Mutter der Kartoffel kommt aus Freiburg Von Peter von Allwörden
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- Sara Waldfogel
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1 Mutter der Kartoffel kommt aus Freiburg Von Peter von Allwörden FREIBURG. Jede zweite Pflanzkartoffel, die in Deutschland produziert wird, kommt von der Europlant Pflanzenzucht. Sie vermarktet auch Kartoffeln aus Freiburg. Aus Nordkehdingen gehen knapp 80 Kartoffelsorten in die ganze Welt. Was Kartoffelproduzenten längst bekannt ist, hat die Zuhörer, die kürzlich zum Speichergespräch in den Freiburger Kornspeicher gekommen waren (das TAGEBLATT berichtete), umso mehr überrascht, als der Leiter der Freiburger Böhm-Nordkartoffeln Agrarproduktion (BNA), Martin Rave, seinen Betrieb dort vorstellte. Das veranlasste auch das TAGEBLATT, sich einmal genauer bei dem Freiburger Kartoffelproduzenten umzuschauen. So viel vorweg: Keine der Millionen Knollen, die in den Nordkehdinger Marschböden wachsen, landen unmittelbar auf dem Teller des Konsumenten. Sie sind lediglich deren Großeltern oder Eltern. Denn die Freiburger produzieren auf einer Anbaufläche von 100 Hektar die ersten Generationen der Pflanzkartoffeln von insgesamt 80 Sorten. Und diese Pflanzkartoffeln liefern sie ausschließlich an sogenannte Vermehrer, also Landwirte, die aus diesem Grundmaterial weitere vielfache Mengen von Pflanzkartoffeln produzieren, die dann letztlich an die Kartoffelbauern gehen. Die bauen schließlich damit ihre Speisekartoffeln an. In der Entwicklung neuer Kartoffelsorten sind die Freiburger nicht aktiv. Diese werden unter anderem in der Heide über zehn Jahre hinweg entwickelt und dann beim Bundessortenamt zur Prüfung angemeldet. Erst wenn die Prüfung bestanden und die neue Sorte registriert ist, beginnt die Erhaltungszucht, unter anderem am Standort in Freiburg. Dabei werden die bereits eingeführten Sorten einerseits vermehrt und andererseits ständig auf ihre Gesundheit und die Sortenreinheit überprüft. Freiburger vermehren neue Kartoffelsorten Die Erhaltungszucht der einzelnen Kartoffelsorten beginnt mit der Produktion von kleinsten Kartoffelpflanzen, die in einem Labor der Böhm Nordkartoffel Gruppe in der Lüneburger Heide unter sterilen Bedingungen herangezogen werden. Diese werden
2 dann ausgepflanzt in den Gewächshäusern in Agathenburg, die zur Stader Saatzucht gehören. Die in den Glashäusern geernteten Knollen werden im Jahr darauf bereits auf Freiburger Äckern im Freiland gepflanzt. Dafür werden im ersten Jahr lediglich drei Hektar benötigt. Die erste Feldgeneration an Pflanzkartoffeln wächst heran. Diese Knollen werden aber nicht verkauft, sondern dienen als Grundlage für die zweite Generation. Dafür werden nun schon 30 Hektar benötigt. Die Ernte dieser Fläche geht nur zu zwei Drittel bereits an Vermehrer, das letzte Drittel wird als Pflanzknolle für die dritte Generation der Pflanzkartoffeln genutzt. Diese werden auf 70 Hektar angebaut und dann komplett an die Vermehrer verkauft. Die Vermehrungsflächen von allen Sorten sowohl den alten wie auch den neuen Sorten betreut der Europlant-Verbund, dessen Verwaltungszentrale in Lüneburg sitzt (siehe Text unten zur Unternehmensstruktur). Und er vertreibt auch die erzeugten Pflanzkartoffeln am Ende weltweit. Mit Thermometern wird ständig die Temperatur kontrolliert. Ideal sind vier Grad plus. Der Jahreslauf der zwölf Mitarbeiter der Böhm Nordkartoffel in Freiburg ist, wie überall in der Landwirtschaft, durch den Naturkreislauf bestimmt. In der Winterzeit bis Anfang März werden die Pflanzkartoffeln nach Größe sortiert und durchgesehen, um eine einwandfreie Ware an die Kunden auszuliefern. Es folgt die Verpackung und Auslieferung in Big Bags von 1100 Kilogramm oder in kleinen 25-Kilo-Säcken. Im März und April verlassen täglich etwa fünf bis sechs Lkw-Ladungen an Pflanzkartoffeln die Freiburger Lagerhallen, in denen das Pflanzgut, heruntergekühlt auf vier Grad plus und ständig belüftet, seit der Ernte eingelagert ist. Fast 4000 Tonnen Knollen gehen dann an Landwirte, die überwiegend im norddeutschen Raum diese Pflanzkartoffeln weiter vermehren. Knapp 80 Prozent der Freiburger Produktion wird in Deutschland verkauft, etwa 20 Prozent ins Ausland.
3 Spezialisiertes Gerät aus Holland wird für die Pflanzung eingesetzt. Während die Gewächshäuser bereits während der Sortierzeit neu bepflanzt werden müssen, beginnt die Pflanzung der Knollen im Feld, wenn die Ernte aus dem Vorjahr ausgeliefert ist. Bis Mitte Mai müssen die Knollen in die Erde. Während die Pflanzen auf der kleinen Fläche von drei Hektar noch so schonend wie möglich per Hand gesetzt werden, werden die Knollen der zweiten und dritten Generation mit modernen Pflanzmaschinen gesetzt. Im Anschluss daran müssen die Dämme geformt werden, damit das Wasser zwischen den Reihen gut in dem festen Marschboden versickern kann. Pflanzung und Dammformung erfolgen überwiegend mit Spezialmaschinen aus Holland, wo ähnliche Böden bearbeitet werden. Besonders wenig Schädlinge in Marschböden Apropos Kartoffeln und Marschböden: Sie sind deshalb für diese Vermehrungskartoffeln besonders geeignet, weil sie unbelastet von Kartoffelschädlingen sind. Aufgrund der isolierten Lage in der Kehdinger Marsch ist auch die Gefahr von Bakterien- und Viruserkrankungen dort äußerst gering. Zum anderen mögen die Vermehrungskartoffeln keine zu warmen Böden. Auch das ist gegeben. Überhaupt passen die klimatischen Bedingungen in Küstennähe gut zur Kartoffelvermehrung, sagt Agraringenieur Martin Rave, der den Freiburger Betrieb von Anbeginn mit aufgebaut hat. Nach der Pflanzung folgt in Freiburg die Zeit der Kontrolle und Pflege. Rave zeigt sieben eng mit diversen Farben bedruckte DIN-A4-Bögen. Hier sind fast 250 Parzellen eingezeichnet die meisten nicht größer als 3000 bis 4000 Quadratmeter. Die Parzellen stehen für die drei Generationen der 80 Kartoffelsorten. Jede Parzelle ist auf dem Papier mit Hinweisen versehen unter anderem zur Düngung oder zum Pflanzenschutz. Doch
4 Kontrolle erfolgt nicht nur auf den Übersichten, die am Computer erstellt werden, sondern vor allem durch regelmäßiges Begehen der gesamten 100 Hektar Anbaufläche. Sobald das Kartoffelkraut zu sehen ist, von Anfang Juni bis Ende Juli, gehen die Mitarbeiter von Rave täglich die gesamten Felder ab und schauen nach dem Kraut. Sobald auffälliges Blattwerk beobachtet wird, wird die Pflanze entfernt. In dieser Selektionsphase gehen die BNA-Leute täglich etwa zehn Kilometer über die Kartoffeläcker. Schon in der Zeit von Mitte August bis Mitte September folgt die Kartoffelernte und Einlagerung der Kartoffeln, bei der ebenfalls wieder spezielle Erntemaschinen eingesetzt werden. Direkt im Anschluss werden die Äcker für das nächste Kartoffeljahr gepflügt. Der Winter und vor allem der Frost sorgen dafür, dass der Boden im Frühjahr leicht und locker wird ideal, um neue Kartoffeln zu pflanzen. Daten und Informationen rund um die Böhm-Kartoffel Die Böhm-Nordkartoffel Agrarproduktion GmbH & Co. OHG (BNA) ist ein Zusammenschluss aus dem mittelständischen Familienunternehmen Böhm mit Sitz in Lüneburg und der Nordkartoffel Zuchtgesellschaft, die von drei großen Genossenschaften im Norden gehalten wird darunter auch die Stader Saatzucht, die immer schon in der Kartoffelzucht und -produktion einen Namen hatte. Die beiden Gesellschafter halten je 50 Prozent an der BNA. Genauso sind die Mehrheitsverhältnisse strukturiert an der Bioplant, die für Labortätigkeiten zuständig ist, und an der Europlant, die für die weltweite Vermarktung verantwortlich zeichnet. Der Freiburger BNA-Betrieb ist mit 100 Hektar einer von drei Erhaltungszuchtbetrieben der BNA. Der größte liegt mit 500 Hektar Anbaufläche in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostseeküste, der kleinste in Bayern mit 70 Hektar. Die Europlant-Züchter und - Vermehrer produzieren auf fast 8000 Hektar bundesweit Pflanzkartoffeln und haben damit einen Marktanteil von 50 Prozent. Allein 800 Hektar davon gehören zur Stader Saatzucht und deren Partnerbetrieben Hektar liegen in der Lüneburger Heide und 700 Hektar in Schleswig-Holstein. Alle Vermehrer auch die ausländischen sind Vertragspartner von Europlant und müssen nach deren hohen Qualitätsvorgaben produzieren. Runtergerechnet auf Freiburg, wo die Ur-Pflanzkartoffeln geerntet werden mit einem Anteil von knapp 20 Prozent an den BNA-Kartoffeln, bedeutet das also, dass fast jede zehnte Ursprungspflanzkartoffel in Deutschland in Nordkehdinger Böden gewachsen ist. Um auf 100 Hektar Anbaufläche zu kommen, muss BNA ungefähr 600 Hektar im Rotationsverfahren bewirtschaften. Dafür hat das Unternehmen Verträge mit benachbarten Landwirten, die auf den abgeernteten Kartoffelfeldern Getreide anbauen. Umgekehrt pflanzt BNA auf ehemaligen Getreideflächen Kartoffeln. Denn bei der Kartoffel gilt eine sechsjährige Fruchtfolge, es dürfen also auf einem Acker erst nach sechs Jahren wieder Kartoffeln gepflanzt werden. Die BNA verfügt über 160 Hektar Land, wovon sie 80 Hektar gepachtet hat. Zu dem Freiburger Betrieb gehören zwei Lagerhallen mit moderner Belüftungs- und Kühltechnik. Insgesamt können 4000 Tonnen Pflanzkartoffeln in großen Holzkisten gelagert werden. Das Unternehmen hat knapp 1,5 Millionen Euro in Freiburg in die Hallen mit Technik (etwa zwei Drittel) und in ihren Maschinenpark (ein Drittel)
5 investiert. Die große Halle ist 2008 gebaut worden. Ab 2012 ist die komplette Verwaltung mit Chef Rave von Agathenburg nach Freiburg umgezogen. Erste Anbauflächen gab es bereits 1997 in Freiburg. Stader Tageblatt,
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