriff der Beihilfe geht weiter als der der Subvention. Die Beihilfe umfasst nicht nur Geldzuwendungen, sondern auch Maßnahmen die die Belastungen eines Unternehmens vermindern. Steuerbefreiungen und Steuererleichterungen sind daher unter dem Aspekt des Beihilfenverbots zu prüfen.
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