Pflegequalität in vollstationären Einrichtungen Ein Vergleich der Prüfungen von MDK und Heimaufsicht in Baden-Württemberg
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- Karl Bergmann
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1 Pflegequalität in vollstationären Einrichtungen Ein Vergleich der Prüfungen von MDK und Heimaufsicht in Baden-Württemberg In Baden-Württemberg leben aktuell knapp Personen in vollstationären Einrichtungen der Pflege. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird diese Zahl in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen. Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Lebensalter. Prognosen zufolge werden analog des Anwachsens der Hochaltrigen auch immer mehr Menschen in vollstationären Pflegeeinrichtungen leben. Die vollstationären Pflegeeinrichtungen haben den gesetzlichen Auftrag, den pflegebedürftigen Bewohner bedarfsgerecht zu versorgen. Dabei soll die Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität dauerhaft gewährleistet sein. Zur Überprüfung und Sicherung der Qualität der vollstationären Einrichtungen werden regelmäßige Kontrollen durchgeführt. Diese werden durch externe Institutionen wie z.b. dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und den örtlichen Heimaufsichtsbehörden erbracht. MDK und Heimaufsicht führen dabei unabhängig und nebeneinander diese Kontrollen durch. Bereits 2006 war es ein Anliegen der Arbeitsgruppe Entbürokratisierung des Runden Tisches Pflege, das Nebeneinander unterschiedlicher Prüfinstanzen zu harmonisieren und stärker aufeinander zu beziehen. Das Heimgesetz für Baden-Württemberg (Landesheimgesetz - LHeimG) vom 10. Juni sieht für die Heimaufsichten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zum Schutz der Interessen und Bedürfnisse der Bewohner und zur Sicherung einer angemessenen Qualität des Wohnens und der Betreuung (...) eine enge Zusammenarbeit mit dem MDK vor. Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs- Gesetz PNG) Beschluss durch den Deutschen Bundestag am enthält Regelungen, die die vollstationären Pflegeeinrichtungen wirksamer vor nicht erforderlichen, belastenden Doppelprüfungen schützen. Bei der Festlegung des Umfangs der Prüfungen sind die Ergebnisse von Prüfungen der Heimaufsicht zu berücksichtigen. Weiterhin ist in 117 Abs. 2 SGB XI vorgesehen, ein Modellvorhaben zu vereinbaren, das darauf zielt, eine abgestimmte Vorgehensweise bei der Prüfung der Qualität von Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI und nach heimrechtlichen Vorschriften zu erarbeiten. Diese Bemühungen verfolgen wieder einmal die Zielsetzung, durch Kooperation (beider Prüfinstanzen) Doppelprüfungen zu vermeiden. Prüfkriterien für die Heimaufsichten und MDK in Baden- Württemberg Nach dem politisch wie auch verfassungsrechtlich, insbesondere bezüglich der Reichweite der Kompetenzverlagerung, umstrittenen Übergang der Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht vom Bund auf die Bundesländer im Rahmen der Föderalismusreform hat im Mai 2010 das Sozialministerium Baden-Württemberg erstmals die Einheitlichen Prüfkriterien für die Heimaufsicht des Landes Baden-Württemberg vorgelegt mit dem Ziel, nicht nur die Qualität in den Einrichtungen, sondern auch die Qualität der Prüfungen zu verbessern. Zwischenzeitlich wurde am eine Neuauflage des Prüfleitfadens seitens des Ministeriums aufgelegt, in denen geringfügige Anpassungen an aktuel- 1 letzte berücksichtigte Änderung: 9, 10, 16, 18 und 24 geändert durch Artikel 46 der Verordnung vom 25. Januar 2012; GBl. S. 65, Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 1
2 le und fachliche Entwicklungen vorgenommen wurden. Gleichzeitig hat die Landesregierung am die von Sozialministerin Altpeter vorgelegten Eckpunkte für die Novellierung des Heimrechts gebilligt. Unter Punkt 9. Dualität der Prüfungen Heimaufsicht/Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) soll in der umfassenden Neuausrichtung der ordnungsrechtlich begründete Auftrag der heimaufsichtlichen Prüfungsbefugnis konkretisiert und Überschneidungen vermieden werden. Aus Anlass der Novellierung des Heimrechtes hat der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg die Einheitlichen Prüfkriterien für die Heimaufsichten des Landes Baden-Württemberg 2 mit der Qualitätsprüfungsrichtlinie nach 114 a Abs. 7 SGB XI i.v. mit 53 SGB XI als unmittelbare und verbindliche Handlungsgrundlagen der Prüfungen des MDK s einer vergleichenden Prüfung unterzogen. Eine erste kursive Betrachtung der Prüfinhalte unterstreicht deutlich die starke inhaltliche Ausrichtung der Prüfkriterien für die Heimaufsichten des Landes Baden-Württemberg mit den Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der stationären Pflege 3. Anhand des MDK Erhebungsbogens zur Prüfung der Qualität nach den 114 ff. SGB XI in der stationären Pflege und den Einheitlichen Prüfkriterien für die Heimaufsicht des Landes Baden- Württemberg wird eine Gegenüberstellung der Prüfinhalte aufgezeigt. 2 Einheitliche Prüfkriterien für die Heimaufsicht des Landes Baden-Württemberg, Mai 2010, Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der stationären Pflege, Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 2
3 Kriterien der Prüfungen von Heimaufsicht Baden-Württemberg und MDK KRITERIEN DER STRUKTURQUALITÄT KRITERIEN DER PROZESSQUALITÄT KRITERIEN DER ERGEBNISQUALITÄT Unter der "Ebene Strukturqualität" prüfen MDK und Heimaufsicht folgende Qualitätskriterien 4 : Personelle Ausstattung inkl. Aus,- Fortund Weiterbildungsstand (75% 5 ) Bewohnerstruktur nach Name, Geburtsdatum, Geschlecht, ( ), Diagnosen, Pflegestufe, etc. (75%) Maßnahmen interner und externer Qualitätssicherung (75%) Betriebsorganisation und Betriebsablauf Pflegeleitbild und Konzept (100%) Pflegedokumentation und Pflegedokumentationssystem (100%) Technische Ausstattung und Hilfsmittel Räumliche Ausstattung (50%) Einbeziehung der Angehörigen vertragliche Vereinbarungen Mitwirkung (0%) Verhältnis Entgelt-Leistung/Spenden (0%) Tabelle 1: Prüfinhalte und Überschneidungsgrad Unter der "Ebene Prozessqualität" werden folgende Qualitätskriterien geprüft: Pflegeausrichtung am Pflegeleitbild und Pflegekonzept Führung der Pflegedokumentation (100% 6 ) Umsetzung und Überprüfung des Pflegeprozesses/Pflegemaßnahmen Kommunikation im Team Kooperation mit anderen Leistungserbringern Personaleinsatz nach Dienstplan Arzneimittelversorgung (30%) Berücksichtigung von Expertenstandards, Pflegestandards, Empfehlungen des RKI (50%) Einbeziehung Angehöriger, Ehrenamtlicher, zusätzliches Betreuungspersonal (50%) Hygienische Anforderungen (30%) Besondere Pflegediagnosen, wie Dekubitus und Inkontinenz (100%) Unter der "Ebene Ergebnisqualität" werden folgende Qualitätskriterien geprüft: Pflegerischer und gesundheitlicher Zustand der Bewohner (100% 7 ) Verpflegung (100%) Aktivierung und Mobilisierung (100%) Betreuung und Versorgung dementer Bewohner (100%) Grad der Übereinstimmung der Pflegeergebnisse und der Pflegeziele Berücksichtigung individueller Wünsche und Bedürfnisse 4 Wegen der Fülle an Kriterien sind diese inhaltlich zusammengefasst. 5 Die Prozentzahl drückt den jeweiligen Überschneidungsgrad de Prüfinhalte aus. 6 Die Prozentzahl drückt den jeweiligen Überschneidungsgrad de Prüfinhalte aus. 7 Die Prozentzahl drückt den jeweiligen Überschneidungsgrad der Prüfinhalte aus Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 3
4 Hinsichtlich der einzelnen Prüfbereiche kommt die Analyse zu folgendem Ergebnis: Prüfkriterien von Heimaufsicht und MDK zu 68 % identisch Bei genauer Betrachtung der Prüfinhalte lässt sich zweifelsfrei eine starke Ähnlichkeit der Einzelfragen mit der problematischen Tendenz feststellen, die Qualitätsanforderungen des SGB XI zu übernehmen. Im Bereich der Strukturqualitäten liegen die meisten Überschneidungen vor, da nahezu 90 % der Kriterien identisch sind. Die Einzelfragen zur Erfassung der Merkmale sind in den Prüfanleitungen lediglich anders formuliert und strukturiert. Bei der Prozessqualität sind mit etwa 40 % identische Kriterien die wenigsten Dopplungen vorhanden. In der Ebene der Ergebnisqualität werden mit 75 % ebenfalls mehrheitlich Kriterien doppelt geprüft. Darüber hinaus ist die Bewohnerbefragung nahezu identisch. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Prüfbereiche 1, 2, 4 und 5 zu ca. 75 % identisch zu den Fragen des MDK sind, Prüfbereich 3 in etwa 50 % der Fragen identisch mit den Fragen des MDK ist, Prüfbereich 6 zu etwa 25 % bereits durch den MDK gedeckt wird, Prüfbereich 7 in fast 100 % der Fragen identisch zur MDK Anleitung ist und die Prüfbereiche 8 und 9 durch den MDK nicht abgedeckt werden. Abbildung 1: Ergebnis Vergleich der Prüfinhalte Heimaufsicht und MDK, Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 4
5 Prüfbereiche Heimaufsicht Umfang Überschneidung mit MDK Grad der Überschneidung 1. Strukturdaten/ Personal 6 Seiten 75 % 2. Qualitäts-/Beschwerdemanagement/ Organisation 7 Seiten 75 % 3. Unterkunft/ Wohnen 4 Seiten = 50 % 4. Bewohnervisite/ Pflege/ Bewohnergespräch 27 Seiten 75 % 7. Verpflegung/ hauswirtschaftliche Versorgung Überscheidungsgrad: < = sehr hoch = hoch = = mittel = niedrig = sehr niedrig 5. Betreuung/ Aktivierung 3 Seiten 75 % 6. Hygiene/ Infektionsschutz/ Medikamente 9 Seiten 25 % 3 Seiten < 100 % 8. Mitwirkung 1 Seite 0 % 9. Verhältnis Entgelt-Leistung/ Spenden 1 Seite 0 % Tabelle 2: Prüfbereiche und Überschneidungsgrad in % Der Fragenkatalog der Heimaufsicht prüft "weitere" Bereiche, die seitens des MDK nicht erfasst werden. Dazu zählen bspw. das Notfallmanagement, die Mitwirkungsrechte des Heimbewohners, das Verhältnis zwischen Entgelt-Leistung und Spenden und die Hauswirtschaftliche Versorgung. Darüber hinaus fokussiert die Heimaufsicht Kriterien hinsichtlich der Hygiene und der Dokumentation. Durch die aktuell vorgenommene Änderung der Einheitlichen Prüfkriterien für die Heimaufsicht des Landes Baden-Württemberg zum sind 40 weitere Kriterien hinzugekommen. Zentral wurde das Thema Zahnpflege und versorgung neu aufgenommen. Der überwiegende Anteil der weiteren Fragen bezieht sich auf Kriterien, die die Ergebnisqualität fokussieren. Auch diese (neuen) Kriterien setzen die problematische Tendenz fort, fast ausschließlich die Qualitätsanforderungen des SGB XI fort zu schreiben. Die Analyse der Prüfgrundlagen von Heimaufsicht und MDK zeigen auf, dass 68% der Qualitätskriterien identisch sind. Die Diskussion um einen Abbau von Regelungen, Bürokratie und Verwaltungsaufwand gewinnt bei der Betrachtung der vorliegenden Ergebnisse zunehmend an Aufmerksamkeit und Bedeutung. Allenthalben wird ein Übermaß an Regulierung und Bürokratie beklagt. Der PARITÄTISCHE Baden- Württemberg sieht zwar für das Handlungsfeld der vollstationären Versorgung eine grundsätzliche Notwendigkeit, komplexe Prozesse mit Hilfe von Regelungen und Vorschriften zuverlässig, rational begründet und damit qualitätsvoll zu gestalten. Allerdings darf es nicht zu Überregulierungen kommen. Diese können - wie in diesem Falle - bei der Anwendung von Regelungen auftreten. Diese können 2012 Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 5
6 daher neben den beabsichtigten Effekten der Nachvollziehbarkeit, Zuverlässigkeit und Qualität auch unerwünschte Nebeneffekte besitzen. Beispiel hierfür sind etwa der mit ihrer Befolgung verbundene zeitliche Aufwand bei den Prüfungen durch MDK und Heimaufsicht. Für solche Widersprüche verwendet die kritische Öffentlichkeit den Negativbegriff der Bürokratie. Entbürokratisierung wäre dann als die Aufforderung zu verstehen, derartige Regelungen und Vorschriften namhaft zu machen, die gegenwärtig den Pflegealltag zusätzlich erschweren. Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg hat sich dieser Problemstellung angenommen und sieht seinen Auftrag darin, Entbürokratisierungspotenziale und notwendigkeiten zu identifizieren und Vorschläge zur Verbesserung zu erarbeiten. In diesem Sinne trägt die Analyse der Prüfgrundlagen zur Diskussion über die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und der Novellierung des Landesheimgesetztes in Baden-Württemberg bei. In seinen Positionen der Altenhilfeträger im Paritätischen zur Überarbeitung des Landesheimgesetzes (LHeimG) vom ( fordert der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg daher: 1. Das LHeimG muss ermöglichen, dass die Prüfung inhaltlich beschränkt sowie von der jährlichen Prüfungspflicht abgewichen werden kann, wenn Ergebnisse aus anderen Prüfungen (z.b. durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung) vorliegen und diese darauf schließen lassen, dass die ordnungsrechtlichen Anforderungen erfüllt sind. 2. Das LHeimG sieht die Pflicht der Heimaufsichtsbehörden zur zeitlichen und inhaltlichen Abstimmung der Prüfungen mit anderen Prüfinstitutionen vor. 3. Das LHeimG koordiniert die Prüfungen zu den Feldern Hygiene, Brandschutz, Arbeitsschutz und Medizinprodukte sowie Trinkwasser. Durch die vorgelegten (neuen) Prüfkriterien für die Heimaufsicht des Landes Baden-Württemberg verstärkt sich insgesamt vor allem die Tendenz auch vor dem Hintergrund der Entbürokratisierung und Zusammenarbeit der Prüfbehörden die Qualitätsanforderungen des SGB XI zu übernehmen. Insgesamt hat sich in der Praxis trotz der Verpflichtung zur Kooperation gezeigt, dass Inhalte und Qualität der Kooperationen stark von regionalen Besonderheiten geprägt werden. Solange die Frage der Zusammenarbeit zwischen Heimaufsicht und MDK nicht im Sinne einer sinnvollen Aufgabenteilung geklärt ist, werden mehr und/oder erhöhte Anforderungen (durch die Heimaufsicht) nicht zu mehr (Pflege-) Qualität führen Vergleich Prüfungen MDK und Heimaufsicht Baden-Württemberg 6
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