Mobbing was Eltern tun können

Transkript

1 Mobbing was Eltern tun können Schulpsychologische Beratungsstelle Pforzheim, Maximilianstr. 46, Pforzheim

2 Fragen, die am Ende beantwortet sein sollen Welche Rolle haben wir als Eltern im Zusammenhang mit Mobbing? Welche Fallstricke bestehen, wenn wir als Eltern aktiv werden? Wie können wir unsere Kinder unterstützen? Wie kommen wir mit den Lehrkräften in ein konstruktives Gespräch?

3 Mythen und Irrtümer über Mobbing Mobbing ist ein harmloser Streit, den Mädchen und Jungen am besten unter sich klären sollen. Mobbing ist eine Angelegenheit zwischen Täter/n und Opfer. Verbale Beleidigungen sind nicht so schlimm wie körperliche Verletzungen. Mobbingopfer sind oft mit Schuld daran, dass sie gemobbt werden. Mobbing macht stark fürs spätere Leben. Ich kann erst gegen Mobbing etwas tun, wenn ich eindeutige Beweise habe. Am besten ist es, wenn die Eltern betroffener Schüler/innen direkt auf die Täter-Eltern versuchen einzuwirken. 3

4 Definition von Mobbing Wiederholte, über einen längeren Zeitraum systematisch-planvolle Handlungen eines Einzelnen oder häufiger einer Gruppe gegenüber einer Einzelperson (selten gegenüber mehreren) mit dem Ziel, diese aus der Gesamtgruppe herauszudrängen Diese Person hat kaum mehr die Möglichkeit, sich aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien. 4

5 Abgrenzung zu Konflikten Konflikt: Macht ist gleich verteilt Meinungsverschiedenheit beide Seiten fühlen sich nicht gut. beidseitiges Bemühen um Problemlösung Mobbing: Machtgefälle Schädigung wird leichtfertig in Kauf genommen, Wunsch nach Macht und Kontrolle, materielle Motive Opfer leidet, Täter triumphiert keine Bemühungen der Mobber, das Problem zu lösen 5

6 Formen von Mobbing Tätlich: schlagen, treten, Bein stellen, foulen, sexuell belästigen, erpressen gegen Sachen: wegnehmen, beschädigen, verstecken, beschmutzen, Psychisch: soziales Ausschließen, verbale Aggression, Gerüchte verbreiten, abwertende Gesten, verletzende Bemerkungen, Informationen zurückhalten,... 6

7 Mobbing als Gruppenphänomen: Opfer Beteiligte und Dynamik Betreiber / Täter / Anführer Mitläufer Zuschauer, Wegschauer > Möglichmacher Mobbing kann sich nur im Rahmen einer sozialen Arena entfalten Zuschauen wirkt verstärkend für die Anführer Keiner ist unbeteiligt am Mobbing, Jede/r ist verantwortlich! 7

8 Woran kann ich Mobbing erkennen? Erzählungen des Kindes / Jugendlichen Beobachtungen / Berichte durch Dritte Körperliche Verletzungen Psychische Beeinträchtigungen und Störungen: Konzentrations- / Leistungsschwäche, Schlafstörungen,, Angst, Depression, Selbstmordgefährdung Psychosomatische Beschwerden, z.b.: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kreislaufprobleme, Schmerzen, häufige Infekte, allergische Reaktionen Verhaltensauffälligkeiten, z.b.: Notenabfall Schulunlust immer weniger Kontakt mit Klassenkameraden (Gruppenarbeiten, Sport, Umkleide, Pausen,.) verliert häufig Geld oder andere Dinge beginnt zu stottern zieht sich zurück 8

9 Weshalb wird Mobbing oft erst spät erkannt? Die Schüler/innen wollen nicht als Petze dastehen und befürchten, dass sie dann noch weiter ausgegrenzt würden. Die Schüler/innen denken nicht selten, dass es an ihnen selbst liegt und suchen die Schuld bei sich. Aus Scham, sich nicht selbst wehren zu können, suchen sie keine Hilfe bei Erwachsenen. Die Symptome (z.b. unspezifische Stresssymptome) können auch anderen Ursachen zugeordnet werden. Da es sich bei Mobbing um einen fortschreitenden Prozess handelt, ist die Entwicklung eher schleichend denn plötzlich. Kinder sprechen Mobbing oft nicht als solches an. Leise Signale werden nicht erkannt. 9

10 Zum Umgang mit dem Modewort und Reizwort Mobbing Die Praxis zeigt: Der Begriff wird inflationär gebraucht und befördert damit eine Abstumpfung gegenüber entsprechenden Gewaltphänomenen. Der Begriff befördert Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, Erklärungen etc. und trägt nicht selten zu einer Eskalation des Geschehens bei. Deshalb ist empfehlenswert auf Interpretationen, Wertungen und Beschuldigungen zu verzichten und stattdessen: o von der eigenen Sorge, der eigenen Wahrnehmung und von den eigenen Beobachtungen auszugehen und o konkrete Verhaltensweisen zu beschreiben, die unerwünscht bzw. erwünscht sind. 10

11 Mobbing nachhaltig begegnen als gemeinsame Aufgabe von Schule und Elternhaus Mobbing muss frühzeitig von Erwachsenen gestoppt werden. In der Schule sind die Lehrkräfte diejenigen, die dafür Sorge zu tragen haben, das Mobbing wirksam gestoppt wird. Wesentlich ist die Abstimmung einer gemeinsamen pädagogischen Strategie und achtsamen Sorge. Eltern sollten die Autorität der Schule unterstützen und ihr Kind aufmerksam begleiten und stärken. Bei Hinweisen auf Mobbing sollten sie das Gespräch mit Lehrkräften suchen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus im Zusammenhang mit Mobbing ist zentral. 11

12 Handlungsansätze der Schule im konkreten Mobbingfall Den Königsweg gegen Mobbing gibt es nicht. In der Praxis haben sich jedoch mehrere Handlungsansätze bewährt, um Mobbing zu begegnen. Die Auswahl und Anpassung der konkreten Vorgehensweise sollte vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Unterstützung können die Lehrkräfte bei den Beratungsstellen bekommen. Wichtig ist, eine gemeinsame pädagogische Strategie abzustimmen. 12

13 Handlungsansätze der Schule in der Mobbingprävention Am nachhaltigsten kann Mobbing im Rahmen eines Präventionskonzepts begegnet werden, das auf drei Ebenen ansetzt: 1. einzelne/r Schüler/in 2. Klassenebene 3. Schulebene Ausgewählte Lernfelder: Sozialverhalten Konflikt- und Streitschlichtungskompetenz Partizipationskompetenz und Demokratiefähigkeit Medienkompetenz 13

14 Ansprechpartner / Unterstützer für die Eltern Innerschulische Ansprechpartner: 1.) Klassenlehrkräfte 2.) Beratungslehrkräfte oder Schulsozialarbeiter/innen 3.) Schulleitung Bei Bedarf weitere Unterstützungssysteme einschalten: Schulpsychologische Beratungsstelle Erziehungs- und Familienberatungsstellen in schweren Fällen: Polizei > Anzeige Bleiben Sie mit Ihren Sorgen nicht allein! Suchen Sie frühzeitig und verbindlich den Kontakt zur Schule und zu Fachleuten und beraten Sie mit diesen, wie Sie schrittweise vorgehen können! Besprechen Sie alle Schritte mit ihrem Kind! 14

15 Was kann schiefgehen, wenn Eltern handeln? Die Eltern des Opfers sind oft ratlos, was da mit ihrem Kind geschieht. Sie werden häufig nicht genauer eingeweiht, weil sich das Opfer schämt, seine Demütigungen offen zu legen. Oft spielen sie die Leiden aus Hilflosigkeit herunter und geben ihren Kindern Ratschläge, die nicht wirklich nutzen. Sie sind hilflos, weil sie auf das Geschehen zwischen SchülerInnen keinen Einfluss haben. Sie können am Ort des Geschehens ihrem Kind nicht helfen. Sie verzweifeln, wenn ihr Kind leidet und immer mehr vom Mobbing betroffen ist. Häufig greifen sie aus Verzweiflung die Mobber bei deren Eltern oder den Lehrern an, mit dem Erfolg, dass die Mobber nicht selten dadurch sogar gestärkt werden. Eltern von Mobbern wollen nicht wahrhaben, welch niederträchtige Verhaltensweisen ihre Kinder zeigen können. Im Gespräch leugnen sie daher oft die Tatsachen. 15

16 Wie kann ich mein Kind begleiten und stärken? Beschreiben Sie Ihrem Kind, welche Veränderungen Sie wahrnehmen. Bewerten Sie das Verhalten Ihres Kindes nicht. Lassen Sie Ihrem Kind im Gespräch Zeit, drängen Sie es nicht. Nehmen Sie ihr Kind in den Arm, zeigen Sie ihm auch körperlich Zuwendung. Helfen Sie Ihrem Kind Einsicht zu gewinnen, dass die Mobber sich schlecht verhalten und nicht ihre Opfer Fehler machen. 16

17 Wie kann ich mein Kind begleiten und stärken? Geben Sie nicht Lösungen vor, sondern fordern Sie Ihr Kind auf, selbst aktiv zu werden, Lösungen zu bedenken. Nehmen Sie negativ verzerrte Wahrnehmungen Ihres Kindes (alle sind gegen mich) nicht hin, sondern versuchen Sie sie durch konkretes Nachfragen aufzubrechen. Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass Sie uneingeschränkt hinter seiner Person stehen! Nehmen Sie ihr Kind ernst! Spielen Sie sein Leid nicht herunter! 17

18 Wie kann ich mein Kind begleiten und stärken? Trösten Sie ihr Kind und zeigen Sie Mitgefühl, aber zerfließen Sie nicht in Mitleid! Unterstützen Sie Ihr Kind bei den Schritten, die es selbst gehen kann! Bleiben Sie zuversichtlich, dass es gelingt, das Mobbing zu beenden! Bleiben Sie an der Seite Ihres Kindes, bis das Mobbing aufgehört hat! 18

19 Wie kann ich die Lehrkräfte für die Situation sensibilisieren und in die gemeinsame Verantwortung nehmen? Dynamik der Gesprächssituation Sachinhalt: Unser Kind wird gemobbt. Eltern Individ. Hintergrund und aktuelle Gefühle: z.b: Not Wut Druck Enttäuschung Hoffnung Unser Kind wird gemobbt. Selbstoffenbarung, z.b.: Wir sind wütend/enttäuscht. Wir machen uns Sorgen. Beziehung, z.b.: Sie haben versagt. Ich traue Ihnen zu, dass Sie helfen können. Appell, z.b.: Sorgen Sie dafür, dass die Mobber gestoppt werden! Helfen Sie uns, dass sich unser Kind wieder wohl fühlt. Lehrkraft Indiv. Hintergrund und aktuelle Verfassung: z.b: Unwissen Hilflosigkeit Scham Druck Anspruch Offenheit