Die Fortpflanzungsbiologie des Zanders (Sander lucioperca L.)
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- Reinhardt Bruhn
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1 Die Fortpflanzungsbiologie des Zanders (Sander lucioperca L.) Janek Simon - Institut für Binnenfi scherei e.v. Potsdam-Sacrow 1 Einleitung Der Zander (Sander lucioperca) ist ein wertvoller Fisch für die Freizeitfi scherei und wegen seines hohen Marktwertes nach dem Aal einer der wichtigsten Wirtschaftsfi sche der Binnenfi scherei (Zienert & Heidrich 2005). Er wird deshalb heute vielfach in geeignete Gewässer eingesetzt und als Nebenfi sch in Karpfen(abwachs)teichen gehalten. Aufgrund seiner stetig steigenden Nachfrage, welche schon in den letzten Jahren zu einem Rückgang in den natürlichen Beständen in Europa geführt hat, gewinnt diese Fischart zunehmend an Bedeutung in der Aquakultur. Bei Knaus et al. (2008) in Fischerei & Fischmarkt 1/2008 wurde bereits die Bedeutung des Zanders in der Aquakultur ausgewählter Länder Europas beschrieben und kurz die Systematik und seine Verbreitung vorgestellt. In diesem Artikel wird ein Überblick über die Biologie speziell die Fortpfl anzungsbiologie des Zanders gegeben, bevor in den folgenden Artikeln zum Zander in dieser Zeitschrift die ersten Ergebnisse aus dem Zanderprojekt der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommerns vorgestellt werden. 2 Lebensweise Der Zander ist ein typischer Bewohner mittlerer und größerer Standgewässer und Flüsse (Muus & Dahlström 1993, Brämick et al. 1999). Er hält sich bevorzugt bodennah in der Freiwasserzone über verhältnismäßig hartem Grund auf (Bade 1901, Gaschott 1928). Am besten gedeiht der räuberisch lebende Zander in nährstoff reichen Gewässern mit geringen Sichttiefen und wenig Unterwasserpfl anzen, in denen seine Nahrungskonkurrenten Hecht und Barsch nicht so gute Lebensbedingungen vorfi nden (Kammerad et al. 1997). Gelegentlich kommt der Zander auch in Waldseen sowie nur selten in klaren Maränenseen vor (Bauch 1954). Der Zander ist der größte einheimische Percide. Längen von 70 cm und 3 kg Masse sind keine Seltenheit (Brämick et al. 1999), die er in norddeutschen Seen im Durchschnitt nach 10 Jahren erreicht (Bauch 1954). Als Maximalwerte wurden 1,25 m und 15 kg (Gaschott 1928, Wundsch 1963) beobachtet. Im Donaugebiet soll er nach Unger (1939) sogar bis etwa 1,5 m lang werden. Nach Mohr (zit. in Dunker & Ladiges 1960) wird der Zander bis zu 16 Jahre alt, evtl. auch noch älter. Der Zander streift allein oder in kleinen Trupps, bestehend aus etwa gleich großen Artgenossen, im Freiwasser umher, um seiner Beute aufzulauern (Bade 1901, Muus & Dahlström 1993). Dabei kann er sich im Gegensatz zum Hecht in trüben Gewässern mit seinem ausgeprägtem Geruchssinn und durch das Tapetum lucidum eine Struktur im Augenhintergrund die bei trüben Bedingungen die Empfi ndlichkeit des Sehens erhöht, gut orientieren (Nicol et al. 1973, Ali et al. 1977). Die Nahrung der Zanderlarven besteht in den ersten Wochen ihres Lebens vorwiegend aus tierischem Plankton des Freiwassers (Cladoceren, Copepoden und deren Larven, manchmal auch Rotatorien) (z. B. Rogowski & Tesch 1960, Wundsch 1963, Tölg 1981). Mit zunehmender Größe werden dann auch größere Planktonorganismen wie z.b. Glaskrebse (Leptodora kindtii) oder große Crustaceen wie z. +B. Daphnien gefressen (z. B. Wundsch 1963, Craig 1987, Mehner et al. 1996). Anschließend nehmen die Jungzander größere Ufer- und Bodentiere wie Larven von Zuckmücken und Eintagsfl iegen auf oder sie gehen gleich zur piscivoren Ernährung über. Meist fi ndet jedoch der Übergang zur Ernährung durch Kleinfi sche zum Ende des ersten Lebenssommers statt. In Gewässern (z. B. längs der Ostseeküste), in denen Stinte vorkommen, stellen diese in der Regel den wichtigsten Beutefi sch für den Zander dar (z. B. Willemsen 1977, Kafemann et al. 1998), da sie ebenfalls das Freiwasser bevorzugen. Die typische Nahrungszusammensetzung der Zander in Binnengewässern beinhaltet weiterhin Ukelei und andere kleine Cypriniden sowie kleine Barsche (z. B. Bade 1901, Gaschott 1928, Filuk 1961, Wiktor 1961, Wundsch 1963). In seinem nördlichen Verbreitungsgebiet ist noch die Kleine Maräne (Coregonus albula), in den südlichen Verbreitungsgebieten Gründlinge (Gobio spec.) und in Küstengewässern Heringe (Clupea spec.) von Bedeutung (Popova & Sytina 1977, Fischerei & Fischmarkt in M-V 1/
2 Aus der Fischereiforschung Nagiec 1977). Der Zander weist eine ähnlich starke Neigung zum Kannibalismus auf wie der Hecht. Er wurde ab einer Körpergröße von 2,5 cm (Wundsch 1963), bei Nahrungsmangel sogar schon ab etwa 1,2 cm (Zienert & Heidrich 2005) beobachtet. 3 Fortpfl anzung Die Weibchen des Zanders erreichen die Geschlechtsreife mit drei bis sechs Jahren (Deelder & Willemsen 1964). Zandermännchen werden durchschnittlich ein Jahr früher geschlechtsreif (Simon et al. 2008). Der Zeitpunkt des Eintritts der Geschlechtsreife ist neben dem Alter von der Wassertemperatur und der Wachstumsrate abhängig (Petrova & Živkov 1998). So werden die Zander bei durchschnittlich wärmeren Temperaturen im Gewässer eher und mit einer geringeren Körpergröße geschlechtsreif als in kälteren Gewässern (Petrova & Živkov 1998). Die Länge, ab der die Zander die Laichreife erreichen beträgt bei Weibchen cm und bei Männchen cm (Deelder & Willemsen 1964, Willemsen 1977, Muus & Dahlström 1993). Die Geschlechter unterscheiden sich im Körperbau und den äußeren Merkmalen nur wenig und können außerhalb der Laichzeit nicht sicher unterschieden werden. Zum Beginn der Laichzeit sind die Rogner deutlich an ihrem Laichansatz, d. h. anhand des vorgewölbten Leibes, zu erkennen (Zienert & Heidrich 2005, Abb. 1). Außerdem steht beim Rogner die Laichpapille bedeutend mehr vor als beim Milchner (Gaschott 1928). Nach Rauch (zit. in Gaschott 1928) ist im Frühjahr beim Rogner der pralle Bauch weiß gefärbt, während er beim Milchner bläulich marmoriert ist. Der Gonadosomatische Index (GSI, Masse der Gonaden x 100/Masse des ausgenommenen Fisches) von großen Weibchen (über 70 cm Totallänge und drei kg ausgenommen) kann unter guten Nahrungsbedingungen 15 % erreichen. Unmittelbar vor dem Ablaichen sind sogar bis 22 % möglich (Schlumberger & Proteau 1991). Der GSI der Männchen liegt normalerweise bei etwa 1 % (Schlumberger & Proteau 1991, Becer & Ikiz 1999). Etwa einen Monat vor dem Ablaichen beginnen die Laichwanderungen der Zander (Virbickas et al. 1974, Koed et al. 2000). Die dabei zurückgelegten Entfernungen sind relativ kurz, zumeist weniger als 35 km (Puke 1952, Koed et al. 2000). Der Zander laicht meist von April bis Mai (Deelder & Willemsen 1964). In seinem nördlichen Verbreitungsgebiet erfolgt das Ablaichen dabei durchschnittlich später (bis in den Juli hinein) und im Süden eher (schon Ende Februar) (Unger 1939, Schlumberger & Proteau 1996). Plötzliche Wetteränderungen wie Schlechtwetterperioden und harte Winde können das Laichen verzögern und kaltes Wetter während des Frühjahrs sogar verhindern (Neuhaus 1934). Bei warmen Wetter dauert das Laichgeschäft etwa zehn Tage (Gaygalas & Gyarulaytis 1974). Neben der Temperatur wurden auch der Salzgehalt des Wassers, die Strömungsgeschwindigkeit, der Wasserstand und der Sauerstoff gehalt als das Laichen beeinfl ussende Faktoren bestimmt (Svärdson & Molin 1973, Kukuradze 1974, Erm 1981, Balon Abb. 1: Rogner mit deutlichen Laichansatz kurz vor dem Ablaichen 30 Fischerei & Fischmarkt in M-V 1/2009
3 et al. 1977, Kafemann, et al. 1998). Die ältesten und größten Zander eines Bestandes laichen zuerst, die jüngeren Artgenossen folgen später (Erm 1981). Der Temperaturbereich, für den die Laichaktivitäten des Zanders beschrieben wurden, reicht von vier bis 19 C, wobei der Bereich zwischen 12 bis 15 C der am häufi gsten beschriebene ist (z. B. Tesch 1959, Wundsch 1963, Deelder & Willemsen 1964). In durchschnittlich kühleren Gewässern erfolgt das Ablaichen bei niedrigeren Wassertemperaturen, als bei durchschnittlich wärmeren Gewässern (Petrova & Živkov 1998). Die Zander laichen paarweise und können als monogam bezeichnet werden (Deelder & Willemsen 1964, Wootton 1990). Zum Höhepunkt des Laichvorgangs verhält sich die Zahl der Männchen zur Zahl der Weibchen wie 1:1 (Filuk 1961). In den jüngeren Altersklassen der Laichgemeinschaft überwiegen die Männchen, gefolgt von einem Zeitraum mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis (Petrova & Živkov 1998). Im Alter dominieren die Weibchen und die ältesten Jahresklassen bestehen ausschließlich aus Weibchen (Filuk 1961). Zur Laichzeit erscheinen die Zander an ruhigen und hartgründigen Stellen ihrer Wohngewässer (Bade 1901, Bauch 1954). Dabei sind die Männchen eher an den Laichplätzen als die Weibchen (Kovalev 1973) und besetzen ein Laichrevier (Zienert & Heidrich 2005). Die Männchen bleiben zwischen zwei und sechs Wochen (Mittelwert 26 Tage) stationär an den Laichplätzen (Jepsen et al. 1999). In der Ostsee befi nden sich die Laichgründe in fl achen Mündungsbereichen oder Buchten (Lehtonen & Toivonen 1981). In Fließgewässern laicht der Zander über sandigen Substraten, in der Nähe des Ufers bei Strömungsgeschwindigkeiten von 0,1 0,2 m/s und in Tiefen von 0,5 6 m ab (z. B. Botsjarnikowa 1952, Belyi 1962 zit. in Deelder & Willemsen 1964). In stehenden Gewässern ist der Laichplatz nicht durch eine bestimmte Tiefe begrenzt (Deelder & Willemsen 1964), die 5 17 m betragen kann (Tesch 1959, Woynarovich 1963, Belyi 1962 zit. in Deelder & Willemsen 1964). Entsprechend vieler Autoren laicht der Zander bevorzugt über sandigem bis kiesigem Grund. Als Laichsubstrat wird unter Wasser befi ndliches Wurzelwerk von Uferbäumen bevorzugt. Es können aber auch versunkene Äste und Zweige, die Rhizome der harten Gewässerfl ora, untergetauchte Wasserpfl anzen und ähnliche Unterlagen sein (z. B. Bade 1901, Bauch 1954, Wundsch 1963, Abb. 2). Die Anwesenheit von Wurzeln am Grund scheint ziemlich essentiell zu sein, obwohl die Eier manchmal auch auf Sand oder Kies abgelegt werden, wenn kein geeigneteres Substrat gefunden werden kann (Deelder & Willemsen 1964). Etwaig vorkommender Schwemmsand bzw. Schlammschichten werden vom Männchen mit Schwanzschlägen vom Untergrund abgeputzt, wodurch eine fl ache Laichmulde, eine Art Nest, entstehen kann (Zienert & Heidrich 2005). Die Laichmulde hat einen Durchmesser von ca. 0,5 m und ist vier bis fünf cm tief (Nikolski 1957). Das Männchen verteidigt das Nest und lockt ein Weibchen an (Craig 1987, Zienert 1992). Nach Zienert (mündliche Mitteilung) kann das Laichspiel (Balz) ein bis drei Tage dauern. Üblicherweise fi ndet dann das Ablaichen in der Nacht oder am frühen Morgen statt (Deelder & Willemsen 1964, Schlumberger & Proteau 1996) und dauert etwa ein bis sechs Stunden (Zienert mündliche Mitteilung). Die abgelegten Eier kleben rasch an den Substraten an und werden dort vom Männchen befruchtet (Wundsch 1963, Zienert 1992). Nach der Eiablage verlässt das Weibchen den Laichplatz (Unger 1939). Das Männchen bleibt bis zum Schlupf der Larven (fünf bis acht Tage) am Nest und betreibt eine gewisse Brutpfl ege. Es steht über den angeklebten Eiern, verursacht mit seinen paarigen Flossen eine leichte Strömung und fächelt so frisches Wasser über sie (Unger 1939, Botsjarnikova 1952). Darüber hinaus beschützt es das Gelege vor Verschlammung sowie vor den zahlreichen Laichräubern unter den Artgenossen und anderen Fischarten (Barsch, Plötze und andere Weißfi sche), die bei Annäherung an den Laichplatz vertrieben werden (z. B. Wundsch 1963, Schlumberger & Proteau 1996). Zander sollen sogar nach Tauchern gebissen haben, die sich dem Nest zu sehr näherten (Laurent et al. 1973). Die Daten zur Fruchtbarkeit des Zanders variieren in der Literatur stark (Simon et al. 2008). Am häufi gsten werden bis Eier je Weibchen genannt (z. B. Grote et al. 1909, Gaschott 1928, Wundsch 1963). Die relative Fruchtbarkeit (Anzahl Eier/g Körpergewicht) beträgt Eier/g (Zienert 1992, Zienert & Heidrich 2005, Demska-Zakes et al. 2005). Unreife Eier des Zanders sind hell und undurchsichtig, reife hingegen zitronengelb und durchsichtig Fischerei & Fischmarkt in M-V 1/
4 Aus der Fischereiforschung Abb. 2: Eine als Laichsubstrat angebotene Kokosfussmatte mit abgelegten Zander-Eiern Abb. 3: Junge Zander in einem Silo einer Kreislaufanlage bei der Fütterung mit Trockenfutter vom Bandfutterautomaten 32 Fischerei & Fischmarkt in M-V 1/2009
5 (Zienert 1992). Letztere haben ungequollen einen Durchmesser von 0,6-1,3 mm (Filuk 1961, Zienert & Heidrich 2005, Demska-Zak et al. 2005). Nach der Eiablage nehmen die Eier Wasser auf und weisen dann einen Durchmesser von 0,8-1,67 mm auf (z. B. Deelder & Willemsen 1964, Virbickas et al. 1974, Schlumberger & Proteau 1996, Becer & Ikiz 1999). Im ersten Reifestadium ist die Eizelle noch dicht mit vielen kleine Ölkugeln angefüllt, die sich bis zum Ende der Reifephase im Zentrum der Eizelle zu einer großen Ölkugel vereinen, die dann etwa ein Viertel des Eivolumens einnimmt (Zienert & Heidrich 2005). Die Eier werden nach dem Ablaichen sehr klebrig. In den ersten zwölf Stunden nach der Eiablage kommt es zu einer Verringerung der Klebrigkeit der Eier (Zienert & Heidrich 2005) und nimmt bis zum Schlüpfen der Larven weiter ab (Deelder & Willemsen 1964). Die Klebrigkeit von Zandereiern wird nicht durch Haftzotten hervorgerufen, wie bei anderen Fischarten, sondern durch eine Klebesubstanz verursacht, die fast über die gesamte Oberfl äche des Eies verteilt ist (Simon et al. 2008). Die Eizahl/Abtropfgewicht beträgt: ungequollen ca und gequollen ca Stück/g (Kovalev 1973, Zienert 1992). Die Inkubationszeit der Eier ist temperaturabhängig. Bei 10 C gehalten beträgt sie 110 Tagesgrade (T ), bei 15 bis 20 C liegt sie zwischen 50 und 60 T (Woynarovich 1961). Die Inkubationszeit der Eier beträgt bei einer Wassertemperatur von 10 C elf bis zwölf Tage (Unger 1939, Woynarovich 1963), bei 15 C drei bis zehn Tage (Unger 1939, Berg et al. 1949, Botsjarnikowa 1952, Woynarovich 1963), bei C drei bis vier Tage (Berg et al. 1949) und bei 25 C zwei bis drei Tage (Svärdson & Molin 1973). Die Schlupfrate liegt normalerweise bei % (Schlumberger & Proteau 1996) und die geschlüpften Larven sind 4,5 6 mm lang und pigmentfrei (Tölg 1981, Schlumberger & Proteau 1996). Nach dem dritten bis vierten Tag beginnt das Pigmentieren der Augen, des Kopfes und der Wirbelsäule (Tölg 1981). Dann bilden sich die Maul- und Darmöff nung aus. Der Dottersack wird anschließend je nach Wassertemperatur in sieben bis zwölf Tagen aufgezehrt (Woynarovich 1960). Die selbstständige Nahrungsaufnahme der Larven beginnt zwischen dem sechsten und siebten Lebenstag (Wundsch 1963). Ein Literaturverzeichnis ist beim Autor erhältlich. Kontakt: janek.simon@ifb-potsdam.de Fischerei & Fischmarkt in M-V 1/
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