Placebo: Nicht nur in der Pädiatrie
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- Frida Koenig
- vor 7 Jahren
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1 Placebo: Nicht nur in der Pädiatrie 49. Internationaler Oster-Seminar Kongress für pädiatrische Fortbildung, Brixen Prof. Dr. Robert Jütte 1
2 Gliederung 1.Relevanz für die Pädiatrie 2.Definitionen 3.Formen 4.Real oder nur Einbildung? 5.Wirkungsmechanismen 6.Placebos in der Praxis 7.Noceboeffekt 2
3 1. Relevanz für die Pädiatrie 3
4 Placebos sind die besten Medikamente, die nie erfunden wurden! (Alexander Mäder, 2004) Der Arzt, dem es nicht gelingt, bei seinen Patienten einen Placebo- Effekt hervorzurufen, der sollte Pathologe werden! (Alvan Feinstein, 2002) 4
5 5
6 Die akute Otitis media (Mittelohrentzündung) ist eine der häufigsten Erkrankungen bei Kleinkindern und Kindern. Die Häufigkeit eines Antibiotika-Einsatzes bei akuter Otitis media variiert zwischen 56 % in den Niederlanden und 95 % in den USA, Kanada und Australien. Cochrane Review Ergebnisse: In dieser Analyse wurden insgesamt 13 randomisierte kontrollierte Studien mit zusammen 3401 Kindern berücksichtigt. In den zugrundliegenden Untersuchungen wurden am häufigsten Antibiotika mit einer Placebo- Behandlung verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass nach 24 Stunden, ab dem Beginn der Behandlung, sich bereits 60 % der Kinder erholt hatten, gleichgültig, ob sie ein Placebo oder Antibiotika erhalten hatten. Die mit einer akuten Mittelohrentzündung verbundenen Schmerzen wurden durch die Antibiotika-Gabe in den ersten 24 Stunden nicht deutlicher vermindert als unter Placebo-Gabe. Fazit: Zusammenfassend scheint es sinnvoll, dass bei der Behandlung der akuten Otitis media eine adäquate Schmerzlinderung im Vordergrund steht. Es sollte zudem berücksichtigt werden, dass Antibiotika nur eine begrenzte Rolle bei der Behandlung der akuten Otitis media zukommen. 6
7 2. Definitionen 7
8 Enge Definition: Gabe eines Placebomedikaments (Milchzucker, Kochsalzlösung etc.) Durchführung einer Placeboprozedur (z. B. Scheinakupunktur) Erweiterte Definition: Placebo auch: Einfluss des Behandlungsumfeldes Erwartungen des Patienten und des Arztes Unterschiedlich gelungene Arzt-Patienten- Interaktion 8
9 Placeboeffekt oder Placeboreaktion Placeboeffekt z. B. Arzt- Patientenbeziehung Erwartungen des Patienten u.a. vermengte Effekte z. B. Natürlicher Krankheitsverlauf statistische Effekte Zeiteffekte Methodische Fehler Placeboreaktion = Placeboeffekt + vermengte Effekte (siehe Text) 9
10 3. Formen 10
11 Pharmazeutische Placebos 11
12 12
13 4. Real oder nur Einbildung? 13
14 Sind die Wirkungen bei Placebos Einbildung? Waren Patienten, bei denen Placebos gewirkt haben Simulanten? ( Eingebildete oder psychisch Kranke) Antwort: Keineswegs! Placebo-Verabreichung hat neben psychischen auch objektive körperliche Folgen auf Magengeschwüre, Hautausschläge, Rheumasymptome, Kardiogramme, Hormonspiegel, Immunsystem etc. 14
15 Kann man die Placebowirkung im Gehirn nachweisen? Zubieta, 2005, 25 (34); T. Wager, 2004; Lieberman et al., 2004; Benedetti et al Placebos führen nachweislich zu einer erhöhten Endorphinausschüttung bei Schmerzen (Folge: Herabsetzung der Schmerzempfindlichkeit); Beweis: Nach Naloxon-Gabe (Opiat-Hemmer) verschwindet Placebo-Effekt Placebos erhöhen v. a. die Aktivität im präfrontalen Cortex Placebos erhöhen die Dopaminausschüttung (besonders starke Wirkung bei Depressionen und Parkinson!) Placebos aktivieren ähnliche Hirnregionen wie echte Schmerzmittel/Psychopharmaka (im Vergleich zu letzteren aktivieren sie jedoch 3 Regionen weniger) 15
16 5. Wirkungsmechanismen 16
17 Mechanismen des Placeboeffekts Zwei Erklärungsansätze 1.Assoziativ 1.Mentalistisch
18 Der assoziative Ansatz Klassische Konditionierung Unkonditionierter Stimulus Unkonditionierte Reaktion Zeitliche Paarung Schmerzmittel Schmerzlinderung Konditionierter Stimulus Konditionierter Stimulus Konditionierte Reaktion Spritze ohne Schmerzmittel Schmerzlinderung
19 Der mentalistische Ansatz Kognitionen modulieren den Placeboeffekt Erwartungen Hoffnung Wahrgenommene Bedürftigkeit/Not Wunsch/Glaube
20
21 6. Placebo in der Praxis 21
22 22
23 Karin Meissner/ Klaus Linde, Krankheitsspezifische Ausprägungen von Placeboeffekten, Unveröffent. Expertise für die BÄK,
24 Placeboanwendung in der therapeutischen Praxis Es ist keine geprüfte wirksame (Pharmako-) therapie vorhanden. Es handelt sich um relativ geringe Beschwerden und es liegt der ausdrückliche Wunsch des Patienten nach einer Behandlung vor Es besteht Aussicht auf Erfolg einer Placebobehandlung. Wichtig: Patient muss aufgeklärt werden. Frage: Aber wie? 24
25 Wenn es kein Placebo ist, was Sie mir gegeben haben, warum steht dann M&M [Smarties] drauf? 25
26 Nicht-verdeckte Placebo-Gabe bei Reizdarm-Patienten Ergebnis nach 21-tägigem Studienverlauf für Warteliste und Placebogruppe T. Kaptchuk et al, Placebos without Deception. A Randomized Controlled Trial in Irritable Bowel Syndrome. PlosOne 2010, 5, 12:
27 Sind Sie Arzt oder ein Placebo? Antwort: Beides 27
28 Wie kann der Placebo-Effekt maximiert werden? 1. Auf Seiten des Arztes/Therapeuten: Der Patient muss unbedingt mitbekommen, dass er behandelt wird! Auftreten: Selbstsicher, optimistisch, beruhigende Stimmlage (v.a. Zahnarzt) Meine Methode ist neu, empirisch-wissensch. bewiesen, empfohlen, wirksam Heiler-Accessoire benutzen: Weißer Kittel, Stethoskop, Testverfahren Die Wirksamkeit induzieren: Plastiklöffel beim Einnehmen; Spritze aus Schatulle rausholen; Dosierungsanleitung explizit betonen; nachfragen, ob Medikament schon geholfen hat; Heilungsrituale & Initiationsriten an die Heilungserwartung anpassen (z. B. Heilerwartung durch Berührung oder technische Apparatur) Den Patienten remoralisieren (J. Frank); das Gefühl geben, er kann etwas gegen die Erkrankung tun (Aktivierung als Gegenteil von Ohnmacht) Ein plausibles individuelles Erklärungsmodell der Krankheitsentstehung anbieten Diagnose und Therapie verständlich, durchschaubar machen; emotionale Beziehung aufbauendes Vertrauen beim Patienten schaffen (Empathie) Interessieren Sie sich für den Patienten, nehmen Sie sich Zeit für ihn! Individualität des Patienten wertschätzen ( Bei Ihnen... etwas ganz besonders ) Abwertungen vermeiden ( Sie bilden sich die Schmerzen ein! ) 28
29 Therapieerfolg durch spezifische und unspezifische Effekte
30 7. Noceboeffekt 30
31 Definition Während beim Placeboeffekt durch eine positive Erwartungshaltung, die durch eine Maßnahme, wie beispielsweise Medikamentengabe oder operative Behandlung, induziert wird, ein günstiger Einfluss auf den Krankheitsverlauf eines Patienten genommen wird, werden im Falle des Noceboeffekts beim Patienten Befürchtungen aufgebaut bzw. vorhandene Befürchtungen verstärkt, durch diese äußeren Einwirkungen krank gemacht zu werden. Diese Personen erkranken dann auch tatsächlich, beziehungsweise es können die entsprechenden Symptome bei ihnen beobachtet und auch gemessen werden. Auslöser oder Verstärker des Effekts: (Fehl-)Diagnosen von Ärzten Ausführliche Erläuterungen zu möglichen Nebenwirkungen (z. B. bei wissenschaftlichen Studien) 31
32 Als Regeln für den Umgang mit ängstlichen Patienten lassen sich formulieren: das Vermeiden von unbedachten und negativen Suggestionen, wofür eine Aufmerksamkeit für die Worte im medizinischen Alltag notwendig ist, und eine empathische Vorstellungskraft, wie sie auf einen Patienten wirken können; die Versicherung von Begleitung und Sicherheit und die Aufrechterhaltung einer Kommunikation; der Einsatz von Positivsuggestionen sowie die Anregung patienteneigener innerer Bilder und Bewältigungsstrategien; ein behutsamer, respektvoller und individueller Umgang mit dem Patienten in dessen Extremsituation 32
33 Es bleiben an Möglichkeiten zu Minimierung des Nocebo-Effekts: 1)Das Angebot von ärztlicher Seite an den Patienten, lediglich einer Grundaufklärung zuzustimmen, wobei gewisse Einschränkungen rechtlicher Art zu beachten sind. 2)Einen sprachlichen Rahmen (framing) zu wählen, der die notwendige Information im positiven Licht darstellt, ohne dabei den Sachverhalt zu verfälschen und dem Patienten etwas vorzumachen, was in Wirklichkeit nicht gegeben ist. 33
34 Fazit: den Placebo-Effekt mehr nutzen, den Nocebo-Effekt vermeiden! 34
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