25. Deutscher Verwaltertag Sanierung im Bestand: Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum
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- Karlheinz Schubert
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1 25. Deutscher Verwaltertag Sanierung im Bestand: Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum Prof. Dr. Florian Jacoby Berlin, 8. September 2017
2 Ordnungsmäßige Sanierung Wenn ein Gebäudeteil im gemeinschaftlichen Eigentum steht, dann haben grundsätzlich die Wohnungseigentümer - in der Eigentümerversammlung über die Instandhaltung und Instandsetzung zu entscheiden (Verwaltung, 21 WEG) und - die Kosten der Maßnahme nach Miteigentumsanteilen zu tragen (Kostentragung, 16 Abs. 2 WEG). Abweichungen durch Vereinbarungen (Teilungserklärung) sind möglich, 10 Abs. 3 WEG. Für allgemeine Beschlüsse fehlt es an einer gesetzlichen Beschlusskompetenz ( 16 Abs. 4 WEG: Einzelfall ). Folie 2
3 Abgrenzung Sondereigentum Wenn ein Gebäudeteil im Sondereigentum steht, dann hat der Sondereigentümer - zu entscheiden und - die Kosten (aus seiner eigenen Beauftragung) selbst zu tragen, Vereinbarungen können theoretisch Abweichendes bestimmen. Beschlüsse der Wohnungseigentümer seien sie allgemein oder für den Einzelfall sind mangels Beschlusskompetenz nichtig. Folie 3
4 Beispiel In einer Tiefgarage sind die Fahrbleche der Doppelparker teils aufgrund von Korrosion sanierungsbedürftig, alle lediglich verzinkt. Die Eigentümer beschließen die Sanierung mittels feuerverzinktem Stahlblech zu Lasten der Instandhaltungsrückstellung. Eigentümer E ist mit der Sanierung seines Parkers nicht einverstanden. Die Maßnahme wird durchgeführt. Die Eigentümer beschließen, dass jeder Sondereigentümer die auf die Erneuerung seiner Fahrbleche entfallenden Kosten tragen müssen. E zahlt nicht, die Gemeinschaft verklagt ihn. Folie 4
5 Lösung LG München I v S 1504/12 WEG: Das zur Hebebühne einer Doppelstockgarage gehörende Fahrblech ist - soweit es entfernt werden kann, ohne die Funktionsfähigkeit der Hebeanlage im Übrigen zu beeinträchtigen - sondereigentumsfähig. LG München I v S 12786/15: Setzt die Gemeinschaft (bzw. der Verwalter für die Gemeinschaft) im irrigen Glauben, es handele sich um Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum (Doppel- Parker) gegen den Willen des Sondereigentümers instand, so kann sie hierfür grundsätzlich keinen Bereicherungsausgleich verlangen. Alle Beschlüsse sind nichtig. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht (mangels Alternativlosigkeit). Folie 5
6 Fragestellungen I. Frage 1: Was gehört wem? Die Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum II. Frage 2: Was zählen abweichende Vereinbarungen der Eigentümer? Der Vorrang der Teilungserklärung Folie 6
7 I. Was gehört wem? Bestandteile der zum Sondereigentum zählenden Räume sind grds. Sondereigentum ( 5 Abs. 1 WEG). Ausnahmsweise sind die Bestandteile Gemeinschaftseigentum, wenn - Veränderung wäre Beeinträchtigung isv 14 ( 5 Abs. 1 WEG), - Äußere Gestaltung des Gebäudes bestimmt ( 5 Abs. 1 WEG), - Für Bestand oder Sicherheit erforderlich ist ( 5 Abs. 2 WEG), - Dient zum gemeinschaftlichen Gebrauch ( 5 Abs. 2 WEG), - Zu Gemeinschaftseigentum erklärt ( 5 Abs. 3 WEG). Folie 7
8 Versorgungsleitungen BGH v V ZR 57/12: Versorgungsleitungen, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind, stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum, soweit sie im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums verlaufen. Das gilt auch dann, wenn ein Leitungsstrang ausschließlich der Versorgung einer einzelnen Wohnung dient. Zu dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz gehören die Leitungen nicht nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums ( ), sondern jedenfalls bis zu der ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit. Folie 8
9 Weitere Aussagen des BGH BGH v V ZR 176/10: Heizkörper und dazugehörige Leitungen zum Anschluss an eine Zentralheizung sowie Heizungs- und Thermostatventile und ähnliche Aggregate können im Sondereigentum stehen. BGH v V ZR 75/11: Das an einer Doppelstockgarage gebildete Sondereigentum erstreckt sich auf die dazugehörige Hebeanlage, wenn durch diese keine weitere Garageneinheit betrieben wird. BGH v V ZR 212/12: Wohnungseingangstüren stehen im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer. BGH v V ZR 46/13: Kellerausgangstür, Nebenausgangstür und Fenster stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum. Folie 9
10 Weitere Bauteile Wohnungsabschlusstür Klingel - Tür ist insgesamt Gemeinschaftseigentum, - dazu zählt als Teil der Tür Drückgarnitur, - nach hm aber nicht der Schließzylinder (solange nicht Teil einer Schließanlage). - herkömmlich Sondereigentum wegen räumlicher und funktioneller Zusammenhang durch Klingeldraht, - aber Versorgungsleitungsrechtsprechung spricht für Gemeinschaftseigentum. Folie 10
11 Liste äußere Gestaltung Gemeinschaftseigentum - Außenfassade, - Markisen, - Außenrollläden, - Rollladengurt und Gurtführung (wegen Einheitlichkeit, str.). Sondereigentum (mangels äußerer Gestaltung): Innenjalousie. Folie 11
12 Liste Balkon Gemeinschaftseigentum - Balkonbrüstung, - Decke, - Balkontür, - Bodenplatte, - Isolierschicht, - Abdichtungsanschlüsse, - Seiten- und Trennwände. Sondereigentum - Innanstrich, - Bodenbelag. - Mörtelbett. Folie 12
13 Liste Fenster Gemeinschaftseigentum - Glas, - Fassung, - Rahmen, - auch Innenseiten, - auch Verbundglasfenster, - Fenstergitter, - Fensterläden. Sondereigentum - Innenfenster bei echten Doppelfenstern, - Innenanstrich von Holzfenstern. Folie 13
14 Folgerungen Was halten Sie von folgenden Aussagen: 1. Die Wasserleitung ist ab Abzweig Hauptstrang Sondereigentum, so dass der dadurch versorgte Sondereigentum verantwortlich ist. Falsch! 2. Der Eigentümer muss für den Ersatz seines zerschlissenen Gurts des Rollladens selbst sorgen. 3. Sind die Balkone marode, sind für die Sanierung alle Eigentümer einschließlich derer, die keinen Balkon haben, verantwortlich. Falsch! Richtig! Folie 14
15 II. Abweichende Vereinbarungen 1. Vereinbarungen zur Kostentragung 2. Vereinbarung über die Instandsetzungsverantwortlichkeit 3. Vereinbarungen über die Zuordnung zu Sondereigentum Folie 15
16 1. Kostenverteilung Beispiel: In der Teilungserklärung heißt es u. a.: Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.b. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), werden auf dessen Kosten instand gesetzt und instand gehalten. Folge: Über die Maßnahme hat die Eigentümerversammlung zu beschließen, die Kosten sind abweichend von 16 Abs. 2 WEG den betroffenen Eigentümern aufzuerlegen. Folie 16
17 2. Verwaltungszuständigkeit BGH v V ZR 46/13: Die genannten Bestimmungen verpflichten den einzelnen Wohnungseigentümer zur Instandhaltung und Instandsetzung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Türen und Fenstern, die sich im Bereich seines Sondereigentums befinden; BGH v V ZR 174/11: Damit wird nicht nur die Kostenlast geregelt (zu einer derartigen Regelung vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni V ZR 2/10), sondern auch die Verwaltungsbefugnis im Hinblick auf diesen Teil des Gemeinschaftseigentums. Folie 17
18 Beispiel 1 In der Teilungserklärung heißt es u. a.: Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.b. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), sind von ihm auf seine Kosten instand zusetzen und in standzuhalten. Grundsätzlich hat der Eigentümer die Maßnahme (Fensteraustausch) selbst vorzunehmen, ein Beschluss der Eigentümer kann wegen Verstoßes gegen Eigentümerkompetenzen anfechtbar sein (Kostenrisiko?). Folie 18
19 Beispiel 2 Durch das Sondereigentum des Eigentümers K führt ein Rohr, das zur gemeinschaftlichen Heizungsanlage zählt. Dieses Rohr platzt. Nach einer Vereinbarung der Eigentümer sind die Eigentümer zur Instandhaltung [aber nicht zur Instandsetzung] von gemeinschaftlichem Eigentum im Bereich ihres Sondereigentums verpflichtet. Wer hat das Rohr instand zu setzen? Folie 19
20 Lösung Beispiel 2 BGH v V ZR 124/16: Unterscheidet die Gemeinschaftsordnung begrifflich zwischen Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören, und weist sie nur die Pflicht zu deren Instandhaltung einem Sondereigentümer zu, ist die Instandsetzung im Zweifel Sache der Gemeinschaft. Die Teilungserklärung betrifft diesen Fall der notwendigen Instandsetzung also nicht. Weil das Rohr gemeinschaftliches Eigentum ist, muss die Gemeinschaft tätig werden. Folie 20
21 3. Sondereigentumszuweisung In einer Teilungserklärung heißt es: a) Außenfenster einer Sondereigentumseinheit zählen zum Sondereigentum. b) Versorgungsleitungen gehören ab dem Abzweig vom Hauptstrang, von wo ab sie nur noch der Versorgung einer Sondereigentumseinheit dienen, zum Sondereigentum dieser Sondereigentumseinheit. Folie 21
22 Indessen Die gesetzliche Regelung in 5 WEG ist abweichend: - BGH v V ZR 57/12 zu Versorgungsleitungen, - BGH v V ZR 46/13: zu Fenster. Das Gesetz ist zwingend, BGH v V ZR 57/12: 5 Abs. 3 WEG lässt nur umgekehrt die Zuweisung von Bestandteilen zum Gemeinschaftseigentum zu. Die gesetzliche Zuweisung von Bestandteilen zum Gemeinschaftseigentum durch 5 WEG ist indes zwingend und kann nicht durch Vereinbarung verändert werden. Also sind diese Bauteile Gemeinschaftseigentum, so dass grds. die Verantwortung aller Eigentümer nach 16, 21 WEG greift. Folie 22
23 Umdeutung Im Wege der Umdeutung wird gefragt, ob die Eigentümer das von ihnen gewollte wirtschaftliche Ergebnis durch einen weniger weitreichende zulässige Vereinbarung hätten erreichen können. Das lässt mit guten Gründen bejahen, wenn man annimmt, dass die Eigentümer wollten, dass die Sondereigentümer die Verantwortung für Fenster und Versorgungsleitungen trifft, diese also Instandsetzungsverantwortlich werden sollten. Dagegen lässt sich behaupten, die Regelung wollte nichts verändern, sondern nur das ohnehin Geltende feststellen. Folie 23
24 Keine einheitliche Rechtsprechung OLG Karlsruhe v WX 115/08: Ist die Zuweisung von Bauteilen zum Sondereigentum dinglich unwirksam, kann die gem. 140 BGB gebotene Umdeutung für Bauteile im räumlichen Bereich des Sondereigentums ergeben, dass für sie die Erhaltungspflicht auf eigene Kosten bei den jeweiligen Wohnungseigentümern liegen soll. LG München I v S 26400/11: Die Unwirksamkeit einer Sondereigentumszuordnung hat nach 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG zur Folge, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Erhaltung zuständig ist und die Wohnungseigentümer gem. 16 Abs. 2 WEG die damit verbundenen Kosten nach Miteigentumsanteilen zu tragen haben. LG Dortmund v S 178/13: Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene nichtige Regelung, wonach Fenster zum Bestandteil des Sondereigentums gehören, kann im Einzelfall im Wege der Umdeutung dahin verstanden werden, dass die Kostenlast für die jeweilige Maßnahme denjenigen Wohnungseigentümern aufgebürdet wird, in deren Wohnung sich die zu erneuernden oder zu wartenden Fenster befinden. Voraussetzung dafür ist jedoch das Bestehen einer weiteren Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum auf seine Kosten in standzuhalten und instand zusetzen hat. Folie 24
25 Verwaltertipp Der selbstbewusste Verwalter kann sich pro/contra Umdeutung entscheiden, um diese Sicht souverän vor den Eigentümern zu vertreten (ggf. auch um seine bisherige Praxis zu rechtfertigen). Der sicherheitsorientierte Verwalter sollte den Eigentümern das Rechtsproblem schildern und um eine Weisung bitten (vgl. BGH v V ZR 152/15 Rn. 13), - wie er verfahren soll, - bis die Rechtsfrage von einem Gericht verbindlich geklärt wird. Folie 25
26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, Bielefeld
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