Erfahrungsbericht Lund 2011/12

Transkript

1 Erfahrungsbericht Lund 2011/12 Ein Jahr studieren und leben in Schweden

2 Vorbereitung und Anreise Im Frühjahr 2011 stand fest, dass ich für zwei Semester an die Universität Lund nach Schweden gehen werde. Ab dann hieß es, meinen Auslandsaufenthalt zu organisieren. Dies erwies sich allerdings als relativ einfach, da einen sehr großen Teil der Organisation die Koordinatoren an der Heimathochschule und an der Gasthochschule übernahmen. Ich musste mich lediglich an der Gasthochschule einschreiben, meine Kurse wählen und mich entscheiden, ob ich an einem Mentoren-Programm teilnehmen möchte, bei dem sich Studenten aus Lund für uns Austauschstudenten Zeit nehmen und uns Lund und die Universität näher bringen. Dann hieß es noch abzuklären, wie ich in Schweden versichert bin: alle Austauschstudenten sind bis zu einer gewissen Summe über die Universität Lund versichert. Letzten Endes war nur noch zu klären, wie ich nach Schweden kommen soll. Es boten sich drei Möglichkeiten an. Entweder nach Kopenhagen fliegen (der Flughafen ist ca. 40 min. Bahnfahrt von Lund entfernt), die Bahn nehmen oder mit dem Auto anreisen. Ich habe mich schlussendlich für letzteres entschieden, damit ich vor Ort auch mobil bin und zum Beispiel auch Wochenendausflüge machen kann, um Schweden so noch ein bisschen besser kennen zu lernen. In Lund selbst braucht man kein Auto. Von Hamburg ist man in gut 6 Stunden (mit dem Auto oder mit der Bahn) in Lund. Leben in Lund Unterbringung und Verpflegung Kurz nachdem ich die Zusage bekommen habe, nach Lund gehen zu dürfen war klar, dass ich mich schnell um eine Wohnung kümmern musste. Im Vorfeld haben mich schon all diejenigen, die schon einmal ein ERASMUS Semester in Lund absolviert haben oder selbst aus Lund kommen, gewarnt, dass es nicht einfach ist, dort eine Wohnung oder ein Zimmer zu bekommen. Lund als Studentenstadt hat zu viele Studenten und zu wenig Wohnraum. Meine erste Anlaufstelle war das Anmelden für ein Zimmer in einem Studentenwohnheim gleich bei der Online-Einschreibung für die Universität beim International Housing Office (IHO). Dies verteilt Zimmer an Austauschstudenten in einem der zahlreichen Studentenwohnheime. Leider habe ich durch das IHO nur einen Platz auf der Warteliste bekommen. Also hieß es weitersuchen. Drei Wochen vor meiner Abreise nach Lund hat

3 mir das IHO zwei Wohnungen in Helsingborg angeboten. Die Universität Lund hat dort auch einen Campus, aber mit der Bahn ist man ca. 1 Stunde unterwegs und ich würde es keinem raten, dort eine Wohnung anzunehmen, da man das Studentenleben anders wahrnimmt, wenn man auch in Lund wohnt und nicht darauf achten muss, zum Beispiel den letzten Zug nach Helsingborg zu bekommen. Einigen wurde auch eine Wohnung in Malmö angeboten. Der Zug nach Malmö braucht nur ca. 15 Minuten. Dies wäre eine annehmbare Alternative. Daher musste ich weitersuchen. Zwei Wochen vor meiner Abfahrt nach Schweden hatte ich Glück und habe ein Zimmer in einer Vierer-Studenten-WG bekommen. Die WG war mitten in der Stadt und daher leider auch mit 4500 SEK (umgerechnet ca. 500 Euro) teurer als die Zimmer in Studentenwohnheimen (ca. 300 bis 400 Euro). Dafür hatte man eine saubere und einigermaßen ruhige Wohnung. Findet man eine Wohnung in Lund, sollte man direkt zusagen und nicht allzu wählerisch sein. Viele Freunde von mir dort haben die ersten Wochen (!) entweder in der Jugendherberge o- der auf dem Boden von Freunden schlafen müssen, bevor sie ein Zimmer gefunden haben. Die Universität Lund gibt leider keine Garantie dafür, dass alle ERASMUS-Studenten einen Platz in einem ihrer Wohnheime bekommen. Soweit ich es mitbekommen habe, hatten nur Studenten aus Amerika und Australien ein Anrecht auf einen Platz im Studentenwohnheim. Also sollte man, wenn man sich für Lund entscheidet, frühzeitig nach Wohnungen und Zimmern Ausschau halten. Verpflegen konnte man sich in Lund gut und nachdem man rausgefunden hat, wo und wann es die besten Preise gibt, auch relativ günstig. Eine Mensa, so wie wir sie in Hamburg haben, gibt es dort nicht. Jedoch gibt es in Lund Nationen, eine Art schwedische Studentenverbindungen (die nichts mit den deutschen Studentenverbindungen zu tun haben, aber später mehr dazu), die täglich ein Mittagessen für 35 SEK anbieten, ca. 4 Euro für Getränk, Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch und Kaffee. Der einzige Nachteil ist, dass Lunch um 12 Uhr beginnt und man meist schon um 11:45 dort sein muss, um noch einen Platz und Essen zu bekommen. In den Nationen kochen die Studenten ehrenamtlich für die anderen Studenten und daher gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Essen, die sie pro Tag ausgeben. So hieß es also des Öfteren, um halb zwölf Schlange stehen... Wenn man eher nicht so früh essen, möchte kann man auch in eines der unzähligen Cafés in der Stadt gehen und dort zu einigermaßen humanen Preisen essen. Natürlich kann

4 man auch selber kochen. Die zahlreichen Supermärkte wie Coop und ICA haben alles, was man braucht, und sind auch am Sonntag geöffnet. Wenn man in Schweden lebt, gehört das tägliche Fika (Kaffeetrinken) unbedingt zum Alltag dazu. Gegen 4 Uhr ist es jedoch immer ein Glückspiel, noch ein Platz in einem der Cafés zu bekommen. Alles in allem sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Vergleich zu Hamburg höher. Jedoch muss man auch bedenken, dass man während eines solchen ERASMUS- Aufenthaltes auch vergleichsweise mehr unternimmt. Studium Die Universität in Lund ist recht groß. Jedoch habe ich mich nach wenigen Tagen schon relativ gut zurecht gefunden. In der ersten Woche haben wir eine Einführungstour durch die Gebäude der juristische Fakultät bekommen, die inmitten der Stadt sehr schöne Gebäude hat. Danach konnte man sich sehr gut orientieren. Die juristische Fakultät ist nur 2 Minuten von der Kathedrale entfernt, die Quasi den Mittelpunkt der Stadt bildet. Schon als ich noch zu Hause in Hamburg war, konnte ich mich für die Kurse in Lund anmelden. Das Semester dort ist in zwei Hälften aufgeteilt. Die erste Hälfte geht von September bis Mitte November und die zweite von Mitte November bis Ende Januar (endsprechend auch im Sommersemester). In jedem Abschnitt belegt man an der juristischen Fakultät einen Kurs a 15 ECTS Punkten, so dass man sich pro Halbjahr für zwei Kurse entscheiden muss. Wenn man noch einen Sprachkurs mit 7,5 ECTS Punkten dazu wählt und am Anfang des Semesters noch einen Einführungskurs in die schwedische Sprache mit 3,5 ECTS Punkten macht, der auch sehr gut ist um neue Leute kennen zu lernen, ist es recht einfach auf die für ERASMUS und den Freischuss erforderlichen 30 ECTS Punkte pro Semester zu kommen. Die meisten Kurse verfügten über eine Internetseite, so dass man sich ein sehr gutes Bild über die Inhalte der Kurse machen konnte. Bei einigen stand auch schon fest, wann die Klausuren, mündlichen Prüfungen oder Hausarbeiten sein werden. Nachdem man die Kurse dann von zu Hause aus gewählt hat, musste man organisatorisch nicht mehr viel machen. Das meiste wurde von den Koordinatoren an der Heimathochschule und an

5 der Gasthochschule übernommen. Am Anfang des Semesters wäre es auch noch sehr einfach gewesen, einen anderen Kurs zu wählen oder in andere Kurse zu wechseln. Die Kurse in Lund können nicht mit einer Vorlesung in Hamburg verglichen werden. Ein Kurs ist mit ca. 20 Wochenstunden um einiges intensiver als eine Vorlesung in Hamburg. Der erste Kurs, den ich gewählt habe (Introduction to Swedish law), war ausschließlich von Austauschstudenten besucht und hatte eine Größe von ca. 25 Studenten. Die Atmosphäre und in den Kursen, die ich während meines Jahres in Lund besucht habe, war sehr gut und sehr entspannt. Die Kursleiter haben sich viel Zeit für uns genommen und bei Problemen immer sehr gut und sehr schnell geholfen. Hat man ihnen zum Beispiel freitagabends eine geschrieben, kam am Samstagmorgen schon die Antwort. Konnte man bei Prüfungen nicht anwesend sein, haben sie einfach einen neuen Termin mit einem ausgemacht. Der Unterricht an sich war eher frontal. Doch kam es auch sehr stark auf die Dozenten an, wie sehr die Studenten mit eingebunden wurden. Jeder Kurs hatte einen Hauptdozenten; doch hatten wir auch sehr oft Gastdozenten aus der ganzen Welt, die alle sehr gut vorbereitet waren und einen sehr guten Unterricht gemacht haben. Unterrichtsmaterial wurde in großen Mengen ausgehändigt und war auch online verfügbar. In meinem Jahr in Lund musste ich 3 Essays à 25 Seiten schreiben, einen Gruppenessay, hatte zwei mündliche Prüfungen und eine schriftliche. Dadurch dass man immer nur einen Kurs zur Zeit hatte, konnte man sich auch sehr gut auf ihn und die Prüfungen vorbereiten. Im Jahr gibt es aufgrund der Regelung mit den vier Teilabschnitten im akademischen Jahr auch vier Prüfungsphasen. Nachprüfungen hätte man zeitnah an die durchgefallene Klausur schreiben können. Die Abteilung einheimische und internationale Studierende hat sich sehr für die Austauschstudenten eingesetzt. Man hat zu jeder Zeit gemerkt, dass Lund einen großen Wert auf Austauschstudenten legt und dass sie versucht haben, uns zu integrieren und uns die schwedische Kultur näher zu bringen. Es wurden viele Ausflüge organisiert und Themenabende und Informationsmärkte angeboten. Auch hat sich die Studentenvereinigung der Juristen in Lund eingesetzt, uns Austauschstudenten ein schönes Semester zu bereiten. Leider werden außer dem Fremdsprachenzertifikat keine der erbrachten Leistungen für mein Studium in Hamburg anerkannt.

6 Alltag/Freizeit Das Studentenleben in Lund ist nicht mit dem Studentenleben in Hamburg zu vergleichen. Ca. 50 Prozent der Einwohner Lunds sind Studenten und alle Studenten sind in einer der vorher erwähnten Nationen Mitglied. Lund verfügt über insgesamt 13 Nationen, wobei 12 der Nationen sich unter einer Oberorganisation Studentlund zusammengefunden haben. Eine Nation spiegelt immer eine Provinz oder Stadt in Schweden wieder. So findet man in Lund die Lund Nation, Malmö Nation oder auch die Östgöta Nation, bei der ich Mitglied war. Sie organisieren ehrenamtlich das gesamte Studentenleben. So werden immer Lunchs angeboten, Abendessen, Cafés, Pubs, Clubs, Sport, Ausflüge und vieles mehr. Tritt man einer Nation bei, kann man auch in alle anderen 11 Nationen die unter Studentlund stehen gehen. Wer nicht Mitglied einer Nation ist und keine Gästekarte hat, darf nicht an den Aktivitäten teilnehmen. Wenn man selber in den Nationen arbeiten möchte, um zum Beispiel für das Abendessen zu kochen oder beim Club hinter der Bar zu stehen, kann man dies auch sehr gerne machen. Man bekommt dann am Ende meist ein Essensgutschein und wird zu einem sogenannten Tacksittning eingeladen. Das ist ein Dankes-Abendessen in großer Gruppe mit viel Gesang (die Schweden lieben es zu singen - vor allem ihre Trinklieder) und Getränken. Meist muss man sich auch für ein solches Sittning verkleiden (die dritte große Leidenschaft der Schweden - nach Trinken und Singen - ist Verkleiden). Lund ist eine sehr sichere Stadt. Ich hatte nie Angst oder habe mich unwohl gefühlt, wenn ich abends oder nachts alleine durch die Stadt gelaufen oder gefahren bin. Anders verhält es sich in Malmö. Persönlich habe ich es dort noch nie mitbekommen, mir haben aber sehr viele Schweden berichtet, ich solle mich doch abends und nachts von Malmö fern halten. Öffentliche Verkehrsmittel sind in Lund sehr gut. Busse fahren häufig und auch meist pünktlich. Jedoch kommt man in Lund immer noch am besten mit dem Fahrrad zu seinem Ziel. Laut einem Zeitungsartikel kommen in Lund pro Einwohner ca. 1 ½ Fahrräder. Wer jedoch lieber mit dem Bus fährt, kann dies auch tun und sich dafür eine sog. Jojo- Card besorgen. Ein Semesterticket, wie es in Hamburg den Studenten zur Verfügung steht, gibt es nicht. Die Jojo-Card ist eine Art Geldkarte, mit der man dann sein Ticket bezahlt und die man ab und an wieder aufladen muss.

7 Fazit Nach 10 Monaten in Lund blicke ich auf eine Zeit zurück, die mich vor allem persönlich sehr viel weiter gebracht hat. Natürlich war diese Zeit auch ein fachlicher Gewinn. So wurden zum Beispiel meine Englisch- und Schwedischkenntnisse verbessert. Zudem habe ich vier sehr gute juristische Kurse besucht, die mir einen tieferen und sehr interessanten Einblick in das skandinavische Rechtssystem gegeben haben. Außerdem habe ich mein Wissen in dem Gebiet des internationalen Rechts verbessern können und habe durch mündliche Prüfungen und Essays, die ich zu Hause schreiben musste, Prüfungsmethoden kennen gelernt, mit denen ich bisher im Studium noch nicht vertraut war. Leider werden mir, wie ich zuvor schon erwähnt habe, keine der Kursergebnisse auf mein Studium in Hamburg angerechnet. Doch sehe ich das von einigen Freunden anfängliche Bedenken, dieses Jahr würde mich in meinem Studium in Hamburg nicht weiterbringen, als nicht erwiesen. Zwar habe ich keine Pflichtkurse für das Hauptstudium abgehakt, jedoch eine Menge wissenswertes für mein Studium dazugelernt, was mir, wäre ich in Hamburg geblieben, verwehrt geblieben wäre. Persönlich hat mich das Jahr in Schweden insofern weiter gebracht, als dass ich sehr viel selbstständiger und selbstsicherer geworden bin. In ein anderes Land zu ziehen, mit einer anderen Sprache, in eine Stadt, in der man niemanden kennt, und dort zu versuchen (und es letztlich auch zu schaffen) ein Leben aufzubauen, verlangt von einem, selbstständiger und selbstsicherer zu werden. Auch aus diesem Grund kann ich zum Schluss nur sagen, dass meine Auslandsaufenthalt eine sehr gute Entscheidung war. Auch dass ich für zwei (und nicht nur für ein Semester) in Lund war, sehe ich im Nachhinein als richtige Entscheidung an. Das zweite Semester hat sich sehr von dem ersten unterschieden. Nicht nur weil man im zweiten Semester wieder eine Menge neuer Austauschstudenten kennen lernt, sondern auch weil man sich in der gesamten Zeit dem Land und der Stadt viel mehr verbunden fühlt. Ich habe dort zehn Monate verbracht und habe mich am Ende in Schweden zu Hause gefühlt. Alles in allem kann ich nur empfehlen nach Lund zu gehen und dort eine phantastische Zeit zu haben.