Hartmann- Kottek. Gestalttherapie. 2. Auflage
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- Karin Schulz
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Transkript
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2 Hartmann- Kottek Gestalttherapie 2. Auflage 13
3 Lotte Hartmann-Kottek Gestalttherapie
4 Lotte Hartmann-Kottek Gestalttherapie 2., aktualisierte und erweiterte Auflage unter Mitarbeit von Uwe Strümpfel Sowie Kurzbeiträgen von Tobias Bake Elisabeth Bubolz-Lutz Willi Butollo Victor Chu Michael Cöllen Nina Gegenfurtner Christian Gottwald Wendela ter Horst Wolfgang Looss Markos Maragkos Helmut Pauls Wolfgang Christian Schroeder Klaus Schubert 12
5 Dr. med. Dipl. Psych. Lotte Hartmann-Kottek Eichholzweg 8 a Kassel Lotte.Hartmann-Kottek@t-online.de Dr. phil. Dipl. Psych. Uwe Strümpfel Nollendorfstr Berlin Struempfel@t-online.de ISBN Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2008 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Svenja Wahl Projektmanagement: Michael Barton Lektorat: Dr. Astrid Horlacher, Dielheim Layout und Einbandgestaltung: deblik Berlin Illustrationen: Lotte Hartmann-Kottek Satz: K + V Fotosatz, Beerfelden SPIN Gedruckt auf säurefreiem Papier
6 V Vorwort zur 2. Auflage Eigentlich ist es paradox: Die Gestalttherapie ist hierzulande schon von etlichen, vor allem von berufspolitischen Funktionsträgern seit vielen Jahren tot gesagt worden, aber sie lebt und findet»im Underground«weiterhin Zulauf. Natürlich wandelt sie sich auch ein wenig. Sie hat sich neben ihrer Spontaneität, Kreativität, Wertschätzung von Wahrhaftigkeit, Autonomie und verantwortlichem Bezogensein auch auf ihre subtileren Töne, auf ihre Reflexionsfähigkeit und auf ihre verborgene Weisheit besonnen. Es mag sein, dass sie mancherorts in den 70er- und 80er-Jahren, während ihres Reimports aus Übersee, einen zeitgeistbedingten, leicht schillernden Anflug von stürmischem Aufbruch, von Bürgerschreck und auch etwas von einer faszinierenden Modeerscheinung an sich gehabt hatte. Letzteres ist vorbei. Und das ist auch gut so. Heute zieht die Gestalttherapie eher Menschen aus helfenden Berufen an, denen einerseits ein achtsames, besonnenes, wahrhaftiges und dennoch emotional lebendiges Miteinander am Herzen liegt, und die andererseits in ihren Therapien trotz des meist verknappten Zeitkontingents wirkungsvoll und befriedigend arbeiten möchten. Die Wirksamkeitsnachweise der Gestalttherapie schneiden im Vergleich mit denen der traditionell etablierten Regelverfahren in Deutschland sehr gut ab. Die Antragstellung auf den Status eines Regelverfahrens ist für die Gestalttherapie überfällig. Die inoffizielle Verbreitung in der psychotherapeutischen Kollegenschaft ist groß. Viele kommen und holen sich gestalttherapeutisches»know-how«, das sie irgendwie mit ihrem sonstigen Behandlungsstil kombinieren. So kommen viele Mischformen zustande, geglückte, aber auch weniger begrüßenswerte Formen, Dilettantismen, inoffizielle, aber auch halboffizielle Kombinationen. Aus professioneller Sicht ergibt sich aus dieser Situation Diskussionsbedarf. Die große Resonanz, die die Verfahren der Humanistischen Psychologie, speziell der Gestalttherapie, bei den Praktizierenden über die letzten Jahrzehnte hin erfahren haben, führte zu einer eindrucksvollen Akzentverschiebung in der gesamten, speziell auch in der offiziellen Psychotherapielandschaft: Der Geist scheint vielerorts mitmenschlicher geworden zu sein. Und diese Veränderung ist eine gute Nachricht für alle. Lotte Hartmann-Kottek Kassel, im November 2007
7 a VII Vorwort zur 1. Auflage Wie kommt es, dass sich gerade in dieser Zeit wieder vermehrt das Interesse auf Gestalttherapie, als eines der bekanntesten, erlebnisorientierten Verfahren richtet? Der offizielle Status, zumindest in Deutschland, spricht eher gegen die obige Beobachtung. Gestalttherapie hat sich zunächst nicht oder nur wenig längs der mental geleiteten, universitären und offiziell wissenschaftlichen Schiene verbreitet, was zum Teil an ihrer speziellen Bedeutungszuweisung lag, nämlich an der Priorität der individuellen, spontanen, kreativen und emotionsgeleiteten Veränderungsprozesse im Hier und Jetzt. Zum Teil mag es auch an den Menschen und deren Lebensprioritäten liegen, die sich vom gestaltischen Vorgehen angezogen fühlen. Schlicht gesprochen, engagierte Gestalttherapeuten sind eher ausnahmsweise gleichzeitig auch dokumentationsfreudige Forscherköpfe, die bereit sind, sich um eines Forschungsdesigns willen in ihren Möglichkeiten einzuengen. Zum Glück gibt es inzwischen diese»ausnahmen«auch. Gestalttherapie, wie auch manche ihrer humanistischen»geschwister«, hat sich vielmehr unter der Hand bei den engagierten, praxisbezogenen Psychotherapeuten»an der vorderen Front«verbreitet und wurde oft als»heißer, kollegialer Tipp«und als wirksames Handwerkszeug weiterempfohlen. Bei dieser interessierten Kollegengruppe hatte ein großer Teil bereits eine Psychotherapie-Aus- oder -Weiterbildung in einem der Regelverfahren abgeschlossen. Auch in psychotherapeutisch-psychosomatischen Großkliniken mit Abteilungen unterschiedlicher Methodenpräferenz kam es unter den Klinikassistenten oft zu vergleichenden Einschätzungen und zu einer Neugier, humanistische Verfahren kennen lernen zu wollen. So hat die Gestalttherapie aufgrund ihrer Faszination die unterschiedlichsten Verbreitungswege gefunden, ungeachtet der Mauern berufspolitischer und schulenspezifischer Abgrenzungen. Ihre methodischen Aspekte tauchen oft in Variation, in»verdünnungsform«, als Versatzstück, in einem neuen Beziehungsverständnis und/oder anderen Etiketten auf. Nach meiner Beobachtung haben im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte die verinnerlichten, humanistischen Aspekte inoffiziell und fast unbemerkt sowohl die kognitiv-behavioralen als auch die psychodynamischen Verfahren von innen her verwandelt und dadurch neben der direkten Auseinandersetzung miteinander einander angleichen geholfen. Das Erfahrungswissen über die hohe Effektivität der Gestalttherapie ist in den letzten 20 Jahren, also mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, auch wissenschaftlich bestätigt worden. Die Forschungsergebnisse werden in Kap. 11 von Dr. phil. Uwe Strümpfel, Berlin, mit hoher Kompetenz dargestellt. Ich sage ihm an dieser Stelle meinen großen und herzlichen Dank, dass er diese mühevolle Aufgabe übernommen und hier seine speziellen Kenntnisse über den aktuellen Stand der humanistischen Forschung, speziell der Gestalttherapie, auch über ihre zwischenschulischen Vergleiche, eingebracht hat. Er kommt auch bei der Zweitsicht von früheren Metaanalysen zu korrekturbedürftigen Bewertungen, zugunsten der Gestalttherapie. Ein neuer Interessensschub an den erlebnisorientierten Verfahren, speziell an der Gestalttherapie, ist durch die Emotions- und durch die neurobiologische Forschung in den 90er Jahren aufgekommen. Dabei steht die neuronale Plastizität im Mittelpunkt des Interesses. Belastende Erlebnisspuren werden dann modifiziert, wenn sie ausreichend lebensecht wieder aufgegriffen und dann mithilfe der Chancen eines therapeutischen Schutzraums
8 VIII Vorwort zur 1. Auflage mit emotional verändertem Kontext im Erleben weiter verändert werden können. Dies steht im Fokus der Gestalttherapie und dürfte einer der Gründe ihrer besonderen Wirksamkeit sein. Mein Dank gilt all denen, die mir förderlich und mitmenschlich auf meinem Lebensweg begegnet sind, meine Familie, viele meiner Lehrer aus den verschiedensten Bereichen, meine»guten«und meine schwierigeren Freunde, Kollegen, Mitarbeiter, Kandidaten und Patienten, die mich an ihren Welten, ihren Veränderungsschritten und ihrer Freude darüber haben teilnehmen lassen. Konkret danke ich bei der Entstehung dieses Buches für die gute und verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen im Lektorat des Springer-Verlags: Frau R. Scheddin, Frau Dr. phil. S. Wahl und Frau Dipl.-Psych. M. Geißler, sowie meinem hilfsbereiten EDV-Berater, Herrn Jörn Fischer. Lotte Hartmann-Kottek Kassel, im März 2004
9 IX Inhaltsverzeichnis Einleitung, Vordialog und Quintalog Was ist Gestalttherapie? Definitionen Abgrenzungen Schnittmengen Geschichte der Gestalttherapie Zeit- und ideengeschichtlicher Rahmen Geburt der Humanistischen Psychologie Zusammenfassung der Wurzeln und Haupteinflüsse Gestaltpsychologie Geschichte Gestalt-Phänomene als»automatisierte«, präkognitive Leistungen Gestalttheoretische Assoziationsgesetze Gestaltbildungsverschränkung zwischen Innen- und Außenwelt Gestalt als Feld Holographisches Spiegelprinzip zwischen dem Ganzen und seinen Teilen Theoretische Bezüge zu»teil und Ganzes« Naturwissenschaftlicher Hintergrund Ausflug in die Philosophie Dimensionen des Bewusstseins Dimensionen des Wachstums Dimension von Kontakt, Beziehung und Begegnung Krisen und Verwandlung Persönlichkeitsmodell Krankheits- und Störungslehre Gesundheit und Krankheit Phänomenologischer Zugang Internationale, kategoriale Anschlussfähigkeit Wachstumsorientierter Klassifikationsvorschlag als Alternative Störungsspezifische Sicht versus idealtypisches Bezugsmuster Gestalttherapeutische Störungskategorien
10 X Inhaltsverzeichnis 6 Allgemeine Behandlungsmethodik (bei Standardbelastbarkeit) Allgemeine Rahmenvorgaben Spezielle Rahmenvorgaben Traumarbeit Einsatz von kreativen Medien Der Gestaltansatz in der Körperarbeit Der kreative Umgang mit der Zeitdimension Kreativ-spielerischer Umgang mit dem Raum Resonanzgesteuerte Zeitregression und Zeitprojektion Die Arbeit an den steuernden, fixierten Mustern Kreativ-spielerischer Umgang mit Bezugsystemen Die therapeutische Beziehung in der Gestalttherapie Die fünf Ebenen in der gestalttherapeutischen Beziehung Die sokratische Haltung und die spezielle Deutungsabstinenz Balance zwischen Führen und Geführtwerden Entwicklungsorientierte Anpassung des Beziehungsangebots Prophylaxe des Therapeuten gegen»burnout« Relationale Gestalttherapie: Beziehung als Essenz (Wendela ter Horst und Lotte Hartmann-Kottek) Spezielle Behandlungsmethodik Gestalttherapie mit psychosenahen und strukturlabilen Menschen (Strukturaufbauende Arbeit bei instabiler Basiskohärenz im Ich- Selbst-System) Gestalttherapie in der Arbeit mit Abhängigkeitskranken (Tobias Bake) Gestalttherapeutische Traumatherapie (Willi Butollo und Markos Maragkos) Setting-Varianten und Anwendungsbereiche Einzeltherapie Möglichkeiten und Grenzen Paartherapie und Paarsynthese in der Gestalttherapie (Michael Cöllen) Familien-Gestalttherapie Familienstellen in der Gestalttherapie (Victor Chu) Gestalttherapie in Gruppen Gestalttherapie im Kinder- und Jugendbereich (Helmut Pauls) Gestalttherapeutische Arbeit mit Menschen im fortgeschrittenen Alter (Elisabeth Bubolz-Lutz) Gestalttherapie in der Organisationsberatung (Wolfgang Looss)
11 ainhaltsverzeichnis XI 10 Verbreitung, Ausbildung und berufspolitische Situation Verbreitung des offiziell»gestalttherapie«genannten Verfahrens Verbreitung von Weiterentwicklungen und Abwandlungen gedanklicher und methodischer Teilaspekte Ausbildung an offiziellen Instituten mit Dachverbandund Europa-Standard Richtlinien der Ethik-Kommission Qualitätssicherung Forschungsstand der Gestalttherapie (Uwe Strümpfel) Datenmaterial und Kapitelaufbau Stand der Effektivitätsforschung zur Gestalttherapie Effektstärkenvergleich innerhalb der humanistischen Verfahren Vergleiche humanistischer Therapieformen mit behavioraler Therapie Vergleich behaviorale Therapie und Gestalttherapie Ergebnisse der Prozessforschung Analyse zu den Prozessdaten der York-Universität Zusammenfassung der Prozessforschung an der York-Universität Zusammenfassung der Befunde zur Modellentwicklung der York-Universität Wissenschaftliche Weiterentwicklung in Theorie und Praxis erfahrungsorientierter Therapie »Experiential Confrontation« Schlussfolgerungen Anhang»Gestalttherapie weltweit in Aktion« Ausbildungsstätten Spezielle Adressen Regelmäßige Zeitschriften über Gestalttherapie Fachliche Diskussionsforen per für Gestalttherapeuten Literatur ZitierteLiteratur Weiterführende Literatur Über die Autoren Sachverzeichnis
12 XIII Autorenverzeichnis Tobias Bake Werkstattstr Köln Elisabeth Bubolz-Lutz, Prof. Dr. phil. Forschungsinstitut Geragogik e.v. Bergstr Viersen Willi Butollo, Prof. Dr. phil. Josef-Raps-Str München Michael Cöllen, Dipl.-Psych. Kepplerstr Hamburg Victor Chu, Dr. med. Steinichweg Spechbach Nina Gegenfurtner, Dr. phil. Dipl.-Psych. Paul-Keller-Str. 20 a Gauting Christian Gottwald, Dr. med. Wehnerstr München Lotte Hartmann-Kottek, Dr. med. Dipl.-Psych. Eichholzweg 8 a Kassel Wendela ter Horst, MSW (Masters Degree of Social Work) Pietersbergseweg 46 H NL-6862 BW Oosterbek Wolfgang Looss, Dr. phil. Supervisor, Coach, Organisationsberater Bessungerstr Darmstadt Markos Maragkos, Dr. phil. Dipl.-Psych. Abt. Psychologie/Lehrstuhl Klinische Psychologie u. Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München Leopoldstr München Helmut Pauls, Prof. Dr. Fachhochschule Coburg Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit Friedrich-Streib-Str Coburg Wolfgang Christian Schroeder, Dr. med. Querstr Neuental Klaus Schubert, Dr. med. Dipl.-Psych. Neustädter Ring Northeim Uwe Strümpfel, Dr. phil. Dipl.-Psych. Nollendorfstr Berlin
13 Einleitung, Vordialog und Quintalog 1
14 2 Einleitung, Vordialog und Quintalog 1 Martin Buber (I and Thou):»Am Anfang war Beziehung.«Seien Sie herzlich willkommen geheißen bei diesem Versuch, den Gestalt-Ansatz zu skizzieren, die gestalttherapeutische Vorgehensweise lebendig erfahren zu lassen, die Vielfalt der Anwendungsfelder zu berühren und den geistigen Hintergrund dazu zu beleuchten. Es wird natürlich eine subjektive Auswahl von all den vielen Möglichkeiten sein, das Thema anzugehen, eine Auswahl, die meine gut 30-jährige, therapeutische Erfahrung, meine Faszination mancher theoretischer Aspekte und auch meinen speziellen Werdegang spiegelt. Das Ganze aber ist sicher umfangreicher und größer, als ich es zu fassen vermag. Zum Erscheinungsbild: Normalerweise werden meistens Kinderbücher, im Allgemeinen nicht aber wissenschaftliche Bücher illustriert. Ich möchte es dennoch wagen. Das Ineinandergreifen von verbalen und nonverbalen Kommunikations- und Ausdrucksformen gehört zum Wesen der Gestalttherapie. Vieles davon ist aufgrund der Buchform ohnehin nicht möglich: Wir können uns weder zurufen, in die Augen sehen, die Hand auf die Schulter legen oder aus dem Augenblick unserer momentanen Befindlichkeit heraus ein»experiment«, wie z.b. ein Begegnungsspiel entstehen lassen, das unsere Beziehung spiegelt. So erlauben wir uns, aus der nonverbalen Ausdruckspalette immer mal wieder zwischendurch ein paar skizzenhafte Kritzeleien hinzuzunehmen, so unvollkommen sie auch sein mögen. Für Gestaltbücher gehört dies allerdings eher zur Tradition. Ferner werden manche Passagen in Form freier Rhythmen oder in Gedichtform gefasst sein. Auch das steht in der Tradition der Gestalttherapie. Schließlich gibt es durch das ganze Buch hindurch einen wiederkehrenden Dialograum für einen imaginierten, kleinen Leser- und Diskutantenkreis, in dem es umgangssprachlicher und assoziativ gelockerter zugehen darf. Dieser mag auch immer wieder etwas von der unbeschwerten Heiterkeit spiegeln, die bei all der ernsthaften Arbeit vielleicht auch gerade deswegen für die therapeutische Gestaltarbeit so typisch ist. Der Wert und Sinn, sinnliche Komponenten in die Darstellungsform eines Lehrbuches miteinzubeziehen, begründet sich nicht nur aus der spezifischen Tradition der Gestalttherapie, sondern erhält auch Unterstützung durch die neuesten Forschungsergebnisse der Neurobiologie. Die Engrammierung von Neuerfahrungen und die plastische, neuronale Umgestaltung benötigen Informationen mit möglichst direktem, subjektiv bedeutsamen, sensorischen Zufluss. Das Buch möchte Sie zu Quervernetzungen zwischen Ihren bildhaft-kreativen und Ihren kognitiv-analysierenden Fähigkeiten einladen. Es möchte die Lust erhöhen, über die»brücken«zwischen Ihren verschiedenen inneren Welten zu schlendern, sie zu genießen, um schließlich»ihre Welt«immer mehr als ein Ganzes zu erleben. Somit: willkommen auf den Brücken! (. Abb. 1).. Abb. 1. Brücke
15 avordialog 3 Vordialog Lieber Leser, liebe Leserin! Sie sitzen vor meinem geistigen Auge mir gegenüber, neugierig, begeisterungsfähig, aber auch kritisch und mit einer guten Portion»gesundem Menschenverstand«versehen. Ich nenne Sie Mark Müller und Angela Schmidt. Sie sind vielleicht etwa so alt, wie ich es damals war, als ich erstmals mit der Gestalttherapie in Berührung kam, also Anfang/Mitte Dreißig, sind offen, in gutem Sinne neugierig und auf der Suche nach einem Weg, der zu Ihnen passt. Und dann gibt es noch einen Kollegen im Hintergrund, Herrn Stefan Kunzelmann. Er hat sich in der Forschung verdient gemacht, ist schon einiges älter und beobachtet eine Sache zuerst sehr genau, bevor er sich auf sie, wenn überhaupt, näher einlässt. Dann aber richtig. Etliche Jahre hatte er sich intensiv der Verhaltenstherapie zugewandt, die seinem Bedürfnis nach kognitiver Transparenz am ehesten entsprach. Er vertrat sie mit innerer Überzeugung und hatte gute Ergebnisse, auf die er stolz sein konnte. Aber immer mal wieder schien etwas zu fehlen. Und er fragte sich dann, ob das an ihm, an der Vorgehensweise oder an beidem lag. Immer wieder mal taucht auch noch in der zweiten Reihe eine ziemlich therapieerfahrene, ältere Kollegin auf, Frau Gudrun Heimerath, die, trotz relativ guter Behandlungserfolge in ihrer tiefenpsychologisch/psychoanalytisch orientierten Praxis, an bestimmten Stellen ein gelegentliches Unbehagen registriert und dabei die Hoffnung nicht aufgegeben hat, etwas im therapeutischen Umgang und beim methodischen»handwerkszeug«verbessern zu können. Ich bin meinerseits neugierig, wie es kommt, dass Sie mir gegenüber sitzen, innerlich mit mir reden und welches Interesse Sie dazu bewogen hat, in dieses Buch hineinzuschauen. (In meinem Inneren verdichten sich dabei die weit über tausend Kolleginnen und Kollegen der letzten 2 bis 3 Jahrzehnte, die sich bei mir zu Einführungskursen und Seminaren in Gestalttherapie eingefunden hatten, zu einigen markanten Profilen, die ich eindrucksvoll finde.) Da wir mit mir zusammen 5»Personen«sind, wenn wir uns miteinander unterhalten, was wir uns zwischendurch gönnen wollen, wenn uns danach ist, möchte ich vorschlagen, dass wir unseren lockeren Gedankenaustausch»Quintalog«nennen. Zuerst möchte ich Sie aber persönlich begrüßen.
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