Es gilt das gesprochene Wort!

Transkript

1 Rede von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Roters anlässlich des Empfangs zum 100-jährigen Jubiläum des Museums Schnütgen am 26. Oktober 2010, 13 Uhr, Museum Schnütgen, VHS-Vortragssaal, Cäcilienstraße Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrte Frau Dr. Täube, sehr geehrter Herr Dr. Kraus, sehr geehrter Herr Böhm, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Leben ohne Feste ist wie ein langer Weg ohne Gasthäuser. Mit diesen Worten des griechischen Philosophen Demokrit heiße ich Sie herzlich im neuen Vortragssaal des Museums Schnütgen willkommen! Und Anlässe, um Feste zu feiern, gab es in den letzten Tagen viele. Zum einen ist da die feierliche Eröffnung des neuen Doppelmuseums vergangenen Freitag mit unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und zahlreichen weiteren Gästen zu nennen. Auf diese folgte ein Wochenende, wie es in der Geschichte der Kölner Museen wohl einzigartig ist: Ca Besucherinnen und Besucher eroberten ihr neues Rautenstrauch-Joest Museum und Museum Schnütgen und haben uns mit ihrer Begeisterung spüren lassen, dass die Arbeit der letzten Jahre in die richtige Richtung gegangen ist. Heute sind wir nun zusammengekommen, um ein ganz besonderes Jubiläum zu feiern: Vor genau einhundert Jahren, am 26. Oktober 1910, öffnete das erste Museum Schnütgen seine Pforten für die Besucherinnen und Besucher. Damals hatte sich die Festgesellschaft im Lichthof des ehemaligen Kunstgewerbemuseums am Hansaring versammelt, um die Einweihung des neuen Museums zu feiern, welches als Annexbau an das bestehende Kunstgewerbemuseum errichtet worden war. Vier Jahre zuvor, am 14. April 1906, hatte der Kölner Domkapitular Alexander Schnütgen meinen Amtsvorgänger 1

2 Friedrich Wilhelm Bernhard von Becker wissen lassen, dass er der Stadt Köln seine umfangreichen Kunstschätze zum Geschenk machen wolle. Nur fünf Tage später beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Annahme der großzügigen Schenkung. So konnte die bereits zu Schnütgens Lebzeiten schon weit über die Stadtgrenzen hinaus berühmte Sammlung in Köln erhalten bleiben bis heute ist sie ein ganz besonderes Juwel unter den Kölner Museen. Seit der letzten Woche hat diese kostbare Sammlung nun mit dem eröffneten Neubau eine erneuerte und erweiterte Hülle erhalten, die ihren Glanz auf besondere Weise erstrahlen lässt. wohl keiner der Anwesenden bei der Eröffnung des ersten Museums im Jahre 1910 wird auch nur geahnt haben, welch wechselvolles Schicksal der Sammlung Schnütgen bis zum heutigen Tag bestimmt sein würde. Einige Wanderungen und Wechselfälle musste sie seither hinter sich bringen: Von dem ersten Anbau an das Kunstgewerbemuseum wechselte das Museum 1932 auf das Deutzer Ufer in die geräumigen Klostergebäude der alten Heribertsabtei. Hier wurde es von Fritz Witte, dem ersten Direktor des Hauses, in einem für die damalige Zeit wegweisenden, neusachlichen Stil konzipiert. Doch nur wenige ruhige Jahre waren der Sammlung dort vergönnt: Die Auslagerung während des Zweiten Weltkriegs und die mühselige Rückführung der zahlreichen Kunstwerke bestimmten die Folgejahre. Die an vielen Stellen in Sicherheit gebrachte Sammlung konnte glücklicherweise nach dem Krieg nicht nur weitgehend unversehrt, sondern auch annähernd vollständig wieder zusammengeführt werden. In das kriegszerstörte Deutzer Haus gab es allerdings keinen Weg zurück. Seit 1950 wurde in der Stadt über ein neues Domizil für das Museum Schnütgen diskutiert. Schließlich einigte man sich auf den maßgeblich von dem Kölner Architekten Karl Band favorisierten Plan, das Museum in der romanischen Cäcilienkirche neu zu installieren. 2

3 am 5. Mai 1956 wurde das Schnütgen-Museum als erstes aller Kölner Museen nach dem Zweiten Weltkrieg wiedereröffnet. Ein Provisorium sollte es sein, bestenfalls für zwei Jahrzehnte gedacht. Aber dieser dritte Ortswechsel hat dem Haus die längste stabile Periode in seiner nunmehr hundertjährigen Geschichte gebracht. Mit diesem Kirchenbau verbinden Menschen auf der ganzen Welt seitdem eines der wichtigsten Museen für die Kunst des Mittelalters, denn in St. Cäcilien hat das Museum Schnütgen eine ganz eigene Identität erlangt. Die Präsentation großer Kunstwerke aus den letzten 1000 Jahren im romanischen Raum hat die Kunst des Mittelalters für viele Menschen bereits sogar für mehrere Generationen von Menschen zu einem besonderen Erlebnis werden lassen. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt die großen Ausstellungen, welche das Museum in den letzten sechs Jahrzehnten realisiert hat, begleitet von wissenschaftlich fundierten Katalogen, an denen international renommierte Gelehrte mitgewirkt haben. Ich darf nur an Rhein und Maas (1972), Ornamenta Ecclesiae (1985) und Himmelslicht (1999) erinnern, die unvergessen sind. Doch auch großartige Schauen der jüngsten Zeit wie beispielsweise Zum Sterben schön (2006) und Rheinische Glasmalerei (2007) werden uns sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben. Doch nicht immer sind die letzten Jahre leicht gewesen für das Museum: Knapper werdende finanzielle Mittel und vor allem der Beginn des Neubaus nebenan führten zu teilweise nicht unerheblichen Belastungen und Beeinträchtigungen des Museumsbetriebs. Mit dem Abriss der Kunsthalle 2002 verlor das Museum Schnütgen seinen angestammten Ort für große Wechselausstellungen. Die Auslagerung sämtlicher Depotbestände immerhin rund Objekte erschwerte zudem die konservatorische Betreuung und die Dokumentation der Bestände konnte die neukonzipierte Schausammlung in der Cäcilienkirche eröffnet werden. In den seit 1996/1997 laufenden Planungen zur Errichtung des Neubaus war dies die erste wichtige Etappe des großen Museumsprojekts am Neumarkt. Nun, siebeneinhalb Jahre später, konnte der Neubau des Rautenstrauch-Joest Museums mit Erweiterung des Museums Schnütgen vergangenen Freitag eingeweiht werden. 3

4 Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten, die über die Jahre das Ziel nicht aus den Augen verloren haben, herzlich danken. Unter der Leitung der ehemaligen Direktorin Frau Prof. Dr. Westermann-Angerhausen und nun unter der kommissarischen Leitung von Frau Dr. Täube hat das Team des Museums Schnütgen Großes erreicht. Jetzt stehen wir gemeinsam staunend vor und in einer unserer wichtigsten städtischen Sammlungen, die sich facettenreicher als jemals zuvor den Besucherinnen und Besuchern präsentiert: Herausragende Kunstwerke des Mittelalters sind nunmehr nicht nur in der romanischen Cäcilienkirche nach wie vor Herzstück der Museumspräsentation, sondern auch im ehemaligen Verwaltungsanbau der 1950er Jahre und in den modernen Räumen des Neubaus zu bewundern. Der Cäciliengarten erweitert die Ausstellungsfläche zusätzlich: Unter freiem Himmel findet der Museumsbesucher einen weiteren Zugang zum Mittelalter. Zugleich ist hier ein unvergleichlicher Ort der Ruhe inmitten der Kölner Innenstadt entstanden. das Museum Schnütgen hat mit dem großartigen Museumsneubau eine neue Dimension erhalten. Sie beendet nicht nur das räumliche Provisorium, nämlich den gravierenden Mangel an Ausstellungs-, Werkstatt-, Büro- und Depotflächen, welcher in den letzten 50 Jahren standhaft ertragen wurde. Die Sammlung hat endlich auch ein ihr angemessenes Gehäuse gefunden und steht auch in anderer Hinsicht vor einem Neuanfang: Mit der räumlichen Anbindung an das Rautenstrauch-Joest Museum ist ein überaus fruchtbarer Boden geschaffen für den Dialog zwischen dem europäischen Mittelalter und den Kulturen der Welt. zu diesem Anlass liegt mir auch ein Grußwort des Erzbischofs Kardinal Meisner vor. Folgenden Segenswunsch gibt er den Verantwortlichen und Mitarbeitern des Museums Schnütgen mit auf den Weg: Möge das Museum Schnütgen in den kommenden Jahren die Menschen so reich beschenken, wie es dies in den zurückliegenden hundert Jahren durch alle Höhen und Tiefen der Geschichte hindurch getan hat! 4

5 Ich wünsche dem Haus zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus nah und fern, welche den besonderen Geist der Sammlung und dieses Ortes spüren, mitnehmen und davon berichten. 5