Für einen Wissenschaftler hatte. Titanrenner made in USA sind. rollende Schmuckstücke: Perfekt im Finish, mit fantastischen.

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2 Titanrenner made in USA sind rollende Schmuckstücke: Perfekt im Finish, mit fantastischen Schweißnähten und hinreißenden Detaillösungen. Dafür kosten sie auch etwas mehr als andere Rennräder TEXT MANUEL JEKEL; FOTOS: DANIEL SIMON Für einen Wissenschaftler hatte der Mann ein gutes Gespür für Namen: Als der Chemiker Martin Heinrich Klaproth aus Wernigerode im Harz Ende des 18. Jahrhunderts auf ein silbrig-grau schimmerndes Metall stieß, nannte er es Titan nach den Gestalten aus der griechischen Mythologie, die gegen Zeus kämpften. Seitdem verbindet sich mit Titan die Vorstellung von besonderer Stärke und Zähigkeit Assoziationen, die gut zu einem Werkstoff passen, dessen Hauptabnehmer seit Jahrzehnten die Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie ist. In der Fahrradbranche spielt Titan seit etwa 25 Jahren eine kleine, aber feine Nebenrolle. Anfang der 90er Jahre schien es sogar, als könne der Werkstoff eine steile Karriere im Rahmenbau machen. Bei annähernd gleicher Festigkeit wie Stahl ist Titan etwa 40 Prozent leichter. Da es außerdem absolut kor- T O U R 5/

3 rosionsbeständig ist sogar gegenüber Salzwasser, galt es als ideales Material für leichte, haltbare Rennradrahmen. Mehrere europäische Edelmarken sprangen auf den Zug auf und boten Titanrahmen an, unter anderem Colnago und Merckx wurde Lance Armstrong in Oslo auf einem Titanrahmen Weltmeister. Bei der Tour de France stiegen Alex Zülle und Richard Virenque vor schweren Bergetappen auf Titanrahmen um. SENSIBLE EXOTEN Doch der Durchbruch von Titan als Rahmenmaterial auf breiter Front blieb bis heute aus. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen die geringe Steifigkeit des Werkstoffs. Titan flext etwa doppelt so stark wie Stahl. Es bedarf daher einer entsprechenden Dimensionierung der Rohre Stichwort Oversizing damit Titanrahmen ausreichend steif und fahrstabil werden. Doch mit der gleichen Strategie lassen sich aus Aluminium und Carbon noch leichtere Rahmen mit akzeptabler bauen. Der zweite Grund: Titanrahmen sind extrem teuer. Da ist zunächst der Rohstoffpreis. Titan gehört zwar zu den häufigsten Metallen in der Erdkruste; seine Gewinnung ist aber aufwändig und energieintensiv. Ein Kilo Titan kostet etwa acht- bis zehnmal so viel wie ein Kilo Alu. Mit der Weiterverarbeitung verschlechtert sich die Kostenbilanz gegenüber anderen Werkstoffen weiter. Die Herstellung der Rohre durch Ziehen oder Schweißen von Blechen nimmt viel Zeit in Anspruch. Für das Schneiden und Fräsen der Rohre sind sehr harte Werkzeuge nötig. Außerdem reagiert Titan beim Schweißen leicht mit Sauerstoff, was zu Versprödungen führen kann. Größere Titanrahmenhersteller besitzen deshalb teure Schweißkammern, in denen der Sauerstoff durch Edelgas meist Argon ersetzt wird. Schließlich verzeiht Titan praktisch keine Fehler weder beim Zuschnitt der Rohre noch beim anschließenden Schweißen. All dies zieht den Arbeitsprozess in die Länge und treibt die Kosten in die Höhe. KURZ & KNAPP Der Test zeigt: Der Reiz von Titan liegt vor allem in der edlen Anmutung des Werkstoffs und handwerklicher Perfektion. Technisch bieten Alu und Carbon mehr Potenzial. Der Testsieger Ghisallo von Litespeed ist ein aufwändig konstruierter Rahmen, der technisch das Niveau guter Alu-Rahmen erreicht aber das Vierfache kostet. Moots und Serotta sprechen eher konservative Kunden an: Klassischer Auftritt, toll verarbeitet, technisch solide. Gäbe es einen für den am besten verarbeiteten Rahmen der Welt Moots wäre ein heißer Anwärter. Merlins Extralight zeigt den Fortschritt der letzten Jahre: Der Rahmen ist schön, aber technisch nicht mehr up to date. WENIGE SPEZIALISTEN Die meisten Anbieter stiegen deshalb wieder aus dem Titan-Geschäft aus und überließen das Feld Spezialisten wie der American Bicycle Group. Mit den Marken Merlin und Litespeed ist das Unternehmen aus Chattanooga in Tennessee stark im Markt vertreten; aber auch einige kleinere Firmen und Rahmenbauer besetzen die Nische mit klingenden Namen. US-Marken wie Moots oder Serotta geben mit fantastisch verarbeiteten, allerdings sündhaft teuren Kreationen den Ton an. Titanrahmen aus China, Russland oder Westeuropa haben es dagegen schwer. Sie sind zwar nur rund halb so teuer wie die US-Boliden, doch handwerklich und vom Image reichen sie der Konkurrenz nur selten das Wasser. Nüchtern betrachtet, könnte man fragen: Wenn Titan so schwer zu verarbeiten ist und keine entscheidenden Vorteile gegenüber anderen Werkstoffen bietet, warum dann überhaupt Rahmen daraus bauen? Fans des Werkstoffes fällt es beim Anblick eines perfekt verarbeiteten US-Titanen allerdings schwer, nüchtern zu bleiben. Wer sich einmal in die unglaublich gleichmäßigen Schweißnähte eines Litespeed, Merlin, Moots oder Serotta verliebt hat, für den kommt es auf ein paar hundert Gramm Rahmengewicht mehr oder weniger nicht mehr an. Dazu gesellt sich der je nach Legierung und Oberflächenpolitur graue, bräunliche oder auch hell glänzende Farbton, der Titan, obwohl chemisch gesehen nur ein Leichtmetall, die Anmutung eines Edelmetalls wie Platin verleiht. Dann gibt es noch ein rationales Argument. Titan rostet nicht, und weil es so- Zum Tretlager hin wird das Litespeed-Unterrohr fast so breit wie das Tretlagergehäuse. Resultat ist eine nicht nur für diese Gewichtsklasse sehr gute Kraftübertragung Das mit dem Falken: Der Greifvogel ist Merlins Wappentier. Hier als diskrete Gravur am filigran gearbeiteten Ausfallende 28 T O U R 5/2004

4 wieso pur am schönsten wirkt, sind auch keine Lackschäden zu befürchten. KOMFORTABLES TITAN? Ach ja, und dann ist da noch der viel gepriesene werkstoffspezifische Fahrkomfort, den Titanrahmen angeblich bieten. Unisono verkünden die Hersteller die entsprechende Botschaft. Bei genauerer Betrachtung bleibt von diesem Vorteil allerdings wenig übrig. Wenn Titanrahmen so etwas wie spürbaren Fahrkomfort vermitteln, dann ist dies immer Folge einer geringen Torsionssteifigkeit; seitliche Ausweichbewegungen des Rahmens mögen den eindruck auf schlechten Strecken zwar verbessern. Die Fahrsicherheit leidet jedoch darunter. Die getesteten Rahmen liegen in dieser Disziplin mit Ausnahme des leichten, etwas unterdimensionierten Merlin im grünen Bereich. Zwar ist keiner der Rahmen definitiv flattersicher. Geübte, nicht zu schwere Fahrer sollten damit allerdings keine Probleme haben. Die stellen sich eher beim Blick auf die e der US-Titanen ein. Ein Testfeld mit einem durchschnittlichen Rahmenpreis von über Euro gab es bei TOUR noch nie. Die schönsten Schweißnähte der Welt? Akkurater als der Schweißer von Moots können Menschen nicht arbeiten. Was passiert eigentlich, wenn der gute Mann mal niesen muss? Königsklasse: Bei den Rahmenpreisen kommt es auf ein paar Euro mehr für den Steuersatz nicht an. In allen vier US-Titanen drehen sich Edel-Lager von Chris King T O U R 5/

5 LIGHTSPEED GHISALLO FAZIT: Gelungener Kompromiss aus Leichtbau und. Eigentlich ein ideales Renngerät, wäre da nicht der schwer verdauliche von knapp Euro für das Rahmenset ca Euro Knapp Gramm Rahmengewicht (Größe L, 57,6 Zentimeter) und eine Lenkkopfsteifigkeit von 69 Newtonmetern (Nm) pro Grad das kann sich sehen lassen. Der STW-Wert das Verhältnis von Lenkkopfsteifigkeit zu Gewicht erreicht mit 58 Nm pro Grad und Kilo das Niveau guter Alu-Rahmen; für einen Titanrahmen ist er herausragend. Um diesen Wert zu erreichen, gingen die Ingenieure der American Bicycle Group ans Limit des Materials. Die Wandstärke des Unterrohrs nimmt zur Rohrmitte hin so weit ab, dass schon leichter Druck von Daumen und Zeigefinger genügt, damit die Rohrwand flext dünner kann man beim Oversizing wohl nicht bauen. Was bei anderen Werkstoffen wegen der Gefahr von Beulen oder Knicken problematisch wäre, scheint bei Titan, das sehr widerstandsfähig gegen plastische Verformungen ist, möglich. Auf der Straße fährt das Ghisallo agiler als die Geometriedaten vermuten lassen; hier macht sich das niedrige Gesamtgewicht von 7,2 Kilo positiv bemerkbar. Mit der seitensteifen Gabel hält das Rad auch auf Abfahrten sicher die Spur; im Tretlager steht der Rahmen wie eine Eins. Verspielte Details sucht man beim Ghisallo vergeblich. Der Rahmen spricht Puristen an, die auf schnörkellose Optik stehen, auf saubere Verarbeitung und Schweißnähte ohne Makel. 7 Kraftübertragung (96 Nm/ ) 12 (1.185/ 469g) Punkte 61 7 (69 Nm/ ) (45 N/mm) MERLIN EXTRALIGHT FAZIT: Für Liebhaber klassischer Rennrad-Optik und gediegener Handwerkskunst, die ein in Grenzsituationen labiles Fahrwerk zu beherrschen wissen Der Extralight-Rahmen ist der Klassiker des Titan-Pioniers Merlin. Auch nach mehr als zehn Jahren hat er nichts von seinem optischen Reiz verloren. Der matte Glanz der gebürsteten Oberfläche fasziniert genauso wie die perfekten Schweißnähte. Liebevolles Detail: das ins Steuerrohr eingravierte Merlin-Logo mit dem Falken als Wappentier. Mit Gramm zählt der Extralight noch immer zu den Leichtgewichten unter den Titanrahmen. Im Vergleich mit dem Ghisallo der Konzernschwester Litespeed wird allerdings deutlich, dass die Konstruktion mit moderaten Rohrdurchmessern in die Jahre gekommen ist. Die Lenkkopfsteifigkeit von 60 Newtonmetern pro Grad liegt knapp unter dem Niveau klassischer Stahlrahmen. Sie wird zwar zum Teil ausgeglichen durch die seitensteife Gabel und das standfeste Vorderrad von Campagnolo, dennoch kann der Rahmen auf schnellen Abfahrten ein unerwünschtes Eigenleben entwickeln. Wir können ihn deshalb nur leichten, erfahrenen Piloten empfehlen. Denen passt auch die sportliche, die das Resultat aus gleich langem Sitz- und Oberrohr ist. Der lange Nachlauf macht das Lenkverhalten recht träge. Agiler würde das Rad durch eine größere Gabelvorbiegung; der Gabellieferant Reynolds hat entsprechende Modelle im Programm. 6 Kraftübertragung (86 Nm/ ) 10 (1.241/ 459 g) (60 Nm/ ) (46 N/mm) ca Euro Punkte T O U R 5/2004

6 MOOTS VAMOOTS-SL FAZIT: Im Finish nicht zu toppen. Den ordentlichen mechanischen Werten steht ein atemberaubender gegenüber. Mit anderer Gabel und seitensteiferen Laufrädern hätte das Moots mehr Freude gemacht Euro Handcrafted in Steamboat Springs steht auf der Kettenstrebe des Schönlings aus Colorado. Wie gut die Juweliere unter den Titanschmieden ihr Handwerk beherrschen, zeigen die unfassbar regelmäßig geschuppten Schweißnähte. Der tiefgraue Farbton des Rahmens resultiert aus der Verwendung nahtloser Rohre der hochfesten Titansorte TiAl6V4, die Moots nach eigenen Angaben als einziger Hersteller einsetzt. Unmittelbar spürbar ist der Unterschied zu anderen Titanlegierungen nicht. Neben der nicht mehr steigerungsfähigen Fertigungsqualität des Rahmens fallen am Komplettrad zwei Dinge auf: Das Gewicht von nur 6,4 Kilo und der astronomische von Euro. Um das Gewicht unter das UCI-Limit zu drücken, verbaute Importeur Rabbit Cycles alles, was in der Tuning-Szene einen Namen hat koste es, was es wolle: Tune-Bigfoot-Kurbeln mit Carbon-Kettenblättern, Schmolke-Carbon-Lenker, Speedneedle-Sattel, Tune-Laufräder mit 260 Gramm leichten Zipp-Carbon-Felgen, Tufo-Schlauchreifen und Nokon-Züge. Unter dem Leichtbau leiden jedoch die Fahreigenschaften. Obwohl im Lenkkopf steifer als der Merlin-Rahmen, neigt das Vamoots-SL stärker zum Aufschaukeln bei schneller Fahrt Folge der mäßig seitensteifen Gabel und des labilen Vorderrades. 8 Kraftübertragung (84 Nm/ ) (1.340/ 398 g) Punkte 56 7 (67 Nm/ ) (39 N/mm) SEROTTA LEGEND TI FAZIT: Das Serotta Legend TI macht seinem Namen Ehre und steht technisch solide jenseits aller Moden. Es verspricht Rennradfahren in einer seiner schönsten Formen Ein Rennrad-Unkundiger käme beim Anblick des Legend TI kaum auf die Idee, dass alleine der Rahmen so viel kostet wie ein guter Gebrauchtwagen. Aber ist das schlimm? Gepflegtes Understatement ist auch eine Tugend, und die beherrscht Serotta hervorragend. Wer genauer hinsieht, stellt schnell fest, dass dies nicht irgendein Rahmen von der Stange ist. Die Schweißnähte sind eine Augenweide, die filigranen hinteren Ausfallenden erinnern eher an feine Goldschmiedekunst als an tragende Teile eines Fahrradrahmens und selbst die Ausfallenden der Reynolds-Gabel sind aus Titan. Zum Farbton, der irgendwo zwischen Gold und Bronze liegt, setzen auflackierte Banderolen mit dem Serotta-Schriftzug um Unter- und Sitzrohr einen gelungenen Farbakzent für Freunde purer Optik gibt es den Rahmen auch blank. Das Modell Legend TI gibt es seit 1993, es war damals der erste Titanrahmen mit doppelt konifizierten Rohren. Inzwischen verwendet Serotta vierfach konifizierte Rohre mit größeren Durchmessern, was der Torsionssteifigkeit zu Gute kommt. Mit Gramm ist der Rahmen zwar schwerer als seine drei Test-Konkurrenten. In Kombination mit der seitensteifen Gabel und dem seitensteifen Eurus-Vorderrad von Campagnolo liegt er aber am souveränsten auf der Straße. 4 Kraftübertragung (93 Nm/ ) 12 (1.447/ 480 g) (72 Nm/ ) (49 N/mm) ca Euro Punkte T O U R 5/2004

7 ANBIETER Modell Komplettrad/Rahmenset Gewicht Komplettrad ohne Pedale (normiert) Händlernachweis Telefon www. Rahmenhöhen LIGHTSPEED Ghisallo 6.000/3.920 Euro (inkl. Steuersatz) 7,2 Kilo 1.185/469 Gramm American Bicycle Group 0 30/ litespeed.com S, M, M/L, L, XL MERLIN Extralight 5.000/3.300 Euro (inkl. Steuersatz) 8,0 Kilo 1.241/459 Gramm American Bicycle Group 0 30/ merlinbike.com 45-51, je 2 cm; 53-59, je 1 cm, 61/63 MOOTS Vamoots-SL 8.628/3.654 Euro 6,4 Kilo 1.340/398 Gramm Rabbit Cycles GmbH / rabbit-cycles.com 52 / 53,5 / 55 / 56 / 57,5 / 59 / 61,5 SEROTTA Legend TI 5.500/3.550 Euro 7,3 Kilo 1.447/480 Gramm US Competition / uscompetition.de 46 / 48-62, je 1 cm 72,8 56,2 72,9 73,8 56, ,5 57,3 73,2 73,1 57,0 73,4 GEOMETRIE 7,5 41,0 57,6 57,6 4,1 7,2 40,8 56,6 57,9 4,0 7,1 41,1 58,4 58,9 4,0 8,0 41,6 58,6 59,7 4,3 Fahrcharakteristik 99,5 6,0 99,0 6,1 99,0 6,0 100,0 5,5 AUSSTATTUNG ERGEBNIS Gabel Lenkkopflager Antriebsgruppe Laufräder Vorbau /Lenker Sattel/Sattelstütze Lack/Finish/ Bedienungsanleitung/Garantie Gesamtpunkte Rahmen Reynolds Ouzo Pro Vollcarbon Shimano Dura-Ace, zehnfach Mavic Ksyrium SL ITM Millenium/ ITM Millenium Selle Italia SLR Ti/Easton EC Reynolds Ouzo Pro Vollcarbon Campagnolo Chorus, zehnfach Campagnolo Proton ITM Mantis/ ITM Mantis Selle Italia Flite Ti/Easton EC Reynolds Ouzo Pro Light Vollcarbon Dura-Ace, Tune Big Foot-Tretlager Tune/Zipp Carbon f. Schlauchreifen Moots Titan/Schmolke Carbon Tune Speedneedle/Moots Titan 56 Reynolds Vollcarbon Serotta Campagnolo Record, zehnfach Campagnolo Eurus Deda Magic/Deda Spectrum AX-Lightness/AX-Lightness 59 T O U R 5/