milq Quantenphysik in der Schule
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- Edwina Dieter
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1 Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften Abteilung Physik und Physikdidaktik Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen milq Quantenphysik in der Schule Rainer Müller TU Braunschweig
2 Legitimation Ziele des Quantenphysikunterrichts Welche Absichten verfolgt man mit dem Quantenphysikunterricht? je nachdem wird die Unterrichtsgestaltung verschieden ausfallen. Mögliche Zielsetzungen: Die Quantenphysik ist die Grundlage für wichtige Technologien (Halbleiter). Die Quantenphysik hat das Weltbild der Physik im 20. Jh. umgewälzt. Im Studium werden Kenntnisse der Quantenphysik als Grundlage benötigt. Die Quantenphysik ist ein wichtiger Prüfungsstoff im Abitur. Seite 2
3 Orientierungswissen vs. Verfügungswissen (von Mittelstraß geprägtes Begriffspaar) Verfügungswissen beantwortet die Frage nach dem Wie?. Eher auf Technik/Naturbeherrschung ausgerichtet. Orientierungswissen beantwortet die Frage nach dem Warum? und Wozu?. Soll das Zurechtfinden in der Welt ermöglichen. Muckenfuß 1996: Das Verfügungswissen spricht nur diejenigen Schüler an, in deren Lebensplanung die Partizipation an der Naturbeherrschung eine wesentliche Rolle spielt. Davon abgehoben wird das der Aufklärung des Mensch/Natur-Verhältnisses dienende Orientierungswissen. Seite 3
4 Ziele des Quantenphysikunterrichts In milq verfolgte These: Physikalische Bildung besteht im Verständnis der Grundzüge eines naturwissenschaftlichen Weltbilds. Das bedeutet: Eine Einführung in diejenigen grundlegenden Einsichten der Physik, die unser Bild von der Natur prägen. Für junge Menschen, die keinen naturwissenschaftlichen Beruf wählen, ist der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht in der Schule praktisch die einzige Chance zur systematischen Begegnung mit einem zentralen Teil unserer Kultur (BLK-Gutachten 1997) Seite 4
5 Grundanliegen von milq Den Schülerinnen und Schülern soll die Möglichkeit gegeben werden, das Weltbild der modernen Physik kennenzulernen. Daher wird großer Wert darauf gelegt, auch eine klare Deutung der Quantenphysik zu vermitteln. Denn: Gerade weil in der Schule die mathematischen Möglichkeiten begrenzt sind, sollte man sich um so stärker um begriffliche Klarheit bemühen. Seite 5
6 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik In den vergangen 20 Jahren hat sich die Sicht auf die Deutungsaspekte der Quantenmechanik verändert. Stellvertretend: The Big Red Book (Wheeler & Zurek 1983): Why there is no textbook on the measurement side of quantum theory is clear to anyone who participates in a seminar on the subject, and even clearer to one who gives a course on it: puzzlement! Seite 6
7 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Was inzwischen passiert ist: 1. Fortschritte im Verständnis der Quantenmechanik. Beispiel: Dekohärenz (Joos & Zeh 1985, Zurek 1991) Seite 7
8 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Was inzwischen passiert ist: 2. Große Fortschritte bei Experimenten zu fundamentalen Aspekten der Quantentheorie Beispiele: Interferenzexperimente mit Atomen und Molekülen Doppelspaltexperiment mit einzelnen He-Atomen (Kurtsiefer et al. 1997) Seite 8
9 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Was inzwischen passiert ist: 2. Große Fortschritte bei Experimenten zu fundamentalen Aspekten der Quantentheorie Beispiele: Interferenzexperimente mit Atomen und Molekülen (Hornberger et al., Rev. Mod. Phys. 2012) Heute: Interferenz mit großen organischen Molekülen C60 (Arndt et al. 1999) Biomoleküle mit amu, 810 Atome (Arndt et al. 2013) Rainer Müller milq Quantenphyisk in der Schule Seite 9
10 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Was inzwischen passiert ist: 2. Große Fortschritte bei Experimenten zu fundamentalen Aspekten der Quantentheorie Beispiele: Verletzung der Bellschen Ungleichung als Praktikumsversuch V. Zwiller et. al., TU Delft Seite 10
11 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Was inzwischen passiert ist: 2. Große Fortschritte bei Experimenten zu fundamentalen Aspekten der Quantentheorie Beispiele: Quanteninformation erreicht ein kommerzielles Stadium Quelle: Magiq Seite 11
12 Perspektivwandel in der Sichtweise der Quantenmechanik Fazit: Unsere Sicht auf die Quantenmechanik hat sich in den letzten 20 Jahren gewandelt Dies sollte sich auch in geänderten Zugängen für die Schule niederschlagen. Münchener Unterrichtskonzept zur Quantenphysik (milq) (Müller, Wiesner, Küblbeck, Dammaschke u. a., 1997 ff.) Seite 12
13 Grundgedanken von milq Die folgenden Grundgedanken dienten als Leitlinie bei der Entwicklung: Herausstellen der Aspekte, die gegenüber der klassischen Physik das ganz Neue darstellen Orientierung an Schülervorstellungen und Lernschwierigkeiten Bereitstellen klarer Begriffe als Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse Seite 13
14 Wesenszüge der Quantenphysik Bereitstellen klarer Begriffe: Wesenszüge der Quantenphysik (Küblbeck & Müller 2002) Wesenszug 1: Statistisches Verhalten In der Quantenmechanik sind im Allgemeinen nur statistische Vorhersagen möglich. Seite 14
15 Wesenszüge der Quantenphysik Bereitstellen klarer Begriffe: Wesenszüge der Quantenphysik (Küblbeck & Müller 2002) Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz Einzelne Quantenobjekte können zu einem Interferenzmuster beitragen, wenn es für das Versuchsergebnis mehr als eine klassisch denkbare Möglichkeit gibt. Keine dieser Möglichkeiten wird dann im klassischen Sinn realisiert. Seite 15
16 Wesenszüge der Quantenphysik Bereitstellen klarer Begriffe: Wesenszüge der Quantenphysik (Küblbeck & Müller 2002) Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz Wesenszug 3: Eindeutige Messergebnisse Messpostulat: Auch wenn ein Quantenobjekt in einem Zustand keinen festen Wert der gemessenen Größe hat, findet man immer ein eindeutiges Messergebnis. Die Wiederholung der Messung reproduziert das Ergebnis. Seite 16
17 Wesenszüge der Quantenphysik Bereitstellen klarer Begriffe: Wesenszüge der Quantenphysik (Küblbeck & Müller 2002) Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz Wesenszug 3: Eindeutige Messergebnisse Wesenszug 4: Komplementarität Welcher-Weg-Information und Interferenzmuster schließen sich aus. Quantenobjekte können nicht auf Ort und Impuls gleichzeitig präpariert werden. Seite 17
18 Unterrichtsverlauf im milq-lehrgang Seite 18
19 Unterrichtsverlauf im milq-lehrgang Zwei Schlüsselexperimente: Doppelspaltexperiment (vgl. Feynman) Antikorrelationsexperiment von Grangier, Roger & Aspect (1986): Wellen- und Teilchenverhalten im gleichen Experiment Seite 19
20 Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Wesenszug 1 zeigt sich im Doppelspalt-Experiment Der Ort, an dem ein einzelnes Quantenobjekt nachgewiesen wird, ist nicht vorhersagbar. Dennoch erscheint nach und nach ein regelmäßiges Muster Dieses Muster erinnert an das Interferenzmuster einer Welle. Seite 20
21 Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Formulierung des Wesenszuges: Wesenszug 1: Statistisches Verhalten : In der Quantenphysik können Einzelereignisse im Allgemeinen nicht vorhergesagt werden. Bei vielen Wiederholungen ergibt sich jedoch eine Verteilung, die bis auf stochastische Schwankungen reproduzierbar ist. Seite 21
22 Beispiele für Wesenszug 1: Einfachst denkbares Beispiel: Einzelne Photonen an einem Strahlteiler (einer Glasscheibe) Ob ein bestimmtes Photon durchgelassen oder reflektiert wird, lässt sich nicht vorhersagen. Wohl aber lässt sich die relative Häufigkeit vieler durchgelassener Photonen vorhersagen. Seite 22
23 Beispiele für Wesenszug 1: Ein weiteres Beispiel: Kernzerfall Ob ein einzelner radioaktiver Atomkern innerhalb der nächsten Stunde zerfällt, können wir nicht vorhersagen. Wir können aber den Bruchteil sehr vieler Kerne vorhersagen, der innerhalb der nächsten Stunde zerfällt. Seite 23
24 Wesenszug 1: Statistisches Verhalten Die Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation löst den naiven Welle-Teilchen-Dualismus auf. Wellenhafte Ausbreitung und teilchenhaftes Verhalten beim Nachweis erfassen die beiden scheinbar gegensätzlichen Züge in einem einheitlichen Bild. Seite 24
25 Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz Formulierung des Wesenszuges: Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz : Auch einzelne Quantenobjekte können zu einem Interferenzmuster beitragen. Voraussetzung ist, dass es für das Eintreten des gleichen Versuchsergebnisses mehr als eine klassisch denkbare Möglichkeit gibt. Keine dieser Möglichkeiten wird dann im klassischen Sinn realisiert. Seite 25
26 Klassisch denkbare Möglichkeiten? Experiment zur Streuung von 12 C-Ionen an 12 C (Graphit) Es gibt zwei klassisch denkbare Möglichkeiten, wie ein Ion am Detektor nachgewiesen werden kann: 1. Streuung 2. Herausschlagen eines Ions aus dem Graphit Am Versuchsergebnis sind diese Möglichkeiten nicht unterscheidbar Interferenz? Seite 26
27 Klassisch denkbare Möglichkeiten? Experimentelles Ergebnis (Bromley u. a. Phys. Rev. 123, 878, 1961) Interferenzmuster im Streuwinkel ununterscheidbare Alternativen (C C) Seite 27
28 Klassisch denkbare Möglichkeiten? Experimentelles Ergebnis (Bromley u. a. Phys. Rev. 123, 878, 1961) ununterscheidbare Alternativen (C C) unterscheidbare Alternativen (O Au) Seite 28
29 Wesenszüge 3 und 4 (kursorisch) Überblick über die Inhalte, die im Zusammenhang mit Wesenszug 3 und 4 vermittelt werden: Quantenobjekte können in Zustände gebracht werden, in denen sie klassisch wohldefinierte Eigenschaften wie Ort oder Bahn nicht besitzen (Superpositionszustände).. Wichtig z. B. für das Verständnis des quantenmechanischen Atommodells. Seite 29
30 Wesenszüge 3 und 4 (kursorisch) Formulierung von Wesenszug 3: Fragestellung: Was passiert eigentlich bei einer Ortsmessung, wenn das gemessene Elektron gar nicht die Eigenschaft Ort besitzt? Wesenszug 3: Eindeutige Messergebnisse Bei jeder Messung wird aus dem Spektrum der möglichen Messwerte ein einzelner realisiert. Messpostulat der Quantenmechanik Seite 30
31 Wesenszüge 3 und 4 (kursorisch) In der Quantenphysik gibt es unvereinbare Größen (Ort/Impuls bzw. Interferenzmuster/Weginformation) Wesenszug 4: Komplementarität Ein Beispiel dafür: die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation Aber: Was bedeutet das eigentlich? Seite 31
32 Formulierung der Unbestimmtheitsrelation Formulierung als Aussage über die Präparierbarkeit von Eigenschaften an einem Ensemble von Quantenobjekten Ortspräparation und Impulspräparation schließen sich gegenseitig aus Seite 32
33 Formulierung der Unbestimmtheitsrelation Hat man ein Ensemble von Quantenobjekten so präpariert, dass die Streuung der Ortsmesswerte Δy klein ist, wird die Streuung der Impulsmesswerte Δpy groß sein (und umgekehrt). NB: Hat nichts mit Messungenauigkeiten zu tun. Hat nichts mit gleichzeitigen Messungen zu tun. Seite 33
34 Evaluation Evaluation des Unterrichtskonzepts Ergebnisse der Untersuchung: Versuchsgruppe: 2 Grundkurse, 3 Leistungskurse (N=60) Kontrollgruppe: Studierende aus dem 2. Semester (N=35) Untersucht wurden die Vorstellungen der Probanden zu verschiedenen Teilaspekten der Quantenmechanik (Atomvorstellung, Determinismus, Eigenschaftsbegriff, Unbestimmtheitsrelation) Seite 34
35 Evaluation. Ergebnisse der Untersuchung: (Index aus mehreren Items: +100: quantenmechanische Vorstellung, -100: klassische Vorstellung) Versuchsgruppe Kontrollgruppe Effektstärke Atomvorstellung (6 Items) +60,9 +40,8 0,65** Determinismus (9 Items) +51,6 +37,4 0,47* Eigenschaftsbegriff (3 Items) +71,6 +41,9 0,83*** Unbestimmtheitsrelation (10 Items) +51,5 +30,2 0,92*** Seite 35
36 Ausblick: Quanteninformation Wie geht es weiter mit der Quantenphysik in der Schule? Derzeitiger Trend: Quanteninformation (mehrere Arbeitsgruppen in der Physikdidaktik, die hier in Theorie und Experiment arbeiten). Seite 36
37 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Internet-Adresse: Seite 37
milq Quantenphysik in der Schule
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