>>Kindergeld und Karenz Achtung WiedereinsteigerInnen<<

Transkript

1 Pressekonferenz >>Kindergeld und Karenz Achtung WiedereinsteigerInnen<< Renate Csörgits ÖGB-Frauenvorsitzende Sylvia Ledwinka ÖGB-Frauensekretärin ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli 2002

2 Kinderbetreuungsgeld und Karenz Achtung WiedereinsteigerInnen Heute, am 1. Juli 2002, endet für die ersten Frauen, die das Kindergeld beziehen, die kündigungsgeschützte Karenz. Die Folge: Bleiben sie für die restlichen sechs Monate des Kindergeldbezugs zu Hause, riskieren sie ihren Job. Das ist den meisten jungen Eltern nicht bewusst. Die unterschiedliche Dauer zwischen Kindergeldbezug und Karenzzeit ist nicht der einzige Mangel beim Kindergeld. Wir nehmen den heutigen Stichtag zum Anlass, um aus unserer Beratungspraxis die größten Fallen bei der Kindergeld-Regelung aufzuzeigen. Kindergeld Karenz: ein großer Unterschied Karenz: Für ArbeitnehmerInnen besteht Anspruch auf Karenz bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes. Lediglich das Modell der Teilzeitkarenz ermöglicht eine maximale Dauer der Karenz bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes. Beide Formen der Karenz zeichnen sich dadurch aus, dass für die ArbeitnehmerInnen in dieser Zeit Kündigungs- und Entlassungsschutz besteht. Dieser Schutz endet vier Wochen nach Ende der Karenz der so genannten Behaltefrist. Kinderbetreuungsgeld: Das Kinderbetreuungsgeld, im Alltag meist Kindergeld genannt, wird für einen Elternteil maximal zweieinhalb Jahre ausbezahlt. Wenn sich die Eltern bei der Kinderbetreuung abwechseln, gibt es das Kindergeld bis maximal zum dritten Geburtstag des Kindes. Das Kindergeld gibt es grundsätzlich für Geburten ab 1. Jänner Für Eltern, deren Kinder in der Zeit zwischen 1. Juli 2000 und 31. Dezember 2001 zur Welt kamen, gilt folgende Übergangsbestimmung: Sofern sie Anspruch auf Karenzgeld oder zumindest Teilzeitbeihilfe hatten, erhalten sie seit Jahresanfang eine Leistung, die in Höhe und Bezugsdauer dem Kindergeld entspricht. Bei jenen Eltern, die in die Übergangsbestimmungen fallen, endet nun bei den ersten die kündigungsgeschützte Karenzzeit. Die ersten Betroffenen sind jene Frauen, deren Kinder am 1. Juli 2000 zur Welt kamen. Für diese Frauen wäre heute der erste Arbeitstag nach der Karenz. FALLE 1: Die Frau bleibt länger als bis zum 2. Geburtstag zu Hause Was sind die Folgen des Nichterscheinens am Arbeitsplatz nach der Karenz? Die Arbeitnehmerin erscheint nicht zur Arbeit weil sie annimmt, dass sie bis zum 30. Lebensmonat des Kindes zu Hause bleiben kann. Damit riskiert sie die Entlassung. Denn Fernbleiben vom Arbeitsplatz ohne Angabe von Gründen fällt unter die Entlassungstatbestände. Zusätzliche Negativfolge: Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes ist auch der Abfertigungsanspruch weg! ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli

3 FALLE 2: Der Vater übernimmt nach dem 2. Geburtstag die Betreuung Das Kindergeld wird bei Übernahme eines Teiles der Betreuungszeit durch den Vater bis zum 3. Geburtstag des Kindes gezahlt. Die Väter sind aufgrund dieses verlängerten Geldbezugs häufig der Meinung, sie könnten für die letzten sechs Monate vor dem 3. Geburtstag des Kindes nun in Karenz gehen, um die Kinderbetreuung zu übernehmen. Leider stimmt das nicht! Auch für Väter gilt, dass der Geldbezug nicht automatisch die Karenzzeit verlängert. Wenn der Vater erst nach dem zweiten Geburtstag des Kindes die Betreuung übernimmt, hat er keinen Anspruch auf Karenz und damit auf Kündigungs- und Entlassungsschutz. FALLE 3: Verschlechterter Kündigungsschutz für den zweiten Elternteil Dass die partnerschaftliche Teilung der Babybetreuung nicht das Ziel der Kindergeld- Regelung der Regierung ist, macht auch eine andere Falle im Väterkarenzgesetz deutlich: Der Kündigungsschutz für den Vater beginnt nunmehr nicht mit der Meldung des Karenzwunsches beim Dienstgeber, sondern frühestens vier Monate vor Beginn seiner Karenz. Gleichzeitig muss die Karenz nach wie vor spätestens drei Monate vor Antritt gemeldet werden. Fazit: Der Vater muss seinen Karenzwunsch innerhalb des vierten Monats vor Antritt der Karenz melden. Gibt er seinen Karenzwunsch dem Arbeitgeber früher bekannt, kann er gekündigt werden. FALLE 4: Zuverdienstgrenze bei partnerschaftlicher Teilung der Betreuung Gerade wenn Väter planen, das letzte halbe Jahr (30. bis 36. Lebensmonat des Kindes) das Kindergeld zu beziehen und die Frau hat davor keinen Zuverdienst gehabt, wird fälschlich angenommen, dass dann trotzdem noch die gesamte Zuverdienstgrenze von für das Kalenderjahr zur Verfügung steht. Stimmt nicht: Wenn der Vater nur für sechs Monate Kindergeld bezieht, gilt nicht die Jahreszuverdienstgrenze, sondern der aliquote Anteil davon (also 50 Prozent des Jahreszuverdienstes). FALLE 5: Zuverdienstgrenze nach Wiedereinstieg hängt vom Geburtsmonat ab Je nach Geburtsdatum des Kindes und Datum des Wiedereinstiegs ergeben sich unterschiedlich hohe Zuverdienstgrenzen. ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli

4 Beispiele: Arbeiterin, Geburt des Kindes 1. Jänner: möglicher Zuverdienst pro Monat für 6 Monate vom 24. bis zum 30. Lebensmonat des Kindes = ca * pro Monat Arbeiterin, Geburt des Kindes 1. Juli: möglicher Zuverdienst pro Monat für 6 Monate vom 24. bis zum 30. Lebensmonat des Kindes = ca * pro Monat Annahme in beiden Fällen: In der Karenz bis zum zweiten Geburtstag des Kindes gab es keinen Zuverdienst. Die unterschiedlich hohen Beträge des Zuverdienstes, die sich durch das Geburtsdatum des Kindes ergeben, werden auch von ArbeitsrechtlerInnen als verfassungswidrig bezeichnet. FALLE 6: Höherer Zuverdienst geht zulasten des Kündigungs- und Entlassungsschutzes Da die Möglichkeit des erweiterten Zuverdienstes immer wieder hervorgekehrt wird, ist es den ArbeitnehmerInnen kaum zu erklären, dass der Kündigungsschutz nur dann besteht, wenn sie weiterhin nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze und maximal in 13 Wochen mehr verdienen. Es besteht zudem die Gefahr, dass dieser löchrige Kündigungsschutz nur ein erster Schritt ist und die kündigungsgeschützte Karenz über kurz oder lang ganz abgeschafft wird. FALLE 7: Schwammige Härteklausel Ein Beispiel aus dem Beratungsalltag: Eine Frau hat vor dem Wiedereinstieg genau ihre Zuverdienstgrenze berechnet und festgestellt, dass sie trotz Vollzeitbeschäftigung unter der Zuverdienstgrenze bleibt und daher das Kindergeld bekommt. Nach ihrem Wiedereinstieg wird sie versetzt. Auf dem neuen Dienstposten gibt es eine Zulage, durch die sie die Zuverdienstgrenze übersteigt. Fällt das jetzt unter Fälle einer geringfügigen, unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze bis zu 10 Prozent, für die es eine Härtefall-Verordnung gibt? Es war der betroffenen Frau nicht möglich, im Ministerium eine qualifizierte Auskunft zu erhalten, die ihr gewährleistet, dass sie NICHT nächstes Jahr das gesamte Kindergeld zurückzahlen muss!!! * vom ÖGB empfohlener Richtsatz! ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli

5 Weitere Mängel: Ruhensbestimmung beim Wochengeld Für Arbeitnehmerinnen mit Anspruch auf Wochengeld beginnt der Bezug des Kindergeldes erst nach Ende des Wochengeld-Bezuges. BäuerInnen und Selbstständige haben die Möglichkeit der Betriebshilfe und können trotzdem Kindergeld schon ab der Geburt beziehen. (Betriebshilfe = 22,7 pro Tag, rund 681,3 pro Monat.) Auch ArbeitsrechtlerInnen sind der Meinung, dass diese Ruhensbestimmung für ArbeitnehmerInnen (denn nur diese beziehen Wochengeld) mehr als bedenklich sind. Teilzeitkarenz Durch die Zuverdienstgrenze ist diese Form der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade für besser verdienende ArbeitnehmerInnen nicht mehr möglich. Einem baldigen Wiedereinstieg junger Frauen über qualifizierte Teilzeit ist dadurch eine Hürde vorgebaut. Auch als Anreiz für Männer, einen Teil der Betreuungsarbeit zu übernehmen, ist die Teilzeitkarenz durch die nunmehrige Zuverdienstgrenze vielfach uninteressant. Zum Vergleich: Bei der alten Karenzregelung erhielt man im Falle der Teilzeitkarenz das halbe Karenzgeld, konnte dazu aber in unbegrenzter Höhe dazuverdienen. (Einzige Voraussetzung: Die wöchentliche Arbeitszeit musste um mindestens 40 Prozent reduziert werden.) Fazit: Diese bessere Form der Teilzeit (beginnt frau/man gleich nach Ende der Schutzfrist in Teilzeitkarenz zu arbeiten, ist er/sie bis vier Wochen nach dem 4. Geburtstag des Kindes kündigungs- und entlassungsgeschützt), droht voraussichtlich auszusterben. Verzichtsmöglichkeit Grundsätzlich ist es möglich, auf das Kindergeld im Vorhinein (spätestens ein Monat vorher) zu verzichten, wenn man weiß, dass man in diesem Zeitraum über der Zuverdienstgrenze liegen wird tut man dies nicht und kommt über die jährliche Zuverdienstgrenze, muss man das Kindergeld für das gesamte Kalenderjahr zurückzahlen. Das Problem: Die Verzichtsmöglichkeit bietet de facto nur für BäuerInnen und Selbstständige echte Gestaltungsspielräume, ArbeitnehmerInnen haben nicht die Möglichkeit, ihre Gehälter/Löhne auf ein Monat zusammenzuziehen und dann in diesem Monat auf das Kindergeld zu verzichten. Mutter-Kind-Pass Es erfolgte nahezu keine Aufklärung von Seiten der Regierung, dass das Kindergeld ab dem 21. Lebensmonat auf die Hälfte gekürzt wird, wenn die notwendigen Mutter-Kind- Pass-Untersuchungen bis zum 18. Lebensmonat nicht nachgewiesen werden können. ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli

6 Fehlende Rahmenbedingungen Kinderbetreuungsplätze: Kindern zwischen sechs und sieben Jahren stehen Plätzen gegenüber, Kindern unter drei Jahren werden Plätze geboten. Anstatt endlich die nötigen Betreuungsplätze in ganz Österreich mit arbeitnehmerinnenorientierten Öffnungszeiten zu schaffen, werden Modelle von Seiten der Regierung überlegt, dass bis zu , pro Jahr (= ATS , ) an Ausgaben für die Kinderbetreuung als Werbungskosten abgeschrieben werden können. Zum Vergleich: Mehr als 40 Prozent der Frauen und immerhin 20 Prozent der Männer verdienen netto weniger als , im Jahr (Zahlen aus 1999). WiedereinsteigerInnen-Programme: werden gekürzt, anstelle sie auszubauen! Service der ÖGB-Frauen Der Online-Rechner der ÖGB-Frauen ermöglicht WiedereinsteigerInnen das Ausrechnen ihrer persönlichen Zuverdienstgrenze. Den Rechner gibt es in einer Version für ArbeiterInnen, Angestellte und seit April auch für öffentlich Bedienstete. In einem nächsten Schritt wird der Rechner für junge Eltern, die sich die Karenz teilen, adaptiert. Muster-Vereinbarungen zur Sicherung des Kündigungs- und Entlassungsschutzes Damit junge Eltern, die über den zweiten Geburtstag hinaus zur Betreuung ihres Kindes die Erwerbstätigkeit unterbrechen, beim geplanten Wiedereinstieg nicht ohne Job dastehen, haben die ÖGB-Frauen Mustervereinbarungen ausgearbeitet. Kann der/die ArbeitnehmerIn oder der Betriebsrat den Arbeitgeber zur Unterzeichnung einer derartigen Vereinbarung bewegen, gilt für die/den WiedereinsteigerIn ein über die Karenz hinausreichender Kündigungs- und Entlassungsschutz bis zum Ablauf des Kindergeld-Bezuges bzw. der im Vertrag vereinbarten Frist. Die ÖGB-Frauen bieten für Gewerkschaftsmitglieder eine Mustervereinbarung für einen Einzeldienstvertrag an also für die persönliche Abmachung zwischen Arbeitnehmer/in und Arbeitgeber. Zusätzlich gibt es auch ein Muster für eine entsprechende Betriebsvereinbarung. ÖGB-Frauen-Pressekonferenz, Wien am 1. Juli