Die Benutzung (teil-)autonomer Motorfahrzeuge im Strassenverkehr. Strassenverkehrsrechtstagung. 21. Juni 2016 Thomas Probst
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1 Die Benutzung (teil-)autonomer Motorfahrzeuge im Strassenverkehr aus haftpflichtrechtlicher Sicht 21. Juni Thomas Probst
2 Überblick A. Ausgangslage B. Der Begriff des (teil-)autonomen Motorfahrzeugs (Mfz) C. Die Fahrassistenzsysteme und ihre Einteilung D. Die Zulässigkeit der Verwendung (teil-)autonomer Mfz E. Illustrationsbeispiele F. Die Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz G. Die Produktehaftpflicht des Herstellers (teil-)autonomer Mfz H. Einzelfragen I. Schlussfolgerung
3 I. Ausgangslage A. Fortschreitende Digitalisierung und beschleunigte Robotisierung führen zu zunehmender Autonomisierung der Mfz. B. Was verstehen wir unter Autonomie?
4 II. Begriff des (teil-)autonomen Mfz A. Autonomie: Mfz passt Fahrverhalten eigenständig (= ohne permanente Funktionsbetätigung durch Fahrer) an konkrete Verkehrssituation an. B. Teilautonomie: eigenständiges Fahrverhalten des Mfz ist auf einzelne Fahrfunktionen beschränkt (z.b. konstante Geschwindigkeit heutiger Stand marktfähiger Technik. C. Vollautonomie: Mfz steuert sich selber, benötigt also keinen Fahrer mehr ( Prototypen im Test) mittel- bis langfristiges Ziel
5 III. Einteilung Fahrassistenzsysteme A. Zahlreiche marktfähige Fahrassistenzsysteme (wie Bremsassistent, Fahrspurhalteassistent, Spurwechselassistent) B. Technologische Einteilung Stufe 1: Fahrassistenz Stufe 2: Teilautomatisierung Stufe 3: Hochautomatisierung Stufe 4: Vollautomatisierung Stufe 5: Autonomie C. Juristische Einteilung lenkerunterstützende Fahrassistenzsysteme lenkerkorrigierende Fahrassistenzsysteme lenkersubstituierende Fahrassistenzsysteme
6 III. Einteilung Fahrassistenzsysteme (Forts.) D. Fazit Technologische Einteilung ist aus rechtlicher (also normativer) Sicht nur von beschränktem Nutzen; Relevanter sind eher folgende Fragen: Taugt der Halterbegriff auch bei (teil-)autonomen Mfz? Ab welchem Automatisierungsgrad mutiert der Fahrzeugführer zum blossen Passagier? Kann ein Fahrzeuginsasse für eine gewisse Teilstrecke (z.b. Autobahnfahrt) Passagier und für eine andere FACULTE DE Teilstrecke DROIT (z.b. Stadtverkehr) Fahrzeugführer sein?
7 IV. Zulässigkeit (teil-)autonomer Mfz? A. (Teil-)autonome Mfz unterliegen der Typengenehmigung und der amtlichen Fahrzeugprüfung wie andere Mfz auch. B. Teilautonome Mfz sind de lege lata zulässig (sofern ad hoc- Übersteuerung bzw. generelle Ausschaltung möglich). C. Vollautonome Mfz sind de lege lata nicht zulässig Gesetzesrevision.
8 V. Illustrationsbeispiele A. Beispiel 1: Navigationsgerät lotst Fahrer in falscher Richtung in Einbahnstrasse. B. Beispiel 2: Autonome Notbremsung des Mfz provoziert Auffahrunfall des nachfolgenden Mfz. C. Beispiel 3: Automatische Kollisionsvermeidung (z.b. wegen Fussgänger) führt auf glitschiger Strasse zu Selbstunfall. D. Beispiel 4: Fahrer unterbricht Überholmanöver des Spurwechselassistenten und provoziert dadurch Kollision mit Mfz auf rechter Spur.
9 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz A. Massgebliche Haftungsbestimmungen bei Verkehrsunfall mit (teil- )autonomen Mfz: Art SVG B. Keine Besonderheiten bei (teil-)autonomen Mfz : Art. 58 Abs. 3 SVG (Haftung für Schäden durch Hilfeleistung Dritter) Art. 59 Abs. 4 SVG (Schäden an beförderten Sachen) Art. 62 SVG (Art/Umfang Schadenersatz) C. Potentielle Besonderheiten (teil-)autonomen Mfz : Art. 58 Abs. 1, 2 & 4 SVG Art. 59 Abs. 1 & 2 SVG Art. 60 SVG Art. 61 SVG
10 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) Kausalität: Adäquanz (Verwirklichung der Betriebsgefahr gilt auch für teil- /vollautonome Mfz. D. BETRIEBS-VERKEHRSUNFALL mit einem (teil-)autonomen Mfz (Art. 58 Abs. 1 SVG) Schaden und Widerrechlichkeit Motorfahrzeug: teil-/volltautonome Mfz entsprechen Art. 7 Abs. 1 SVG Betrieb bzw. Betriebsgefahr: teilautonome Mfz: Schädungsrisiko geringer; vollautonome Mfz: dito Halterschaft: tatsächliche Verfügungsgewalt sowi Nutzen & Gefahr auch bei teil-/vollautonomen Mfz massgeblich Fazit: neue Rechtsprobleme sind durch Auslegung de lege lata lösbar.
11 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) E. NICHTBETRIEBS-VERKEHRSUNFALL eines (teil-)autonomen Mfz (Art. 58 Abs. 2 SVG) Nichtbetrieb (maschinentechnisches Kriterium): daher bloss Verschuldens- bzw. einfache Kausalhaftung Fahrassistenzsystem eines teil-/vollautonomen Mfz setzt Fahrzeugbetrieb voraus, bei Nichtbetrieb: kein teil-/vollautonomes Fahrverhalten des Mfz. Fazit: Im Vergleich zu Mfz ohne Fahrassistenzsysteme keine wesentlich neuen Rechtsprobleme.
12 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) F. HILFSPERSONENHAFTUNG bei (teil-)autonomen Mfz (Art. 58 Abs. 4 SVG) Halter hat bei Betriebsunfällen (Art. 58 Abs. 1 SVG) sowie bei Nichtbetriebs- Verkehrsunfällen (Art. 58 Abs. 2 SVG) für schädigendes Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen Bei vollautonomen Mfz kein Lenker mehr, aber Verantwortung des Halters für schadenstiftendes Verhalten von Passagieren (= Hilfspersonen) bleibt Bei teilautonomen Mfz bleibt der Lenker (trotz Fahrassistenzsystemen) Hilfsperson des Halters Fazit: keine grundsätzlich neuen Rechtsprobleme
13 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) G. HAFTUNGSBEFREIUNG und HAFTUNGSERMÄSSIGUNG bei (teil-) autonomen Mfz (Art. 59 Abs. 1 & 2 SVG) Haftungsbefreiung (Abs. 1): Unterbrechung der Kausalität, falls kein Halterverschulden und kein Fahrzeugmangel vollautonomes Mfz: Halterverschulden verliert an Bedeutung, da kein Fahrer mehr; aber andere Hilfspersonen teilautonomes Mfz: Halterverschulden weiterhin von Bedeutung; Haftungsermässigung (Abs. 2): bei Selbstverschulden des Geschädigten, Ermässigung nach richterlichem Ermessen Betriebsgefahr bei (teil-)autonomen Mfz kleiner geringerer Haftungsanteil SchädigerverschuldenRECHTSWISSENSCHAFTLICHE bei (teil-)autonomen FAKULTÄTMfz: Grundsatzfrage: entlasten Fahrassistenzsysteme den Lenker bzw. Halter? lenkerassistierende: nein lenkerkorrigierende: nein lenkersubstituierende: Führer oder Passagier?
14 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) Fazit: neue Rechtsprobleme bei Haftungskollision mit (teil-)autonomen Mfz: Neubeurteilung der Betriebsgefahr, des Schädigerverschuldens und des Selbstverschuldens des Geschädigten. H. SOLIDARHAFTUNG mehrerer Schädiger für Schaden eines Dritten (Art. 60 SVG) Art. 60 SVG als lex specialis zu Art. 51 OR, falls Mfz unfallbeteiligt Regresskriterien: nach Verschulden (unter Mfz-Haltern), sofern nicht nach Betriebsgefahren Geringere Betriebsgefahr bei teil-/vollautonomen Mfz Verschulden: Überwachungspflicht des Lenkers bei Fahrassistenzsystemen? Fazit: keine Gesetzesrevision erforderlich, aber Neubeurteilung der Regresskriterien
15 VI. Halterhaftung bei (teil-)autonomen Mfz (Forts.) Strassenverkehrs - rechtstagung I. HAFTUNGSKOLLISION bei Unfallbeteiligung eines (teil-)autonomen Mfz (Art. 61 SVG) Personenschaden: Haftungsaufteilung zwischen Mfz-Haltern nach deren Verschulden, sofern unterschiedliche Betriebsgefahren nicht andere Aufteilung nahelegen. Betriebsgefahr: bei teil-/vollautonomen Mfz, im Vergleich zu Mfz ohne Fahrassistenzsysteme, geringer. Verschulden: Pflicht des Lenkers zur Überwachung der Fahrassistenzsysteme? Sachschaden: falls Verschuldenshaftung Frage ob Pflicht des Lenkers zur Überwachung der Fahrassistenzsysteme J. GESAMTFAZIT: Benutzung teil-/vollautonomer Mfz erfordert keine Gesetzesrevision (Art SVG) führt aber zu neuen Auslegungsfragen.
16 VII. Produktehaftpflicht des Herstellers A. Hersteller/Importeur haftet für Folgeschäden aus fehlerhaftem Mfz (Art. 1 Abs. 1 PrHG), nicht aber für Schaden am fehlerhaften Mfz selber (Art. 1 Abs. 2 PrHG) B. Von einem (teil-)autonomen Mfz versuchte Sachschäden sind ersatzfähig: Folgeschäden z.b. an Fahrrädern, Motorfahrrädern, idr an Personenwagen nicht ersatzfähig: Folgeschäden an Lastwagen, Lieferwagen, Traktoren etc. C. Fehlerhaftigkeit Mfz: genügt legitimen Sicherheitserwartungen nicht v.a. zwei Fragen: Abgrenzung End-/Teilprodukt Haftung für Programmierung D. Entlastungsgründe des Herstellers, z.b. Mfz war nicht fehlerhaft bei Inverkehrsetzung oder Mfz entsprach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik
17 VIII.Einzelfragen A. Verjährung B. Rückgriff Mfz-Halter auf Mfz-Hersteller C. Selbstunfall
18 IX. Schlussfolgerung A. Art OR bedürfen bis auf Weiteres keiner Gesetzesrevision. B. Die durch die Verwendung (teil-)autonomer Mfz. auftretenden neuen haftungsrechtlichen Fragen lassen sich de lege lata auf dem Weg der Interpretation beantworten.
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