Die Position von Reuters im Nachrichtenmarkt
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- Sebastian Blau
- vor 8 Jahren
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1 Autor: Rall, Peter. Titel: Die Position von Reuters im Nachrichtenmarkt. Quelle: Jürgen Wilke (Hrsg.): Nachrichtenagenturen im Wettbewerb. Ursachen - Faktoren - Perspektiven. Konstanz S Verlag: UVK Medien. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Peter Rall Die Position von Reuters im Nachrichtenmarkt Wettlauf statt Verdrängungswettbewerb Oft ist im deutschen Agenturmarkt vom Verdrängungswettbewerb die Rede. Das deutet an, daß sich die Nachrichtenagenturen in einem geschlossenen Markt bewegen, daß es in der Konkurrenz ausschließlich darum geht, den Anteil an einem begrenzten Markt zu erhöhen. Dies trifft nicht zu. Der Agenturmarkt ist offen, offener denn je. Der Konkurrenzkampf wird immer weniger ein Wettbewerb um eine definierte Zahl von Zeitungen, Rundfunkanstalten oder Fernsehsendern, sondern immer mehr zum Wettlauf um die Märkte der Zukunft. Das rein quantitative Nachrichtenangebot der Agenturen ist sich heute sehr ähnlich, wenn man von regionalspezifischen Informationen absieht, wie sie dpa mit ihren Landesdiensten verbreitet. Die Agenturen stehen deshalb nicht mehr vor der Aufgabe, mehr Nachrichten als die Konkurrenz anzubieten. Vielmehr geht es um die Fragen: Welche Nachrichten benötigt welche Zielgruppe? Wie bereite ich sie für diese spezielle 1
2 Zielgruppe auf? Wie transportiere ich sie für diese Gruppe? Daß bei diesen Anstrengungen die Qualität der Nachricht gewahrt bleiben muß, ist selbstverständlich. Wie hat sich Reuters für diesen Markt gerüstet? Weltweit arbeiten für Reuters rund Journalisten, die in 24 Sprachen aus 90 Ländern berichten. Die "Reuters-Sprache" ist nach wie vor Englisch, der Sitz des Unternehmens ist London. Aber Reuters ist keine englische Agentur, sondern bezeichnet sich selbst als internationale Nachrichten- Organisation. In Deutschland arbeiten rund 100 Journalisten für Reuters. Die Zentralredaktion hat ihren Sitz in Bonn, die Geschäftsleitung in Frankfurt. In den wichtigen Zentren in Deutschland haben wir Korrespondentenbüros, Korrespondenten berichten für den deutschen Dienst auch aus Moskau, Zürich, Brüssel und Wien. Das traditionelle Mediengeschäft Wenn in Deutschland über den Agenturmarkt gesprochen wird, geht es in der Regel um das traditionelle Mediengeschäft. Die Nachrichtenagenturen liefern Texte, Bilder und Grafiken an Zeitungen, Magazine, Fernsehen und Hörfunk. Dieser Markt umfaßt geschätzt rund 250 Kunden, um die sich fünf Agenturen streiten. Deutschland ist damit der am stärksten umkämpfte Agenturmarkt der Welt. Dieser Markt birgt Risiken. Die Kundenzahl stagniert, verringert sich sogar durch die Konzentration im Bereich des Privatfunks. Zeitungen sind wegen des unterschiedlichen Anzeigenaufkommens konjunkturabhängig, was bei den Preisverhandlungen eine Rolle spielt. Wie können diese Risiken verringert werden, wo können neue Märkte eröffnet werden? 2
3 Der Fernsehmarkt Im Vergleich zum traditionellen Agenturmarkt ist die Kundenzahl in diesem Sektor klein, aber auch die Zahl der Anbieter. International gibt es neben Reuters nur zwei Anbieter von Fernsehbildern für Nachrichtenfilme, in Deutschland nur einen. Mit internationalen Fernseh-Nachrichten ist Reuters seit der Übernahme der Fernseh-Nachrichtenagentur Visnews auf dem Markt, in Deutschland direkt (außer über die Eurovision) erst seit dem Herbst letzten Jahres. Im Oktober startete Reuters den deutschen Dienst, in dem täglich acht bis zehn Top-Nachrichten in Fernsehbildern angeboten werden. Die Bilder werden den Fernseh-Sendern übermittelt, die aus diesem Material ihre Bildbeiträge für die Nachrichtensendungen schneiden. Hintergrundberichte und Interviews runden dieses Angebot ab. Darüber hinaus produziert Reuters seit Oktober 1996 zusammen mit dem "Spiegel" die Nachrichten für den Privatsender VOX. Der Real-Time-Markt In diesem schnellsten Agenturgeschäft erreichen die Nachrichten direkt die Leser. Zielgruppe sind die internationalen Finanzmärkte, in denen mit Devisen, Renten und Aktien gehandelt wird. Reuters-Nachrichten dienen Händlern, Anlageberatern oder Analysten als Basis für Kauf- oder Verkaufentscheidungen. Für die Abnehmer sind nicht nur Wirtschaftsthemen wichtig. Auch politische Nachrichten können diese Märkte bewegen. Als beispielsweise Reuters 1991 in einer Eilmeldung verbreitete, daß der Putsch in Moskau abgewendet war, stieg der Index der 30 wichtigsten deutschen Aktien (DAX) steil nach oben. Dennoch sind Wirtschaftsnachrichten der wichtigste Bestandteil dieses Dienstes, der "News 2000" heißt. Reuters berichtet über die national und international wichtigen Indikatoren wie Arbeitsmarkt oder Inflation, über alle börsennotierten Unternehmen in Deutschland und die wichtigsten aus dem Ausland, über die Entwicklungen der Börsen in aller Welt und natürlich über die relevanten wirtschaftspolitischen Entscheidungen im Inund Ausland. Sechs Anbieter gibt es auf diesem Markt in Deutschland, Reuters ist der 3
4 Marktführer. Mehr als Reuters-Terminals, auf denen diese Nachrichten empfangen werden können, sind in Deutschland installiert. Der Real-Time-TV-Markt Reuters-Financial-Televison ist digitales Fernsehen, das ebenfalls auf den Reuters- Terminals empfangen werden kann. RFTV ist kein traditionelles Fernsehprodukt, das heißt es gibt kein laufendes Programm, sondern nur event-abhängige Sendungen. Die einzelnen Beiträge werden in News 2000 angekündigt, und der Kunde kann sich den Bericht per Mausklick auf den Schirm holen. Dabei handelt es sich unter anderem um Live-Übertragungen von Pressekonferenzen, Interviews mit Analysten, Politikern oder Wirtschaftsvertretern oder um Korrespondentenberichte. RFTV kann mit dieser Struktur nicht nur sehr schnell auf Ereignisse reagieren, es ermöglicht den Kunden auch, die Informationen von einer Pressekonferenz, über die auch der Textdienst berichtet, durch optische Eindrücke beispielsweise über Mimik und Gesten der Informanten zu vertiefen. Der Online-Markt Mit Business-Briefing, Insurance-Briefing, EU-Briefing und Advertising and Media Briefing stellt Reuters verschiedene zielgruppenorientierte Nachrichtenprodukte zur Verfügung. Sie enthalten einerseits die aktuellen Reuters-Nachrichten. Darüber hinaus gewähren sie Zugriff auf historische Informationen. Die historischen Nachrichten reichen fünf Jahre zurück und enthalten nicht nur Reuters-Nachrichten, sondern Beiträge aus zahlreichen anderen Quellen. Insgesamt werden zur Zeit internationale Nachrichtenquellen ausgewertet und für die Briefing-Produkte genutzt. In Deutschland können beispielsweise "Der Spiegel", Focus" und die "Süddeutsche Zeitung" auf diese Weise abgerufen werden. 4
5 Business Briefing ist das Basis-Produkt. Es wendet sich an Unternehmen, Verbände, aber auch an Medien. Insurance-Briefing zielt auf die Versichungs-Branche und enthält eine Reihe spezifischer Nachrichten für diesen Bereich. EU-Briefing enthält aktuelle Nachrichten und die offiziellen Informationen der europäischen Behörden. Advertising and Media Briefing bietet neben dem Basisprogramm. spezielle Informationen für die Werbeund Medienbranche. Der Internet-Markt Internet ist ein Markt der Zukunft. Reuters ist in vielfältiger Weise in diesem Bereich aktiv. Wir bieten Internet- oder Online-Anbietern Online-Reports. Dabei handelt es sich um eine Auswahl von Nachrichten, die in bestimmten Rhythmen aktualisiert werden, Zu den Kunden gehören Yahoo, AOL und Gruner + Jahr. Für Gruner + Jahrs Business Channel, der in T-Online zu lesen ist, liefert Reuters beispielsweise die Wirtschaftsnachrichten. Seit Anfang Februar 1997 verbreitet Reuters Nachrichten in einer Internet "Zeitung". Dieses Produkt wird in einer Online-Redaktion erstellt und mehrmals täglich aktualisiert. Es enthält Nachrichten aus Politik und Wirtschaft sowie Bilder und Grafiken. Zugang ist möglich über die Homepage des "Spiegel" (Adresse: Die Vermarktung des Rohstoffs Nachricht Alle genannten Produkte basieren im Kern auf einem Rohstoff. Der Nachricht. Dieser Rohstoff ist weltweit weitgehend frei verfügbar. Natürlich hat jede Agentur unterschiedliche Stärken und Schwächen. Dennoch ist das Nachrichtenangebot in Menge und Qualität sehr ähnlich geworden. Unterschiedlich sind die Verarbeitung, die Verpackung und der Transport. Agenturen sind Dienstleister geworden, die vorhandene 5
6 Nachrichten einem definierten Kunden auf eine seinem Bedarf entsprechende Weise präsentieren. 6
7 Journalisten mit neuer Rolle Nicht immer mehr Nachrichten werden von vielen Kunden verlangt, sondern immer weniger - dafür aber die für sie relevanten. Aus der Flut der täglichen Nachrichten kundenspezifische Nachrichtenpakete zu schnüren, gehört zu den neuen Aufgaben des Redakteurs. Er muß entscheiden, welche Unternehmensmeldung so wichtig ist, daß sie den Devisenhandel interessiert, welche politische Meldung so wichtig ist, daß sie in das Produkt für den Aktienhandel gesendet werden muß, welche Wirtschaftsmeldung so wichtig ist, daß sie auch die kleine Regionalzeitung drucken will. Den Reporter mit Handy und Recorder in der Hand wird es auch in Zukunft geben. Aber er muß bereits bei der Recherche oder auf der Pressekonferenz wissen, daß bestimmte Nachrichten für bestimmte Kunden von besonderer Dringlichkeit sind und mit höherer Priorität behandelt werden müssen als andere. Journalisten sind nicht mehr nur Reporter oder Redakteure. Sie sind künftig mehr als bisher schon auch Dienstleister. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 7
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