Beitrag: Aufruhr in der Truppe Offiziere gegen von der Leyen

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Aufruhr in der Truppe Offiziere gegen von der Leyen Sendung vom 20. Juni 2017 von Joachim Bartz und Marc Lindemann Anmoderation: Vor einigen Monaten schoss die Verteidigungsministerin scharf und forsch gegen die eigene Truppe. Angebliche sexuelle Übergriffe geißelte sie als widerwärtig. Und die rechtsextremen Vorgänge rund um den Oberleutnant Franco A. zeigten, die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem und eine offensichtliche Führungsschwäche. Kurz danach bedauerte Ursula von der Leyen zwar das Pauschalurteil, aber die verbale Abrüstung brachte und bringt ihr keinen Frieden. Im Gegenteil. Jetzt gehen Offiziere in die Offensive, dass es knallt - und werfen der Ministerin Führungsschwäche vor. Joachim Bartz und Marc Lindemann über den Aufruhr in der Truppe. Text: Mit dem Hubschrauber fliegt sie ein eine gut gelaunte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, am Tag der Bundeswehr. Die Ministerin trifft ihre Soldaten, präsentiert sich als Vorkämpferin für ihre Truppe, die sie stärken will. Bundesverteidigungsministerin, am : Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen auch in den nächsten Jahren mehr und nachhaltige Finanzierung und die Unterstützung der Gesellschaft, das sind wir ihnen gemeinsam schuldig, meine Damen und Herren. Doch die Soldaten wären froh, wenn sie die Unterstützung ihrer Ministerin hätten. Schließlich hatte sie ihre Armee pauschal verurteilt - erst wenige Wochen zuvor. Bundesverteidigungsministerin, am :

2 Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen. Bruno Kasdorf war von der Leyens ranghöchster Soldat des Heeres. Es ist selten, dass ein Ex-General öffentlich so deutlich die Ministerin kritisiert. Das Vertrauensverhältnis, was vorhanden sein sollte zwischen der politischen Leitung, der militärischen Führung und dem Rest der Bundeswehr, das ist massiv gestört. Das fing schon im Januar an. Die Staufer-Kaserne im badenwürttembergischen Pfullendorf. Soldaten melden Mobbing, sadistische Aufnahmerituale und sexuelle Belästigungen. In der Kampfsanitäter-Ausbildung sollen sexuell-sadistische Praktiken an der Tagesordnung und medizinisch unsinnige und sexuell motivierte Übungen vollzogen worden sein. Die Vorwürfe gelangen in die Medien. Die Ministerin reagiert öffentlichkeitswirksam. Bundesverteidigungsministerin, am : Die Vorgänge in Pfullendorf sind abstoßend und sie sind widerwärtig. Verantwortlich für die Ausbildung im gesamten Heer ist Generalmajor Walter Spindler. Er wird von Ursula von der Leyen seines Kommandos enthoben. Das erfährt er jedoch nicht von seiner Vorgesetzten. O-Ton Walter Spindler, Generalmajor, ehemaliger Kommandeur Ausbildungskommando des Heeres: Was ich mir aber gewünscht hätte, wäre gewesen, dass ich nicht über Twitter und über Spiegel Online von einer vorzeitigen Entbindung erfahre. Das ist würdelos und stillos aus meiner Sicht. Das macht man nicht über Dritte oder gar über die Medien. Wo einer dann völlig aus den Wolken fällt, weil er erfährt, dass er seit einigen Minuten nicht mehr im Kommando ist. Das ist kein guter Führungsstil. Dabei zeigt dieser interne Bericht, dass Spindlers Ausbildungskommando offenbar schon handelte, bevor die Öffentlichkeit davon wusste. Zum Beispiel: Auf Beschwerden einer Soldatin über die umstrittenen Untersuchungsmethoden

3 vom werden bereits am Maßnahmen beschlossen: - Spindlers Ausbildungskommando bietet der Einheit in Pfullendorf seine Unterstützung an. - Praktische Handlungsanweisungen werden erlassen, um möglichen Missbrauch zu unterbinden. - Und es gibt sieben bundeswehrinterne Vernehmungen. Darüber hinaus ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ohne deren Ergebnisse abzuwarten, wird Spindler vom Verteidigungsministerium abgesetzt. O-Ton Boris Nannt, Oberst i.g., Sprecher Bundesverteidigungsministerium: Über die rein juristische Dimension hinaus stellt die Bundeswehr besondere qualitative Anforderungen an das Führungs- und Ausbildungspersonal im Hinblick auf zeitgemäße Menschenführung und konsequente Dienstaufsicht. Inzwischen haben der leitende Oberstaatsanwalt Jens Gruhl und seine Kollegen von der Staatsanwaltschaft Hechingen ihre Prüfungen zum Fall Pfullendorf abgeschlossen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: O-Ton Jens Gruhl, leitender Oberstaatsanwalt, Staatsanwaltschaft Hechingen: Wir haben dazu die Unterlagen der Bundeswehr bekommen, Vernehmungsprotokolle und sonstige Unterlagen, Ausbildungsvorschriften, und danach hat sich zum einen ergeben, dass die Ausbildung dort den Vorschriften entsprechend geführt wurde und dass sexualisierte Handlungen nicht vorgekommen sind. Spindler wird das wenig nützen. Er hat sich beim Wehrbeauftragten des Bundestages über von der Leyen beschwert wegen Rufschädigung. Im April 2017 fliegt Franco A. auf: Terrorverdacht. Die Reaktion der Ministerin: öffentlichkeitswirksame Durchsuchungen aller Kasernen auf Wehrmachtsandenken - mit diesem Befehl vom 4. Mai Mit ihm werden sämtliche Kommandeure angewiesen, alle dienstlichen Liegenschaften, Räumlichkeiten und Gelasse auf den Umgang mit der Traditionspflege in der Bundeswehr insbesondere in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus zu prüfen.

4 De facto stellt dieser Durchsuchungsbefehl alle Soldaten unter Generalverdacht. So sieht es jedenfalls Oberstleutnant Jan Hoffmann. Er musste den Befehl in seiner Einheit in Münster ausführen. O-Ton Jan Hoffmann, Oberstleutnant im Generalstab: Wenn dann also noch Spinde geöffnet werden, was dann wirklich nicht mehr zulässig ist in dem Sinne, dann bringt das ein Riesenproblem mit sich, die Leute fühlen sich letztendlich eigentlich eher überwacht. Hier hat sich etwas verselbstständigt in gewisser Weise, ich glaube, um eine gewisse Unsicherheit auch zu überspielen, was denn nun eigentlich gesucht wird und wo denn nun eigentlich das Problem liegt. Staatssekretär Grübel informiert den Verteidigungsausschuss über das, was gefunden wurde. Wenig hat Nazi-Bezug. Gemeldet werden unter anderem: - Bundeswehrhelme alter Art - Schwarzer Feuerwehrhelm - Weißer Feuerwehrhelm - Und immer wieder K98 ein historischer Karabiner, den auch die Wehrmacht verwendete. Sonderbar: Das Wachbataillon der Bundeswehr präsentiert eben jenen Karabiner bei jedem Staatsbesuch. Wieso wird der also gemeldet und was soll überhaupt so eine Meldeliste? O-Ton Rainer Arnold, SPD, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Ich habe diese Liste sofort in den Papierkorb geworfen. Mit dieser Liste kann ich nichts anfangen. Ich will eine Liste haben, bei der draufsteht, was wurde wo gefunden und welche Reaktion hat dieser Fund ausgelöst. Da werden wir nämlich feststellen, bei den meisten dieser Funde gibt es überhaupt keinen Grund für eine Reaktion, und exakt dies hat man uns verschwiegen. Bei den Soldaten herrscht auch Befremden über diesen Verhaltenskodex, ein Entwurf aus dem Hause von der Leyen. Unter der Überschrift Öffentlicher und parlamentarischpolitischer Raum gilt: bei Anfragen aus dem parlamentarischen Bereich reagiere ich nur, wenn ich dazu befugt bin Insbesondere werde ich jeden informellen Kontakt meiden, ob im Rahmen von persönlichen Treffen oder am Rande von Empfängen und Veranstaltungen O-Ton Rainer Arnold, SPD, verteidigungspolitischer Sprecher

5 der SPD-Bundestagsfraktion: Es passt natürlich überhaupt nicht zusammen, wenn man nach außen immer von Gesprächen, Staatsbürger in Uniform, Innerer Führung redet und gleichzeitig seinen Soldaten nicht vertraut. Diese Regelung sollte den Soldaten nämlich einen Maulkorb umhängen und das ist völlig inakzeptabel. Das Vertrauen ist zerstört, die Stimmung der Truppe im Keller. Das können auch schöne Zeremonien nicht überdecken. Wenn Sie jetzt sehen, was ist da tatsächlich passiert, dann ist da auf der einen Seite natürlich ein großer Imageschaden, der der Bundeswehr zugefügt worden ist, innerhalb von kürzester Zeit in der Außenwahrnehmung, und innen drin rumort es. Das Misstrauen der Offiziere gegen die Ministerin ermuntert den Koalitionspartner, auf Distanz zu gehen O-Ton Rainer Arnold, SPD, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Frau von der Leyen kann nicht mehr Verteidigungsministerin bleiben. Ich habe den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin, so wie sie es bei Herrn de Maizière dann gemerkt hat, bei Herrn Jung, der dann zurücktreten musste, das auch bei Frau von der Leyen weiß. Ursula von der Leyen wollte sich profilieren als Aufklärerin und stellte eine ganze Armee unter Generalverdacht. Nun entzieht ihr die Truppe das Vertrauen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.