Stellungnahme zur Beizjagd in Deutschland aus Sicht des Bund gegen Missbrauch der Tiere e.v.
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- Oskar Bruhn
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1 Stellungnahme zur Beizjagd in Deutschland aus Sicht des Bund gegen Missbrauch der Tiere e.v. (Stand: Februar 2014) Unter Beizjagd versteht man das Jagen mit abgetragenen (gezähmten und abgerichteten) Greifvögeln, vor allem Falken und Habichten, auch Adlern 1. Verwendet werden in Deutschland u.a Falken Hinweise Wanderfalke (Falco peregrinus) heimisch Lannerfalke (Falco biarmicus) nicht heimisch Sakerfalke (Falco cherrug) nicht eindeutig geklärt, ob es sich um eine heimische Art handelt (siehe auch Artenschutzrechtliche Hinweise ) Gerfalke (Falco rusticolus) nicht heimisch div. Hybriden der o.g. Arten Habichtartige Habicht (Accipiter gentilis) häufigster in Deutschland zur Beizjagd verwendeter Vogel Sperber (Accipiter nisus) heimisch, selten Verwendung zur Beizjagd Wüstenbussard/Harris Hawk nicht heimisch (Parabuteo unicinctus) Rotschwanzbussard nicht heimisch (Buteo jamaicensis) Königsrauhfußbussard (Buteo regalis) nicht heimisch Adler Steinadler (Aquila chrysaetos) größter heimischer Vogel, der zur Beizjagd verwendet wird Rechtliche Aspekte Das Bundesjagdgesetz 2 enthält zur Beizjagd nur wenige Regelungen: Wer die Jagd mit Greifen oder Falken (Beizjagd) ausüben will, muss einen auf seinen Namen lautenden Falknerjagdschein mit sich führen. ( 15 Abs. 1 S. 3) Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann im Einzelfall das Aushorsten von Nestlingen und Ästlingen der Habichte für Beizzwecke aus den in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2009/147/EG genannten Gründen und nach den in Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG genannten Maßgaben genehmigen. ( 22 Abs. 4 S. 3) In der Bundeswildschutzverordnung 3 sind u.a. folgende Regelungen enthalten: Wer Greife oder Falken hält, muss Inhaber eines auf seinen Namen lautenden gültigen Falknerjagdscheins sein, darf insgesamt nicht mehr als zwei Exemplare der Arten Habicht, Steinadler und Wanderfalke halten, hat unverzüglich die Greife und Falken dauerhaft und unverwechselbar zu kennzeichnen und hat der nach 1
2 Landesrecht zuständigen Stelle den Bestand an Greifen und Falken und nach der Bestandsanzeige jeweils unverzüglich den Zu- und Abgang von Greifen und Falken schriftlich anzuzeigen (vgl. 3 BWildSchVO). Zur rechtlichen Orientierung, unter welchen Anforderungen Greifvögel zu halten sind, dienen das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen, im Auftrag des BMELV, 1995 ( Greifvogelgutachten ) sowie die Leitlinien zur tierschutzgerechten Haltung von Wild in Gehegen, im Auftrag des BMELV, 1996 ( Wildgehegeleitlinien ). Artenschutzrechtliche Aspekte Bis 2005 waren gesetzlich nur reine Greifvogelarten in den Greifvogelschutzvorschriften geregelt, was möglicherweise auch Anreize schaffte, Hybride zu züchten, um dadurch die Schutzvorschriften zu umgehen. Da falknerisch gehaltene Greifvögel mit einer gewissen Regelmäßigkeit entfliehen, sind negative Folgen für die autochthonen Populationen (Faunenverfälschung) nicht ausgeschlossen. So ist belegt, dass Großfalkenhybriden (Hybriden der so genannten Hierofalco-Gruppe) nicht immer steril sind und daher zu einer genetischen Unterwanderung der frei lebenden Wanderfalken führen können. Zudem sind Hybride oft kräftiger gebaut und haben bessere Jagdeigenschaften und werden somit zu ernsthaften Konkurrenten an den Brutplätzen 4. Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland in der Bundesartenschutzverordnung von 2005 ein Zucht-, Haltungs- und Freiflugverbot von Greifvogelhybriden mit Übergangsregelung ( ) festgelegt 5. Dieser Bestandsschutz ist umfassend. Es gibt bspw. keine Regelungen hinsichtlich der Anzahl der nachgezüchteten Hybriden. Auch kann ein Zuchtbetrieb innerhalb der gesetzten Frist verkauft werden. Der neue Besitzer erhält seinerseits Bestandsschutz bis zum Problematisch ist allerdings die rechtliche Definition von Greifvogelhybriden. Nach der Bundesartenschutzverordnung wird unter einem Greifvogelhybrid ein Greifvogel verstanden, der genetische Anteile von mindestens einer heimischen sowie einer weiteren Greifvogelart enthält. Da der Gesetzgeber es bislang versäumt hat eine entsprechende Liste zu erstellen, welche Greifvogelarten tatsächlich als heimisch zu werten sind (strittig ist bspw. die Stellung des Sakerfalken 6 ), ist davon auszugehen, dass die Problematik mit frei fliegenden Hybriden auch nach 2014 artenschutzrechtlich noch von Bedeutung sein wird. Diese Definition hat auch zur Folge, dass bspw. Kreuzungen von nichtheimischen Falken (s.u.) überhaupt nicht von den Schutzbestimmungen betroffen sind 7, obwohl der heimische Wanderfalke sowohl mit Gerfalke, Lannerfalke und Rotnackenshahin gekreuzt werden kann und deshalb nicht ausgeschlossen ist, dass sich die u. g. Hybride ebenfalls mit dem Wanderfalken kreuzen lassen. Gerfalke x Lannerfalke Gerfalke x Rotnackenshahin Gerfalke x Berberfalke Unterarthybriden Eine weitere Problematik für den Tier- und Naturschutz stellt die Entnahme wild lebender junger Habichte aus Nestern dar (so genanntes Aushorsten), um diese anschließend für die Jagd abzurichten. Diese (abnehmende) Praxis dürfte heutzutage in den Bundesländern fast 2
3 ausnahmslos einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht darstellen, denn gemäß Artikel 9 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie gibt es zur Deckung des Bedarfes des Falkners andere zufriedenstellende Lösungen, sprich Nachzucht. Folgerichtig hat Mitte 2011 das Land NRW das Aushorsten von Habichten grundsätzlich verboten, da die Landesregierung davon ausgeht, dass der Bedarf mit gezüchteten Exemplaren gedeckt werden kann 8. Andere Bundesländer haben ähnliche Verbote signalisiert. Anstatt vor dem Hintergrund der guten Nachzuchtsituation des Habichts für ein generelles bundesweites Verbot der Naturentnahmen einzutreten, beharrt unverständlicherweise der Deutsche Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg (DFO-BW) weiterhin auf die Praxis des Aushorstens 9. Anmerkungen zur (verfassungs-)rechtlichen Zulässigkeit der Jagdmethode Befürworter der Beizjagd weisen regelmäßig auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1980 (BvR290/78) hin, aus der angeblich klar hervorgehe, dass die Beizjagd ein vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkanntes Recht des Bürgers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG sei und deshalb ein gänzliches Verbot oder eine fühlbare Behinderung verfassungswidrig wäre 10. Diese Auslegung kann bezweifelt: werden "Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich lediglich darüber, dass es unverhältnismäßig sei, von jemandem, der ausschließlich die Beizjagd betreiben will, auch den Nachweis über Fähigkeiten des Umgangs mit der Waffe zu verlangen, weil Waffenkenntnisse bei der Beizjagd keine Rolle spielen. Ob das Bundesverfassungsgericht eine Einschränkung bzw. ein Verbot der Beizjagd an sich durch den Gesetzgeber ebenfalls für unverhältnismäßig halten würde, wenn die Einschränkungen - dem gesetzgeberischen weitem Ermessen entsprechend - aus Gründen des Artenschutzes vorgenommen werden würden, lässt sich dem Beschluss keineswegs entnehmen 11. Weiterhin führt DITSCHERLEIN an anderer Stelle aus: Daraus, dass das Bundesverfassungsgericht den Nachweis bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten lediglich als das mildere Mittel gegenüber dem vollständigen Verbot der Beizjagd bezeichnet, kann nicht der weitere Schluss gezogen werden, dass es eine solche Maßnahme generell als unverhältnismäßig zum Erhalt der Artenvielfalt halten und deswegen als verfassungswidrig ablehnen würde. 12 Im Gegenteil wertet DITSCHERLEIN die rechtliche Zulässigkeit der Beizjagd sogar überaus kritisch: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Haltung von Greifen und Falken zum Zwecke der Beizjagd als eine dem Artenschutz günstige Form der Tierhaltung ansieht. Bei dem Beizvogel handelt es sich um die Waffe des Falkners; es ist nicht ersichtlich, warum diese potenziell zur Jagd verwendbare Waffenart nicht ebenso in privater Hand zu verbieten sein soll, wie die Benutzung anderer Waffen, z.b. bestimmter Arten von Schusswaffen oder Messern. Einen Eingriff in die Natur zum Zweck der Ermöglichung der Beizjagd sieht das BJagdG in 22 Abs. 4 S. 3 vor; im Einzelfall kann das Aushorsten von Nestlingen und Ästlingen der Habichte für Beizzwecke behördlich genehmigt werden. (Die Notwendigkeit der Beachtung des Art. 9 V-RL wurde in die Vorschrift durch den deutschen Gesetzgeber erst nach einer Verurteilung des EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die V-RL eingefügt.) Die Beizjagd bietet zudem - ohne Verkennung dessen, dass die meisten Falkner ein solches Handeln selbst ächten und ablehnen - einen Anreiz, Greifvögel oder deren Eier illegal der Natur zu entnehmen. Wie groß die Eingriffe in die Natur zur Erlangung von Beizvögeln zusammengenommen sind, kann hier nicht beurteilt werden. Im Ergebnis kann nicht davon 3
4 ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber aus Verfassungsgründen ein Verbot der Beizjagd zum Zwecke des Erhaltung der Artenvielfalt, insbesondere der Greifvögel, verwehrt ist. 13 Auch wenn die 15, 22 Abs. 4 BJagdG oder 3 BWildSchV direkt Bezug auf die Beizjagd nehmen (Legaldefinition), kann daraus keine gesetzliche Zulassung dieser Jagdmethode zweifelsfrei entnommen werden, zumal das Tierschutzrecht und damit das Gebot aus 4 Abs. 1 S.2 TierSchG ( Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd...zulässig...,so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. ) durch die Bestimmungen des Jagdrechtes unberührt bleibt 14. Tierschutzrelevanz der Beizjagd Befürworter der Beizjagd weisen darauf hin, dass die üblichen Methoden der Falknerei weidgerecht seien. Ein zentraler Aspekt der Weidgerechtigkeit stellt das Gebot zur größten Schmerzvermeidung dar. Hierzu bemerkt der Deutsche Falkenorden 15, dass der Tod der Jagdbeute während der Beizjagd stets rasch und verlässlich geschieht. Betrachtet man jedoch die grundlegend unterschiedlichen Tötungsarten der Greifvögel, ist diese Aussage kaum haltbar. So ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Tötung von Kaninchen, Feldhase u.a. bspw. durch den Habicht (häufigster Beizvogel), Adler oder Wüstenbussard/Harris-Hawk augenblicklich zum Tod der Beute führt. Diese Greifvögel werden als Grifftöter bezeichnet, da sie ihre Beute durch den harten Griff ihrer starken Fänge töten. Sie kneten ihre Beute mit den starken Krallen und Zehen, bis diese tot ist 16 bzw. so lange, wie das von ihm geschlagene Tier klagt oder sich noch rührt 17. Das Tötungsgeschehen kann beim Habicht durchaus einige Minuten dauern 18. Das Tötungsgeschehen der Falken, die überwiegend Flugwild (Enten, Tauben, Rabenvögel) in der Luft schlagen ( Bisstöter ), ist vermutlich mit weniger Belastungen für die zu bejagenden Tiere verbunden. Im Gegensatz zu den o.g. Grifftötern töten sie ihre Beute durch Biss in Kopf oder Nacken. Ob diese Tötungsmethode jedoch als tiergerechter als ein sicherer Schuss des Jägers mit einer Waffe zu werten ist, ist zumindest nicht zweifelsfrei anzunehmen. Insgesamt ist auch zu berücksichtigen, dass Greifvögel in der freien Wildbahn im Allgemeinen schärfere Klauen und Schnäbel haben, als wenn sie sich mehr oder weniger lange in Falknerhänden befinden 19. Schlagen Beizvögel, wie zum Beispiel Habichte, mehrfach hintereinander erfolgreich Wildtiere, haben sie ggf. noch die Kraft, das Wild zu halten, aber nicht mehr, um es schnell zu töten 20. Werden zudem Beizvögel vom Falkner auf größeres, stärkeres Wild abgetragen, als sie von Natur aus schlagen würden, so werden sie es ohne Hilfe des Falkners nicht immer gleich töten können 21. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass das Abfangen des vom Beizvogel geschlagenen Wildes von namhaften Falknern als das unangenehmste Kapitel der Falknerei bezeichnet wird 22. Der Einsatz von Steinadlern im Rahmen der Beizjagd nimmt aufgrund der Größe und Kraft des Vogels sicherlich eine Sonderstellung ein. Steinadler werden in Deutschland zwar hauptsächlich auf Hasen und Kaninchen gebeizt, jedoch findet in Deutschland und anderen europäischen Ländern auch eine Jagd auf Füchse 23 und Rehe 24 statt. Die Tötung dieser 4
5 Arten durch Steinadler im Rahmen der Beizjagd dürfte tierschutzrechtlich jedoch noch deutlich problematischer zu bewerten sein, da aufgrund der Größe und Wehrhaftigkeit der Tiere ein rascher Tod nicht anzunehmen ist und der reguläre Abschuss durch den Jäger eine deutlich tierschutzgerechtere Alternative darstellen dürfte. Vor diesem Hintergrund kann in der Beizjagd, zumindest in der Verwendung von so genannten Grifftötern, ein Verstoß gegen 4 Abs. 1 S.2 TierSchG gesehen werden. Denn die Ausnutzung der natürlichen Grausamkeit des Tötungsgeschehens ist kein Mittel, das dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Tierschutzgesetzes entspricht. Der Mensch ist kein Raubtier, sondern verfügt aufgrund seines Verstandes über schonendere Mittel 25. Auch die Ausbildung von Greifvögeln für die Beizjagd ist aus tierschutzrechtlicher Sicht kritisch zu betrachten, da er mit den Verbotstatbeständen des Tierschutzgesetzes in 3 Nr. 8 kollidiert: Danach ist es verboten, ein Tier auf ein anderes hetzen, soweit dies nicht die Grundsätze weidgerechter Jagd erfordern. Einige Autoren stellen in diesem Zusammenhang die Beizjagd sogar auf die gleiche qualitative Stufe mit der tierschutzwidrigen Hetzjagd in ihrer ursprünglichen Form 26. So führt die Hetzjagd, bei der Tiere selbstständig das Wild jagen, ohne dass der Jäger Einfluss auf den Jagdverlauf nehmen kann, zwar zu einem tierartgerechten Tod des Beutetieres, der jedoch infolge der natürlichen Grausamkeit des Tötungsgeschehens aufgrund tierschutzethischer Überlegungen nicht durch den Menschen initiiert werden darf 27. Auch lässt sich unter tierschutzethischer Betrachtung die Beizjagd nicht dadurch rechtfertigen, da diese dem Menschen Freude bereitet, die durch nichts zu ersetzen ist 28. Hier stellt sich die Frage, ob diese Argumentation mit dem Begriff der Mitgeschöpflichkeit des Tieres (vgl. 1 Tierschutzgesetz) zu vereinbaren ist, da die Tiere für diese Zwecke gleichsam als Waffe vom Menschen instrumentalisiert werden. Zudem gibt es zur Erfüllung der Jagdleidenschaft vielfältige Alternativen, mit dem einzigen Unterschied, dass am Ende das Töten fehlt, bspw. birdwatching 29. Unabhängig davon weist der Deutsche Falkenorden auch auf den ökologischen Wert der Beizjagd hin, da diese Jagdmethode hochselektiv sei 30. Auch wird von Falknern behauptet, dass der Falkner den gezielten Jagdflug auf erlaubtes Wild steuern kann 31. Wie jedoch diese Selektivität in der Praxis gewährleistet werden soll, wird nicht erläutert. Naheliegend ist vielmehr, dass der Falkner keinerlei Einfluss mehr darauf hat, welche Tierart vom Greifvogel erbeutet wird, wenn der Beizvogel einmal von der Hand des Falkners geflogen ist. Dieses Problem wird dann besonders offensichtlich, wenn die Beizvögel in gemischten Vogelschwärmen Beute machen; dann bleibt es dem Zufall überlassen, welche Art geschlagen wird. So besteht bei der Beizjagd immer die Gefahr, dass der Beizvogel plötzlich Exemplare geschützter, nicht jagdbarer bzw. ganzjährig zu schonender Arten anfliegt und tötet 32. Aspekte zum Halten und Versorgen von falknerisch verwendeten Greifvögeln Die zur Beizjagd verwendeten Vögel werden fast ausnahmslos in falknerischer Anbindehaltung gehalten 33. So sind die Vögel während der Jagdsaison üblicherweise an einem Holzblock mit einer so genannten Langfessel (ein Seil oder ein Lederband, welches durch ein Edelstahlgelenk gezogen wird) von einem bis eineinhalb Meter Länge 5
6 angebunden. Der DFO-BW verteidigt unter Hinweis auf den von TEUTSCH 1987 postulierten Gleichheitsgrundsatz diese Form der körperlichen Fixierung, indem er dies mit der überwiegend gesellschaftlich akzeptierten Anbindehaltung von Hunden vergleicht. Lässt man außer Acht, dass die biologischen Ansprüche von scheuen Wildvögeln sich nur schwerlich mit denen domestizierter Haushunde vergleichen lassen, ist diese Analogie dennoch nicht überzeugend. So kann sich ein angeleinter Hund i. d. R. weiterhin frei bewegen, ohne dass seine Gesundheit dadurch gefährdet wird (vgl. u.a. auch die Regelungen der Tierschutz- Hundeverordnung, die die Anbindehaltung in 7 genauer regelt). Ein am Sprenkel (gebogener Edelstahl-Stab) fixierter Greifvogel wird jedoch nicht frei fliegen können. Versucht er es dennoch, kann die Anbindehaltung zu Verletzungen und Fußerkrankungen führen. Auch ein elastisches Zwischenstück an der Langfessel kann den enormen Druck nicht auffangen, der beim abrupt unterbrochenen Abflug des Vogels entsteht. So gesehen wäre es treffender, die Anbindehaltung von Greifvögeln mit der klassischen Kettenhaltung von Hunden zu vergleichen. Letztere ist in Deutschland aus guten und leicht nachvollziehbaren Gründen grundsätzlich untersagt. Nach dem Greifvogelgutachten des BMELV muss sichergestellt sein, dass die Tiere ausreichend Bewegungsfreiheit haben. So sollte ihnen außerhalb der Balz- oder Mauserzeit mindestens jeden zweiten Tag Freiflug gewährt werden. Hat der Falkner jedoch mehrere Beizvögel, ist davon auszugehen, dass diese Vorgabe idr nicht hinreichend umgesetzt wird/werden kann. Um die Greifvögel zu motivieren, spontan zu jagen, aber auch zum Falkner zurückzukehren, werden sie im Körpergewicht erheblich reduziert. Diese Nahrungsrestriktion kann soweit gehen, dass die Vögel dabei sterben 34. Da bei der Hungermethode zunächst die Eiweißreserven des Körpers aufgebraucht werden, haben viele Beizvögel nicht nur eine geringere Brustmuskulatur, sondern auch geringere Werte an Plasmaproteinen. Eine weitere Folge der Mangelversorgung kann außerdem Blutarmut sein (die sich in geringerem Hämatokritwert als bei klinisch gesunden Greifvögeln zeigt). Dies scheint insbesondere bei Beizvögeln in den kalten Wintermonaten eine Rolle zu spielen, weshalb dieses Phänomen auch als midwinter anemia in der Literatur beschrieben wird 35. Die von der TVT und dem DFO-BW empfohlene Kontrolle des Körpergewichtes des Vogels mittels einer Waage (vgl. u.a. TVT-MERKBLATT 36 ) - von vielen Falkner auch so praktiziert - ist jedoch unzureichend, um körperliche Schäden an den Tieren durch die restriktive Fütterung auszuschließen. Denn das absolut gemessene Gewicht gibt keinen verlässlichen Hinweis auf das optimale Fluggewicht: viele Fettdepots und wenige Muskulatur ergeben das gleiche Gewicht wie wenig Fettdepots und viel Muskulatur. Auf die Flugleistung wirken sich diese aber absolut gegensätzlich aus 37. Vor dem Hintergrund dieser Problematik erscheint der Hinweis der DFO, dass hungrig sein besonders schön sei, wenn anschließend die Sättigung folgt 38 doch eher verharmlosend als sachgerecht. Nach Aussage des DFO-BW treten Verhaltensstörungen bei sachgerechter Beizvogelhaltung nicht auf. Auch diese Aussage muss in ihrer Absolutheit bezweifelt werden. Denn auf den Menschen geprägte abgerichtete Greifvögel können z.t. starke, aggressive Fehlleistungen zeigen. So kommt es häufig vor, dass der Habicht den Falkenhund oder gar den Falkner anfliegen und schlagen will, wenn im Verlauf des Tages kein Wild vom Vogel verfolgt werden kann. Bei Beizadlern kann dies soweit führen, dass die Vögel nicht mehr frei geflogen 6
7 werden können. Vögel, die kontinuierlich Beuteerfolg haben, bleiben in der Regel umgänglich 39. Anmerkungen zur praktischen Bedeutung der Beizjagd Die Bedeutung der Beizjagd als Bestandteil der regulären Jagd ist nahezu bedeutungslos 40 und erfolgt primär aus Gründen der Freizeitgestaltung. Die Beizjagd wird nur von wenigen Personen im Bundesgebiet betrieben. So halten bspw. in Baden-Württemberg schätzungsweise Personen, die im größten Falknerverband - dem Deutschen Falkenorden - organisiert sind, insgesamt etwa 100 Vögel 41. Die Haltung und Zucht von Beizvögeln wird vielfach damit begründet, dass Beizvögel auch in schwierigen und jagdlich befriedeten Bereichen bestimmte jagdbare Wirbeltierarten töten können. Dies kann dann besonders relevant werden, wenn diese Tiere für den Menschen als lästig / schädlich angesehen werden bzw. deren Anwesenheit ein besonderes Gefahrenpotenzial darstellt. Zu nennen sind hier insbesondere die Bejagung von Kaninchen auf Friedhöfen oder die Vergrämung von Vogelschwärmen auf Flughäfen. Bei näherer Betrachtung sind die Einsatzmöglichkeiten in der Praxis jedoch sehr gering und oft ineffektiv. Die Bejagung von Kaninchen auf Friedhöfen mittels Beizvögeln ist als weitestgehend ineffektiv zu werten, da der zeitliche und personelle Aufwand im Vergleich zum Nutzen unverhältnismäßig groß ist. Angesichts der Erfahrung, dass nur jeder zehnte Flug eines Beizvogels erfolgreich ist 42, können allenfalls Einzeltiere durch die Greifvögel getötet werden, zumal auch die Geländestrukturen, z.b. durch Bewuchs und zahlreichen Versteckmöglichkeiten für die Kaninchen, eine Jagd durch den Vogel erschweren. Eine tatsächliche Bestandsminderung einer Kaninchenpopulation auf Friedhöfen ist deshalb mit der Beizjagd unwahrscheinlich. Auch hinsichtlich der Vergrämung von Vögeln mittels Beizvögeln an Flughäfen ist eine Kosten/Nutzen-Analyse im Vorfeld sehr wichtig und führt nach Aussage des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr 43 in vielen Fällen bereits zum Ausschluss der Beizjagd. So muss beachtet werden, a. dass der Greifvogel selbst zur Gefahr für an- und abfliegende Luftfahrzeuge werden kann, was den Einsatz auf den Betriebsflächen von hochfrequenten Großflughäfen ggf. ausschließt; b. ob die Witterungsverhältnisse der Region, in der der Flughafen lokalisiert ist, den Beizvogeleinsatz einschränken und damit den Aufwand, der mit der Beizvogelhaltung einhergeht, rechtfertigen, oder andere Vergrämungsmethoden wirtschaftlicher sind; c. ob die Gefahr der Verletzung des Beizvogels bei seiner Verwendung in Hallen und Hangars in Abhängigkeit von deren Konstruktion nicht zu groß ist; d. ob der Beizvogel auf die vor Ort vorhandenen flugsicherheitsrelevanten Vogelarten überhaupt einen nennenswerten Vergrämungseffekt ausübt; e. ob es ein Vogelschlagproblem an dem jeweiligen Flughafen gibt, bei dem sich gezeigt hat, dass es auf andere Weise nicht befriedigend gelöst werden kann. 7
8 Auch HILLE (2009) sieht nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Beizjagd im Siedlungsbereich: Generell können Beizvögel nicht während der Mauser und in der Nacht eingesetzt werden oder bei starkem Wind oder Regen. Außerdem sind sie eigene Persönlichkeiten, die nur nach starker Bindung zu führen sind und launisch sein können sowie einfach auch keine Lust haben können zu fliegen. Das ist insbesondere der Fall wenn sie nicht hungrig sind. Mortalität und Verlust durch Wegfliegen führen an einem britischen Flughafen zu einem Turnover von 2 Tieren im Jahr. Insgesamt ist der Aufwand für den Einsatz von Beizvögeln in der Landwirtschaft und gerade auf großen Flächen zu groß. Weingärten z.b. können nicht beflogen werden, da die Abspanndrähte eine tödliche Gefahr für jeden Greifvogel darstellen. 44 Auch in landwirtschaftlichen Kulturen bringt die Beizjagd offensichtlich nicht den erwünschten Dauereffekt 45. Schließlich werden von den Befürwortern der Beizjagd Vorteile für den Tierschutz geltend gemacht. So würden die gewonnenen Erkenntnisse der Beizjagd der Rehabilitation verletzter Greifvögel nützlich sein. In vielen Fällen ist jedoch ein falknerisches Training der Tiere nicht notwendig. In der Regel reicht eine ausreichend dimensionierte Freiflugvoliere aus, um die körperliche Fitness der Tiere für eine Wiederauswilderung sicherzustellen. Aber selbst wenn im Einzelfall Methoden des falknerischen Trainings für eine erfolgreiche Auswilderung erforderlich sein sollten, so würde dies nicht sämtliche Methoden der Falknerei legitimieren können und es geschähe aus ganz anderer Intention heraus nämlich einzig zum Wohle des Einzeltieres. Fazit Die Jagd mit Beizvögeln einschließlich deren Dressur und Gefangenschaftshaltung, die hierfür notwendig sind, sind angesichts der damit verbundenen Arten- und Tierschutzproblematik und ohnehin geringen praktischen Bedeutung im Rahmen der Jagdausübung aus Sicht des Tierschutzes weder begründbar noch verantwortbar und somit uneingeschränkt abzulehnen. Im Übrigen wird die Beizjagd auch von Teilen der ökologisch ausgerichteten Jägerschaft (u.a. ÖJV, Landesverband Niedersachsen), sowie den Naturschutzverbänden (DNR 1999, Nabu 2010) abgelehnt, weil sie dem Tier- und Naturschutzgedanken widersprechen. Dipl. biol. Torsten Schmidt wiss. Referent An der Kirsebek Kappeln Tel.: torsten.schmidt@bmt-tierschutz.de 8
9 Quellen 1 Nüsslein, F. (2006): Das praktische Handbuch der Jagdkunde, 16. Aufl. blv-verlag 2 Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. Mai 2013 (BGBl. I S. 1386) geändert worden ist 3 Bundeswildschutzverordnung vom 25. Oktober 1985 (BGBl. I S. 2040), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 16. Februar 2005 (BGBl. I S. 258) geändert worden ist 4 Barthel, P (2012): Das Problem der Hybriden zwischen Großfalken Falko ssp.; Lemicola 26, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; Pressemitteilung vom 24., (044/05): Zuchtverbot für Greifvogelhybride tritt in Kraft 6 Beschluss des HessVGH vom , Az 4B 632/12, der zum Ergebnis kommt, dass der Sakerfalke nicht heimisch ist; im Gegensatz dazu bewertet das RP Darmstadt den Sakerfalken als heimische Art (vgl. Merkblatt zur Haltung und Zucht von Greifvogelhybriden) 7 Webseite RP Darmstadt: Merkblatt zur Haltung und Zucht von Greifvogelhybriden ; letzter Zugriff: Entgegnung des Deutschen Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg zur Stellungnahme des Bundes gegen Missbrauch der Tiere sowie des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg zur Beizvogeljagd, Juli dito 11 Ditscherlein, E. (2004): Naturschutz- und Jagdrecht. Berührungspunkte und Konflikte zwischen deutschem Naturschutz- und Jagdrecht unter besonderer Berücksichtigung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. Dissertation an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 12 dito 13 dito 14 Hirt, Maisack, Moritz (2007): Kommentar Tierschutzgesetz; Vahlens-Verlag; 17 Rn Entgegnung des Deutschen Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg, siehe oben 16 Orden Deutscher Falkioniere, WALLER Fritz, W, DIETINGER, E.: Der Habicht in Tirol ; in: Jagd in Tirol, Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes, Mai 2010, Jahrgang 62, S WALLER, R. (1973) Der wilde Falk ist mein Gesell, Neumann-Neudamm-Verlag 20 dito 21 dito 22 dito Oehrl, S (2012) Die Beizjagd in Skandinavien vor Beginn des Mittelalters um 1100: In: Greifvögel und Falknerei 2012, Neumann-Neudamm 25 (HIRT, MAISACK, MORITZ 2007) 26 Herling, A.W., Herzog, A., Krug, W.(1997): Jagd. in: Das Buch vom Tierschutz; Enke-Verlag, S dito 28 Entgegnung des Deutschen Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg, siehe oben 29 Tuide, J., Wolf, U (2013): Gibt es eine ethische Rechtfertigung für die Jagd?; in: Tierethik; 2013/2 Heft 7; Altex-Edition 30 Entgegnung des Deutschen Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg, siehe oben 31 Schreyer, W. (2002): Beizjagd. Die fairste Jagd überhaupt. in: Jagd in Bayern, Ausgabe 9/2002; S Ditscherlein 33 Heidenreich, M. (2013): Greifvögel. Krankheiten. Haltung. Zucht.; Neumann-Neudamm-Verlag 34 Heidenreich, M. (1995): Greifvögel. Krankheiten. Haltung. Zucht.; Blackwell Wiss.-Verl. 35 Redig (1988): Midwinter anemia: a new look and an new name for an old problem. Hawk Chalk. 27, TVT-Merkblatt 107: Hinweise zur Überwachung von Greifvogelhaltung 37 Heidenreich, M. (1995); s.o. 38 Entgegnung des Deutschen Falkenorden Landesverband Baden-Württemberg, s.o. 39 Heidenreich (2013); s.o. 40 Herling et al. (1997) s.o. 41 mündl. Mittl. Prof. Dr. Thomas Richter, Schreyer (2002) s.o. 43 schriftl. Mittl. DAVVL Hille, S. (2009): Interessante Einsatzmöglichkeiten der Beizjagd. 15. Österreichische Jägertagung 2009, 27 30; Lehr- und Forschungszentrum für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein 45 Rösner, S., Isselbächer, T. (2003): Gutachten zur Abwehr von Vögeln ind der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz für das Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, Oppenheim, Marburg. 9
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