Sozialer Einfluss. Entscheidungsprozesse in Gruppen. I. Choice Dilemmas Questionaire (CDQ Risiko-Wahl-Fragebogen)
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- Heiko Raske
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1 Sozialer Einfluss Entscheidungsprozesse in Gruppen I. Choice Dilemmas Questionaire (CDQ Risiko-Wahl-Fragebogen) 1
2 a. Bei einem nationalen Schachturnier tritt ein Teilnehmer von niedrigem Rang in einem frühen Spiel gegen einen im hohen Maße bevorzugten Gegner an und hat die ein Wahl, ein risikoreiches Täuschungsmanöver einzusetzen oder auch nicht, das zu einem schnellen Sieg führen könnte, wenn erfolgreich, oder auch mit ziemlicher Sicherheit zu einer Niederlage, wenn nicht erfolgreich. Bitte kreuzen Sie die niedrigste Erfolgswahrscheinlichkeit an, die Sie akzeptieren würden, bevor sie dem Schachspieler die Durchführung seines risikoreichen Manövers empfehlen würden. 10 %-ige Chance auf Erfolg 30 %-ige Chance auf Erfolg 50 %-ige Chance auf Erfolg 70 %-ige Chance auf Erfolg 90 %-ige Chance auf Erfolg Ich würde nicht empfehlen, das Risiko einzugehen I. Choice Dilemmas Questionaire b. Roger, ein junger Mann mit zwei Kindern, hat eine sichere Arbeitsstelle, die ihm allerdings wenig Geld einbringt und keinerlei Ersparnisse. Jemand gab ihm einen Tipp bezüglich einer Aktie, die sich im Wert verdreifachen wird, wenn das neue Produkt dieser Firma erfolgreich ist, aber rapide Wertverluste verzeichnen wird, wenn sich das Produkt als Flop erweist. Sollte Roger seine Lebensversicherung einlösen und in diese Firma investieren? 10 %-ige Sicherheit auf Erfolg 30 %-ige Sicherheit auf Erfolg 50 %-ige Sicherheit auf Erfolg 70 %-ige Sicherheit auf Erfolg 90 %-ige Sicherheit auf Erfolg Ich würde nur mit 100 % Sicherheit dazu raten I. Choice Dilemmas Questionaire 2
3 1. Definition: Gruppenurteile sowie der Durchschnitt der Individualurteile nach einer Gruppendiskussion verschieben sich in Richtung desjenigen Endes der Urteilsdimension, in das der Durchschnitt der Gruppenmitglieder schon vorab tendiert hat. 3
4 2. Suboptimale Entscheidungen / Hidden Profile: Von Gruppenentscheidungen erhofft man sich eine erhöhte Qualität der Entscheidungsfindung. Zuwächse an Entscheidungsqualität nur in bestimmten Situationen möglich: Eine Gruppe soll zwischen zwei Alternativen entscheiden Zu jeder Alternative gibt es geteilte und ungeteilte Informationen Geteilte Informationen sind jedem, ungeteilte nur einem Gruppenmitglied bekannt Durch Diskussion werden ungeteilte Informationen allen Gruppenmitgliedern bekannt gemacht Wissensgrundlage der anderen Gruppenmitglieder erweitert Falls ungeteilte Informationen dieselbe Entscheidung nahe legen wie die geteilten ergibt sich keine Wissenserweiterung Wenn jedoch ungeteilte Informationen eine andere Entscheidung nahe legen als die geteilten, und wenn die ungeteilten Informationen tatsächlich die bessere Alternative empfehlen, so wird dies als Hidden Profile -Situation bezeichnet. Bei einem Hidden Profile sind die Informationen folglich so verteilt, dass die beste Alternative nicht durch einzelne Gruppenmitglieder individuell erkannt, sondern erst durch eine Gruppendiskussion aufgedeckt werden kann. Hidden Profiles sind somit der Prototyp von Situationen in denen durch Gruppendiskussion eine höhere Entscheidungsqualität erzielt werden kann! 4
5 3. Erklärungsansätze zum Phänomen Gruppenpolarisierung: a) Normative Ansätze: Fokussieren auf das Bestreben der Gruppenmitglieder sich den Erwartungen anderer konform zu verhalten und dadurch positiv bewertet zu werden. Zwei Standpunkte um Gruppenpolarisierung zu erklären: Pluralistische Ignoranz (Schroeder, 1973) Gruppenmitglieder geben ihr Urteil vor der Diskussion als Kompromiß zwischen eigenem Standpunkt und antizipierter Gruppennorm ab Während der Gruppendiskussion lernen sie die tatsächliche Gruppennorm kennen und korrigieren in anschließenden Urteilen ihren Irrtum Soziale Norm übererfüllen (Brown, 1974) Erstes Individualurteil unverzerrt ; Mitglieder wollen sich jedoch positiv von den anderen abgrenzen Dies wird erreicht indem man die soziale Norm übererfüllt, d.h. tendiert die Gruppe zu A, wird sogar noch mehr zu A tendiert. 5
6 b) Informativer Einfluss und persuasive Argumente: Gruppendiskussion bringt Argumente hervor, die mehrheitl. favorisierte Position unterstützen Wenn diese den eigenen Argumenten entsprechen, wird diese Position noch verstärkt oder sogar extremer, wenn neue Pro-Argumente hinzukommen gegenseitige Persuasion Nicht die Positionen an sich, sondern die Argumente bewirken Polarisierung positive korrelation zwischen der relativen Anzahl von Pro- und Kontra- Argumente und der Polarisierung [Madsen, 1972] Geteilte Informationen werden prozentual stärker in die Diskussion eingebracht und aufgegriffen als ungeteilte Hidden Profiles werden selten gelöst c) Selbstkategorisierungstheorie: Bedürfnis eigene Meinung zu bewerten Vergleich mit anderen Anstreben eines positiven Selbstbildes u. auch von anderen positiv wahrgenommen zu werden Verzerrte Wahrnehmung der eigenen Position selbst als besser oder richtiger (der Norm näher) als andere Man wird selbst extremer, um sich von anderen abzugrenzen bloße Kenntnis der Position anderer ohne Anhören von Argumenten reicht aus, um Gruppenpolarisierung hervorzurufen 6
7 d) Einfluss des sozialen Kontextes trotz konstanter Informationen und Argumente ergibt sich je nach sozialem Kontext eine mehr oder weniger starke Polarisierung (Turner et al, 1987) Gruppennorm besteht nicht aus Durchschnittswert der Positionen sondern aus Durchschnittposition prototypische Position Position, die Gemeinsamkeiten in der Gruppe und die Unterschiede zu anderen Gruppen am besten wiederspiegelt (normativer Bezugspunkt) Die Argumente der Person, die dies verkörpert, werden am informativsten und persuasivsten wahrgenommen ideale Selbstkategorisierung Position ändert sich im sozialen Kontext in Abhängigkeit von der Verteilung der Meinungen in der Eigengruppe u. der Fremdgruppe Kritischer Überblick: Soziale Vergleichsprozesse und persuasive Argumentation führen zu beträchtlichen Polarisierungseffekten Argumentationseffekte i.d. Regel stärker (Isenberg, 1986) Treten außerhalb des Labors meistens zusammen auf Spezifische Entscheidungsparameter können vermittelnden Einfluss auf das Ausmaß der Dominanz des einen oder anderen Effektes ausüben: Rationalität, informativer Einfluss u. persuasive Argumentation eher bei sachbezogenen Themen Emotionalität, normativer Einfluss u. sozialer Vergleich bei Themen, bei denen Wertvorstellungen u. Ichbeteiligung eine Rolle spielen 7
8 Einfluss der selbst geäußerten Argumente: wiederholtes Äußern einer Einstellung sorgt von selbst dafür, dass die Position extremer wird Untersuchung von Brauer, Judd und Gliner (1995): Vpn darf in kurzen dyadischen Begegnungen ihre Meinung äußern u. die des Gegenübers hören Sorgfältig ausbalancierte Häufigkeit, mit der jeder seine Meinung zum Ausdruck bringen darf und mit der derjenige eine andere hört können getrennt voneinander manipuliert werden Häufigkeit mit der Einstellung zum Ausdruck gebracht wird, hat zuverlässigen Effekt auf die Polarisierung Dieser Effekt war stärker als der durch das Hören anderer Einstellungen Stärke dieses Effektes ist korreliert mit dem Ausmaß, dem die eigenen Argumente d. Vpn vom Gegenübern in späterem Gespräch erneut verwendet wurde Beruht auf zwei sich gegenseitig verstärkenden Effekten: Mehrfaches Wiederholen des Arguments Gesprächsvereinfachung Äußerungen werden weniger elaboriert u. weniger an Einschränkungen geknüpft Noch verstärkt durch soziale Validierung der Argumente durch andere 8
9 Beziehung zu vorhergehenden Theorien: Persuasive Argumente: Validierung der eigenen Argumente durch andere In andere beiden nicht so leicht zu integrieren Wiederholter Ausdruck der eigenen Meinung hat keinen Einfluss auf wahrgenommene durchschnittl. oder prototypische Position der Gruppe Mit Selbstkategorisierungs-Theorie eher Überschneidungen arbeitet Einfluss einer Gruppenreaktion auf das eigene Identitätsgefühl als Gruppenmitglied heraus 9
10 1. Definition: group think : Unter Menschen mit ähnlichen Auffassungen und einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl ist dies ein Entscheidungsprozess in der Gruppe, der sich sehr am Konsens orientiert und der zu einseitígen und inkorrekten Schlussfolgerungen führt. Beispiele: Versammlungen, Kommissionen, Geschworene, Regierungen 2. historische Beispiele (Irving Janis): a) Amerikanische Invasion der Schweinebucht 1961: Präsident Kennedy und eine kleine Gruppe von Beratern hatten beschlossen, eine relativ kleine Gruppe von Exilkubanern mit Unterstützung der amerikanischen Luftwaffe zu einer Invasion der kubanischen Küste zu entsenden Innerhalb weniger Tage waren alle gefangengenommen oder getötet worden a) Explosion der Raumfähre Challenger 1989 Auch hier führte eine Reihe von Fehlentscheidungen wahrscheinlich zur Katastrophe (Esser & Lindoerfer, 1989) 10
11 3. Theoretische Erklärung durch Irving Janis Extreme Form der Gruppenpolarisierung Gruppendenken Dieser Prozess wird durch folgenden Bedingungen gefördert: Gruppe hoch kohäsiv Von alternativen Informationsquellen isoliert Anführer favorisiert klar eine best. Lösung Diskussion ist gekennzeichnet durch: Illusion der eigenen Unverwundbarkeit Versuche wechselseitige Handlungen zu rationalisieren, die mit der Handlungsalternative übereinstimmen Ignorieren oder Abwerten inkonsistenter Informationen Sowohl auf individueller (Selbstzensur) als auch auf intervidueller Ebene (Konformitätsdruck) Endresultat: von allen getragene Entscheidung, die jedoch weit entfernt davon, was bei rationaler und ausgewogener Informationssuche/- nutzung zu erwarten wäre Diskussion: Was wären Gegenmittel gegen solche Prozesse und Dynamiken? Wie sollte sich ein Anführer einer solchen Gruppe verhalten? 11
12 4. Kritik an Janis` Modell: Laboruntersuchungen u. konzeptionelle Analysen v. Entscheidungssituationen konnten nicht alle von Janis` Modell postulierten Beziehungen bestätigen: U.a. dass die zentrale Variable der Kohäsion die Entscheidungsfindung in Gruppen auf konsistente Weise beeinflusst, konnte nicht beobachtet werden (Flowers, 1977; McCauley, 1990) Es wurden jedoch nicht die Bedingungen der historischen Situationen berücksichtigt Aldag und Fulder (1993): allgemeineres Problemlösungsmodell für Gruppen: General Group Problem Solving Model, GGPSM) Beschreibt Entscheidungsprozesse in weniger abwertenden und wertbesetzten Begriffen Fügen eine Reihe von zeitlich vorrausgehenden Prozess- und Ergebnisvariablen hinzu: u.a. politische Motive u. Handlugsergebnisse Bestätigt den Gedanken, dass Entscheidungen, die aus Gründen rationaler Effizienz schlecht durchdacht und unangemessen sein mögen dennoch auf überlegten und geplanten politischen Strategien beruhen können 12
13 VI. Prüfungsfragen: (1) Definieren Sie das Phänomen der Gruppenpolarisierung. (2) Erläutern Sie das Phänomen des Gruppendenkens anhand eines Beispiels. (3) Erklären Sie den Begriff Hidden Profile. IV. Prüfungsfragen 13
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