1 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwi rkung Programm: 1 ) Vorbemerkung 2) Formen der Vergesel lschaftung 3) Wechselwi r
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1 Sommersemester 07 Zusammenfassung zur Vorlesung: "Soziale I nteraktion" PD Dr. Udo Thiedeke Die Form der Wechselwi rkung
2 1 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwi rkung Programm: 1 ) Vorbemerkung 2) Formen der Vergesel lschaftung 3) Wechselwi rkungen der I ndividuen 4) Zusammenfassung 1 ) Vorbemerkung - Wie bereits hi nsichtl ich elemenarer I nteraktionsmögl ichkeiten zu sehen war, argumentieren interaktionistische Ansätze immer in Hinblick auf die empirischen Wahrnehmungs-, Reflexions- und Reaktionsmögl ichkeiten von Menchen. - Wi r fi nden hier demzufolge ei nen engen Bezug zu sozial psychologischen, sozial phänomenologischen und pragmatischen, aber auch zu anthropologischen und ethnologischen Untersuchungsansätzen. - Es gi bt aber auch ei ne soziologische Grundlegung des I nteraktionismus, die wi r bei dem Soziologen Georg Simmel ( ) in seiner Formbildungstheorie finden, in der er Gesel lschaft aus den Wechserlwi rkungen der I ndividuen ableitet. - Der Begriff der "Wechselwirkung" hat dann in seiner englischen Übersetzung "I n- teraction" der ganzen Richtung den Namen gegeben. 2) Formen der Vergesel lschaftung - Für Simmel, in Berlin geboren, bleibt Zeit seines Lebens der Eindruck des Großstadtlebens besti mmend. Hier beobobachtet er die Problemati k der Ei nordnung des I ndividuums i n die moderne, beschleunigte Gesel lschaft. - Simmel studiert ab in Berlin Geschichte, Völkerspsychologie (die Vorläuferwissenschaft der Sozial psychologie), Phi losophie und Kunstgeschichte, was sei ne weitgespannten Forschungsi nteressen von Gruppenprozessen, über Emotionen, die Mode, die Kunst bis hin zum Geld zu begründen scheint promoviert er in Berlin, habilitiert er sich und lehrt dann an der dortigen Universität als unbesoldeter Privatdozent und außerplanmässiger Professor. Erst vier Jahre vor seinem Tod erhält er den Ruf auf eine ordentliche Professur an der Universität Straßburg. - I n Berlin ist Simmel für seine interessanten Vorlesungen bekannt, die zu gesellschaftl ichen Ereignissen werden und zusammen mit sei ner Frau Getrud Ki nel, die selbst philosophisch und literarisch tätig ist, führt er einen intellektuellen Salon.
3 2 - Sei ne Bedeutung für die Soziologie l iegt dari n, dass er theoretisch ei nen 'dritten Weg' zwischen i ntensional istischer Handl ungstheorie (wie etwa von Max Weber vertreten) und kol lektiv orientierter Strukturtheorie (wie wi r sie bei Durkhei m fi nden) ei nschlägt. - Er legt eine soziologische Theorie der Formbildung vor, in der Gesellschaft in einem Prozess der "Vergesel lschaftung" aus den Wechselwi rkungen der I ndividuen miteinander als Synthese sozialer Formen entsteht. - Simmel schreibt in seiner erschienenen "Soziologie" im Kapitel "Das Problem der Soziologie" (hier zitiert nach der Gesamtausgabe von 1 992, Bd. I I): "Soll es also eine Wissenschaft geben, deren Gegenstand die Gesellschaft und nichts anderes ist, so kann sie nur diese Wechselwirkungen, diese Arten und Formen der Vergesellschaftung untersuchen wollen". (1 992: 1 9) - Die Formen der Vergesel lschaftung stel len demnach ei ne eigene Qual ität der Sozialität dar, in die die ' I nhalte' des individuellen Handelns (gemeint sind damit die individuellen Motive) ebenso eingehen, wie die I ndividuen sich hier, in ihren wechselseitigen Beziehungen, veral lgemei nert und typisisiert erfahren (Si mmel spricht vom "Fragment", das wir für uns und andere seien). - Dass er die I ntensionen der I ndividuen als "I nhalte" aus der soziologischen Forschung ausblendet und sich auf das konzentriert, was zwischen den I ndividuen als Wechselwi rkung soziale Form gewi nnt, begründet Si mmel empi risch. - So können verschiedene I nhalte in eine Form eingehen. Der Streit kann etwa aus Niedertracht, aus altruistischen Motiven oder aus verletzter Ehre angezettelt werden. Es bleibt soziologisch aber immer die Form des Streits. [siehe schematisch Folie 1 ] - Ebenso kann sich auch ein I nhalt in verschiedenen Formen realisieren. Man kann versuchen seine Geltungssucht in einer Liebe, im Wettbewerb oder in der Geldwirtschaft zu befriedigen etc. - Da die Formen der Vergesel lschaftung die Art der Wechselwi rkung anzeigen, kann es sogar eine ' reine' Form der Vergesellschaftung geben, nämlich die Geselligkeit - also das Wechselwirken um der Wechselwirkung willen. - Si mmel konzi piert die i ndividuel le Betei l igung an der Wechselwi rkung dabei psychologisch, die I ndividuen erfahren zugleich ei n 'Tun' und ' Erleiden' der Formysnthese. - Soziologisch von I nteresse si nd aber nur die Wechselwi rkungen.
4 3 3) Die Wechselwi rkungen der I ndividuen - Für Si mmel kommt es nicht auf die motivationale Qual ität der Wechselwi rkungen an oder ob sie von langer Dauer sind etc. Das hat Auswirkungen auf die empirische Ausprägungen der Formen (so kann eine Liebe eng oder oberflächlich sein), nicht jedoch auf das Faktum, dass die soziale Form der Vergesel lschaftung erst durch Wechselwi rkung und nicht schon aufgrund der Motive zustande kommt. - Ei ne Soziologie der Vergesel lschaftung hat daher die unterschiedl ichen Formen der Wechselwi rkungen anhand i hrer spezifischen Perspektiven zu beobachten. [siehe Folie 2] - Wie aber kann es durch Wechselwi rkung zur Formbi ldung kommen, wenn nicht durch die Intensionen der beteiligten I ndividuen? - Simmel begründet dies in seinem berühmten Exkurs "wie ist Gesellschaft möglich" in seiner "Soziologie" aus einer Fähigkeit der I ndividuen zur Wechselwirkung, die in elementare Grunderfahrungen ei nes Bewusstsei ns der Vergesel lschaftung münden. Mit Bl ick auf Kant bezeichnet er diese als "soziale Aprioris". - Das mei nt: Die soziale Wechselwi rkung ist schon apriorisch (von vornherei n) i m sozialen Bewusstsei n der I ndividuen verankert. - Sie erfahren dies als: soziale Veral lgemei nerung, Dialekti k der Vergesel lschaftung und Ungleichheit der Gesel lschaftselemente. [siehe Folie 3] - Wei l sich al le i hr 'Tun' und ' Erleiden' i m Horizont dieser sozialen Aprioris entfalten, sind sie zur sozialen Wechelwirkung in der Lage. - Für i hr Zustandekommen bedarf Gesel lschaft also kei ner externen I nstanzen, sie entsteht erst und verändert sich erst in der sozialen Wechselwirkung, zu der alle grundsätzl ich fähig si nd. - Bei Simmel begegnet uns somit eine Denkfigur, wie wir sie ähnlich in der Sozialphänomenologie antreffen, mehr noch aber i n der sozial psychologischen Deutung sozialer I nteraktionen bei George Herbert Mead. Und es überrascht nicht, dass Si mmel vor al lem den sozial psychologischen und pragmatischen I nteraktionismus i n den USA, vermittelt z. B. über Albinon Small und Robert E. Park, stark inspiriert hat. 4) Zusammenfassung - [siehe zur schematischen Übersicht über die Form der Wechselwirkung Folie 4] Literatur Georg Si mmel, 1 992: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesel lschaftung. Georg Si mmel Gesamtausgabe, Bd. I I, hrsg. v. Otthei n Rammstedt. Frankfurt/M.
5 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwirkung Folie 1 Beziehung von Form und Inhalt der Vergesel lschaftung bei Simmel Vergesel lschaftung Gesellschaft Individuen Form I nhalt(e) Z. B. Streitsucht Z. B. Gewi nnstreben Der Streit Ehrgefühl Eifersucht Engagement Altruismus
6 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwirkung Folie 2 Soziologische Beobachtungsperspektiven der Wechselwi rkung bei Georg Si mmel 1 ) Relation (sozial konstitutiv si nd die Beziehungen der I ndividuen oder Gruppen) 2) Zi rkularität (soziale Elemente können sich wechselseitig sti mul ieren) 3) Dynami k (soziale Ordnungen si nd i n ständigem Wandel begriffen) 4) Überi ndividual ität (I ndividuen si nd 'soziale Fragmente')
7 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwirkung Folie 3 Die "sozialen Apriori " der Vergesel lschaftung bei Georg Si mmel 1. Apriori : soziale Verallgemeinerung (der/die andere wi rd grundsätzl ich veral lgemei nert, als Typ, z. B. als Gruppenmitgl ied, wahrgenommen). 2. Apriori : Dialektik der Vergesellschaftung (I ndividuen si nd als I ndividuen zugleich Mitgl ieder und Nichtmitgl ieder der Gesel lschaft). 3. Apriori : Ungleichheit der Gesellschaftselemente (alle I ndividuen sind ungleich begabt oder orientiert, finden aber gerade deshalb ihren spezifischen Platz in der Gesellschaft).
8 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Die Form der Wechselwirkung Folie 4 Schematische Übersicht zum Prozess der Vergesel lschaftung Form der Vergesel lschaftung I ndividuum A Wechselwi rkung / I nteraktion I ndividuum B [ ] I nhalte der Wechselwi rkung / soziale Apriori I nhalte der Wechselwi rkung / soziale Apriori
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