Das Zukunftsziel für unsere Fließgewässer - ein guter ökologischer Zustand
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- Meta Fuhrmann
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1 Das Zukunftsziel für unsere Fließgewässer - ein guter ökologischer Zustand Die EU-Wasserrahmenrichtlinie vom 23. Oktober 2000 schafft europaweit eine einheitliche Basis für den Gewässerschutz. Zur nationalen Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen in Deutschland bis Ende 2003 sowohl Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als auch das Wassergesetz des Landes Baden-Württemberg an das europäische Recht angepasst werden. Die entscheidende Neuerung der EU-WRRL gegenüber den bisherigen gesetzlichen Regelungen ist vor allem der ganzheitliche Ansatz, nach dem Gewässer zukünftig flussgebietsbezogen, das heißt in ihrer Gesamtheit mit all ihren Zuflüssen und unabhängig von politischen und Verwaltungsgrenzen betrachtet werden. Zielsetzung ist es, alle oberirdischen Gewässer innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren in einen guten ökologischen und chemischen Zustand zu bringen und ein gutes ökologisches Potenzial und einen guten chemischen Zustand für alle künstlichen und natürlichen Gewässer zu erreichen. Eine Abweichung vom guten ökologischen Zustand ist immer nur dann möglich, wenn dessen Wiederherstellung im Widerspruch zu Nutzungsanforderungen für die menschliche Entwicklung steht, die anderweitig nicht sichergestellt werden können. Für alle Gewässer gilt jedoch das Verschlechterungsverbot und ein grundsätzliches Sanierungsgebot. Zunächst ist bis Ende 2004 eine Bestandsaufnahme des aktuellen Zustands aller Gewässer vorzunehmen. Bis Ende 2009 sind auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahmen die ersten Bewirtschaftungspläne aufzustellen und von da an spätestens alle 6 Jahre zu überprüfen. Ein ganzheitlicher Gewässerschutz macht neben einer weiteren Verbesserung der Gewässergüte den Erhalt und die Entwicklung naturnaher Gewässerstrukturen notwendig. Mit der Aktualisierung des Wasserhaushaltsgesetzes vom ( 1a, 31 WHG) und der darin verankerten Zielsetzung einer naturnahen Gewässerentwicklung sind die Weichen für die Zukunft schon gestellt. Zur Umsetzung dieser Pläne, die letztendlich in der Erreichung des gewünschten, grenzübergreifenden guten ökologischen und chemischen Zustands gipfeln, müssen in Abhängigkeit vom Ist-Zustand folgende Wege beschritten werden: Erhalten - Die vorhandenen naturnahen Gewässer und Gewässerabschnitte sind als Biotope nach 24 a NatSchG erfasst und müssen als solche geschützt und erhalten werden. Unter den Aspekt Erhalten fallen auch die Themenpunkte Ausweisung von Überschwemmungsgebieten und der Schutz von Gewässerrandstreifen. Entwickeln - Wo immer möglich muss eine eigendynamische Entwicklung der Gewässer zugelassen und gefördert werden. Dazu trägt die Extensivierung und der bewusst naturverträgliche Einsatz von Maßnahmen der Gewässerunterhaltung bei. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und die Bemühungen um eine weitere Verbesserung der Wasserqualität sind ebenfalls wichtige Beiträge zur Entwicklung naturnaher Gewässer. Umgestalten - Eine eigendynamische Entwicklung ist bei ausgebauten Gewässern nicht überall möglich. Angestrebte Veränderungen müssen an solchen Gewässern durch technische Umgestaltungsmaßnahmen eingeleitet werden. - Oberflächengewässer - 63
2 Fortschritte bei der Verbesserung der Gewässergüte Die Gewässergüte wird in Baden-Württemberg mit einem Standardverfahren bestimmt. Grundlage der Untersuchungsmethode ist das art- und mengenmäßig unterschiedliche Vorkommen bestimmter Zeigerorganismen in Abhängigkeit von der Belastung des Wassers mit leicht abbaubaren organischen Substanzen. Die Beurteilung der Gewässergüte beruht ursprünglich auf dem sogenannten Saprobiensystem von KOLKWITZ & MARSSON (1908/09), das die Reaktion von Pflanzen- und Tierarten auf eine Verringerung des Sauerstoffgehalts der fließenden Welle durch mikrobielle Oxidation organischer Wasserinhaltsstoffe untersucht und zusammenfasst. Die wichtigste Organismengruppe zur Bestimmung der Gewässergüte ist das sogenannte Makrozoobenthos. Dabei handelt es sich um wirbellose Kleintiere des Gewässergrunds wie Schnecken, Egel, Insektenlarven, Käfer oder Würmer. Eintagsfliegenlarve der Gattung Ecdyonurus spp. aus dem Glattbach oberhalb der Kläranlage Großglattbach; Indikator für Güteklasse I-II (Bild: Ökomobil Karslruhe). Der Rollegel Erpobdella octoculata, ein Indikator für Güteklasse III (Bild: WBW). Das Ausmaß der biologischen Auswirkungen von Abwassereinleitungen in die Gewässer hängt sowohl von der Abwassermenge und qualität als auch vom Gewässertypus ab. Ein Bach oder Fluss mit einem großen Gefälle und einem steinigen Untergrund reagiert im allgemeinen aufgrund des hohen physikalischen Sauerstoffeintrags wesentlich weniger empfindlich als ein Gewässer mit einer geringen Fließgeschwindigkeit und einer schlammigen Sohle Oberflächengewässer -
3 Die Entwicklung der Gewässergüte in Baden-Württemberg wird von der Landesanstalt für Umweltschutz in Karlsruhe seit mehr als 30 Jahren an rund Untersuchungsstellen verfolgt und in Landesgütekarten dargestellt. Ergebnis dieser kontinuierlichen Untersuchungen ist, dass der Anteil der Gewässer mit dem angestrebten Mindestziel der Güteklasse II von rund 31 % auf 57 % angestiegen ist. Entwicklung der biologischen Gewässergüte Belastung : Von übermäßig (rot) Bis unbelastet (blau) Insgesamt weisen im Hinblick auf die Zielsetzung Gewässergüteklasse II heute 76,2 % unserer Landesgewässer keine bzw. nur noch geringe Defizite auf, im Jahr 1968 waren es nur 41,4 %. Dieser landesweite Aufwärtstrend ist auch bei den Enzkreisgewässern festzustellen. In der aktuellen Gewässergütekarte von Baden-Württemberg aus dem Jahr 1998 werden Nagold, Enz, Würm, Kämpfelbach, Bruchbach, Feldrennacher Bach, Arnbach und Weissach als mäßig belastet und damit der Güteklasse II zugehörig eingestuft. Gütedefizite wurden stellenweise für die Pfinz, die Salzach und die Metter verzeichnet. Im Jahr 1974 war nur bei 7 % der Enzkreis- Meßstellen Güteklasse II oder besser festgestellt worden, im Jahr 1998 lagen 75 % aller Untersuchungspunkte in diesem Bereich. Die Gewässergütekarte kann im Internet unter eingesehen werden. Die Verbesserung führt man darauf zurück, dass die Belastung der Gewässer mit leicht abbaubaren organischen Stoffen aufgrund der verbesserten Abwasserreinigung und Regenwasserbehandlung und des Ausbaus der kommunalen Kläranlagen zur Stickstoff- und Phosphorelimination stetig abgenommen hat. Um die Gewässerbelastung im Enzkreis über den oben dargestellten Gesamtüberblick hinaus auch anlagenbezogen beurteilen zu können, wurden im Jahr 2000/2001 durch das Umweltschutzamt Gewässergüteuntersuchungen vorgenommen bzw. veranlasst mit der Zielsetzung, eventuell vorhandene Gütedefizite durch Abwassereinleitungen zu erfassen und zu dokumentieren, die so spezifisch durch das Landesmeßnetz nicht festgestellt werden können. Die Probenahme erfolgte jeweils ober- und unterhalb der Einleitungsstellen der Kläranlagen, die Ergebnisse wurden in einer Gütekarte für den Enzkreis Auswirkungen von Abwassereinleitungen auf die Gewässergüte dargestellt. - Oberflächengewässer - 65
4 Wie aus nachstehender Abbildung hervorgeht, wird oberhalb der insgesamt 21 untersuchten Kläranlagen das landesweit gültige Ziel Güteklasse II oder besser eingehalten. Unterhalb der Abwassereinleitungsstellen weisen immerhin 70 % der untersuchten Gewässer ebenfalls Güteklasse II auf. Gewässergüte unterhalb der Kläranlagen 5% 20% 5% 70% Güteklasse II Güteklasse II-III Güteklasse III o.b. Gewässergüte unterhalb der Kläranlagen im Enzkreis Unterhalb der Abwassereinleitungen aus den KLA Illingen, Friolzheim, Mönsheim und Engelsbrand, d.h. bei 20 % der untersuchten Kläranlagen, wurde mit Güteklasse II-III ( kritisch belastet ) eine Verschlechterung der Gewässergüte festgestellt. Die Ergebnisse der Untersuchungen am Schmiebach (KLA Illingen) und am Seegraben (KLA Friolzheim) stehen derzeit zur Überprüfung an, da die zwischen 1998 und 2001 durchgeführte Kläranlagenerweiterung in Illingen mittlerweile abgeschlossen und in Friolzheim im Jahr 2000 eine neue Kläranlage in Betrieb genommen wurde. Handikap der neuen Kläranlage in Friolzheim wie auch der Kläranlagen in Engelsbrand und in Sengach ist das geringe Wasserdargebot der früher oft als Vorfluter bezeichneten Oberflächengewässer, die während der Niedrigwasserzeit im Spätsommer und Herbst oft sogar trocken fallen. Unterhalb der Kläranlage Tiefenbronn wurde in der Würm Gewässergüteklasse III ermittelt, dies entspricht einer starken Verschmutzung. Für die Kläranlage Tiefenbronn sind Ausbaumaßnahmen geplant, der erste Bauabschnitt wird ab 2002 realisiert. Mit abnehmender Gewässerbelastung nimmt die Aussageschärfe der Bioindikation der organischen Gewässerbelastung ab, gleichzeitig gewinnen die morphologischen Komponenten wie Strömung, Substrat und Gewässertypus an Bedeutung. Bei der Beurteilung des Gewässerzustands werden daher zunehmend die Folgen unterschiedlicher Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen zu betrachten sein. Naturnahe Gewässerentwicklung Der negativen Auswirkungen von Gewässerausbaumaßnahmen war man sich schon im Spätmittelalter bewusst. So schrieb Leonardo da Vinci ( ): Weil der Fluss umso schneller wird und das Ufer und die Sohle umso mehr zernagt und zerstört, je gerader er ist, deshalb ist es 66 - Oberflächengewässer -
5 nötig, solche Flüsse stark zu verbreitern oder sie durch viele Windungen zu schicken oder sie in viele Zweige zu teilen.... Der Ausbau von Fließgewässern aus technischen oder nutzungsorientierten Vorgaben heraus hat zu unerwünschten Folgewirkungen wie Ansteigen der Hochwassergefahr, Grundwasserabsenkungen, Zunahme von Erosionserscheinungen und Verlust von Pflanzen- und Tierarten geführt. Natürliche oder naturnahe Fließgewässer besitzen demgegenüber die Fähigkeit zur Selbstregulation und Selbstreinigung. Zur Umsetzung eines ganzheitlichen Gewässerschutzes im Sinne der EU-WRRL muss die Gewässerstruktur als ein Bestandteil des ökologischen Zustands erfasst und bewertet werden. Daraus ergibt sich dann ein Bild über die schwerpunktmäßige Verteilung von Defiziten und Ansatzpunkte für die naturnahe Gewässerentwicklung bei einem effektiven Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel. Die Entwicklungsziele werden anhand eines Leitbilds festgelegt. Unter dem Begriff Leitbild versteht man den potentiell natürlichen Zustand eines Gewässers und seiner Aue. Damit ist nicht der historische Gewässerzustand vor jeder menschlichen Einflussnahme gemeint, sondern der unter den herrschenden Rahmenbedingungen möglichst naturnahe Zustand, bei dem die ökologische Funktionsfähigkeit gewährleistet ist. Naturnähe sieht also nicht an jedem Gewässer gleich aus, sie ist auch vom jeweiligen Naturraum abhängig. Ein Leitbild bezieht jedoch immer die Einheit von Fluss und Aue ein, die Durchgängigkeit des Gewässers für wandernde Organismen, die Lebensraumvielfalt und die individuellen Nutzungen im Einzugsgebiet. Bei der Festlegung von Entwicklungszielen werden also auch gesellschaftliche, ökonomische und technisch-planerische Vorgaben berücksichtigt. Strukturgütekartierung als Mittel zur Erfassung des Ist-Zustandes Die Gewässerstruktur ist Bestandteil des ökologischen Zustands. Um naturnahe Gewässer erhalten oder entwickeln zu können, muss der Ist-Zustand erfasst werden. Eine erste Übersichtskartierung der Fließgewässerstruktur in Baden-Württemberg 1992/93 hat gezeigt, dass es in der Kulturlandschaft Baden-Württembergs keine vollständig von menschlicher Nutzung unbeeinflussten, natürlichen Fließgewässer mehr gibt. Bei der Bewertung der Strukturgüte kann deshalb allenfalls der Grad der Naturnähe, d.h. das Ausmaß der menschlichen Einflussnahme, beurteilt werden. 47% Strukturgüte der Gewässer in Baden-Württemberg 22% 31% naturnah beeinträchtigt naturfern Die Betrachtung der wichtigsten Strukturfaktoren Linienführung, Ufergehölzsaum, Talbodennutzung, Gewässerrandstreifen und Durchgängigkeit hatte zum Ergebnis, dass landesweit nur noch rund 22 % der bewerteten Gewässerstrecken als weitgehend naturnah bezeichnet werden können, ca. 31 % sind beeinträchtigt, rund 47 % der untersuchten Fließgewässerstrecken müssen als naturfern eingestuft werden. Strukturgüte der Gewässer in Baden-Württemberg (Quelle: LfU) - Oberflächengewässer - 67
6 Gravierende Strukturveränderungen waren vor allem dort festzustellen, wo aufgrund der naturräumlichen Gliederung günstige Bedingungen für eine Besiedelung und für den landwirtschaftlichen Anbau herrschen. Dort kam es zu einer besonders nachhaltigen Veränderung der Fließgewässer, um neue Siedlungs- und Kultivierungsflächen bereitzustellen oder um Hochwassersicherheit zu erreichen. Im Enzkreis wurden 30 % der betrachteten Gewässerstrecken als weitgehend naturnah, 32 % als beeinträchtigt und 38 % als naturfern beurteilt. Strukturgüte der Gewässer im Enzkreis 30% 38% naturnah 32% beeinträchtigt naturfern Unter den beurteilten Strukturfaktoren wurde im Enzkreis der im Vergleich zu anderen Kreisen große prozentuale Anteil an weitgehend naturnahen Gehölzsäumen von rund 51 % positiv vermerkt, bei der Talbodennutzung war mit einem Prozentsatz von 70,4 % eine hohe Beeinträchtigung festzustellen. Strukturgüte der Gewässer im Enzkreis (Quelle: LfU) In der Gesamtbewertung aller Enzkreisgewässer wurde die Eyach als weitgehend naturnah eingestuft, der Kämpfelbach dagegen durchgehend als naturfern. Die übrigen Gewässer oder Gewässerstrecken wurden schwerpunktmäßig als beeinträchtigt bezeichnet. Naturnaher Ufergehölzsaum am Scherbentalbach oberhalb von Lienzingen. Der Kämpfelbach in Königsbach 68 - Oberflächengewässer -
7 Gewässerunterhaltung als Chance für eine naturnahe Gewässerentwicklung Schon das Wassergesetz von Baden-Württemberg in der Fassung vom 01. Januar 1999 forderte die Träger der Unterhaltungslast auf, naturnahe Gewässer zu erhalten und bei nicht naturnahen Gewässern in einem angemessenen Zeitraum die Voraussetzungen für eine naturnahe Entwicklung zu schaffen, sofern diesem Ziel nicht überwiegende Gründe des Allgemeinwohls entgegenstehen (WG 68 a). Träger der Unterhaltungslast ist der Gewässerbetteigentümer, d.h. bei Gewässern II. Ordnung die Kommune, bei Gewässern I. Ordnung das Land Baden-Württemberg. Insgesamt hat sich ein Bewusstseinswandel durchgesetzt. Fließgewässer werden immer weniger rein nutzungsbezogen als Vorfluter gesehen, sondern mehr als Lebensraum, den es zu erhalten und zu schützen gilt. Ökologische Belange wurden mit dem Rechtsbegriff Wohl der Allgemeinheit in Zusammenhang gebracht und dadurch aufgewertet. Beim Abwägungsprozess zwischen dem Wohl der Allgemeinheit und den Ansprüchen einzelner Anlieger und Nutzer werden heute andere Schwerpunkte gesetzt als in der Vergangenheit. Per Definition sind Unterhaltungsarbeiten Maßnahmen im und am Gewässer zur Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustands für den Wasserabfluss. Die Unterhaltungspflichtigen sollen die Maßnahmen unter Berücksichtigung ökologischer Belange nach eigenem Ermessen durchführen, um dem Gewässer ein hohes Maß an Natürlichkeit und Funktionsfähigkeit zu sichern. Es ist also ein neuer Wertmaßstab für die Ordnungsmäßigkeit der Unterhaltung entstanden. Insgesamt versteht man heute unter einer an der naturnahen Gewässerentwicklung orientierten Unterhaltungspraxis ein anlassorientiertes Handeln mit dem Gebot, Eingriffe zu minimieren. Abweichungen von diesem Minimierungsgebot sind nur in Ausnahmefällen auf Antrag möglich. Dieser Antrag muss mit Begründung bei der Wasserbehörde gestellt werden, die dann über eine mögliche Zulassung entscheidet. Der Minimierungsgrundsatz zieht sich durch alle bei der Gewässerunterhaltung relevanten Themen wie Sanierung von Hochwasserschäden, Grabenunterhaltung, Gehölzpflege oder Räumung des Gewässerbetts. An Bächen und Flüssen in der freien Landschaft lässt sich der Unterhaltungsaufwand in der Regel ohne wesentliche Schwierigkeiten vermindern. Allerdings ist diesbezüglich das Verständnis der Anlieger erforderlich. Eine Methode des dezentralen Hochwasserschutzes ist zum Beispiel die Ausweisung von Gewässerrandstreifen. Seit 1996 sind Gewässerrandstreifen gesetzlich verankert, nach 68 b WG dienen sie der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen der Gewässer und sind demnach ein wichtiger Baustein, um den angestrebten guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen. Im Außenbereich umfassen sie die an das Gewässer landseits der Böschungsoberkante angrenzenden Bereiche in einer Breite von 10 m. Der Uferrandstreifen Idealform und häufig angetroffener Zustand (Quelle: LfU B-W: Leitfaden Gewässerrandstreifen). - Oberflächengewässer - 69
8 Innerhalb der Gewässerrandstreifen gelten folgende Verbote: das Errichten baulicher Anlagen, der Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen und der Umbruch von Dauergrünland. Der Erhalt von Grünland auf den an die Gewässer angrenzenden Flächen erhöht den Fließwiderstand, dadurch werden Hochwasserspitzen abgemindert und die Erosionskraft reduziert. Damit lässt sich auch der Unterhaltungsaufwand verringern. Zur Förderung einer eigendynamischen Entwicklung können Hochwasserschäden im Außenbereich meist belassen werden. Häufig entstehen Erosionsschäden dort, wo der Mensch nach seinen Bedürfnissen Straßen und Wege, Leitungsnetze und Siedlungen in die Talaue gelegt hat. Folge des hochwassersicheren Ausbaus ist, dass in einem engen Gewässerbett große Wassermengen abfließen müssen. Dadurch treten höhere Erosionskräfte auf, die verstärkt Schäden verursachen können. Ist zur Sicherung von Straßen oder Leitungen die Behebung eines Hochwasserschadens zum Wohle der Allgemeinheit notwendig, ist eine Sanierung mit ingenieurbiologischen Methoden anzustreben. Der Schmiebach in Lienzingen Erosionsstelle mit Sanierungsbedarf aufgrund eines Fußwegs. Die Wahl naturnaher Methoden im Wasserbau kann finanziell zu einem Einspareffekt führen. Bei einer Fortbildungsveranstaltung des Wasserwirtschaftsverbands Baden- Württemberg zum Thema Sanierung von Hochwasserschäden im Jahr 1995 wurde eine Vergleichsrechnung für die Beseitigung eines fiktiven Hochwasserschadens auf einer Gewässerstrecke von 50 m aufgestellt. Dabei ergab sich im Kostenvergleich ein Unterschied von ca DM zugunsten einer Sanierung mit ingenieurbiologischen Bauweisen anstelle der Beseitigung mit einem Steinsatz. Grenzbach mit Krainerwand unterhalb von Wurmberg zur Sicherung der vorhandenen Straße Oberflächengewässer -
9 Mensch und Gewässer Gewässer im Außenbereich können insgesamt problemloser in einen naturnahen Zustand gebracht werden als solche innerorts. Gewässer in Ortslagen sind aufgrund der oft starken Verbauung und der beengten Verhältnisse meist nur schwer zu entwickeln und (kosten) aufwendig zu unterhalten. Der Kämpfelbach in Ersingen Bei der Gewässerunterhaltung ist hier guter Rat wahrhaft teuer! Es ist sinnvoll, vor einer Sanierung von Ufer-, Böschungs- und Sohlschäden zunächst nach der Schadensursache zu suchen und diese zu beseitigen. Wo möglich hat die Bauweise Null Vorrang. Wenn saniert werden muss, dann mit naturgemäßen Bauweisen. Auch innerorts ist nach Möglichkeit zu berücksichtigen: Fließgewässer sind dynamische Systeme. Der Eigendynamik entgegenzuwirken heißt schleichenden Gewässerausbau betreiben. In der Bauleitplanung kann eine Kommune vorbeugend durch entsprechend konkrete Regelungen zur Freihaltung eines unbebauten Gewässerrandstreifens selbst dafür sorgen, dass solche Probleme erst gar nicht eintreten. Intakte und erlebbare Gewässer spielen auch innerorts für den Menschen eine immer bedeutendere Rolle. Naturnahe Elemente in erreichbarer Nähe des menschlichen Umfelds bewirken eine wesentliche Steigerung der Lebensqualität. Eine Umfrage zum Thema Was ist für uns ein schönes Gewässer? im Rahmen einer Veranstaltung des WBW hat ergeben, dass ein Fließgewässer dann als schön empfunden wird, wenn es als Lebensraum wahrnehmbar ist. Die Befragten empfanden eine vielseitige Strukturierung und ein vielfältiges Fließverhalten eines Gewässers als schön, ebenso klares Wasser und unverbaute Ufer mit einem Gehölzsaum. Auch kulturhistorische Merkmale wurden in die Positiv-Liste aufgenommen. Als unschön wurde im Gegenzug ein betoniertes Gewässer bezeichnet, das als reine Abflussrinne ausgebaut wurde oder das dauernd unterbrochen war. Vor diesem Hintergrund gewinnen Gewässer und ihre Auen auch in einem städtischen Umfeld an Bedeutung als Erholungsflächen und als gestalterische Elemente. Bei der Formulierung von Entwicklungszielen werden hier allerdings aufgrund der räumlichen Verhältnisse die ökologischen Aspekte nicht an erster Stelle stehen können. Mindestanforderungen zur Wiederbelebung urbaner Gewässer für den Menschen sind jedoch die Verbesserung oder der Erhalt der Wasserqualität, die Wiederherstellung der Durchgängigkeit, der Rückbau von technischen Ufer- und Sohlsicherungen sowie - bei Bedarf - Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen. Wichtige Punkte für die Entwicklung innerörtlicher Gewässer sind über diese Punkte hinaus die Ausweisung von Entwicklungsflächen und die Einbindung städtischer Erholungsflächen zur Verbesserung der Erlebbarkeit des Gewässers für den Bürger. - Oberflächengewässer - 71
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