REIZDARM - WENN DER DARM ZUM FEIND WIRD -
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- Detlef Böhm
- vor 7 Jahren
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1 REIZDARM - WENN DER DARM ZUM FEIND WIRD - Dr. med. Ralf Kurz FMH Gastroenterologie FMH Innere Medizin REIZDARM ich habe soviel Angst vor Durchfall, dass ich mich kaum mehr aus dem Haus traue..!..hoffentlich gibt es da eine freie Toilette....es geht irgendwie nur noch mit Abführmitteln. schön, dass er mich zum Essen eingeladen hat, aber ich kriege doch so häufig Bauchkrämpfe danach, eigentlich habe ich keine Lust 1
2 REIZDARM DEFINITION Chronische, mehr als 3 Monate (im Jahr) auftretende, auf den Darm bezogene Beschwerden ( Schmerzen, Krämpfe), die mit einer Änderung der Stuhlfrequenz oder konsistenz einhergehen (Durchfall oder Verstopfung oder beides im Wechsel), welche die Lebensqualität des Patienten deutlich beeinträchtigen, die sich oft (aber nicht immer) nach dem Stuhlen bessern, und bei denen andere Krankheiten mit ähnlichen Beschwerden ausgeschlossen wurden WIE HÄUFIG IST EIN REIZDARM Keine neue Krankheit, bereits von Hippokrates v. Kos ca. 420 v. Chr. beschrieben In westlichen Ländern leiden zwischen 5% und 30% der Bevölkerung zumindest zeitweise an Reizdarm-Symptomen Bereits bei Kindern vorkommend, zumindest bis zum 50. Lebensjahr bei Frauen häufiger 2
3 WELCHE RELEVANZ HAT EIN REIZDARM? Sehr hohe Beeinträchtigung der Lebensqualität bei den Betroffenen, wird schlimmer empfunden als das Spritzen und Messen beim insulinpflichtigen Diabetiker. Sehr hohe Kosten durch Diagnostik und Therapie. Pat. mit Reizdarm zeigen viel häufiger eine Entfernung des Blinddarms, der Gallenblase, der Eierstöcke und der Gebärmutter Pat. mit Reizdarm werden viel häufiger wegen Depressionen und burn-out behandelt KEIN REIZDARM BEI ALARMSYMPTOMEN Gewichtsabnahme Appetitverlust neu, z.b. auf Wurst oder Fleisch Rasche Verschlechterung des Befindens Nachtschweiss ausgeprägt über viele Tage Zunehmende Schmerzen und Beschwerden Diese Symptome deuten auf etwas Ernsteres hin, leider aber schliesst deren Fehlen etwas Ernstes nicht aus ( > deshalb z.b. Vorsorge beim Frauenarzt und Vorsorge-Darmspiegelung) 3
4 GRÜNDE FÜR DAS ENTSTEHEN EINES REIZDARMS 1 Erhöhte Durchlässigkeit der Schleimschicht und der innersten Zell-Lagen der Darmwand aus noch unklaren Gründen > Bakterien haben engeren Kontakt zum körpereigenen Immunsystem, dieses erzeugt eine Mikroentzündung der Darmwand Erhöhung der Sensitivität (also der Wahrnehmung des Darmes durch unser Nervensystem) GRÜNDE FÜR DAS ENTSTEHEN EINES REIZDARMS 2 Veränderung der Motorik des Darmes in allen Qualitäten (Beschleunigung > Durchfall, Verlangsamung > Verstopfung, Tonuserhöhung > Krämpfe) Veränderte Zusammensetzung der Darmflora (bei vielen Reizdarmpatienten sind Bifidusbakterien im Stuhl erniedrigt) 4
5 GRÜNDE FÜR EIN ENTSTEHEN EINES REIZDARMS 3 Wie diese einzelnen Befunde sich gegenseitig bedingen, ist Gegenstand intensiver Forschung. Stress ist kein Auslösemechanismus, aber umgekehrt macht Reizdarm Stress Oft Auftreten nach bakteriellen Durchfallserkrankungen ( Reisedurchfall) Oft Auftreten nach Antibiotika - Therapien. REIZDARM ABKLÄREN! Wichtig ist vor allem, andere behandelbare Erkrankungen auszuschliessen, die zusammen mit einem Reizdarm auftreten können und ähnliche Symptome verursachen. 5
6 EINIGE URSACHEN FÜR DURCHFALL Infekt des Darmes mit Bakterien, Parasiten, Viren Zoeliakie Kolitis Ulcerosa, Morbus Crohn, mikroskopische Kolitis Zuckerresorptionsstörungen Medikamenten Nebenwirkungen Verminderte Resorption von Gallensäuren Schilddrüsenüberfunktion Bauchspeicheldrüsenerkrankungen Tumoren oder Polypen im Darm Nahrungsmittelallergien Stuhlinkontinenz ( ist kein Durchfall, aber oft als solcher geschildert) Und vieles mehr URSACHEN FÜR DARMSCHMERZEN Kolitis Ulcerosa, Morbus Crohn Divertikelentzündung Durchblutungsstörungen Verwachsungen Eierstocksprozesse und Endometriose Angeborene Enzymdefekte (C1-esterase- Inhibitor-Mangel oder Porphyrie), die oft nur nach Einnahme mancher Medikamente auftreten und vieles mehr 6
7 URSACHEN FÜR VERSTOPFUNG Langsame Darmtätigkeit - Schilddrüsenunterfunktion - Medikamente ( Schmerzmittel) Enger Darm - Divertikelkrankheit - Polypen oder Tumoren im Darm - Verwachsungen Stuhlentleerungsstörungen z.b. durch Senkungen des Beckenbodens (häufig!) URSACHEN FÜR BLÄHUNGEN Zuckerresorptionsstörungen Verwachsungen Abführmittel Bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarmes 7
8 ZUCKERRESORPTIONSSTÖRUNGEN Sehr häufig, ca. 20% der Bevölkerung Typisch sind Blähungen und Schmerzen min nach dem Essen, z.t. mit Durchfällen. - Laktoseintoleranz (Milchzucker) - Fruktosemalabsorption ( Fruchtzucker) - künstliche Süss-Stoffe (Sorbitol) Sind durch Diät behebbar, bei Laktoseintoleranz Medikament Lacdigest WIE DIAGNOSTIZIERT MAN EINEN REIZDARM? Ausschluss der Differentialdiagnosen durch - Anamnese und klinische Untersuchung - Ev. Ernährungstagebuch der Patientin/ des Patienten - Laboruntersuchungen Blut - Laboruntersuchungen Stuhl - Bei Blähungen H2 Atemteste Laktose und Fruktose, ggf. Sorbit - Ultraschall Bauch - Gyn. Untersuchung bei Frauen - Sehr häufig Darmspiegelung, manchmal Magenspiegelung - Kolontransitzeitbestimmung bei Bedarf - Manchmal Hydro-MRI des Dünndarms 8
9 THERAPIE DES REIZDARMS Symptome bessern sich nach Monaten oder Jahren manchmal von alleine Beruhigung von Patientin/ Patient und Arzt durch exakte Diagnostik ( es ist nichts anderes ) Damit verbunden Stressabbau für Patient und dessen Angehörige Wichtig auch zur Unterbrechung von seelisch projizierten Beschwerden wie - Es liegt mir ein Stein im Magen, ich kriege schon Bauchschmerzen und Schiss, wenn ich nur daran denke THERAPIE REIZDARM 2 Ernährungsumstellung: - Meiden von blähenden Speisen und zu viel rohem Obst. Achtung: auch Ballaststoffe blähen, wenn zu viel eingenommen! - Meiden der Dinge, von denen man glaubt, sie tun nicht gut und schauen nach 2-4 Wochen, welchen Effekt das hat 9
10 THERAPIE REIZDARM DURCH MEDIKAMENTE Zuordnung zu einer Gruppe - überwiegend Verstopfung - überwiegend Durchfall - überwiegend Blähungen / Schmerzen und medikamentöse Therapie des jeweiligen Hauptsymptoms. Oft Kombinationstherapien notwendig THERAPIE ALTERNATIVE METHODEN1 Gute Daten für Instillation von Fremdstuhl ( Stuhltransplantation ) Patient leert und reinigt seinen Darm durch massives Abführen und erhält dann oft im Rahmen einer Darmspiegelung den in warmem Wasser aufgeschwemmten Stuhl eines gesunden Menschen (meist Angehörigen) In Europa und den USA illegal (Infektionsgefahr), keine Kostenübernahme durch Krankenkasse. 10
11 THERAPIE ALTERNATIVE METHODEN 2 Bei Blähung/ Schmerz sowie bei Verstopfung helfen Bifidus-Bakterien. ( Das ist ein Millionen-Franken-Markt und wird entsprechend beworben ). - Bifidobakterium bifidus ( Kijimea Reizdarm) - Bifidobakterium Shirota ( Yakult ) - Bifidobakterium infantis ( Align) > Vertrieb über Amazon!! Pfefferminzöl in Kapselform ( Colpermin) THERAPIE ALTERNATIVE METHODEN 3 Besserung durch verschiedene Entspannungstechniken, autogenes Training und Akupunktur beschrieben Zuckerfreie und glutenfreie Kost hilft manchmal, obwohl die Patienten keine Zuckerresorptionsstörung und keine Zoeliakie haben > 4 Wochen ausprobieren! Keine belegten Daten für Colon-Hydro-Therapie und TCM / Kräutermixturen. 11
12 THERAPIE ALTERNATIVE METHODEN 4 Bei der chronischen Verstopfung helfen Quellmittel, Ballaststoffe und nicht resorbierbare Zucker ( Achtung Blähungen! ) und verschiedene sonstige Abführmittel. Hier gibt es seit einigen Monaten neue Medikamente, die man aber letztlich individuell ausprobieren muss. ZUSAMMENFASSUNG Reizdarm bezeichnet eine Symptomatik, deren Ursachen und Zusammenhänge man noch nicht genau versteht und die sich mit Bauchbeschwerden, Durchfällen, Verstopfung oder wechselnden Stuhlqualitäten äussert. Reizdarm ist eine Ausschlussdiagnose, je nach Beschwerden muss zuvor eine ganze Reihe von anderen Krankheiten ausgeschlossen werden. Diese Diagnostik ist wichtig, da einige Krankheiten mit ähnlichen Symptomen gut behandelbar sind und damit nicht schwerwiegende Krankheiten übersehen werden. 12
13 ZUSAMMENFASSUNG Reizdarm ist keine eingebildete Krankheit und beeinflusst deutlich die Lebensqualität der Betroffenen. Man kann meist eine Linderung der Symptome durch eine Kombination von Medikamenten und alternativen Massnahmen erzielen. Die jeweilige Therapie muss recht individuell für den jeweiligen Patienten gefunden und im Verlauf auch angepasst werden. 13
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