Beitrag: Nach der Grünen Woche Wann kommt die Agrarwende?
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- Jürgen Bergmann
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1 Manuskript Beitrag: Nach der Grünen Woche Wann kommt die Agrarwende? Sendung vom 29. Januar 2019 von Reinhard Laska Anmoderation: Am Sonntag wurden die letzten Häppchen gereicht. Die Grüne Woche ist damit für dieses Jahr zu Ende. Insgesamt Besucher kamen nach Berlin zur angeblich weltgrößten Agrarund Ernährungsmesse, darunter auch Julia Klöckner. Die Ministerin war erkennbar umtriebig, kostete dies und das, redete hier und dort, nur fragen sich nicht nur Biobauern, was außer ein bisschen Wein und vielen Worten sonst noch war. Als Julia Klöckner das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft vor fast einem Jahr übernahm, wollte sie alte Probleme sofort ausmisten, das Leiden der Tiere in den Ställen beenden, den Einsatz von Glyphosat herunterfahren. Und heute? Reinhard Laska hat nachgefragt. Text: Landwirt Jan Dierk Harbers und seine Kinder wollen nach dem frischgeborenen Kälbchen schauen, erst seit ein paar Tagen ist es auf der Welt. Das Kleine und das Muttertier gehören zur Rasse der Jerseys - kleine, robuste Milchkühe. Die 350 Tiere produzieren hochwertige Biomilch, denn Harbers haben umgesattelt. Drei Generationen haben auf Hof Seeverns bisher konventionelle Landwirtschaft betrieben. Seit gut zwei Jahren aber ist der 400 Hektar große Hof ein Biobetrieb. O-Ton Jan Dierk Habers, Ökolandwirt: Für uns speziell schöner ist es einfach, dass wir denken, dass wir jetzt unseren Betrieb auf eine Stufe gestellt haben, wo wir mit gutem Gewissen sagen können, das können die Generationen nach uns auch noch gerne weiterführen. Für die Habers ist das Thema jetzt Nachhaltigkeit. Früher wurden die Äcker und Wiesen kräftig gedüngt und gespritzt, um genügend Futter für Hochleistungskühe zu haben. Mit weniger und robusteren Kühen geht es auch umweltschonender. Dafür
2 erwartet Habers mehr Unterstützung. O-Ton Jan Dierk Habers, Ökolandwirt: Die Politik müsste sich, das was sie sagen, die bäuerliche Landwirtschaft zu fördern - wenn man das wirklich aktiv machen, das wäre, meine ich, der richtige Weg. Nicht nur Bauern, auch viele Verbraucher wünschen sich mehr Umweltschutz, mehr Tierwohl, eine Agrarwende. Dafür könnte Julia Klöckner sorgen. Seit fast einem Jahr ist sie Bundeslandwirtschaftsministerin. Wer eine Wende will, der will in die entgegengesetzte Richtung, das wissen Segler. Aber wollen wir wirklich zu dunklen Stellen, zu einer flächendeckenden Anbinde-Haltung von Kühen. Da wollen wir doch überhaupt nicht zurück, sondern wir wollen weiter in die Richtung, mehr für Umweltund Naturschutz zu tun, aber auch den Ertrag zu sichern. Also, das heißt, auch effizient zu produzieren, aber nachhaltig gleichzeitig. Dabei spielt es bisher kaum eine Rolle, ob Landwirte die Umwelt schonen - oder eben nicht. Bislang bekommt jeder Landwirt Geld aus Brüssel, sogenannte Agrarsubventionen. O-Ton Prof. Harald Grethe, Vorsitzender Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Für jeden Hektar bekommt man in Deutschland etwa 290 Euro, relativ egal, was man auf diesem Hektar macht. Und das heißt, kleine Betriebe bekommen wenig Geld, sehr große Betriebe bekommen sehr viel Geld, und das hat alles nichts zu tun mit jeweilig erbrachten Leistungen im Bereich Tierund Umweltschutz. Und der eigentliche Skandal ist jetzt, dass wir die Steuergelder, 40 Milliarden Euro in Brüssel, in Deutschland fünf Milliarden Euro, aus dem Fenster herausgeworfen haben. Über die Milliarden aus Brüssel wird zurzeit verhandelt - es wird weniger Geld geben. Experten fordern durchgreifende Reformen, ein Ende der Direktzahlungen. Die Ministerin will das nicht. Wir werden etwas ändern, denn Direktzahlungen müssen und werden stärker an Umwelt, an Klimaschutzleistungen gebunden werden, und die Direktzahlungen müssen auch stärker die kleinen und mittleren Betriebe fördern. Aber wir müssen auch immer im Blick haben, als allererstes produzieren Landwirte unsere Mittel zum Leben, unsere
3 Nahrungsmittel. Auf der Grünen Woche in Berlin, vor wenigen Tagen. Biolandwirte wollen wissen, was das konkret für sie heißt: weiter wie bisher oder mehr Geld für ökologische Landwirtschaft? Viele sind enttäuscht. O-Ton Stephanie Stroodrees, Präsidium Bioland : Wir haben von der Ministerin zu wenig konkrete Antworten, zu wenig konkrete Vorschläge, was jetzt wirklich passiert, was wir deutschlandweit machen können und was sie auch in der EU einbringt. Wir wünschen uns von ihr ein klares Statement und auch die Umsetzung. Erst recht beim Thema Pflanzenschutzmittel. Der großflächige Einsatz von Pestiziden ist ein Grund für das Insektensterben. Die Ministerin hatte versprochen zu handeln. Pflanzenschutzmittel sind per se nicht schlecht. Da müssen wir uns alle ehrlich machen. Wir alle wollen Ertragssicherung haben, dass genügend Nahrungsmittel im Regel sind, wir wollen sie zu bezahlbaren Preisen haben. Und deshalb kann uns sehr helfen die Präzisionslandwirtschaft, klares präzises Düngen, klares präzises Bewässern und auch klare präzise Aufbringung, wenn man Schädlinge zum Beispiel bekämpfen muss, um die Ernte zu retten. Ihre Botschaft an die Landwirte: weiter mit Pestiziden, nur weniger, in Zukunft, wenn möglich. Kritik der Opposition: O-Ton Harald Ebner, B 90/DIE GRÜNEN, MdB, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik: Statt zu sagen, wir brauchen eine klare Pestizidreduktionsstrategie, beispielsweise einen besseren Ackerbau zu machen, mit Mischkulturen, eine bessere Züchtung für bessere Sorten, damit wir von den Pestiziden wegkommen, statt nur weniger von ihnen zu verwenden. Auch bei der Tierhaltung wollen viele Verbraucher, dass sich endlich etwas ändert. Vielen geht es um mehr Tierwohl - um eine artgerechte Haltung. Schweinezüchter Rulfing aus dem nordrhein-westfälischen Rhede hat schon vor vielen Jahren seinen Betrieb umgestellt - von konventionell auf Bio. O-Ton Heinrich Rulfing, Bioschweinezüchter: Wir haben die dreifache Menge an Platz, ungefähr. Die Schweine müssen jederzeit Zugang zu Regen und Sonne haben, gegenüber früher - sage ich mal - wo noch fast
4 generell Antibiotika eingesetzt wurden, finden heute bei uns Einzeltierbehandlungen aber ganz, ganz selten statt. Mehr Platz, mehr Aufwand und Biofutter vom eigenen Hof. Sein Biolandfleisch kostet deshalb deutlich mehr als aus konventioneller Haltung. Gern hätte er ein bundesweites, staatliches Label für Schweinefleisch. Der Kunde sollte wissen, was er bekommt. Doch die Regierung lässt sich Zeit. Das ärgert ihn. O-Ton Heinrich Rulfing, Bioschweinezüchter: Da ist Frau Klöckner absolut gefragt - und zwar eine klare Labelung, ähnlich wie bei den Eiern am besten, aber wenn sie eine andere klare Labelung machen möchte, kann sie das auch, aber wirklich ganz klar die Unterschiede herausarbeiten in der Tierhaltung. Doch für ein staatliches Tierlabel ist es vielleicht schon zu spät. Auf der Grünen Woche werben große Discounter für ihr eigenes Label: die Initiative Tierwohl. Aldi, Lidl und andere preschen vor, weil die Politik zu lange gezögert hat. Die Konzerne bestimmen, nicht der Staat. Nun redet die Ministerin das Label schlecht. Das was der Handel macht, das ist die Wiedergabe des Ist- Zustandes und keinem derer, die sich wirklich um das Thema Tierwohl kümmern, anspruchsvolles Tierwohl kümmern, genügen die Standards, die Kriterien, die dort angelegt sind. Also, man darf schon mit diesem Haltungskennzeichen werben, wenn man nur den gesetzlichen Standard umsetzt. Da ist mein Anspruch ein höherer. Das staatliche Label soll kommen - später. Julia Klöckner, bisher eine Ministerin mit vielen Wünschen und vielen Ankündigungen. Angriffsfläche für den politischen Gegner: O-Ton Harald Ebner, B 90/DIE GRÜNEN, MdB, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik: Wir brauchen eine Agrarwende für die Bauern, wir brauchen eine Agrarwende für die Menschen und wir brauchen eine für die Umwelt. Es passiert aber nichts - weder auf der Brüsseler Ebene, noch in Deutschland. Aber ich habe den Eindruck, es wird so betrieben, dass man möglichst das alte System erhalten möchte und möglichst nirgends was ändern muss. Ähnlich sehen es die wissenschaftlichen Berater der Ministerin. Mit einer neuen Agrarpolitik ließen sich sogar Wahlen gewinnen: O-Ton Prof. Harald Grethe, Vorsitzender Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:
5 Ich glaube, dass große Volksparteien grundsätzlich mit dem, was man eine moderne Agrar- und Ernährungspolitik nennen könnte, eine Agrar- und Ernährungspolitik, die sich orientiert an Tier- und Umweltschutzzielen, dass man damit durchaus Wählerstimmen gewinnen könnte. Ich selber finde es auch erstaunlich, dass die Politik sich so wenig ausrichtet an der Mitte der Gesellschaft und so sehr an einzelnen Interessensgruppen. Bauern und Verbraucher warten auf Entscheidungen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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