Beschreibungskomplexität von Grammatiken Definitionen
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1 Beschreibungskomplexität von Grammatiken Definitionen Für eine Grammatik G = (N, T, P, S) führen wir die folgenden drei Komplexitätsmaße ein: Var(G) = #(N), Prod(G) = #(P ), Symb(G) = ( α + β + 1). α β P Sei nun X eine Menge von Grammatiken. Wir erweitern nun die obigen Komplexitätsmaße auf Sprachen L L (X) mittels Var X (L) = min{var(g) L = L(G), G X}, Prod X (L) = min{prod(g) L = L(G), G X}, Symb X (L) = min{symb(g) L = L(G), G X}. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.1
2 Beispiel 5.1 Wir betrachten die Grammatik mit G 1 = ({S, U, X, X, Y, Z}, {a, b}, P 1, S) P 1 = {S Y X az, Y X Y X, Y X b 2 U, Ua au, UZ b 2, Xa aax, XZ X Z, ax X a}. Es ist leicht zu sehen, dass die Satzformen von G 1 eine der folgenden Formen S, Y a 2n Xa m Z, Y a k X a l Z, b 2 a k Ua l Z, b 2 a 2r b 2 mit n 0, m 0, 2n + 2m = 2 r, k 0, l 0, k + l = 2 r, r 0 haben, und dass umgekehrt jedes Wort dieser Form auch Satzform ist. Damit gilt L 1 = L(G 1 ) = {b 2 a 2r b 2 r 0}. Als Komplexitätsmaße von G 1 erhält man durch einfaches Auszählen Damit ergibt sich auch Var(G 1 ) = 6, Prod(G 1 ) = 8 und Symb(G 1 ) = 43. Var MON (L 1 ) 6, Prod MON (L 1 ) 8 und Symb MON (L 1 ) 43. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.2
3 Fortsetzung Beispiel 5.1 Die monotone Grammatik G 1 = ({S, U, X, X }, {a, b, Y, Z}, P 1, S) erzeugt offensichtlich auch L 1, denn wir erhalten die gleichen Ableitungen wie in G 1. Der Unterschied zwischen G 1 und G 1 liegt darin, dass wir bei G 1 die Symbole Y und Z als Terminale auffassen (obwohl sie in keinem Wort der Sprache vorkommen). Für G 1 erhalten wir Var(G 1 ) = 4, Prod(G 1) = 8 und Symb(G 1 ) = 43. Folglich ergibt sich für die Anzahl der Variablen die Verschärfung Var MON (L 1 ) 4. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.3
4 Beispiel 5.2 Sei r eine beliebige positive natürliche Zahl. Für die kontextfreie Grammatik ergeben sich offenbar und G 2 = ({S, A}, {a, b}, {S A r, A aa, A Ab, A ab}, S) L 2,r = L(G 2 ) = {a n b m n 1, m 1} r Var(G 2 ) = 2, Prod(G 2 ) = 4 und Symb(G 2 ) = 14 + r. L 2,r ist für jedes r 1 eine reguläre Sprache, da z. B. die reguläre Grammatik mit G 2 = ({A i 1 i r} {B i 1 i r}, {a, b}, P 2, A 1 ) P 2 = {A i aa i 1 i r} {A i ab i 1 i r} {B i bb i 1 i r} {B i ba i+1 1 i r 1} {B r b} ebenfalls L 2,r erzeugt. Wegen Var(G 2 ) = 2r gilt Var REG (L 2,r ) 2r. Wir wollen nun zeigen, dass hinsichtlich der Anzahl der Nichtterminale G 2 sogar optimal ist. Das würde bedeuten: Var REG (L 2,r ) = 2r Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.4
5 Vergleich von Komplexitätsmaßen Beispiel 5.2 belegt, dass kontextfreie Grammatik erheblich effizienter als reguläre Grammatiken bei der Beschreibung von Sprachen sein können. Wir definieren daher einige mögliche Relationen zwischen den Komplexitätsmaßen. Sei K {Var, Prod, Symb} ein Komplexitätsmaß, und seien X und Y zwei Mengen von Grammatiken, für die L (X) L (Y ) gilt. Wir schreiben X K Y, falls es eine Konstante k derart gibt, dass K X (L) K Y (L) k für alle L L (X) gilt, Y 1 K X, falls es eine Folge L n, n 1, von Sprachen mit L n L (X) derart gibt, dass lim n (K X (L n ) K Y (L n )) = gilt, Y 2 K X, falls es eine Folge L n, n 1, von Sprachen L n L (X) derart gibt, dass K lim X (Ln) n K Y (Ln) = gilt, Y 3 K X, falls es eine Konstante k und eine Folge L n, n 1, von Sprachen L n L (X) derart gibt, dass K X (L n ) n und K Y (L n ) k gilt. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.5
6 Beziehung der Komplexitätsmaße Var REG und Var CF und Vollständigkeit Wegen der in Beispiel 5.2 gezeigten Beziehungen Var CF (L 2,r ) = 2 und Var REG (L 2,r ) = 2r r für r 1 gilt in dieser Terminologie CF 3 Var REG. Für den Nachweis einer Relation vom Typ X i K Y, i {1, 2, 3} benötigt man Sprachen aus L (Y ) beliebig großer Komplexität. Eine Verschärfung dieser Forderung besteht darin, dass jede beliebige positive natürliche Zahl im Wertevorrat von K Y auftaucht. Definition: Wir sagen, dass ein Komplexitätsmaß K {Var, Prod, Symb} bezüglich der Menge Y von Grammatiken vollständig ist, wenn es für jede natürliche Zahl n eine Sprache L n L (Y ) derart gibt, dass K Y (L n ) = n gilt. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.6
7 Grammatikklassen RE die Menge aller Regelgrammatiken, MON die Menge aller monotonen Grammatiken, CF die Menge aller kontextfreien Grammatiken, CF-ε die Menge aller kontextfreien ε-freien Grammatiken, redcf die Menge aller reduzierten kontextfreien Grammatiken, ChCF die Menge aller kontextfreien Grammatiken in Chomsky-Normalform, REG die Menge aller regulären Grammatiken, nfreg die Menge aller Grammatiken in regulärer Normalform. Für eine Menge X von Grammatiken (im Folgenden wird stets X {RE, MON, CF, CF-ε, redcf, ChCF, REG, nfreg} gelten) Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.7
8 Anzahl der Nichtterminale für verschiedene Grammatikklassen Wir behandeln zuerst die Beziehungen zwischen den Maßen Var X und Var Y für verschiedene Klassen X und Y von Grammatiken. Lemma: Für zwei Mengen X und Y von Grammatiken mit X Y gilt Var Y (L) Var X (L) für jede Sprache L L (X) Beweis: Sei G X eine Grammatik mit L(G) = L und Var(G) = Var X (L). Da auch G Y nach Voraussetzung gilt, erhalten wir Var Y (L) Var(G) = Var X (L). Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.8
9 Lemma: Einfache Lemmata i) Für jede kontextfreie Sprache L gilt Var CF (L) = Var redcf (L). ii) Für jede kontextfreie ε-freie Sprache L gilt Var CF (L) = Var CF-ε (L). Beweis: i) Da jede reduzierte kontextfreie Grammatik auch eine kontextfreie Grammatik ist, gilt Var CF (L) Var redcf (L). (1) Ist umgekehrt L L (CF) und G = (N, T, P, S) eine kontextfreie Grammatik mit L = L(G) und Var(G) = Var CF (L), so konstruieren wir die zugehörige reduzierte Grammatik G durch Streichen aller Nichtterminale A von N, für die keine Ableitung der Form S = uav oder A = w T existiert, und aller Regeln, in denen A vorkommt. Folglich gilt Var(G ) Var(G). Dies impliziert woraus mit (1) sofort die Behauptung folgt. Var redcf (L) Var(G ) Var(G) = Var CF (L), ii) Der Beweis verläuft völlig analog. Wir haben nur zu beachten, dass die Standardkonstruktion einer ε-freien Grammatik aus einer Grammatik, die eine ε-freie Sprache erzeugt, die Anzahl der Nichtterminale nicht erhöht. Folgerung: Für X {CF, redcf, CF-ε, MON, RE} gilt X 3 Var REG. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.9
10 Satz Satz: Var ist bezüglich REG ein vollständiges Maß. Beweis: Sei n 1 eine gerade Zahl. Dann setzen wir und erhalten aus Beispiel 5.2 Var REG (L n ) = n. L n = L 2, n 2 = ({a} + {b} + ) n 2 Für ungerades n 1 setzen wir L n = ({a} + {b} + ) n 1 2 {a} + und können dafür wie in Beispiel 5.2 Var REG (L n ) = n nachweisen. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.10
11 Nützliche Lemmata I Lemma: Für eine kontextfreie Grammatik G = (N, T, P, S), die die Bedingung Var(G) = Var CF (L(G)) erfüllt, gibt es für jedes A N mit A S eine Regel A uav mit uv ε in P. Beweis: Wir nehmen an, dass es ein A N, A S, so gibt, dass die rechten Seiten aller Regeln mit linker Seite A den Buchstaben A nicht enthalten. Wir setzen P A = {w A w P }. Wir zerlegen die rechten Seiten einer jeden Regel p = B u 1 Au 2 A... u r Au r+1 P mit B A so, dass u i (V \ {A}) für 1 i r + 1 ist, und setzen P p = {B u 1 w 1 u 2 w 2... u r w r u r+1 r 0, w i P A, 1 i r}. (Falls die rechte Seite von p kein A enthält, ist P p = {p}.) Sei nun G = (N \ {A}, T, p=b z P B A P p, S). Es ist leicht zu sehen, dass L(G ) = L(G) gilt, denn die in G bzw. G möglichen Ableitungen S S = v 1 Bv 2 = v 1 u 1 Au 2 A... u r Au r+1 v 2 = v 1 u 1 w 1 u 2 A... u r Au r+1 v 2 = v 1 u 1 w 1 u 2 w 2 u 3 A... u r Au r+1 v 2 = v 1 u 1 w 1 u 2 w 2... u r w r u r+1 v 2 sowie = v 1 Bv 2 = v 1 u 1 w 1 u 2 w 2... u r w r u r+1 v 2 sind gleichwertig. Da offenbar Var(G ) = Var(G) 1 = Var CF (L) 1 gilt, erhalten wir einen Widerspruch. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.11
12 Nützliche Lemmata II Lemma: Für eine kontextfreie Grammatik G = (N, T, P, S) mit Var(G) = Var CF (L(G)) ist für jedes A N mit A S die Sprache L(G, A) unendlich. Beweis: Der Beweis wird völlig analog zu dem für den Teil I geführt, wobei wir nur P A durch (die nach Annahme endliche Menge) L(G, A) ersetzen. Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.12
13 Satz Satz: Var ist bezüglich CF ein vollständiges Maß. Beweis: Wir betrachten die Sprachen L 1 = {a}, L 2 = {a} + {b} + {a} +, L n = Da die kontextfreien Grammatiken G 1 = ({S}, {a}, {S a}, S), {a i b} + für n 3. G 2 = ({S, A}, {a, b}, {S as, S Sa, S aaa, A ba, A b}, S), n 1 G n = ({S, A 1, A 2,..., A n 1 }, {a, b}, {S A i, A i a i ba i, A i a i b}, S), n 3, i=1 mit Var(G 1 ) = 1, Var(G 2 ) = 2 und Var(G n ) = n für n 3 die Sprachen L 1, L 2 und L n für n 3 erzeugen, ist Var CF (L 1 ) 1, Var CF (L 2 ) 2 und Var CF (G n ) n für n 3 (2) bereits gezeigt. n 1 i=1 Dr. Bernd Reichel Ausgewählte Kapitel der theoretischen Informatik, Folie 5.13
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