AVWL / VWT MÄRZ 2004
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- Pamela Messner
- vor 7 Jahren
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1 Aufgabe 1 (48 Punkte) AVWL / VWT MÄRZ 2004 Vor dem Eintritt einer Währungskrise kommt es auch in Festkurssystemen normalerweise zu einer abrupten Änderung der Wechselkurserwartungen. Analysieren Sie die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer plötzlich gestiegenen Abwertungserwartung für die heimische Währung bei festen Wechselkursen. Gehen Sie hierbei auch auf die Frage ein, ob die Zentralbank eines kleinen Landes über Möglichkeiten verfügt, die binnenwirtschaftlichen Auswirkungen einer gestiegenen Abwertungserwartung zu verhindern. Aufgabe 2 (26 Punkte) In dieser Aufgabe geht es um einige Aspekte des Phänomens Arbeitslosigkeit. a) Wie lässt sich erklären, dass gleichzeitig eine hohe unfreiwillige Arbeitslosigkeit und eine hohe Zahl offener Stellen vorliegen können? b) Erläutern Sie, warum ein temporärer Schock permanente Folgen für die Höhe der Arbeitslosigkeit haben kann. c) Vielfach hört man in der Presse die Einschätzung, das beste Mittel gegen Arbeitslosigkeit sei Wachstumspolitik. Nehmen Sie zu diesem Argument Stellung. d) Erläutern Sie, wie Arbeitslosigkeit aus Sicht der Neuen Klassischen Makroökonomie verstanden wird. Gehen Sie hierzu von dem Optimierungskalkül eines repräsentativen Haushalts aus. Was folgt hieraus für die wirtschaftspolitische Bekämpfung der Arbeitslosigkeit? Aufgabe 3 (26 Punkte) Gehen Sie von folgendem Modell aus: 2 n 2 (1) L = E[ a π + b (U k U ) ] mit 0 < k < 1, a, b > 0 n e (2) U = U c ( π π ) + η mit c > 0.
2 Symbolverzeichnis: a, b, c, k Koeffizienten E L π π e U U n Erwartungswertoperator Verlustfunktion Inflationsrate erwartete Inflationsrate Arbeitslosenquote natürliche Arbeitslosenquote η Schock mit der Eigenschaft: E ( η ) = 0 a) Berechnen Sie die Höhe der Inflationsrate bei diskretionärer Geldpolitik und rationaler Erwartungsbildung der Privaten. b) Erläutern Sie die Anreize, denen die Zentralbank und die Privaten in dem Modell der Teilaufgabe a) unterliegen. Interpretieren Sie vor diesem Hintergrund Ihr Ergebnis aus Teilaufgabe a). c) Unterstellen Sie nun, das Outputziel der Zentralbank entspräche der natürlichen Arbeitslosigkeit ( k = 1). Welche Inflationserwartung wird sich einstellen und welche Inflationsrate wird die Zentralbank nun realisieren? Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Ihrem Ergebnis aus Teilaufgabe a) und interpretieren Sie es. d) Unterstellen Sie nun, dass sich das Spiel aus Teilaufgabe a) über eine endliche Anzahl an Perioden fortsetzt. Kann die Zentralbank über den Aufbau von Reputation die Inflationserwartungen unter das Niveau des einperiodigen Spiels senken? Begründen Sie Ihre Antwort.
3 LÖSUNGSHINWEISE Bitte beachten Sie, dass die hier formulierten Lösungen lediglich als Hinweise und nicht als Musterlösung zu verstehen sind. Wir skizzieren hier immer nur einen möglichen Lösungsweg. Alternative Vorgehensweisen können ebenfalls zur richtigen Lösung führen. Wir beschränken uns außerdem auf eine relative knappe Darstellung der Lösungswege und Ergebnisse. Im Kurs Theorie der Stabilitätspolitik finden Sie ausführlichere Erläuterungen. Aufgabe 1 Die Aufgabe kann mit Kurs 00532, Kapitel 4.4 und Kapitel 4.6 gelöst werden. Kapitel 4.4. enthält das Standard-Modell mit festen Wechselkursen und festen Preisen. Eine plötzliche Erhöhung der Abwertungserwartung führt zu einem Renditeanstieg der Auslandsanlagen bei gegebenem i*, weil der erwartete Ertrag einer Auslandsanlage gemessen in Inlandswährung ansteigt. Es kommt daher zu einem erhöhten Nettokapitalexport, der bei festen Wechselkursen zu einer Überschussnachfrage auf dem Devisenmarkt führt. Die ZB muss daher Währungsreserven gegen heimische Währung verkaufen. Bei fehlender Neutralisierungspolitik sinkt deshalb die Geldmenge M mit der Folge, dass die Privaten inländische Wertpapiere verkaufen. Die Wertpapierkurse fallen und somit steigt nun auch der inländische Zins. Dieser Zinsanstieg im Inland reduziert die Investitionsgüternachfrage. Bei festen Preisen kommt es dann zu einer Senkung der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Die grafische Darstellung der Zusammenhänge kann mit Anwendung der Abb. 4.9 erfolgen. Die DD/LM Kurven verschieben sich nach links, während die NK-Kurve nach rechts wandert. Insgesamt sind also i und NK gestiegen, während Y, M und R gesunken sind. Kapitel 4.6 enthält das Standard-Modell für den Fall einer Neutralisierungspolitik der ZB. Die ZB könnte versuchen, die Auswirkungen der Störungen auf die Geldmenge M und damit auf das binnenwirtschaftliche Gleichgewicht zu neutralisieren. Hierzu müsste sie im vorliegenden Fall verhindern, dass der Verkauf von Währungsreserven zu einer Verringerung von M führt. Sie könnte hierzu inländische Wertpapiere gegen heimische Währung kaufen. Dann würde sich die heimische Komponente H diametral entgegengesetzt zu R entwickeln und somit M konstant bleiben. Bei einer konstanten Geldmenge M kommt es dann zu keiner Störung des binnenwirtschaftlichen Gleichgewichts. Dies kann grafisch mithilfe der Abb gezeigt werden, in der jedoch das Ausgangsgleichgewicht sinnvollerweise bei PA=NK eingezeichnet
4 werden sollte. Die Störung führt nun erneut zu einer Rechtsverschiebung der NK-Kurve, während das binnenwirtschaftliche Gleichgewicht im IS/LM-Diagramm unverändert bleibt. Man erkennt allerdings, dass es weiterhin zu Abflüssen der Währungsreserven kommt. Die Möglichkeiten eine solche Politik zu betreiben, hängen also vom Bestand der Währungsreserven und von der Geschwindigkeit (bzw. dem Umfang) ab, mit der die ZB Währungsreserven verliert. Letzteres wird umso stärker sein, je zinselastischer der Kapitalverkehr reagiert. Aufgabe 2 a) Hier kann auf strukturelle und auch auf frisktionelle Arbeitslosigkeit verwiesen werden. Auslöser der strukturellen Arbeitslosigkeit ist eine fehlende Übereinstimmung der qualitativen Profile von Arbeitsangebot und -nachfrage. Die fehlende Kongruenz ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zu nennen sind hier insbesondere der sektorale Strukturwandel, also die Verschiebung der Arbeitskräftenachfrage zwischen den Sektoren, und der Wandel der Struktur der nachgefragten oder der angebotenen Qualifikationen, zum Beispiel auf Grund von technologischen Änderungen. Das Zusammenführen von offenen Stellen und Arbeitsanbietern stellt ein Koordinations- und Informationsproblem dar (das so genannte Matchingproblem). Die Arbeitsanbieter kennen die durchaus vorhanden Vakanzen nicht, den Arbeitsnachfrager gelingt es nicht sofort, den geeigneten Arbeiter ausfindig zu machen. Der Teil der Arbeitslosigkeit, der darauf beruht, dass der Prozess nicht reibungslos abläuft, sondern Zeit beansprucht, wird als friktionelle Arbeitslosigkeit bezeichnet. Die friktionelle Arbeitslosigkeit beruht also auf dem Zeitraum, der zwischen der Beendigung des alten und der Aufnahme des neuen Arbeitsverhältnisses liegt. b) Hier ist auf den Effekte der Hysteresis zu verweisen. Ist zum Beispiel der Arbeitsmarkt durch Hysteresis gekennzeichnet, so kann eine Erhöhung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit auf
5 Grund eines Schocks auch langfristige Folgen haben, da sich bei Verschwinden des Schocks die natürliche Arbeitslosenrate nicht wieder zurück zu der Arbeitslosigkeit vor Auftreten des Schocks bewegt, sondern zum Beispiel einen höheren Wert annimmt. Die Höhe der natürlichen Arbeitslosenrate ist demnach im Zeitablauf nicht konstant, sondern kann sich im Zeitablauf verändern, da jede temporäre Störung auch permanente Effekte haben kann. Es existieren mehrere (multiple) Gleichgewichte. Es gibt verschiedene Begründungen für Hysteresis am Arbeitsmarkt. Die erste Begründung rekurriert auf die Sachkapitalbildung. Auf Grund eines temporären Schocks werde die Beschäftigung reduziert. Dadurch liegt nun eine Unterauslastung des Kapitalstocks vor und es wird daher desinvestiert. Falls nun nach Verschwinden des Schocks die Lohnsetzung der reduzierten Grenzproduktivität der Arbeit nicht angepasst wird, so resultiert - zumindest bis der Kapitalstock wieder aufgebaut ist - Arbeitslosigkeit. Zweitens ist die Grenzproduktivität neu eingestellter Arbeiter auf Grund eines Einarbeitungsbedarfs niedriger als ihre langfristige Grenzproduktivität. Falls aber ein einheitliches Lohnniveau existiert, wird die Einstellung von Arbeitslosen erschwert. Drittens schließlich entwertet Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit, die berufsspezifischen Qualifikationen der Arbeitslosen. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwieriger wird daher eine Neubeschäftigung. c) Mit Wachstumspolitik lässt sich wirtschaftspolitisch gegen strukturelle AL vorgehen. Als Maßnahme gegen andere Formen der AL, wie bspw. konjunkturelle AL, ist sie jedoch ungeeignet. Während die Konjunkturpolitik versucht, die Schwankungen um einen Trend zu reduzieren, ist es das Ziel der Wachstumspolitik, den Trend selbst zu beeinflussen. Konkret richtet sich Wachstumspolitik mit der Zielsetzung der Arbeitslosigkeitsbekämpfung erstens auf die Förderung von Zukunftsbranchen und neuen Technologien mit dem Ziel der Produktivitätssteigerung und der Schaffung neuer Märkte. Zweitens geht es um die Schaffung von Anreizen für Investoren aus dem In- und Ausland. Schließlich ist drittens auch die
6 Erhöhung des Bildungsniveaus der Wachstumspolitik zuzuordnen. Durch Investitionen in den Faktor Arbeit erhöht sich nicht nur der effektive Arbeitseinsatz, sondern es wird erwartet, dass ein hohes Bildungsniveau auch die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaftssubjekte an strukturelle Veränderungen erhöht und somit zum Abbau der natürlichen Arbeitslosigkeit beiträgt. d) Die Neue Klassische Makroökonomik sieht die statistisch gemessene Arbeitslosigkeit nicht als makroökonomisches Problem, sondern eher als Scheinproblem. Dieser Ansatz geht von stetiger Markträumung aus, das heißt der Arbeitsmarkt wird als Walrasianischer Markt betrachtet. Es können keine Ungleichgewichte auftreten, und die Märkte (also auch der Arbeitsmarkt) sind stets geräumt. Die Konjunktur- und damit auch die Beschäftigungsschwankungen werden entweder durch Technologieschocks ausgelöst, die die Produktionsmöglichkeiten des Unternehmens beeinflussen, oder durch Präferenzschocks, die das Konsumverhalten der Haushalte verändern. Diese Schocks veranlassen die Wirtschaftssubjekte zu Verhaltensanpassungen entsprechend ihres Optimierungskalküls. So steigern beispielsweise die Haushalte bei relativ hohen Löhnen ihr Arbeitsangebot und reduzieren es bei im langfristigen Vergleich relativ niedrigen Löhnen. Entsprechend ist in Rezessionszeiten die Beschäftigung niedriger als in Boomzeiten. Dies wird aber als freiwillige Arbeitslosigkeit gedeutet, da der Rückgang der Beschäftigung auf Grund eines reduzierten Arbeitsangebotes erfolgt. Die Haushalte substituieren Freizeit für Arbeitszeit. Obwohl somit Beschäftigungs- und damit Konjunkturschwankungen existieren, entsteht also zu keinem Zeitpunkt ein Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt. Vielmehr handelt es sich um Outputschwankungen bei einem allgemeinen Gleichgewicht, so dass sich daraus auch kein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf ergibt. Aufgabe 3 a) n bc(1 k)u bc D 2 π = + η a a + bc
7 b) Die optimale Geldpolitik ist hier die Lösung eines Spiels zwischen den Privaten und der Notenbank. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass sich die Privaten bei der Festlegung ihrer Angebots- und Nachfragepläne Erwartungen über bestimmte, zukünftige makroökonomische Größen ( z. B. Inflationsrate) bilden müssen, deren Ausprägungen von der Geldpolitik abhängen. Rationale Individuen werden also versuchen, Kenntnisse über die zukünftige Geldpolitik zu erlangen. Diese Kenntnisse können aus einer Ankündigung der Notenbank stammen, eine bestimmte Geldpolitik durchführen zu wollen. Eine Geldpolitik ist dann zeitlich inkonsistent, wenn die Notenbank einen Anreiz hat, die angekündigte Geldpolitik nicht durchzuführen, falls die Privaten ihrer Ankündigung Glauben schenken und die angekündigte Geldpolitik erwarten. Da die Privaten bei Kenntnis der stabilitätspolitischen Ziele aber um diesen Anreiz der Notenbank wissen, werden sie einer solchen Ankündigung nicht glauben, weshalb eine zeitlich inkonsistente Geldpolitik nicht durchführbar ist. Diese Situation führt stabilitätspolitisch genau dann zu einem Problem, wenn die sozialen Kosten durch einen geldpolitisch erzeugten Erwartungsfehler der Privaten verringert werden könnten, und die Notenbank nicht glaubwürdig machen kann, dass sie die Privaten mit ihrer Ankündigung nicht täuschen will. Fehlt es also der Notenbank an Glaubwürdigkeit, so sind angekündigte optimale Regelpolitiken nicht durchsetzbar, und es kommt zur Realisierung suboptimaler Gleichgewichte. Dies kommt in dem Inflationsbias (1. Term der Lösung in a)) zum Ausdruck. c) E( π D ) = 0 bc = a + bc πd 2 η Die sozialen Kosten können nun nicht mehr durch einen geldpolitisch erzeugten Erwartungsfehler der Privaten verringert werden. Es kommt nicht mehr zur Realisierung suboptimaler Gleichgewichte, folglich liegt kein Inflationsbias mehr vor. d)
8 Nein. Die entscheidende Annahme ist, dass der Endzeitpunkt des Spiels bekannt ist. In der letzten Periode stellt sich daher das diskretionäre Ergebnis von a) ein. Damit verliert die Regierung bereits eine Periode vorher den Anreiz, eine Reputation aufzubauen usw. Letztendlich stellt sich bereit sin der ersten Periode des endlich oft wiederholten Spiels die Lösung aus a) ein.
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