Umgang mit PR-Material: Tipps für die journalistische Praxis. Von: Gregor Haschnik. Henrik Jacobs. Julian König. Jonas Kristen.
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1 Universität Hamburg Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft Wintersemester 2006 / 2007 Seminar II: Partner oder Gegner? Journalismus und PR in Deutschland. Leitung: Thomas Schnedler Umgang mit PR-Material: Tipps für die journalistische Praxis Von: Gregor Haschnik Henrik Jacobs Julian König Jonas Kristen Philip Metzner Hatice Ugurlu 1
2 Grundsätze Journalisten und PR-Vertreter stehen auf verschiedenen Seiten und verfolgen unterschiedliche Interessen. Deshalb: Immer skeptisch sein und jede PR-Information sorgfältig überprüfen. Hartnäckig bleiben und nachhaken. Kritisch, umfassend und so objektiv wie möglich berichten. Auch unter Zeitdruck nicht abschreiben, sondern stets selbst recherchieren und schreiben und zwar jeden einzelnen Buchstaben. Wer kritisch und unabhängig ist, kann nicht gleichzeitig Everybody s Darling sein. Umgang mit PR-Informationen und PR-Vertretern PR-Informationen dienen nur als Ausgangspunkt für eine Geschichte. Sie werden durch eine eigene ehrgeizige Recherche erweitert, an deren Ende eine eigene Geschichte mit einem eigenen Aufhänger steht. Pressematerial bietet oft nur einseitige Informationen, auf Hochglanz poliert und blumig formuliert, daher sollten zu Beginn die Kerninformationen herausgefiltert werden. Danach nicht vom (interessanten) Inhalt der Presseinformation blenden lassen, sondern folgende Fragen beantworten: Wer ist der Absender der Information? Welches Eigeninteresse hat er, und wie glaubwürdig ist er? Welches Ziel verfolgt die Pressemitteilung? Welche Botschaften sollen hängen bleiben? Ist der Inhalt in sich schlüssig / plausibel / authentisch? Sind die Informationen neu / aktuell / relevant? 2
3 Danach alle überprüfbaren Informationen checken (z.b. Personen, Institutionen, Zahlen, etc.) und vor allem erweitern. Denn um einen runden Bericht verfassen zu können, ist immer eine größere eigenständige Recherche nötig. Dabei sollte man methodisch vorgehen: Ausgangspunkt ist immer das Fragliche, Nichtplausible bzw. Ungeklärte. Hierzu sollten klare Fragen formuliert werden. Zur Beantwortung dieser Fragen auf Qualitätsmedien (auch aus dem Ausland), unabhängige Datenbanken, Recherchedienste, Experten (Universitäten verfügen über besonders viele, in der Regel seriöse Fachleute), aber auch Verantwortliche und Betroffene zurückgreifen. Im Text werden die Quelle selbstverständlich angegeben. Von außen nach innen recherchieren: Bei neutralen und weitgehend unbeteiligten Menschen, Sachverständigen und Experten beginnen bzw. Zeitungs- und Zeitschriftenarchive, andere Datenbanken, Bücher und Bibliotheken sichten. Und erst wenn man über den Themenbereich einigermaßen Bescheid weiß, die Konfliktparteien kennt und Hypothesen über Motive, Interessenlagen und Zusammenhänge bilden kann, nähert man sich dem Zentrum und spricht mit Beteiligten, Verantwortlichen und Betroffenen. Unbedingt auch Konkurrenzunternehmen / -institutionen kontaktieren. Diese haben eventuell eine ganz andere Sicht auf die Dinge, die man einfließen lassen kann. Nach Abschluss der Recherche nicht automatisch den Aufhänger aus der Pressemitteilung übernehmen, sondern einen eigenen finden. Nicht um des Publizierens Willen publizieren. Immer einkalkulieren, dass Geschichten während der Recherche sterben können und manchmal sogar müssen. 3
4 Vorsicht Falle PR ist manchmal getarnt: PR-Agenturen arbeiten immer professioneller und orientieren sich zunehmend an der Arbeitsweise der Journalisten. Sie bieten oft fertige Geschichten (mit einem berichtenswerten Aufhänger) an. Doch dahinter verbergen sich stets eigene Interessen, die nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen sind. Häufig sollen berühmte Persönlichkeiten bzw. angebliche Autoritäten / Experten / Institute für Aufmerksamkeit sorgen und Seriosität suggerieren. Deshalb: Nicht vom vermeintlichen Glanz blenden lassen. Prüfen, ob es sich tatsächlich um einen unabhängigen Experten handelt. Hierzu im Internet, in Archiven und Datenbanken recherchieren (Lebenslauf, etc.) und Kollegen befragen: Für wen ist / war die Person tätig? Was macht sie zu einem Experten? In welchem Zusammenhang ist sie bereits medial in Erscheinung getreten? Oft beinhalten Pressemitteilungen Studienergebnisse, die als Trends präsentiert werden. Deshalb: Nicht nur einen Auszug, sondern die gesamte Studie schicken lassen. Herausfinden, in wessen Auftrag die Studie durchgeführt wurde, wer sie finanziert hat, und wie das Untersuchungsdesign aussieht: Grundgesamtheit, Fragestellung, etc. Nach anderen vergleichbaren Studien suchen und gegenüberstellen. Unabhängige Experten zur Validität der Studie befragen und prüfen, ob die aufgestellten Kausalzusammenhänge Sinn machen. In jedem Fall aber die gesamte Studie lesen. Denn unter Umständen kristallisiert sich während der Lektüre der gesamten Studie ein neuer anderer Aufhänger heraus. Im Text schließlich sollte der Hintergrund der Studie zumindest kurz erwähnt werden. Wiederholungen: Prüfen, ob eine Pressemitteilung schon mal gelaufen ist. Manchmal versuchen PR-Strategen, ihre Botschaften ein weiteres Mal zu platzieren (unter Umständen in leicht veränderter Form). 4
5 Quellen: Befragte Medienpraktiker: Birte Siedenburg (Focus), Sebastian Zilles (dpa infocom) Literatur: Haller, Michael (2004): Recherchieren. Konstanz. La Roche, Walther von (2001): Einführung in den praktischen Journalismus. München. Schneider, Wolf (2003): Das neue Handbuch des Journalismus. Reinbek. Weischenberg, Siegfried (2001): Nachrichten-Journalismus: Anleitungen und Qualitäts-Standards für die Medienpraxis. Wiesbaden. 5
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