Ärztliche Entscheidungsfindung. im internationalen Vergleich
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- Ralph Bäcker
- vor 7 Jahren
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1 Ärztliche Entscheidungsfindung am Lebensende im internationalen Vergleich PD Dr. med. Georg Bosshard MAE Leitender Arzt Klinische Ethik Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich und UniversitätsSpital Zürich
2 Vortragsaufbau - Terminologie - Remmelink-Studie (1991) - EURELD-Studie (2003): Hauptresultate, erste Schlussfolgerungen - EURELD-Studie: Weiterführende Analysen: - Behandlungsverzicht und -abbruch - Opiate und Sedativa am Lebensende - Limitationen der EURELD-Studie und Ausblick
3 Klassische Terminologie Internationale Fachliteratur Deutscher Ethikrat Determinierende Frage im Remmelink- / EURELD- Fragebogen Sterbehilfe medical endof-life decisions? Passive Sterbehilfe (Behandlungsverzicht und - abbruch) Sterbenlassen nontreatment decision Wurde auf eine Behandlung verzichtet oder eine solche abgebrochen, so dass Sie wahrscheinlich oder sicher davon ausgehen mussten, dass dies den Todeseintritt des Patienten beschleunigen* würde? * bzw. dessen Leben nicht weiter verlängern Indirekte Sterbehilfe alleviation of pain and symptoms Therapien am Lebensende Wurde die medikamentöse Schmerz- und/oder Symptomlinderung so intensiviert, dass Sie davon ausgehen mussten, dass dies den Todeseintritt des Patienten beschleunigen würde?
4 Klassische Terminologie Internationale Fachliteratur Deutscher Ethikrat Determinierende Frage im Remmelink- / EURELD- Fragebogen Suizidbeihilfe physicianassisted suicide Beihilfe zur Selbsttötung War der Tod die Folge der Anwendung eines Medikaments, welches von Ihnen verschrieben worden war mit der ausdrücklichen Absicht, den Patienten zu befähigen, sein eigenes Leben zu beenden? Aktive Sterbehilfe auf Verlangen Aktive Sterbehilfe ohne ausdrückliches Verlangen (voluntary active) euthanasia ending of life without explicit request by the patient Tötung auf Verlangen? War der Tod die Folge der Anwendung eines Medikamentes, welches von Ihnen verabreicht worden war mit der ausdrücklichen Absicht, den Todeseintritt des Patienten zu beschleunigen? Erfolgte diese Handlung auf ausdrückliches Verlangen des Patienten?
5 Häufigkeit der verschiedenen Formen von Sterbehilfe in Holland: Remmelink-Studie, 1990 passive Sterbehilfe indirekte Sterbehilfe Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe Prozent aller Todesfälle 50% 40% 30% 20% 10% 0% NL 3% 2% 1% 0% NL Suizidbeihilfe aktive Sterbehilfe auf Verlangen aktive Sterbehilfe ohne Verlangen Van der Maas PJ et al (1991) Euthanasia and other medical decisions concerning the end of life. Lancet 338:
6 EURELD-Studie (2001 / 2002) Schriftliche anonyme Befragung von Ärzten zu real getroffenen Entscheidungen am Lebensende ihrer Patienten anhand einer Zufallsstichprobe von ca Totenscheinen in -Belgien (Flandern) -Dänemark -Holland -Italien (4 Regionen in Norditalien) -Schweden -Schweiz (deutschsprachige Landesteile)
7 Einschätzung der moralischen Rechtfertigbarkeit von Euthanasie in Europa (Daten: World value survey); schwarz: niemals gerechtfertigt, hellblau: immer gerechtfertigt (Abbildung aus Studer J, Einstellung zu Sterbehilfe, Zürich, 2008)
8 Häufigkeit der verschiedenen Formen von Sterbehilfe (EURELD-Studie) Prozent aller Todesfälle CH NL DK B S I passive Sterbehilfe indirekt aktive Sterbehilfe Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe Van der Heide A et al (2003) End-of-life decision-making in six European countries: descriptive study. Lancet 362:
9 Häufigkeit von Suizidbeihilfe und aktiver Sterbehilfe Prozent aller Todesfälle NL B CH DK S I Suizidbeihilfe aktive Sterbehilfe auf Verlangen aktive Sterbehilfe ohne ausdrückliches Verlangen
10 Häufigkeit von mit den Betroffenen diskutierten Entscheidungen Prozente NL CH B DK I S diskutiert mit urteilsfähigem Patienten Patient nicht urteilsfähig, diskutiert mit Angehörigen oder früher mit Patient
11 Fälle mit einer geschätzten Lebensverkürzung von über einem Monat Prozent aller Todesfälle durch CH NL BE DK IT SE passive Sterbehilfe indirekt aktive Sterbehilfe Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe
12 Schlussfolgerungen aus den Hauptresultaten von EURELD: 1. Für alle untersuchten Länder gilt: - In einem Viertel bis der Hälfte aller Todesfälle steht der Todeszeitpunkt in Zusammenhang mit einer Sterbehilfeentscheidung. - Dabei stehen in allen untersuchten Ländern die passive und die indirekte Sterbehilfe im Vordergrund (je ca. 20% aller Sterbefälle) 2. Holland, Schweiz, Belgien unterscheiden sich von Schweden und Italien (und Dänemark) dadurch, dass - Sterbehilfeentscheidungen häufiger mit den Patienten besprochen werden - Sterbehilfeentscheidungen häufiger auch ausserhalb des unmittelbaren Sterbeprozesses gefällt werden - Suizidbeihilfe (Schweiz) oder aktive Sterbehilfe auf Verlangen eine größere Rolle spielen.
13 Formen von passiven Sterbehilfe nach Häufigkeit Medikation Chirurgie Onkotherapie Hydr./Ernährg Dialyse Beatmung 50% 40% 30% 20% 10% 0% Allgemein Bosshard G et al (2005) Forgoing treatment at the end of life in six European countries. Arch Int Med 165:
14 Anteil Fälle mit einer geschätzten Lebensverkürzung von mehr als einem Monat bei versch. Formen von passiver Sterbehilfe Allgemein Dialyse Beatmung Chirurgie Onkotherapie Hydr./Ern... Medikation 25% 20% 15% 10% 5% 0%
15 Ausdrückliche Absicht zur Beschleunigung des Todeseintritts bei verschiedenen Formen von passiver Sterbehilfe Allgemein Dialyse Beatmung Chirurgie Onkotherapie Hydr./Ern... Medikation 100% 80% 60% 40% 20% 0% Bosshard G et al (2006) Intentionally hastening death in withholding and withdrawing treatment. Wien Klin Wochenschr 118:
16 Lebensverkürzender Effekt (LvE) von Morphium: Absicht des Arztes und Eintretenswahrscheinlichkeit I Morphiumgabe am Lebensende - drei Gruppen: Gruppe 1 Lebensverkürzung ausgeschlossen Gruppe 2 Lebensverkürzung möglich bis wahrscheinlich Gruppe 3 Lebensverkürzung fast sicher Gruppe 1: Gabe von Morphin während der letzten 24 h - in einer Dosis 5 mg (falls intravenöse Applikation) - ODER in einer Dosis 20 mg (bei allen anderen möglichen Applikationsarten) - ODER von MST in einer Dosis 30 mg Gruppe 3: Keine Opioidgewöhnung! UND Gabe von Morphin während der letzten 24 h - in einer Dosis von >200 mg per os/rektal/subcutan/intramuskulär - ODER in einer Dosis >100 mg intravenös Gruppe 2: alle anderen
17 Lebensverkürzender Effekt (LvE) von Morphium: Absicht des Arztes und Eintretenswahrscheinlichkeit II Fälle insgesamt: n=271 LvE ausgeschlossen LvE möglich LvE fast sicher Absicht zur Lebensverkürzung nein 116 (96%) 138 (97%) 7 (88%) Absicht zur Lebensverkürzung ja 5 (5%) 4 (3%) 1 (12%) Bosshard G et al (2006) Medical use of opioids at the end of life intention and likelyhood of a life-shortening effect. In: Sotony P (ed) Proceedings of the XX congress of the International Academy of Legal Medicine. Medimond, Bologna,
18 Klassische Terminologie Internationale Fachliteratur Deutscher Ethikrat Determinierende Frage im Remmelink- / EURELD- Fragebogen? (terminale Sedierung) terminal sedation / continuous deep sedation (CDS)? Erhielt der Patient Medikamente wie Barbiturate oder Benzodiazepine, um ihn kontinuierlich bis zu seinem Tode in tiefer Sedation oder im Koma zu halten?
19 Häufigkeit von terminaler Sedierung Prozent aller Todesfälle Sedierung, KEH gestoppt Sedierung, KEH weitergeführt 0 NL B CH DK S I Miccinesi G et al (2006) Continuous deep sedation. Physicians experiences in six European countries. J Pain Sympt Manage 31:
20 Häufigkeit von Suizidbeihilfe und aktiver Sterbehilfe in den NL 1990 bis 2005 Prozent aller Todesfälle NL 1990 NL 1995 NL 2001 NL 2005 Suizidbeihilfe aktive Sterbehilfe auf Verlangen aktive Sterbehilfe ohne ausdrückliches Verlangen Van der Heide A et al. End-of-life practices in the Netherlands under the Euthanasia Act. N Eng J Med 356:
21 Limitationen des Remmelink / EURELD- Studiendesigns - The term medical end-of-life decisions [as understood in these study projects] has a one-sided focus on life shortening - one looks in fact at reality from a euthanasia-perspective. In doing so, we lose sight for the two most important ethical problems in this field, namely the undertreatment of pain and the whole issue of futile treatment. - Theterm medical end of life-decision is inappropriate as we are in fact dealing with ethical rather than purely medical decisions, which therefore should not be left to physicians alone. Broeckaert B: Treatment decisions in advanced disease: conceptual framework of the Flemish Palliative Care Federation (2006)
22 Eine Rolle für Nicht-Ärzte in der Suizidbeihilfe? Die Beispiele Schweiz (schwarz) und Oregon (blau) Verantwortlichkeit Arzt Organisation andere Erstkontakt x x x x Information über Diagnose, Prognose, Behandlungsmöglichkeiten inkl. Palliative Care x x Ausschluss von Urteilsunfähigkeit und äusserem Druck x x x Verschreibung der tödlichen Substanz x x Abgabe der tödlichen Substanz Apo. Apo. Aufbewahrung der tödlichen Substanz x x x Ang. Ang. Anleitung zur und Begleitung vor Ort während der Selbsttötung (x) (x) x x Meldung an die Behörden x x Ziegler SJ, Bosshard G. Role of non-governmental organisations in physician assisted suicide. BMJ 2007;334:
23 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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