Hilfe für gewichtige Fälle: Das Präventionskonzept TOPAS_R
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- Tobias Sven Schulz
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1 Veranstaltungsdokumentation zum BGW forum 2013 Gesundheitsschutz in Krankenhaus und Klinik Hamburg, 2. bis 4. September 2013 Workshop E3 Hilfe für gewichtige Fälle: Das Präventionskonzept TOPAS_R Bernd Fischer Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Dresden Hinweis: Dieser Fachbeitrag liegt in der Verantwortung der Autorin oder des Autoren. Die wichtigste Ressource im Unternehmen sind motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen und dauerhaft gesund und leistungsfähig bleiben. Beschäftigte in der Pflege und Betreuung leiden allerdings häufig an Muskel-Skelett- Erkrankungen. Vor allem beruflich bedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule werden sehr oft der BGW gemeldet. Rückenbeschwerden haben viele Ursachen: In der Pflege und Betreuung gehören dazu das Bewegen von Patienten oder Bewohnern, das Heben und Tragen von Lasten, einseitige Arbeitshaltungen, ungünstige ergonomische Bedingungen, fehlende Hilfsmittel, fehlendes Personal und Zeitdruck. Wie in anderen Industrieländern nimmt auch in Deutschland der Anteil der Menschen mit Übergewicht kontinuierlich zu. Etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung gilt nach dem Body- Mass-Index (BMI) bereits als übergewichtig. In der Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen treffen wir dabei den höchsten Anteil an (9). So kommt es auch in der Kranken- und Altenpflege immer häufiger vor, dass Menschen behandelt oder gepflegt werden, die übergewichtig sind und zum Teil weit mehr als 100 Kilogramm wiegen. In Einzelfällen bringen Patienten über 300 Kilogramm auf die Waage. Bei den extrem übergewichtigen Personen wird jedem schnell klar, dass hier besondere technische Maßnahmen notwendig sind, um die Patienten sicher zu bewegen. Problematisch ist im Alltag aber bereits der Bereich knapp oberhalb des Durchschnittsgewichts. Davon abgesehen, dass Studien gezeigt haben, dass auch schon das Bewegen von durchschnittlich schweren Menschen für die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule ein hohes Schädigungspotenzial haben kann (4, 5, 6), steigen die Belastungen bei der Behandlung und Pflege von übergewichtigen Menschen für Pflegekräfte in der Regel mit zunehmendem Körpergewicht Seite 1 von 5
2 weiter an. Selbstverständlich hat dabei die Arbeitsweise einen Einfluss auf die Belastung. In einer Studie zeigte sich aber auch, dass die Arbeit zu zweit keineswegs zu der gewünschten Belastungsreduktion führt (7). Von besonderem Einfluss auf die Lendenwirbelsäulenbelastung der Pflegenden war beispielsweise neben dem Patientengewicht auch die Körperform der Pflegeempfänger. So sind bei gleichem Gewicht größere Patienten weniger belastend zu bewegen als kleinere Patienten. Insgesamt bestätigt die Studie die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen, nach denen nur eine sinnvolle Zusammenführung von Maßnahmen auf unterschiedlichen Handlungsebenen zu einer nachhaltigen Entlastung der Pflegenden führen kann (7). Nicht zu vergessen sind psychosoziale Belastungen zum Beispiel durch die Zuschreibung auch als sozial schwierige Patienten, die bei den Pflegenden Abwehrreaktionen hervorrufen (8). Einzelne Maßnahmen, wie sie in vielen Einrichtungen oder auch von einigen Pflegekräften durchgeführt werden, bringen häufig nicht die erhofften Verbesserungen, weil sie nicht in ein Konzept eingebettet sind (3). Dies führt dann in der Folge zu Unmut und Resignation sowohl bei Beschäftigten als auch bei Unternehmern (2). Die BGW unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen mit dem Konzept TOPAS_R (1). Das Konzept hilft, die Ursachen von Rückenbeschwerden im Unternehmen zu analysieren und geeignete Präventionsmaßnahmen auch im Umgang mit Schwergewichtigen zu planen. Der Belastung soll auf verschiedenen Ebenen begegnet werden. TOPAS_R steht für: technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen im Arbeitsschutz zur Prävention von Rückenbeschwerden. Das Konzept basiert auf dem Wissen, dass es bei Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung eine Hierarchie in der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen gibt. Demnach ist eine Arbeitssituation immer nach drei Ebenen zu analysieren, und in einer festgelegten Reihenfolge sind technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Dabei werden die folgenden Handlungsebenen in den Blick genommen: Technisch/bauliche Ebene: Effiziente Prävention von Rückenbeschwerden beginnt damit, dass Sie die baulich-technischen Voraussetzungen in Ihrem Betrieb beurteilen und verbessern. Dazu gehören unter anderem die ergonomische Gestaltung der Pflegezimmer, Bäder, Ver- Seite 2 von 5
3 kehrswege und Dienstzimmer sowie die Ausstattung mit kleinen und technischen Hilfsmitteln. Zu den technischen Hilfsmitteln gehören Patientenlifter, Aufstehhilfen und elektrisch verstellbare Pflegebetten. Ohne solche technischen Voraussetzungen können schwergewichtige Patienten gar nicht angemessen gepflegt werden. Organisatorische Ebene: Als organisatorische Voraussetzungen für rückengerechtes Arbeiten sind zum Beispiel effektives Gestalten von Arbeitszeiten, Dienstplänen, Arbeitsabläufen und Arbeitsorganisation wichtig sowie die Personalentwicklung und Qualifikation. Auch das Anschaffen, Warten und Prüfen der Hilfsmittel ebenso wie das fachgerechte Einweisen muss sichergestellt werden. Nur wenn entsprechende Ausstattungen und Hilfsmittel vorhanden sind, können schwergewichtige Patienten von der Einrichtung aufgenommen werden. Personenbezogene Ebene: Erst wenn die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen geschaffen sind, können personenbezogene Maßnahmen wie die Schulung zu Bewegungsmustern und rückengerechter Arbeitsweise nachhaltig wirken. Natürlich spielen auf dieser Ebene neben den persönlichen Qualifikationen der Pflegenden auch deren physische und psychische Ressourcen eine Rolle. Dazu gehört eine gesundheitsbewusste Lebensweise. Aber auch so einfache Dinge wie das Tragen geeigneter Arbeitsschuhe bilden eine wichtige Voraussetzung für eine rückengerechte Arbeitsweise. Zusammengenommen ist TOPAS_R ein systemisches, ganzheitliches, integratives und praxistaugliches Konzept zur Prävention von Rückenbeschwerden: systemisch: Es berücksichtigt alle Elemente des Arbeitssystems von den Arbeitsräumen über die Ablauforganisation bis zur Mitarbeitermotivation in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung in einer aufeinander aufbauenden Reihenfolge. ganzheitlich: Es verzichtet auf isolierte Einzelmaßnahmen und nutzt die Synergieeffekte unterschiedlicher Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen und das Verhalten der Beschäftigten einbeziehen. So nimmt es eine Pflegesituation in ihrer Gesamtheit in den Blick. integrativ: Es wurde aus der Praxis entwickelt und verbindet die Erkenntnisse anerkannter und erprobter Konzepte wie Bobath, Kinästhetik, Rückenschule, rückengerechter Seite 3 von 5
4 Patiententransfer mit dem angepassten Einsatz von Hilfsmitteln zu einer Präventionsstrategie. praxistauglich: Erfahrungen der Betriebe zeigen, dass TOPAS_R Rückenbelastungen deutlich reduzieren kann. TOPAS_R ist ein Konzept, das von allen Unfallversicherungsträgern anerkannt wird. Es bildet die Grundlage aller Präventionsangebote der BGW. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Umgang von schwergewichtigen Patienten zeigt sich, dass nur in einer konsequenten Anwendung des multimodalen systematischen Ansatzes eine gesundheitsgerechte Arbeit für Pflegende möglich ist. Die BGW tritt mit diesem Konzept ein für rückenfreundliche und altersgerechte Arbeitsbedingungen, höhere Motivation, mehr Engagement und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten, ein gutes Betriebsklima und nicht zuletzt eine bessere Pflegequalität und wirtschaftlichen Erfolg durch gesundes Personal. Zur Unterstützung der Betriebe bietet die BGW Produkte zur Information, zur Beratung und Seminare an. Darüber hinaus gibt es Projekte zur Intervention in den Einrichtungen selbst und Angebote der sekundären Individualprävention. Literatur: (1) Baum F, Beck B, Fischer B, Glüsing R, Graupner I, Kuhn S, Müller A, Stabel S, Wortmann N: Prävention von Rückenbeschwerden: TOPAS_R Konzept der BGW für Pflege und Betreuung. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg 2012 (2) Fischer B: Erfahrungen mit dem TOPAS_R-Konzept bei der Beurteilung physischer Risiken in Deutschland. In: INQA (Hg.): Tagung Ergonomisches Patientenhandling. INQA-Bericht-Band 40: 2010 (3) Flothow A: Neuere Ergebnisse der Evidence-basierten Evaluation. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Rückenschule? Institut für Gesundheitsmanagement. Hamburg (o. J.) Seite 4 von 5
5 (4) Jäger M, Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A: Dortmunder Lumbalstudie 3: Patiententransfer, Teil 1: Entwicklung und exemplarische Anwendung der Methodik. Aachen 2003 (5) Jäger M, Theilmeier A, Jordan C, Luttmann A: Dortmunder Lumbalstudie 3: Patiententransfer, Teil 2: Belastungskennwerte von sicher gefährdenden Tätigkeiten im Sinn der Berufskrankheit Aachen 2005 (6) Jäger M, Theilmeier A, Jordan C, Luttmann A: Dortmunder Lumbalstudie 3: Patiententransfer, Teil 3: Biomechanische Beurteilung von Tätigkeiten im Gesundheitsdienst hinsichtlich der Möglichkeiten zur Prävention von Gefährdungen der Wirbelsäule. Aachen 2008 (7) Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A, Jäger M, in Koooperation mit Wortmann N, Kuhn S, Beck B, Frenk D: Biomechanische Bewertung der Belastung der Lendenwirbelsäule von Pflegepersonen beim Bewegen von schwergewichtigen Patienten. Schlussbericht zum Forschungsvorhaben Schwergewichtige Patienten in der Pflege. IfADo, Dortmund 2012 (8) Kissling A: Betriebliche Prävention zur Reduzierung von physischen und psychosozialen Belastungen bei der Pflege adipöser Patienten. Unveröffentlichte Prüfungsarbeit, Berlin 2010 (9) Statistisches Bundesamt: Ergebnisse der Mikrozensus-Zusatzbefragung Gesundheit. Bonn 2009 Seite 5 von 5
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