Wege aus der Erschöpfung
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- Helge Richter
- vor 7 Jahren
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1 Wege aus der Erschöpfung Wege aus der Erschöpfung, Thema der heutigen Nachmittagsvorträge, gibt es viele. Dass dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, eine Aufgabe vieler ist, legt das Tagungsthema Depression und Gesellschaft, nahe. Je nach gesellschaftlicher Stellung und Profession/Qualifikation sind die Aufgaben zwangsläufig verschiedene, da je nach der Rolle (Patient, Angehöriger, ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut, Lehrer, Gesundheitsökonom oder Politiker) die Sicht auf das vielschichtige Phänomen der Depression unterschiedlich ausfällt. Jede dieser Sichtweisen hat ihre begründete Berechtigung, seien es eher die sachlich wissenschaftliche oder die aus der unmittelbaren Erlebnisevidenz der Betroffenen heraus entstandenene. Subjektiv wahrgenommener Schmerz, Angst oder Trauer werden sicherlich als real auch von der Umgebung des Betroffenen anerkannt und ernstgenommen, objektivierenden Messmethoden sind sie jedoch kaum zugänglich, können davon nicht zuverlässig erfasst werden. Auf dem Weg über Empathie oder Einfühlung in einer Patient-Therapeutenbeziehung ist es jedoch möglich, derartige subjektive Inhalte einer objektivierenden Betrachtungsweise zum Beispiel 1
2 im Rahmen eines diagnostischen Gesprächs ausreichend evident zu eröffnen, um Qualität und Quantität, Art und Schweregrad geklagter Beschwerden und Beeinträchtigungen abschätzen und einordnen zu können. Hier klingt bereits die diagnostisch- therapeutische Doppelrolle des Psychiaters-Psychotherapeuten an, die dieser in einem ständig oszillierendem Wechsel innehat. Ich begebe mich jetzt zunächst in die einseitige Position des wissenschaftlich begründbaren psychiatrisch-psychotherapeutischen Depressionsverständnisses mit dem Ziel der Verdeutlichung sowohl des diagnostischen Vorgehens wie auch des daraus hervorgehenden therapeutischen Handelns. Über das therapeutische Handeln schließt sich dann im Verlauf des Vortrags der Kreis, wie gerade dargelegt, und der Weg geht zurück aus notwendiger diagnostischer Distanz zu therapeutisch unverzichtbarer empathisch-verstehender, das subjektive des Patienten wieder in den Vordergrund rückender Haltung. Das bezeichnet ja den Arzt als Humanwissenschaftler, als Grenzgänger zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, dass er nicht theoretisch den Menschen an sich betrachtet, sondern praxisorientiert in jedem Einzelfall neu objektive naturwissenschaftliche Erkenntnis in 2
3 Einklang bringen muss mit den Bedürfnissen des konkret vor ihm stehenden Patienten mit seinem individuellen subjektiven Leiden. Mein Vortrag muss, gemessen an der abzudeckenden Faktenfülle, notgedrungen stark gerafft sein, wichtige und differenzierte Inhalte können nur plakativ abgehandelt werden. Das kann naturgemäß zu Verzerrungen führen. Für speziell Interessierte darf ich auf meinen Workshop um Uhr verweisen, in dem das Gesagte vertieft und ergänzt werden kann. 3
4 Depression und Gesellschaft Wege aus der Erschöpfung Psychiatrisch-psychotherapeutische Depressionsbehandlung Rothenburg o. d. T Dr. Johannes Kornacher Arzt für Psychiatrie Psychotherapie Oberarzt am Depressionszentrum des BKH Bayreuth 4
5 Gliederung Besonderheiten des psychiatrischpsychotherapeutischen Wegs Psychiatrisch-psychotherapeutisches Depressionsverständnis Therapeutische Wege (6 W) Psychotherapeutisches Basisverhalten 5
6 TABELLE 6: Was ist eine Depression? Eine Depression ist eine affektive Störung/Krankheit mit typischer Symptomatik (Syndrom, Episode) mit innerseelischer und/oder äußerer Auslösung (überwiegend von Verlust- Charakter ) (Psychodynamik; Wechselwirkung, Persönlichkeitsstörung und Lebensgeschichte mit aktuellen Lebensereignissen und chronischen Belastungen) mit einmaligem oder häufigem Auftreten einer depressiven Episode oder rezidivierender unipolarer Verlauf bzw. abwechselnd mit manischen Phasen (manisch-depressive Erkrankung, bipolare affektive Störung). 6
7 DEPRESSIVES SYNDROM wesentliche Symptome Psychische Symptome depressive Herabgestimmtheit ifreudlos, niedergedrückt Ängste vor den Tagesanforderungen, Panikattacken Gedanken von Leistungsunfähigkeit, Wertlosigkeit, Sinnlosigkeit, Versagen Gedanken von Hoffnungslosigkeit, Lebensmüdigkeit, an Suizid Grübeln, Einengung der Gedanken 7
8 Antriebssymptome Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit Verlangsamung, Hemmung der Psychomotorik Unruhe, Getriebenheit, Agitiertheit Körperliche Symptome psychosomatische Kraftlosigkeit, Erschöpftheit Schlafstörungen Tagesschwankungen Libidoverlust, sexuelle Störungen Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust Leibgefühlsstörungen 8
9 Tabelle 12 : Depressives Syndrom Psychopathologische Störungsbereiche und Syndromschwerpunkte Symptombereiche affektiv: kognitiv: intentional, motivational: psychomotorisch: vegetativsomatisch: Herabgestimmtheit,Freudlosigkeit, fehlende Reaktivität; Angstzustände insbes. Panik attacken formal Grübeln, Denkhemmung; inhaltlich Insuffizienz, Selbstwertproblematik, Schuld, negatives Selbstbild; Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Suizidalität Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit Agitiertheit bzw. Hemmung reduzierte Vitalität, rasche Erschöpfbarkeit; Schlaf-, Appetit-, Libidostörung, Leibgefühlsstörung Syndrome agitiert-ängstliches, gehemmt-apathisches, gehemmtängstliches, apathisch-avitales depressives Syndrom depressive Syndrome mit Wahn, Halluzination, paranoiden Ideen, mit Zwängen, mit Panikattacken Persönlichkeit depressive Charakterstruktur Typus melancholicus Überverpflichtungstyp selbstunsichere, abhängige Persönlichkeitsstruktur 9
10 TABELLE 17 : Symptome einer depressiven Episode gemäß ICD-10 Hauptsymptome 1. Gedrückte Stimmung und Freudlosigkeit 2. Interessenverlust 3. Verminderung des Antriebs mit rascher Ermüdbarkeit Andere häufige Symptome 1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit 2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen 3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit 4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven 5. Gedanken oder erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen 6. Schlafstörungen 7. Verminderter Appetit Somatische (vegetative) Symptome : (Vital, biologisch, melancholisch, endogenomorph) 1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten 2. Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder günstige Ereignisse emotional zu reagieren 3. Frühmorgendliches Erwachen (2 oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit) 4. Morgentief 5. Der objektivierte Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit 6. Deutlicher Appetitverlust 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5% des Körpergewichts im vergangenen Monat 8. Deutlicher Libidoverlust leichte/mittelgradige/schwere depressive Episode, leicht/mittelgradig/mit/ohne somatisches Syndrom, schwer mit/ohne psychotische Symptome 10
11 Tabelle : Therapieziele Symptombesserung Suizidprophylaxe Arbeitsfähigkeit Beziehungsfähigkeit Rezidiv- und Verschlechterungsprophylaxe Veränderung depressiogener Persönlichkeitsanteile Veränderung depressiogener Lebensbedingungen 11
12 ABBILDUNG 2 : Mögliche Verknüpfungen ambulanter, teil- und vollstationäre Depressionsbehandlung ( Depressionszentrum Bayreuth ) Depressionsstation / Stationäre Depressionsbehandlung Tagesklinik für Depressive bzw. eigene TK-Plätze der Depressionsstation niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut/ Nervenarzt, Ärztl. bzw. Psychologischer Psychotherapeut Depressionsambulanz Psychiatrische Institutsambulanz für besonders schwierige Pat. SPDi, Tagesstätte Selbsthilfegruppen ambulante Weiterbehandlung durch Einweiser (Hausarzt, Nervenarzt/Psychiater) 12
13 ABBILDUNG : Ätiologie der Depression (nach Holsboer-Trachsler & Vanoni 1998) Genetische Disposition Persönlichkeitsfaktoren: Introversion Angstneigung Aktuelle Auslenkung der psycho- Neurotransmittersysteme Belastende soziale oder trauma- Belastung Katecholaminhypothese tische Erfahrungen. Verlust- Serotoninhypothese erlebnisse. Erlernte Hilflosig- Neuroendokrinologische keit Hypothese Depressive Symptomatik emotional/kognitiv/somatisch 13
14 ABBILDUNG 3 : Akutbehandlung der Depression im Alltag heute Psycho- Biologische Soziotherapie Selbsthilfe therapie Therapien * Einzelgespräche, * Antidepressiva * Angehörigen- Selbsthilfe- Einzelpsychotherapie * Lichttherapie gruppe gruppen * Gruppenpsycho- * Wachtherapie/ * Sozialarbeit für therapie * Schlafentzug Ergotherapie Depressive * Selbstsicherheits- * Sport und * Belastungstraining Bewegung, trainings Selbsthilfe * Aktivierungs- Gymnastik * rehabilitative Angehörige gruppen * Elektrokrampf- Behandlungs- * Entspannungs- therapie maßnahmen verfahren * Leistungser- * Gestaltungstherapie probung und diagnostik Basis: empathisch-fürsorgliche therapeutische Beziehung, Aktivierung 14
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