Münchner Beiträge zur Psychologie. Monika Aymans
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- Christoph Voss
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1 Münchner Beiträge zur Psychologie Monika Aymans Die Qualität sachverständigen Handelns bei der aussagepsychologischen Begutachtung von Zeugenaussagen Beschreibung und Verbesserung der aussagepsychologischen Sachverständigkeit unter besonderer Berücksichtigung des pädagogischpsychologischen Ansatzes des Wissensmanagements Herbert Utz Verlag München
2 Münchner Beiträge zur Psychologie Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Zugleich: Dissertation, München, Univ., 2005 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten. Copyright Herbert Utz Verlag GmbH 2005 ISBN Printed in Germany Herbert Utz Verlag GmbH, München Tel.:
3 INHALTSVERZEICHNIS 0. EINFÜHRUNG IN GEGENSTAND UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT 1 I. GRUNDLAGEN DER SYSTEMATISCHEN BESCHREIBUNG DES SACHVERSTÄNDIGEN HANDELNS DER BEGRIFF DER QUALITÄT GRUNDLAGEN UND RELEVANTE ASPEKTE DES WISSENSMANAGEMENTS Relevanz des Wissensmanagements für die aussagepsychologische Begutachtungstätigkeit Der Wissensbegriff Wissensmanagement Ein pädagogisch-psychologischer Ansatz zum Wissensmanagement Das Münchener Modell Ziele des Wissensmanagements nach dem Münchener Modell Prozesse des Wissensmanagements nach dem Münchener Modell Die Rolle von Communities im Münchener Modell Hinweise zu einer neuen Lernkultur ABLEITUNGEN HINSICHTLICH DER ERFASSUNG SACHVERSTÄNDIGEN HANDELNS IM AUSSAGEPSYCHOLOGISCHEN BEREICH 27 I
4 II. BESCHREIBUNG DER SACHVERSTÄNDIGEN TÄTIGKEIT BEI DER GLAUBHAFTIGKEITS- BEGUTACHTUNG DER KUNDE UND SEINE ERWARTUNGEN Auftraggeber aussagepsychologischer Dienstleistungen Gerichte und Staatsanwaltschaften Indikationen aussagepsychologischer Begutachtung von Zeugenaussagen im Strafverfahren Organe der Rechtpflege ; Verteidigung, Nebenklagevertretung Anlässe für die aussagepsychologische Begutachtung im familienrechtlichen Verfahren Außergerichtliche Behörden Sonstige private Auftraggeber Erwartungen der Auftraggeber an den aussagepsychologischen Sachverständigen Strafgericht, Staatsanwaltschaft Rechtliche Rahmenbedingungen schriftlicher und mündlicher Gutachten Ökonomisierte Formen der Gutachtendarstellung Rechtliche Grundlagen methodenkritischer Stellungnahmen Fachliche Hilfe bei Vernehmungen Fachlicher Rat im Vorfeld oder jenseits einer Begutachtung Teilnahme an einer Hauptverhandlung ohne Erstattung eines vollständigen Gutachtens Strafverteidigung; Nebenklagevertretung Prüfung eines bereits vorgelegten Gutachtens Erholung einer Methodenkritischen Stellungnahme Der präsente Sachverständige Familiengericht Außergerichtliche Behörden Jugendamt 57 II
5 Versorgungsamt Private Dritte Beschreibung der erwarteten Dienstleistungen Das schriftliche Gutachten Stellungnahmen Mündliche Gutachtenerstattung Rechtlich-prozessuale Rahmenbedingungen der mündlichen Gutachtenerstattung Erwartung an die Gestaltung des mündlichen Gutachtens Erwartungen an das Verhalten des Sachverständigen beim Vortrag des mündlichen Gutachtens (unter Einbezug neuer Informationen aus der Hauptverhandlung) Erwartungen an die Kompetenz des Sachverständigen Erwartungen an das Verhalten des Sachverständigen bei der Befragung durch Prozessbeteiligte Erwartungen an das Verhalten des Sachverständigen im Falle eines Irrtums oder im Falle zwischenzeitlich neuer Erkenntnisse des Fachgebiets Gutachtenerstattung bei eingeschränkter Möglichkeit eigener Datenerhebung durch den Sachverständigen Fachliche Hilfe bei Vernehmungen Referieren gesicherter Erkenntnisse des Faches Fachlicher Rat als präsenter Sachverständiger Fachlicher Rat im Vorfeld einer konkreten Dienstleistung Feststellung von Tatsachen Sonstige Erwartungen Ableitungen hinsichtlich der Wissensziele und Wissensquellen 78 III
6 2. STRUKTURELLE MERKMALE DES ANBIETERS Ausführungen zum Begriff des Sachverständigen und allgemeine Anforderungen an Sachverständige Der Begriff des Sachverständigen Fachübergreifende Anforderungen an Sachverständige Abgrenzung zu den Begriffen Gutachter und sachverständiger Zeuge Rechtliche Grundlagen zur Beauftragung eines Sachverständigen Öffentlich bestellte Sachverständige Grundlagen und Zweck der öffentlichen Bestellung von Sachverständigen Inhalt der Prüfung durch die Bestellungsbehörde Das bayerische Sachverständigengesetz Die öffentliche Bestellung für das Sachgebiet Forensische Psychologie, Schwerpunkt: Glaubwürdigkeitsbegutachtung von Zeugen nach dem Bayerischen Sachverständigengesetz Zertifizierung im rechtspsychologischen Arbeitsbereich Ziele der Weiterbildung Inhalte der Weiterbildung Ableitungen hinsichtlich der Qualifikation und Eignung von Sachverständigen MERKMALE DES SACHVERSTÄNDIGEN HANDELNS IM STRAFVERFAHREN Rollenmerkmale des Sachverständigen Pflichten und Rechte des Sachverständigen Beauftragung eines Sachverständigen Grundlegende rechtliche Rahmenbedingungen und daraus abgeleitete Pflichten Sorgfaltspflichten Höchstpersönliche Gutachtenerstattung Beiziehung wissenschaftlicher Hilfsmittel und wissenschaftlicher Literatur Pflicht zur Verschwiegenheit und zum Datenschutz Mitteilungspflicht 117 IV
7 3.2.8 Umgang mit den Begutachtungsunterlagen Pflichten im Umgang mit dem zu Begutachtenden: Transparenz, Aufrichtigkeit und Freiwilligkeit Weitere Pflichten im Umgang mit den zu Begutachtenden Verantwortung Dritten gegenüber Verhalten des Sachverständigen bei der Durchführung der Begutachtung Methodische Standards Auftragsannahme Methodisches Vorgehen bei der Begutachtung Verhalten des Sachverständigen in der Hauptverhandlung Vorbereitung auf die Hauptverhandlung und Umgang mit divergierenden neuen Anknüpfungstatsachen Verhalten des Sachverständigen bei der Beweisaufnahme Formal korrektes Verhalten des Sachverständigen bei der mündlichen Gutachtenerstattung Verhalten des Sachverständigen bei der Befragung durch die Prozessbeteiligten Verhalten außerhalb des Gerichtssaals und im allgemeinen Auftreten des Sachverständigen Sozialpsychologische Phänomene im Gerichtssaal Juristische Rhetorik als eine Basis der Kommunikation zwischen Sachverständigen und juristischem Befrager in der Hauptverhandlung Möglichkeiten der rhetorischen Entgegnung durch den Sachverständigen Verhalten des Sachverständigen bei weiteren Tätigkeiten Verhalten des Sachverständigen während der Teilnahme an Vernehmungen Verhalten des Sachverständigen als präsenter Sachverständiger Verhalten des Sachverständigen bei beratender Tätigkeit 155 V
8 3.5.4 Verhalten des Sachverständigen im Kontakt mit den zu Begutachtenden und ihren rechtlichen Vertretern Verhalten des Sachverständigen bei seiner Ablehnung Rechtliche Vorgaben für die Ablehnung von Sachverständigen Konkrete Gründe für die Annahme der Befangenheit von Sachverständigen Angemessener Umgang mit der Ablehnung Ableitungen hinsichtlich des Wissens um angemessenes Handeln im Prozess der Begutachtung MERKMALE DER PRODUKTE DER AUSSAGEPSYCHOLOGISCH-SACHVERSTÄNDIGEN ARBEIT Psychologische Gutachten Fachpsychologische Definition Standards der Gutachtentechnik Transparenz und Nachvollziehbarkeit als Leitkriterien Wiedergabe des Begutachtungsauftrages Angaben zum Begutachtungsablauf Wiedergabe der Anknüpfungstatsachen Wiedergabe der Untersuchungsfragestellungen und hypothesen Trennung von Daten und Befund Beantwortung der Untersuchungsfragestellung Empfohlener Aufbau des schriftlichen Gutachtens Kommunikative und ethische Aspekte der Präsentation des schriftlichen Gutachtens Sprache Sprachstil Textaufbereitung Verhältnismäßigkeit Ansätze zur Ökonomisierung Arbeitsstrategien bei der Anfertigung des schriftlichen Gutachtens Gutachterliche Stellungnahme Psychologische Stellungnahme 178 VI
9 4.4 Gestaltung des mündlichen Gutachtens aus fachpsychologischer Sicht Gutachtenerstattung bei eingeschränkter Möglichkeit eigener Datenerhebung durch den Sachverständigen Fachliche Hilfe bei Vernehmungen Referieren gesicherter Erkenntnisse des Faches Fachlicher Rat als präsenter Sachverständiger Fachlicher Rat im Vorfeld einer konkreten Dienstleistung Feststellung von Tatsachen Aussagepsychologische Fortbildung von Juristen Ableitungen und Implikationen hinsichtlich der Produktqualität 190 III. ABLEITUNGEN FÜR DAS ANFORDERUNGSPROFIL UND DIE QUALITÄT DER SACHVERSTÄNDIGEN ARBEIT IM BEREICH DER AUSSAGEPSYCHOLOGISCHEN BEGUTACHTUNG INTEGRATION MIT DEM PÄDAGOGISCH-PSYCHOLOGISCHEN ANSATZ DES WISSENSMANAGEMENTS (MÜNCHENER MODELL) GRUNDLEGENDE KRITIK AN BISHERIGEN AUS- UND WEITERBILDUNGEN IMPLIKATIONEN DES WISSENSMANAGEMENTS FÜR EINE WEITERBILDUNG ANREGUNGEN FÜR EINE EFFIZIENTERE LERNKULTUR 199 IV. ENTWURF EINER EFFIZIENTEN AUS- UND WEITERBILDUNG NACH DEN MAßSTÄBEN DES WISSENSMANAGEMENT INTEGRATIVE IMPLIKATIONEN FÜR DIE PRAXIS SACHVERSTÄNDIGEN HANDELNS BEI DER AUSSAGEPSYCHOLOGISCHEN BEGUTACHTUNG 201 VII
10 1. RELEVANTE WISSENS- BZW.LERNZIELE BEI DER GLAUBHAFTIGKEITSBEGUTACHTUNG ERFORDERLICHE WISSENSPROZESSE UND LERNSTRATEGIEN GESTALTUNG EINER LERNUMGEBUNG FÜR AUSSAGEPSYCHOLOGISCHE SACHVERSTÄNDIGE EIN VORSCHLAG ZUR KONKRETEN AUS- UND WEITERBILDUNG Grundlagen Fallbasiertes Lernen Vernetzung mit anderen Wissensträgern Wissensaustausch über Arbeitstechniken und psychologische Aspekte der Arbeit Wissensaustausch über berufspolitische und marktstrategische Dimensionen der Arbeit Organisationales und technisches Management; Dokumentationen FAZIT UND AUSBLICK 221 LITERATURVERZEICHNIS 224 VIII
11 0. Einführung in Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit Sachverständige werden in der heutigen hochspezialisierten und arbeitsteiligen Gesellschaft in den unterschiedlichsten Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens benötigt und in Anspruch genommen. Gerichte benötigen Sachverständige zur Aufklärung von Sachverhalten, um diese anschließend juristisch richtig einordnen zu können (Bleutge, 2000). In jeder Verfahrensordnung des deutschen Rechts ist das Sachverständigengutachten als Beweismittel vorgesehen (Müller, 1987). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Qualitäts- und Wissensaspekten der Sachverständigentätigkeit bei der aussagepsychologischen Begutachtung von Zeugenaussagen und beschränkt sich in ihrer Gültigkeit hierauf, wenngleich Wissen aus allgemeinen juristischen Quellen (z.b. Sachverständigenliteratur) und aus allgemeinen fachpsychologischen Quellen als Grundlagen heran gezogen werden. Psychologische Sachverständige werden für unterschiedliche Fragestellungen in erster Linie von Gerichten und Staatsanwaltschaften in Zivil- und Strafverfahren beauftragt, aufgrund ihres Fachwissens Stellung zu beziehen (BDP, 1995). Im Bereich des bürgerlichen Rechts werden hier vor allem im Familienrecht (geregelt im vierten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB, s. auch Palandt u.a., 2003) Diplom-Psychologen 1 mit forensischen Begutachtungen beauftragt. Sie nehmen hier zu Fragen bezüglich der Regelung der elterlichen Sorge bei Getrenntleben und Scheidung der Eltern, zu Fragen das Umgangsrecht betreffend sowie zu Fragen nach einer möglichen Kindeswohlgefährdung Stellung. Die rechtlichen und gesetzlichen Grundlagen, an denen sich die Fragestellungen der Gerichte an die Sachverständigen ausrichten, sind in den entsprechenden Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Im Bereich des Strafrechts, das seine gesetzliche Grundlage im Strafgesetzbuch findet (StGB, 2000), wird sich psychologisch-sachverständiger Hilfe vor allem bei der Frage nach der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage bedient. Schuldfähigkeitsbegutachtung, die in den psychologischen Teilbereichen durchaus Angelegenheit von Psychologen ist vorrangig die Beurteilung von Affekttaten (Greuel, 1997a) oder psychologischen Aspekten der Begutachtung unter dem strafrechtlichen Eingangskriterium der sog. schweren anderen seelischen Abartigkeiten (Scholz, 2003) tritt in der praktischen Bedeutung für Diplom Psychologen noch zurück. Sachverständige ihrerseits haben die rechtlichen Fragestellungen eines Gerichtes an sie (juristische Beweis- 1 In der vorliegenden Arbeit wurde aus Gründen der sprachlichen Einheitlichkeit und Vereinfachung durchgehend die männliche Form bei den jeweiligen Berufs- und Personenbezeichnungen gewählt. Damit ist keine einseitig bewertende Tendenz verbunden. 1
12 fragen) in fachspezifische Termini und Konstrukte zu überführen und mit Hilfe wissenschaftlich fundierter Methodik zu bearbeiten und zu beantworten (siehe für alle wesentlichen Bereiche psychologischer Gutachtentätigkeit Wegener, 1981; für aussagepsychologische Begutachtung Greuel u.a., 1998; für familienrechtliche Begutachtung Salzgeber, 2001). Es zeigt sich hier eine Verzahnung der Rechtswissenschaft und Rechtspraxis mit der Rechtspsychologie, einem Teilgebiet der wissenschaftlich-empirischen Psychologie. Rechtspsychologie ist angewandte Psychologie und befasst sich in der Forschung mit der systematischen Erfassung von Verhaltensgesetzmäßigkeiten der am Rechtssystem beteiligten Personen (Sporer, 1983). Aus juristischer Sicht stellt die Rechtspsychologie eine Disziplin dar, die Baumann (1989) als Neben- und Hilfswissenschaft bezeichnet, ebenso wie die Rechtsmedizin und die Rechtsinformatik. Rechtspsychologie nimmt die Bereiche der Kriminalpsychologie und Forensischen Psychologie in sich auf. Kriminalpsychologie beschäftigt sich mit dem Verhalten und Erleben der Täter, Tätergruppen, der Opfer, mit Kriminalitätsursachen sowie mit der Psychologie der strafenden Gesellschaft und deren Repräsentanten in der Strafgesetzgebung und Strafrechtspraxis (Schneider, 1971). Der Bereich der Forensischen Psychologie umfasst die Fragen nach Verhalten und Erleben der am Rechtssystem Beteiligten in foro. Von den Arbeitsgebieten der forensischen Psychologie ist vor allem die Aussagepsychologie praktisch für die Juristen bedeutsam (Baumann, 1989; Schwind, 2001). Die Führung eines Zeugenbeweises zwingt den Richter, die Glaubwürdigkeit bzw. Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage festzustellen, die für die Urteilsbildung relevant ist. Nack (2000), Richter am Bundesgerichtshof (BGH), führte in einem Vortrag anlässlich einer Diskussionsveranstaltung zum Zeugenbeweis aus aussagepsychologischer und juristischer Sicht aus, dass die Glaubwürdigkeitsbeurteilung von jeher zum Wesen richterlicher Rechtsfindung gehört (BGHSt 2, 163; 3, 27; 3, 52; 8, 130; BGH NStZ 1981, 400): Den Wert der Aussagen von Zeugen, insbesondere ihre Glaubwürdigkeit zu beurteilen, ist das Recht und die Pflicht des Tatrichters, die Verantwortung für diese Aufgabe überträgt das Gesetz nur ihm (BGHSt 3, 52). Nur bei besonderen Eigentümlichkeiten des Zeugen, namentlich bei Kindern und Jugendlichen, muss ein Gutachter hinzugezogen werden (Nack, 2000, a.a.o.). Dabei gelte der Satz von der ureigensten Aufgabe des Tatrichters noch immer, jedoch hätten zwei Faktoren der Aussagepsychologie inzwischen vor Gericht zum Durchbruch verholfen: Die Aussagepsychologie hat sich als bestes Instrumentarium durchgesetzt. Die Tatrichter bildeten sich fort, auch durch die Anhörung von Glaubwürdigkeitsgutachtern, sowie seit Ende der 80ger Jahre hat der BGH die Glaubwürdigkeitsbeurteilung verstärkt auch sachlich-rechtlich überprüft, insbesondere in Fällen, wo Aussage gegen Aussage steht (Nack, 2000, a.a.o.). Baumann (1989) betont kritisch und weitergehend, dass die Berufung auf den eigenen Sachverstand des Richters 2
13 ebenso weitverbreitet wie falsch sei. Nirgends passieren so viele Fehler, wie bei der Tatsachenfeststellung durch Zeugenaussagen (a.a.o., S. 23, weiterführend auch Bender & Nack, 1995). In der forensisch-psychologischen Praxis kommt die Glaubwürdigkeits- bzw. Glaubhaftigkeitsbegutachtung vorwiegend in Strafverfahren zum Einsatz, in denen es um die Beurteilung einer Zeugenaussage zu Sexualdelikten geht. Es sind in der Regel die Aussagen derjenigen Zeugen, die vom inkriminierten Geschehen unmittelbar (angeblich) betroffen sind. Die eingeholten schriftlichen und im Strafverfahren auch mündlich zu erstattenden Gutachten haben als zusätzliches Beweismittel einen nicht unerheblichen Einfluss auf die richterliche Urteilsfindung. Der Sachverständige befindet sich mit seiner Arbeit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einem besonderen Spannungsfeld zwischen dem öffentlichen Strafbedürfnis und dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Strafrechts in dubio pro reo (Deckers, 1998), das auch sein Denken verzerren kann (zur Wirkung des öffentlichen Erwartungsdrucks auf das Handeln des Sachverständigen s. Rode, 2000). So ist hier auf Seiten der Justiz besonders zu beachten, dass eine Sanktion gegen einen mutmaßlichen Täter nur im Wege einer ordnungsgemäßen, durch Neutralität und Nüchternheit, aber auch durch kritische Distanz zum Untersuchungsgegenstand gekennzeichnete Aufklärung erfolgen kann (Deckers, 1998, S. 741). Auf diesem Hintergrund ist auch eine fundierte Auseinandersetzung mit Glaubhaftigkeitsgutachten und dem zugrunde liegenden Handeln des Sachverständigen zu fordern, z.b. zur Vermeidung einer zunehmenden Opferorientiertheit der Gutachterpraxis (Meyer-Mews, 2000, S. 918) bzw. eines falsch verstandenen Opferschutzes, wie aus juristischer Sicht von Deckers (1998) beobachtet und beschrieben. Auch und insbesondere für aussagepsychologische Sachverständige gilt, dass das über Missbrauch in einem solchen Strafverfahren berichtende Kind für das Gericht nicht ein missbrauchtes Kind ist, sondern ein personelles Beweismittel, ein Sachaufklärungsmittel also, dessen Aussage unter den Regeln der freien Beweiswürdigung ( 261 StPO) auf seine Validität hin geprüft werden muss (Deckers, 1998, S. 741). Dies schließt freilich nicht Tätigkeiten des aussagepsychologischen Sachverständigen aus, die im Rahmen von justiziellen Opferschutzmaßnahmen in den letzten Jahre gehäuft von der Justiz eingefordert werden, z.b. die Beratung des Richters bei der möglichst effizienten und schonenden Befragung eines kindlichen Zeugen. Aber auch hierbei ist das maßgebliche Ziel, möglichst viel möglichst unbeeinflusst vom Zeugen zum in Frage stehenden Tatgeschehen zu erfahren. Die in die Gesetzgebung (Opferschutzgesetz) und in die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH-Urteil v ) eingegangene stärkere Berücksichtigung der Situation von Opferzeugen (oder vermeintlicher Opfer) ändert nichts an der eigentlichen Aufgabe des Strafrechts, in der beschriebenen Art einen Sachverhalt zu prüfen bzw. die Stichhaltigkeit des Vorwurfes den Beschuldigten betref- 3
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