Keine Zauberei Keine Zauberei: Schreiben ist Handwerk
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- Karlheinz Armbruster
- vor 7 Jahren
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1 Keine Zauberei: Schreiben ist Handwerk 43
2 Man muss kein Genie und auch kein Zauberer sein, um einen Schrank zu bauen. Tischlern ist ein Handwerk. Man kann es lernen und üben. Ein Tischler braucht eine solide Ausbildung, passendes Werkzeug, geeignetes Material und eine Vorstellung, wie der Schrank aussehen soll. Damit kann er Schränke herstellen, die nützlich und schön sind und seinen Kunden gefallen. Auch ein Bastler kann zu Hause brauchbare Schränke bauen, wenn er weiß, wie man sägt und fräst, schleift und schneidet,bohrt und schraubt, leimt und hämmert. Wer gelernt hat, wie das geht, kann dann nicht nur Schränke anfertigen, sondern auch Stühle und Tische,Betten und Kommoden. Beim Schreiben ist es ähnlich. Man muss kein Genie sein, um gut zu schreiben. Schreiben ist auch keine Zauberei. Ich vergleiche es Schreiben ist wie Tischlern:Mankann es lernen und üben, aber alles ohne Prüfung.Nur der Leser entscheidet. gerne mit einem Handwerk: Man kann es lernen. Man kann es üben. Und das Schöne ist der Unterschied: Sie müssen keine Prüfung machen. Sie können Ihre Texte nur selbst prüfen. Und noch ein Unterschied: Sie erhalten keinen Meisterbrief von der Handwerkskammer. Allein der Leser entscheidet, ob ein Text gelungen ist oder nicht. Aber auch ohne Meistertitel: Sie können fast alles schreiben, wenn Sie mit dem Werkzeug umgehen können, eine Vorstellung haben, was Sie schreiben wollen und wenn Sie wissen, welches Material Sie einsetzen können. 44
3 Nichts als gute Worte Das wichtigste Material sind die Wörter. Hier passt ein weiterer Vergleich: Wenn Sie eine Spargelsuppe machen wollen, sollten Sie keine Bohnen nehmen. Sonst wird es garantiert eine Bohnensuppe. Nehmen Sie alsonichts als gute Worte, wenn Sie einen guten Text schreiben wollen. Das heißt: treffende Begriffe, unter denen der Leser sich etwas vorstellen kann, und keine steifen, aufgeblähten, bürokratischen Wörter. Die Wörter, die Sie für einen Text nutzen, sind wie die Zutaten eines Essens, wenn Sie kochen. Nach den Wörtern schmeckt der Text: würzig oder abgestanden, saftig oder trocken. Mit anschaulichen Begriffen bringen Sie Leben in den Text, ebenso mit Verben. Wenn Sie außerdem Eigenschaftswörter sparsam einsetzen und Geheimsprache vermeiden, dann haben Sie bei den Zutaten die richtige Wortwahl getroffen. Wörter leben lassen Mein Lieblingsbeispiel für Bürokratensprache habe ich bereits genannt:»fußläufige Fortbewegung auf ebenerdigem Untergrund«. Diese Konstruktion ist umständlich. Das wäre Grund genug, nach alternativen Begriffen zu suchen. Denn gute Worte sind direkt und klar. Vor allem aber klingt diese Formulierung leblos,als ob ein Roboter im Takt über einen Betonboden stolziert. Was stellen Sie sich vor, wenn Sie»fußläufige Fortbewegung auf ebenerdigem Untergrund«lesen? Bringen Sie Leben in Ihre Texte. Wenn Sie lebendige Texte schreiben wollen, dann schreiben Sie anschaulich: Was tut jemand, der sichfußläufig auf ebenerdigem Untergrund fortbewegt? Er wandert 45
4 durch das Gras, geht über eine Straße, läuft durch eine Halle oder marschiert durch den Sand. Merken Sie den Unterschied? Mit den letzten Formulierungen entsteht beim Lesen im Kopf ein Bild davon, was der Mensch tut, über den berichtet wird. Wenn Sie anschauliche Begriffe wählen, lassen Sie den Leser teilnehmen an dem, was Sie beschreiben. Sie können den Leser in den Text hineinziehen, wenn Sie Gegenstände oder Vorgänge beschreiben. Lassen Sie den Leser sehen, hören, fühlen, ja sogar schmecken und riechen, während er liest. Solche Texte machen neugierig und werden gerne gelesen. Sie bringen Leben in Ihre Texte, wenn Sie anschaulich schreiben. Lassen Sie den Leser sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen. Nicht gerne lese ich Texte, die leblos nur nach Vorschriften und Pflichtbewusstsein klingen. Wie dieses Beispiel: Zur Finanzierung der Kosten des Friedhofes erhebt die Kirchengemeinde aufgrund der genehmigten Friedhofsgebührenordnung jährliche Friedhofsunterhaltungsgebühren. Die Friedhofsgebührenordnung ist vom Kirchenvorstand der Kirchengemeinde beschlossen und vom Kirchenkreisvorstand kirchenaufsichtlich genehmigt. Viele Menschen gehen regelmäßig auf denfriedhof, um zu trauern oder um sich angeliebte Menschen zu erinnern. Als Verwandte eines Toten sind sie bereit,geld zu bezahlen, damit der Friedhof gepflegt wird. Allerdings:Finanzierung,Kosten, genehmigte Ordnung,Gebühren, Vorstand und Aufsicht sind schlechte Argumente dafür. Auch viermal Friedhof und fünfmal Kirche sind einfach zu viele Wiederholungen und überzeugen nicht, Geld zu bezahlen. Nach zweimal Friedhof und zweimal Kirche weiß jeder, wer schreibt und worum es geht. Wenn ich an einen Friedhof denke, denke ich an Gefühle und an Würde. Dieser Bescheid ist zu bürokratisch, steif und lieblos. Er klingt nicht danach,als ob ein Menschihngeschrieben hätte. 46
5 Sicher eignet sich eine solche Mitteilung nicht für spritzig-kurze Werbebotschaften. Trotzdem kann man sachliche Texte anders formulieren, ohne Formalitäten so stark zu betonen. Das gilt auch für diesen Bescheid. Da die Kirchengemeinde als Absender bereits im Briefkopf steht,beginnt mein Vorschlag so: Wir pflegen den Friedhof, damit die Toten in Würde ruhen können. Diese Arbeit kostet Geld. Als Besitzer einer Grabstelle sind Sie verpflichtet, sich an den Kosten zu beteiligen. Der jährliche Betrag hängt davon ab, wie groß das Grab ist. Einzelheiten finden Sie in der Gebührenordnung. Dieser Vorschlag ist freundlich, weil der Text verständlich erklärt, warum und wofür der Besitzer einer Grabstelle bezahlen soll. Die neuen Formulierungen sind sachlich. Klar ist auch, dass der Empfänger zahlen muss und nicht bloß darum gebeten wird. Trotzdem wirbt die Kirchengemeinde mit diesem Brief um Verständnis dafür. Unwichtig für den Leser ist jedoch, welche Einrichtung die Gebührenordnung beschlossen und welcher Vorstand sie als Aufsicht genehmigt hat. Wenn diese Informationen veröffentlicht werden müssen, sind sie am Anfang oder am Ende der Gebührenordnung gut aufgehoben. Anschaulich schreiben Gehen wir in den Garten. Sie helfen dem Leser, einen Text zu verstehen, wenn Sie so anschaulich wie möglich schreiben: Gemüse und Obst sind anschaulicher als Nahrungsmittel. Paprika und Äpfel kann sich der Leser noch besser vorstellen als Gemüse und Obst. Rote Paprika und grüne Äpfel bringen Farbe in den Text. In diesem Fall können Adjektive sinnvoll sein. Schließlich gibt es rote Äpfel, gelbe und grüne Paprika. Anschauliche Begriffe machen es leichter, Texte zu verstehen. Denn es reicht nicht immer, dass der Leser einen Begriff kennt. Besser ist es, wenn er sichdarunter etwas vorstellen kann. Farbige,bildliche Begriffe machen Texte lebendig. 47
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